Mit ‘Georg Tressler’ getaggte Beiträge

klettEpisode 25: Der Mord an Frau Klett (Dietrich Haugk, Deutschland 1970)

In einem Müllcontainer findet ein Obdachloser auf der Suche nach Essbarem die Leiche einer älteren Dame. Kommissar Keller und seine Leute identifizieren sie schnell als Frau Klett (Else Knott) und machen die Wohnung ausfindig, in der sie zur Untermiete lebte. Doch ansonsten ist nichts über sie in Erfahrung zu bringen. Auch als ihr Sohn Willi (Vadim Glowna) auftaucht, gibt es nur mehr Fragen und keine Antworten …

Eine Episode voller Hoffnungslosigkeit und Tristesse. Es beginnt mit dem Bild des Obdachlosen, der Hinterhöfe und Mülltonnen nach Verwertbarem durchsucht, setzt sich mit der Frauenleiche in der Mülltonne fort und endet beim Schicksal der weiteren Figuren, allesamt vom Leben Betrogene und Vergessene. Da ist etwa der 64-jährige Herr Wachsner (Alfred Balthoff), bei dem das Opfer zur Untermiete wohnte, Kellner in einer schäbigen Pinte, die wenigen verbliebenen Haare mit Brllantine am kohkopfartigen Schädel festgeklebt, der bei seinem Job laut eigenem Bekunden einmal um die Welt gelaufen ist und in Angst einer Zukunft in bitterer Armut und Einsamkeit entgegensieht. Oder eben das Opfer, eine traurig dreinblickende Frau ohne Freunde oder Erfüllung – das einzige, was man bei ihr findet, ist die Nummer der Telefonseelsorge – und einer Familie, die nichts über sie zu sagen weiß. Ihr Mann (Hanns Ernst Jäger) lebt unter einer Brücke und seinen Lebensunterhalt bestreitet er damit, vor dem Zoo Tierstimmen zu imitieren. Das desolate Bild einer im Verschwinden begriffenen Generation hinterlässt auch bei den Protagonisten seine Wirkung: Klein sagt einmal, er habe jetzt erst begriffen, wie furchtbar Mord sei, Keller selbst wird mehr als einmal eingefangen wie er wortlos und in sich versunken nachdenkt, dem sonst so coolen Heines macht die Eigenschaftslosigkeit der Klett sogar Angst.

Es ist eine blöde Phrase, aber „Der Mord an Frau Klett“ scheint mir mit seiner Thematisierung von Altersarmut nach 45 Jahren zu neuer Aktualität zu gelangen, schließlich dürfen sich Millionen von Deutschen, die nicht das nötige Kleingeld für eine private Altersvorsorge haben, mit der Idee befassen. Der Unterschied liegt wohl vor allem in den Gesichtern. In der furchigen Visage eines Herr Wachsner spiegeln sich die Entbehrungen der Kriegsjahre und jahrzehntelanger körperlicher Arbeit, während eine Frau Klett oder ihre Nachbarin Frau Schilp (Hilde Volk) durch ihre „Gattenlosigkeit“ stigmatisiert sind. Ihr ganzes Leben bestand aus Kummer. Dieser hat sich tief in die Mikrostruktur von Haugks Folge eingegraben. Wenn er am Ende zum Kriminalfall zurückkehrt, wirkt das wie ein Exkurs, es ist nur eine Fußnote.

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Episode 26: Die kleine Schubelik (Georg Tressler, Deutschland 1970)

Schubelik, ein bekannter Säufer, wird tot im Bett seiner Wohnung aufgefunden, Frau und Tochter sind vorerst verschwunden. Kommissar Keller findet schnell heraus, dass der Tote vor seinem Tod mit seinen Saufkumpanen Klenze (Peter Kuiper), der regelmäßig seine Frau Irma (Margarethe von Trotta) verdrischt, und Pölich (Josef Fröhlich) gezecht hatte. Schubeliks Frau (Erni Mangold) zeigt sich über den Tod des Gatten überhaupt nicht schockiert, eher im Gegenteil. Und was hat seine Tochter Inge (Susanne Schaefer), die vom Nachbarn Arnim (Thomas Piper) in Schutz genommen wird, mit allem zu tun?

Der deprimierende Blick in das Schicksal von Menschen aus der unteren Gesellschaftsschicht, den Dietrich Haugk schon in der vorangegangenen Episode geworfen hatte, wird dem Zuschauer auch hier aufgezwungen. Besonders sticht der fiese Klenze hervor, ein selbstbewusster Macho, der es gar nicht für nötig hält, seine Verachtung für Schwächere zu verbergen und meint, er würde damit beeindrucken, wenn er mit der bloßen Hand einen Nagel aus einer Wand zieht. Er ist gewissermaßen das Spiegelbild des Toten, über den man die anderen Figuren nur reden hört: Und man ahnt, was für ein Schwein auch der gewesen sein muss. Tresslers Folge besticht mit ihren Charakterzeichnungen und dem Gespür für das Milieu, in dem er sich bewegt. Keller und seine Männer heimsen mit ihrem Mitgefühl für die verschiedenen Opfer Sympathiepunkte ein und dem Täter kann man nicht wirklich böse sein.

Ich hatte schon einmal erwähnt, dass es bei DER KOMMISSAR oft um böse Vaterfiguren geht und „Die kleine Schubelik“ ist ein Paradebeispiel dafür. Ich würde sogar noch weiter gehen: Der Begriff „Vater“ hat seine Bedeutung hier völlig verloren. Es gibt nur noch empathielose, gewaltgeile und dumme Männer.

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Episode 27: Anonymer Anruf (Helmut Käutner, Deutschland 1970)

Der mittellose Student Gersdorf (Martin Lüttge) erhält einen anonymen Anruf, der seiner Gattin Susanne (Gerlinde Locker) eine Affäre mit Gregor Stein, dem Onkel Gersdorfs, nachsagt. Gersdorf macht sich sofort auf zum Haus Steins, der erschossen wird, kaum dass der Student dort eingetroffen ist. Alles spricht für einen Rachemord Gersdorfs, zumal auch dessen Pistole am Tatort gefunden wird, aber der Mann behauptet, hereingelegt worden zu sein. Wer wusste von der Affäre von Gersdorfs Frau mit einem Geschäftspartner Steins? Hatte Ahlsorf (Friedrich Joloff) etwas damit zu tun, der von Stein um seinen ganzen Besitz gebracht worden war?

Käutners Episode „Anonymer Anruf“ ist, wenn ich richtig informiert bin, aus rechtlichen Gründen nicht in der DVD-Box enthalten. Es hat also nichts mit dem etwas pikanten Thema der Gelegenheitsprostitution zu tun, von der der eklige Geschäftsmann Schröder (Paul Edwin Roth) sagt, das mache heutzutage ja jeder. Es ist das wahrscheinlich interessanteste Element der Folge, die auffallend konservativ ist. Sogar der längst überwunden geglaubte Brauch Kellers der Anfangstage, alle Verdächtigen zu versammeln, vor ihnen den genauen Tathergang zu rekapitulieren und am Ende den Täter zu enttarnen, wird hier wiederaufgegriffen. Trotzdem ist „Anonymer Anruf“ ganz unterhaltsam, was nicht zuletzt an der Besetzung liegt. Neben den genannten sind auch Jürgen Goslar und Dunja Rajter zu sehen.

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wienEpisode 28: Drei Tote reisen nach Wien (Dietrich Haugk, Deutschland 1970)

Erwin Bessmer (Herbert Steinmetz) erhält einen Anruf aus Wien, wo er sich am Wochenende zuvor mit seinen Jugendfreunden Sasse (Hans Caninenberg) und Roth (Dieter Borsche) vergnügt hat, bei dem ihm mitgeteilt wird, dass man ihn erschießen werde. Wenig später wird die Drohung wahr gemacht und Bessmer in einer Telefonzelle ermordet. Sasse und Roth fürchten nun ebenfall um ihr Leben. Hat die attraktive Katja (Kitty Speiser), die sie mit ins Hotel genommen haben, etwas mit dem Mord zu tun?

Von Beginn an ahnt man, dass „Drei Tote reisen nach Wien“ eine besondere Folge wird. Wie Bessmer in der Telefonzelle durch einen Schuss ins Gesicht getötet wird, ist schon ein besonders happiger Moment, der deutsche Fernsehzuschauer damals in ihrem Ohrensessel kräftig durchgeschüttelt haben dürfte. Regieeinfälle wie jener, die Begegnung zwischen den drei Herren und der jungen Frau in einem Wiener Biergarten als Standbild-Montage festzuhalten, lassen den Weggang von Brynych verschmerzen. Und das Treffen zwischen Keller und seinem Wiener Kollegen Marek (Fritz Eckhardt), der deutschen Zuschauern aus dem TATORT bekannt war, ist so ein postmoderner Crossover-Moment, den man in einer deutschen Krimiserie aus den frühen Siebzigern eher nicht erwartet hat. Richtig durch die Decke geht Haugks Episode aber, weil das Thema so herrlich schmierig ist: Wie diese feinen Herren sich nacheinander von der jungen Frau bedienen lassen, sich beim fliegenden Wechsel zugrinsen und triumphierende Gesten machen, ist schon reichlich ekelhaft. Und es ist ein Vergnügen Sasses Ehefrau (Hilde Weissner) dabei zuzusehen, wie sie ihrem spießigen Mann die Untreue und Feigheit aufs Brot schmiert und der sich vor ihr windet, in Angst und Selbstmitleid zerfließend. Natürlich kommt alles ganz anders, aber man gönnt den dreien jede Sekunde, in der sie kaltschwießig um ihr Leben fürchten.

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moorEpisode 29: Der Moormörder (Wolfgang Becker, Deutschland 1971)

Im Moor wird eine Frauenleiche gefunden. In der Nähe befinden sich der Zweitwohnsitz des erfolgreichen Chirurgen Dr. Strobel (Charles Regnier)  sowie der marode Gasthof von Hässler (Harald Leipnitz). Beide wollen weder etwas gehört noch überhaupt eine fremde Person bemerkt haben. Doch dann stellt sich heraus, dass Strobel Stammgast in dem Tanzlokal war, dass auch das Opfer regelmäßig aufsuchte …

Charles Regnier. Ich mag ihn, sein Gesicht, seine Stimme und wie sie in Relation zu seinem Körper steht. Er erinnert mich auch an irgendjemanden von heute, aber ich komme nicht drauf, an wen. Er wirkt auf mich immer ein wenig so, als halte er alles um ihn herum für eine Komödie. Im positiven Sinne, nicht weil er nichts ernst nimmt, sondern weil das seine Weltsicht ist. Im wunderbaren DER WÜRGER VOM TOWER, wo er auch noch eine Doppelrolle spielt, gestikuliert er einmal im Bildhintergrund herum, anscheinend in Richtung Regisseur, aber es wurde einfach dringelassen. Hier erwartete ich auch zu jeder Sekunde, dass er etwas Vergleichbares macht, eiine Grimasse schneidet oder in eine spontane Tanzeinlage ausbricht, aber es ist ihm gelungen, seine Impulse im Zaum zu halten. Ich tue ihm bestimmt Unrecht, aber er bringt ein Element der konstanten Unsicherheit in Beckers Episode ein, die sonst eher geradlinig ist und in erster Linie durch ihr Wallace-Sujet besticht. Gerade auch, weil es wieder einmal um eine dysfunktionale Vater-Sohn-Beziehung geht und Regnier absolut nicht der Typ für diese preußischen Patriarchen ist, die mit eiserner Hand regieren und niemals Schwäche zeigen. Er bringt eine ganz neue Dynamik in den klassisch aufbereiteten Krimistoff. Ich mag ihn einfach.

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alberti6Episode 30: Besuch bei Alberti (Wolfgang Staudte, Deutschland 1971)

Firmenchef Alberti (Carl Lange) legt großen Wert darauf, dass sein Angestellter Sidessen (Klaus Schwarzkopf) nicht sieht, welchen Besuch er nach Feierabend noch im Büro empfängt. Weil Sidessen aber etwas vergessen hat, kehrt er noch einmal um – und findet seinen Chef tot vor. Der Mörder kann nicht weit weg sein und Sidessen hechtet ihm hinterher, doch dann ist der Flüchtende verschwunden und da, wo er eigentlich sein sollte, steht Brink (Herbert Mensching), Albertis Schwager, ein unsicherer, zurückhaltender, beinahe ängstlicher Mensch, der von seinem Verwandten übel gedemütigt wurde …

Manchmal sind es eher kleine Details oder einzelne Figuren, die die KOMMISSAR-Folgen auszeichnen. „Besuch bei Alberti“ ist inhaltlich eher uninteressant, der Fall, den es für Keller und Kollegen zu klären gibt, ist unspektakulär, es gibt keine ausgefallenen Regieeinfälle oder wüsten Sleazeschübe – dafür war Staudte wohl nicht der richtige. Aber die Folge entwickelt sich zum slow burner, weil Brink in der Darstellung vom leider viel zu früh verstorbenen Herbert Mensching ein einziges Faszinosum ist und die Neugier, die Keller diesem rätselhaften Menschen entgegenbringt, einige wunderbar intime Szenen hervorbringt. Ich habe die ganze Zeit überlegt, woher ich Mensching kenne, ohne Erfolg. Beim Blick auf seine Filmografie fiel mir dann auf, dass ich ihn erst vor einigen Wochen in der DERRICK-Folge „Der L-Faktor“ gesehen habe. Dort spielt er einen völlig anderen Typen, einen erfolgreichen Wissenschaftler und Machtmenschen, das völlige Gegenteil von Brink, der von sich selbst sagt „keine Fähigkeiten“ zu haben. Und er spielt beide so überzeugend, dass man nicht darauf kommt, dass sich dahinter ein und derselbe Schauspieler verbirgt, auch wenn das Gesicht eben dasselbe ist.

Ein wichtiger Strang von „Besuch bei Alberti“ verfolgt Keller bei seinem Versuch dahinterzukommen, wer dieser Brink ist, ob er der Mörder sein könnte. Er begleitet ihn nach Hause, auf dem Weg holt sich Brink drei Flaschen Bier in einer Eckkneipe. Dann sitzen die beiden Männer zusammen, Brink erzählt von seinem Leben, Keller hört zu. Immer wieder fragt Brink ihn, ob Keller ihn für den Mörder halte, und Keller weiß es nicht, sagt das auch. Aber Brink bleibt ganz ruhig. Man hat Mitleid mit ihm, weil er in seinem Verlierertum sehr sympathisch ist – und ja, auch irgendwie gefestigt. Er weiß, wer und was er ist und hat sich damit abgefunden. Er scheint, wie der karrieregeile Sidessen einmal sagt, tatsächlich viel zu wenig entschlussfreudig, um einen Mord begehen zu können. Dann aber sieht man da ein kurzes Blitzen in seinen Augen: Vielleicht wartet er nur auf den richtigen Zeitpunkt, um allen zeigen zu können, wozu er wirklich fähig ist.

Herbert Mensching ist leider 1981 im Alter von nur 53 Jahren gestorben. Ich habe einen tollen Nachruf gefunden, der anlässlich seines Todes damals in der Zeit erschien, der sehr gut zu seiner Leistung in „Besuch bei Alberti“ passt. Aus einer mittelmäßigen Folge macht er mit seinem Spiel ein Ereignis.

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tanzEpisode 31: Ende eines Tanzvergnügens (Wolfgang Staudte, Deutschland 1971)

Der Schneider Hans Stoltze wird vor seinem Haus erschlagen, nachdem er mit seiner Freundin Ilo Kusche (Alexandra Marischka) in einem „Beatschuppen“ war. Seine Schwester Lisa (Gisela Peltzer) ist völlig aufgelöst und äußert gegenüber Keller die Vermutung, dass das Mädchen etwas mit dem Tod zu tun habe. Die auffallend attraktive, schweigsame Ilo wird von ihrem Vater (Dirk Dautzenberg) behütet wie ein rohes Ei und kann sich über Verehrer nicht beklagen: Da sind Bigge (Wolfgang Schneider), ein Angestellter von Stoltze, und Barbosse (Karl Michael Vogler), in dessen Boutique Ilo arbeitet …

Was in den ersten Episoden von DER KOMMISSAR die finale Ansprache Kellers vor versammeltem Verdächtigenfeld war, ist zu diesem Zeitpunkt die Rückblende. In „Ende eines Tanzvergnügens“ wird sie im entscheidenden Moment sogar angehalten, während der Voice-over weiterläuft. Es ist das einzige Gimmick einer Episode, die wie die vorangegangenen Arbeiten Staudtes eher durch ihre detaillierten Charakterzeichnungen und genauen Beobachtungen besticht. Im Mittelpunkt steht die betörend schöne Ilo als geheimnisvolle Chiffre – ein Mädchen ohne Persönlichkeit, ohne Charakter, man erfährt nichts über sie, außer dass sie hübsch ist und ihr die Männerherzen zufliegen. Und dann diese Männer um sie herum, allen voran der Vater, der sie umgarnt wie ein Zuhälter sein bestes Pferd im Stall, genau wissend, dass sich ihre Schönheit für ihn in bare Münze umwandeln lässt. Der feine Boutiquenbesitzer Barbosse ist genau nach seinem Geschmack, ein Mann, der mit seinem Geld hausieren geht, für seine Gattin (großartig: Ellen Umlauf) aber nur noch Verachtung übrig hat. Toll ist auch der eher unbekannt gebliebene Wolfgang Schneider: Wie er zu Hause kurz vor dem ersehnten Date mit Ilo eine heiße Scheibe auflegt, sich sein bestes Jackett anzieht und dabei einen Triumphtanz auf den Teppich legt, ist ein weiteres Highlight in dieser Episode, die dann später noch „Paranoid“ von Black Sabbath abfeuert, zu dem Ilo mit geschlossenen Augen über die Tanzfläche schwoft wie ein arroganter Engel. Es ist die Summe Momente wie dieser, die „Ende eines Tanzvergnügens“ zu einem weiteren Gewinner von Staudte machen.

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anhalterEpisode 32: Die Anhalterin (Wolfgang Staudte, Deutschland 1971)

Die Studentin Irmgard Lentz (Helga Lehner) wird tot an einem Bahngleis aufgefunden. Kurz zuvor war sie, wie fast jeden Samstag, als Anhalterin mit einem Lkw Richtung Stuttgart aufgebrochen. Wie Keller und Kollegen von ihrer Schwester Erika (Karin Baal) in Erfahrung bringen, hatte sie sich mit einem Fahrer sogar angefreundet. Während die Kriminalbeamten in der Spedition von Egon Schmett (Max Mairich) ermitteln und dessen Fahrer verhören, stellt sich Erika an die Autobahn in der Hoffnung bei jenem Fahrer zu landen, der ihre Schwester auf dem Gewissen hat …

Diese Episode hat nicht so viel für mich getan. Sie ist nicht besonders spannend, weil Karin Baal ihrer Erika viel zu viel Entschlossenheit und Autorität mitgibt, als dass man sich wirklich um sie sorgen müsste, das Drehbuch sich außerdem – der Konvention der Serie geschuldet – gar nicht traut, den Täter frühzeitig preiszugeben. Und dann wieder zu geradlinig, um von überraschenden Wendungen aus der Bahn geworfen zu werden. So bleiben eigentlich nur zwei Eindrücke/Szenen/Sequenzen hängen: der Auftakt, bei dem die Kamera Irmgard im morgendlichen Berufsverkehr verfolgt und der mit einem Blick aus eine fahrenden Zug auf einen rennenden Mann endet, der ihren leblosen Körper auf den Armen trägt, und die Schlusseinstellung, mit der dem Mörder soeben entronnenen Erika, die ins leere blickend an der Leitplanke der Autobahn steht, während die Kamera von ihr wegfährt. Aus ihrer geisterhaften Präsenz am Rande des grauen Asphaltbandes hätte man mehr machen können, als diese insgesamt überraschungsarme Folge. Sogar Werner Pochath ist verschenkt – trotz mal wieder absurdem Haarteil.

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Episode 33: Lagankes Verwandte (Wolfgang Becker, Deutschland 1971)

Laganke, Besitzer eines Juweliergeschäfts, wird bei dem Versuch, einen Einbrecher zu stellen, ermordet. Die Hauptverdächtigen sind Lagankes Bruder Joachim (Josef Meinrad), der beim Tod der Eltern und dem anschließenden Erbe einst der Benachteiligte war und in der Villa des Bruders zur Untermiete wohnt, und Sohn Michael (Ralf Schermuly), der gehört wurde, wie er in seiner Wohnung den genauen Tathergang voraussagte. Die beiden sind überzeugt, dass der jeweils andere der Schuldige ist …

Der Clou der Folge ist, dass sich ein ganz anderer als der eigentliche Täter erweist, die beiden Verdächtigen aber am Ende trotzdem die Arschlöcher der Folge sind – eigentich sogar fast noch mehr, als wenn sie selbst Hand angelegt hätten. Susanne Uhlen spielt ein enigmatisches Mädchen, Michaels Freudin, das die ganze Folge über nichts anderes macht, als mit großen Augen in die Kamera zu schauen: Am Ende geht sie einfach mit einem anderen mit, aber nicht ohne in einer Kneipe noch einmal enthemmt getanzt zu haben. Mir hat die Einstellung der beiden Verdächtigen gut gefallen, die sich nach der Enttarnung des Mörders darüber freuen können, nun rechtmäßige Besitzer der Reichtümer des Toten zu sein. Den Menschen, der da gewaltsam seinem Ende zugeführt wurde, haben sie längst vergessen.

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Episode 34: Der Tote von Zimmer 17 (Wolfgang Becker, Deutschland 1971)

Der italienische Zimmerkellner Mario (Peter Chatel) wird gesehen, wie er mit blutigen Händen aus dem Zimmer eines Gastes kommt, dessen Leiche nur wenig später entdeckt wird. Dass der Tote ein Auge auf das Zimmermädchen Andrea (Hannelore Elsner) geworfen hatte, in die auch Mario verliebt war, erhärtet den Verdacht. Doch Kommissar Keller hat berechtigte Zweifel an der Schuld des zurückhaltenden Mannes …

Ganz interessant, weil die ganze Folge in den Räumlichkeiten des Hotels spielt und Harry Klein undercover als Zimmerkellner arbeitet. Die Folge ist auch gut besetzt mit Peter Pasetti, Hans Quest, Hans Schweikart und Joseph Offenbach, aber insgesamt eher Standard. Der Blick auf den traurigen Alltag, der unter dürftigen Bedingungen lebenden Zimmerkellner und den Alltagsrassismus, der dem italienischen Gastarbeiter entgegenschlägt, ist aus heutiger Perspektive sehr erhellend – ein schönes Beispiel für die Gesellschaftskritik, die Reinecker in seinen Drehbüchern eher en passant entwickelt.

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lisaEpisode 35: Lisa Bassenges Mörder (Wolfgang Staudte, Deutschland 1971)

Der Lokomotivführer Leo Bader (Klausjürgen Wussow) hat eine Beziehung mit der lebenslustigen Lisa Bassenge (Diana Körner), die ihn immer nackt am Fenster ihrer Wohnung an den Bahngleisen erwartet. Eines Tages findet Leo sie tot auf. Noch entsetzter über ihren Tod scheint aber sein gehbehinderter Bruder Alfred (Boy Gobert), der Keller fortan fleißig bei seinen Ermittlungen unterstützt.

„Lisa Bassenges Mörder“ ist nach den beiden vergangenen, eher herkömmlich gestrickten Episoden wieder ein Beispiel für die Verstrahlungsattacken, die Reinecker bisweilen aus der Feder flossen. Sein Alfred Bader dürfte eine der schrägeren Figuren sein, die er erdachte und die Struktur der Folge, die immer wieder durch Rückblenden aufgebrochen wird, passt dazu. Diana Körner darf als Lisa Bassenge eine Art positiver Femme fatale spielen: Eine Frau, deren sexuelle Freizügigkeit Männer nicht so sehr unterwirft wie sie selbst beflügelt. Alfred gesteht freimütig, die Freundin seines Bruders nur dreimal gesehen zu haben, sie aber trotzdem sehr gut zu kennen – und zu lieben. Die Besessenheit der Figur für die junge Frau ist befremdlich und trägt die Episode, auch wenn Boy Gobert es nicht so ganz gelingt, diese Obsession wirklich glaubhaft zu machen. Ein Unterschied zum zuletzt von mir gefeierten Herbert Mensching, bei dem man nie das Gefühl hatte, er spiele eine Rolle. Gobert stattet seinen Alfred mit allerlei Ticks aus, die umso mehr auffallen, als Klausjürgen Wussow, selbst nicht gerade als Ausbund der schauspielerischen Ökonomie bekannt, neben ihm gnadenlos zurückschraubt. Wahrscheinlich wäre sonst die Bildröhre explodiert. Gert Haucke hat einen schönen Auftritt als Spanner in der Nachbarwohnung.

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todEpisode 36: Tod eines Ladenbesitzers (Wolfgang Staudte, Deutschland 1971)

In einer Kleinstadt wird der Inhaber eines Kramladens erschlagen, kurz nachdem er einen alten Mann unsanft hinausgeworfen hat. Der alte Mann ist ein Bewohner des in der Nähe gelegenen Altersheims, das von dem betrügerischen Sierich (Werner Kreindl) geleitet wird, der die alten Männer wie Gefangene behandelt und nur wenig Respekt oder Achtung für sie übrig hat. Auch der Tote hat bei den Rentnern einen einschlägigen Ruf. Keller ist schnell davon überzeugt, dass die Alten hinter dem Mord stecken: Der intelligente Ohlers (Curt Bois) scheint der Anführer zu sein. Und dann mehren sich die Zeiten, dass ein zweiter Mord bevorsteht …

Meisterwerk! Die Folge mit dem unscheinbaren Titel kokettiert ganz eindeutig mit dem Horrorfilm und die Szenen mit den ziellos im Park des Altenheims umherirrenden Rentnern erinnern Kenner heute ganz ohne Frage an George Romeros DAWN OF THE DEAD – damalige Zuschauer assoziierten vielleicht eher Hitchcocks THE BIRDS: Beides ist legitim. Die vermeintlich harmlosen Greise in ihren grauen Mänteln und Hüten werden sehr geschickt als unterschätzte Bedrohung aufgebaut: Wenn der freundliche Voss (Hans Hermann Schaufuß) ganz sachlich erklärt, er wisse, wie ein Todesschrei klinge, dann fällt einem wieder ein, über welchen „Wissensvorsprung“ die auf einmal gar nicht mehr so putzigen Opas verfügen und man ahnt, wozu sie einst einmal fähig waren. Das steckt ja eh in vielen Folgen von DER KOMMISSAR oder DERRICK mit: Man schaut da mitunter Menschen zu, die im Zweiten Weltkrieg munter mitgemischt haben.

Das reicht schon für denkwürdiges Fernsehentertainment: Werner Kreindl setzt als erst arschiger, dann zunehmend nervöser Sierich noch einen drauf. Ein Dialog zwischen Keller und einer alten Frau, die ihm erzählt, was es bedeutet, alt zu sein und von den jüngeren Menschen entweder bemitleidet oder aber gar nicht mehr gesehen zu werden, kommt in diesem Kontext nicht eben überraschend, trifft aber trotzdem ins Schwarze, weil Staudte alles in kontrastreiche Schwarzweißbilder kleidet, in deren Schatten sich der Tod versteckt. Am Ende werden die Mörder überführt. Es schockt sie nicht. Was macht es für einen Unterschied, ob man nun in dem einen oder dem anderen Knast einsitzt? Während die Schlussmelodie läuft, packen sie ihre Koffer, fast freudig über den bevorstehenden Tapetenwechsel.

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huebnerEpisode 37: Die andere Seite der Straße (Theodor Grädler, Deutschland 1971)

Auf offener Straße wird ein Mann im Beisein seiner Nachbarn (u. a. Gerd Baltus, Bruno Hübner und Klaus Höhne) erschossen. Doch die behaupten anschließend steif und fest, niemanden gesehen zu haben. Sie haben Angst: Denn am Ende der Straße ist ein berüchtigte Gangsterkneipe, und aus der kommt wohl auch der Mörder.

Reinecker bewegt sich mit seiner Geschichte diesmal tief ins Milieu, in einer Straße, deren Bewohner Angst vor dem Gesindel vor ihrer Wohnungstür haben, in einfachen Verhältnissen leben und sich davor fürchten, auch diese noch zu verlieren. Eine wichtige Rolle spielt der alte Galusch (Bruno Hübner), der Hausmeister, der einst von seiner Frau verlassen wurde und nun mit seiner Enkeltochter Eva (Christine Ostermayer) zusammenlebt. Die gemeinsamen Szenen der beiden sind der emotionale Anker der Folge und ungemein anrührend. Die einfache Arbeiterwohnung, auf deren Herd der zerknautschte, vom Leben betrogene Mann da abends seine Suppe anrührt, erinnerte mich nicht wenig an die Wohnung meines Großonkels, in der ich einen nicht unbeträchtlichen Teil meiner Kindheit zugebracht habe. Hübner ist brillant in der Rolle, und er hat eines dieser Gesichter, die es heute nicht mehr gibt, in die sich jahrzehntelange Entbehrungen eingegraben haben und die mehr als alles andere der Schwerkraft zu unterliegen scheinen. Wenn er da seinen ganzen Mut zusammengreift, nachdem seine Enkelin ihm erzählt hat, dass seine Gattin ihn immer für „zu dämlich für Geld“ hielt, und in die Gangsterkneipe schreitet, einen Deal planend, von dem der Zuschauer instinktiv weiß, dass es sein erster und letzter sein wird, möchte man ihm zurufen, sich ihm in den Weg stellen, ihn trösten, irgendwas tun, um ihn von seinem dummen Vorhaben abzubringen. Später begreift seine Enkelin wie verletzend ihre achtlos hingeworfene Bemerkung war, wie sehr sie die Würde und Selbstachtung eines ohnehin schon gebeutelten Mannes damit noch weiter ausgehöhlt hatte. Aber da ist es schon zu spät. Sein Tod hallt nach und „Die andere Seite der Straße“ wiegt auch wegen ihm schwerer als andere.

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Die bis heute lebendige deutsche Fernsehkrimi-Tradition begann nicht erst mit DER KOMMISSAR. Schon vorher hatte es verschiedene Formate gegeben, von denen die von Jürgen Roland und Wolfgang Menger erdachte Serie STAHLNETZ möglicherweise die bekannteste war. Und Erik Ode, der in DER KOMMISSAR den Titelhelden Keller spielte, war zuvor schon einige Male in DAS KRIMINALMUSEUM zu sehen gewesen, der ersten vom ZDF produzierten Krimiserie. Wohl aber begann mit DER KOMMISSAR die Tradition der starken Ermittlerfiguren und, wenn man den TV-Historikern glauben mag, der Psychologisierung. Keller folgten der ebenfalls von Herbert Reinecker erdachte Stephan Derrick, Erwin Köster und seine Nachfolger in DER ALTE, aber auch die ARD-Produktion TATORT mit ihren wechselnden Ermittlern sowie Dutzende weiterer Kriminalbeamten und Detektive mit ihren Formaten, aber nur wenige von ihnen brannten sich als Figur so stark ein ins kollektive deutsche Gedächtnis wie Odes Keller, der Übervater der deutschen Nachkriegsgeneration, der Gerechtigkeit brachte, aber immer auch Verständnis für die Umstände, die ganz normale Menschen zu Mördern machte.

Während Stephan Derrick fünf Jahre später wie ein vom Staat geschickter Racheengel mit unnachgiebigem Ehrgeiz und dem Furor des Gerechten über die kleinen Sünder kam, da interpretierte Ode seinen Keller als freundlich-salomonischen Hirten, der dafür sorgte, dass seiner Herde kein Schaden wiederfuhr. Mit seinen Assistenten Grabert (Günther Schramm), Heines (Reinhard Glemnitz) und Klein (Fritz Wepper) verband ihn eine ebenson väterliche Beziehung, die Gattin, die ihm in einigen frühen Folgen Medizin ans Krankenbett brachte, das Essen zubereitete und ihm ein offenes Ohr schenkte, konnte bald weichen, weil dieser Keller sein Privatleben für die Bundesrepubik geopfert hatte und in seinem nach Linoleum duftenden Büro alles hatte, was er brauchte. Sein Berufsalltag mit den folgsam-fleißigen Assistenten erinnert ein bisschen an die frauenlose Heiterkeit der Cartwrights auf der Ponderosa. Man lacht gemeinsam, erfreut sich an der eigenen Gerissenheit, sagt zu Tabak und Alkohol niemals nein, weil das der Treibstoff ist, der nimmermüde Staatsdiener am Laufen hält. Frauen wie die alte Vorzimmerdame Rehbein (Helma Seitz) sind entweder zum Kaffeekochen da oder, im Falle der Polizistin Helga Lauer (Emely Reuer) bloßes Eye Candy für den Zuschauer, damit der nicht am Testosteronüberschuss verendet.

Die ersten Folgen – die meisten der in diesem Text enthaltenen – folgen einer zunächst fest gefügten Struktur. Die Episoden beginnen mit dem Fund einer Leiche. Danach fangen die Ermittlungen von Keller und seinen Männern an, die das Feld der Verdächtigen sondieren, bevor am Ende alle in einem Raum versammelt werden, in dem Keller im Stile alter Meisterdetektive den Mörder enttarnt. Der Ton ist heiterer und ausgelassener als bei DERRICK, weniger schadenfoh und zynisch, und das Schwarzweiß der Serie auch sonst programmatisch: Gut und Böse sind ziemlich klar auseinanderzuhalten, während es bei DERRICK in unzähligen Schattierungen von Braun, Beige, Grau und Grün ineinanderfließt.

Episode 01: Toter Herr im Regen (Wolfgang Becker, Deutschland 1969)

Ein wohlhabender Mann wird tot im Rinnstein einer schlechten Münchener Gegend aufgefunden. Bei den Ermittlungen finden Keller und Co. hinaus, dass es um Dr. Steiner handelt, einen Mann, der bei seinen erwachsenen Kindern verhasst ist und seiner Geliebten immer wieder mit sadistischen Streichen zusetzte. Im Haus, vor dem er ermordet wurde, lebt ein Teenagermädchen, mit der er seine Partnerin betrog. Eines von vielen Beispielen für Reineckers Drehbücher um hassenswerte Vaterfiguren. Eine Tradition, die im KOMMISSAR und auch in DERRICK weiterleben wird.

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Episode 02: Das Messer im Geldschrank (Wolfgang Becker, Deutschland 1969)

Die Putzfrau findet beim Saubermachen in einem Nachtclub ein totes Animiermädchen. Wer war ihr Mörder? Der Clubbesitzer Brandic (Lukas Ammann), der nur am Geld interessiert ist, sein gutaussehender, aber vorbestrafter Bruder Juri (Michael Maien), der Kellner Sommer (Wolfgang Völz), der sich mit seinem kargen Gehalt einen teuren Sportwagen leisten kann, der mysteriöse Pianist Benitz (Herbert Bötticher) oder die Mitbewohnerin und Kollegin des Opfers, die blonde Schöne Marion (Ann Smyrner)? Höhepunkt der Episode ist ein Spaziergang Kellers mit der jungen Blondine, der in den frühen Morgenstunden bei einem Schnäpschen in ihrem Appartement endet. Kellers melancholischer Blick scheint die romantischen Möglichkeiten, die sich bieten, zu spiegeln, aber natürlich bleibt er standhaft. Und scharfsinnig.

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Episode 03: Ratten der Großstadt (Wolfgang Becker, Deutschland 1969)

Der Wirt einer Pinte am Großmarkt wird tot aufgefunden. Zu den Verdächtigen zählt die Bande um Krass (Horst Frank): Der Säufer Bender (Gerd Baltus), Palle (Fred Haltiner), Krüger (Klaus Schwarzkopf) und der etwas irre Mozart (Werner Pochath) gingen in der Bierschwemme ein und aus. Grabert wird als Ex-Knacki in der Gang eingeschleust, um etwas herauszufinden. Irgendwann redet Bender und belastet Mozart. Doch Keller glaubt nicht an die Schuld des armen Tropfs. Baltus ist grandios als versoffener Asi Bender, Pochath brilliert in einer seiner vielen Außenseiterrollen. Wie ein Kind stolziert er in Badehose durch das Wasser der Isar, seine Kumpels wie ein Kind den Papa immer wieder um Aufmerksamkeit anbettelnd.

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Episode 04: Die Tote im Dornbusch (Georg Tressler, Deutschland 1969)

Diesmal führen die Mordermittlungen Keller und Co. in eine Raststätte: Die Gattin des Besitzers Panofsky (Paul Albert Krumm) wurde tot aufgefunden, an der Autobahn entsorgt von dem Lkw-Fahrer Wiegand (Arthur Brauss). Die Tote war nach etlichen Zeugenaussagen von loser Moral und unterhielt vor den Augen ihres Mannes zahllose Liebschaften. War es Mord aus Eifersucht? Lust und offen ausgelebte Sexualität sind Mysterien, die Keller und seine Männer, aber auch die gesamte deutsche Gesellschaft noch nicht wirklich verstehen. Es brodelt unter der Oberfläche, die mit der Extraportion Bleiche und Stärke blütenweiß und faltenfrei gehalten wird wie ein Leichentuch.

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Episode 05: Ein Mädchen meldet sich nicht mehr (Theodor Grädler, Deutschland 1969)

Es verschlägt Keller und Assistenten ins Studentenumfeld und die Drogenszene. Die Tote verkehrte in einschlägigen Lokalen – u. a. im Etablissment von Proschitz (Günther Ungeheuer) – und wollte ihren Freund Tanieff (Peter Chatel) vom Marihuana wegbringen, dem dieser rettungslos verfallen war. Die Episode ist ein einziges Absurdion, von Kellers Aussage „Die Intoxikation ist unverkennbar!“, als er einem Marihuana-„Süchtigen“ in die Augen schaut, über die Frage, ob Tanieff sein „Marichuana“ trinke oder esse, bis hin zur Vorführung eines Joints: einer kleinen Zigarette mit einer weißen Kapsel drin. Wer kifft, der ist nicht mehr zurechnungsfähig, ein armer Tropf, der orientierungslos in der Welt herumirrt, bösen Drogenhändlern für immer ausgeliefert. Und „Reefers“ (was ein bisschen wie „Reval“ klingt) kauft man natürlich auf dem Klo vom dubiosen Rudolf Schündler. Die Frage, die sich unweigerlich stellt: Hatte Reneicker wirklich keine Ahnung oder wollte er sein Publikum trollen? Besonders komisch ist die Merkbefreitheit der Tugendwächter, die über den Drogenabgrund schwadronieren, aber in einer Tour Cognac und Bier in sich hineinschütten und in einem Büro hocken, dessen Luft man schneiden kann.

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Episode 06: Die Pistole im Park (Wolfgang Becker, Deutschland 1969)

Auf dem ausladenden Grundstück des reichen Geschäftsmannes Wegener (Peter van Eyck) wird dessen junger Gärtner erschossen – kurz nachdem jemand versucht hat, Wegener zu erpressen. Alle verhalten sich überaus merkwürdig, nicht zuletzt die Sekretärin Wegeners, die attraktive Hannelore Krems (Marianne Koch). Nur die Küchenfrau Frau Hicks (Rose Reneé Roth) zeigt so etwas wie ein Gewissen und vertraut sich Heines an, der für die Ermittlung in der Villa bleibt. Eine eher unaufregende Episode, aber die Koch ist supersexy und van Eyck thront mit gewohnt preußischer Souveränität über allem.

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Episode 07: Keiner hörte den Schuss (Wolfgang Becker, Deutschland 1969)

Das Opfer ist diesmal ein Mann, der Rohdiamanten für den Juwelier de Croy (Wolf Rilla) transportieren sollte. Seine Ehefrau, das Modell Eva Kersky (Erika Pluhar) ist erstaunlich ungerührt ob der Todesnachricht. Was den Vater des Toten, den im Rollstuhl sitzenden Ernst Fritz Fürbringer, der die Schwiegertochter über alles hasst, überhaupt nicht wundert. Ist sie die Mörderin? Aber auch andere bieten sich als Tatverdächtige an, etwa der Vorbestrafte Blago (Michael Hinz), der von den Diamanten wusste. Highlight ist die bizarre Modenschau eines schwulen Designers, bei der auch Amanda Lear als Model mitwirkt. Und Erika Pluhar ist unfassbar sexy. Wie sie am Schluss nach der Enttarnung des Mörders kommentarlos  abzieht und die feine Patriarchengesellschaft keines Blickes mehr würdigt, ist unfassbar cool. Das muss sogar Keller würdigen, der liebe Onkel.

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Episode 08: Der Tod fährt 1. Klasse (Wolfgang Becker, Deutschland 1969)

Zum ersten Mal wird das Konzept gewandelt. Die Jagd nach einem Frauenmörder, der immer freitags im Zug von Dortmund nach München zuschlägt, gestaltet sich im Showdown überaus fiebrig. Grabert, Heines und Klein kämpfen an der Front, mit der langbeinigen Kollegin Lauer als Köder für die Bestie, aber es ist Keller, der die Identität des Killers aus der Distanz enttarnt. Beste Folge bis hierhin, mit toller Kameraarbeit im klaustrophobischen Finale, in dem geschickt mit Unschärfen gespielt wird. Und es gibt wieder einmal eine dysfunktionale Vater-Sohn-Beziehung. Deutschland nach dem Krieg. Die Papas kannten sich mit dem Vertuschen von dunklen Geheimnissen gut aus, die Söhne waren nur noch angeekelt.

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Episode 09: Geld von toten Kassierern (Georg Tressler, Deutschland 1969)

Bei einem Banküberfall wird der Direktor erschossen. Der Verdacht fällt sofort auf Kranz (Siegfried Lowitz), den Keller einst in den Bau brachte. Der ist erbost: Nie hatte er jemanden umgebracht. Die nächsten Banküberfälle folgen, immer auf Geldinstitute, die auf Kranz‘ einstiger Wunschliste standen. Wie schon in der DERRICK-Folge „Stiftungsfest“ beeindruckt Lowitz mit Berliner Schnauze als ehrenhafter Bankräuber. Die Szenen in seiner heruntergekommenen Wohnung, in der er seiner Minirock-tragenden Tochter Moralpredigten hält, bleiben im Gedächtnis, der Fall selbst ist nicht ganz so spannend.

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Episode 10: Schrei vor dem Fenster (Dietrich Haugk, Deutschland 1969)

Der Ehemann der Schauspielerin Irene Pauli (Maria Schell) wird erschossen aufgefunden. Der Hausmeister sieht noch den Sohn Berthold mit einer Waffe in der Hand wegrennen. Es entbrennt eine Jagd auf den Flüchtigen Mordverdächtigen, während die Pauli Keller und seine Männer verzweifelt von der Unschuld ihres Jungen überzeugen will. Für den Toten – einen Tyrann, den offensichtlich jeder hasste – interessiert sich hingegen kaum jemand. Das kennt man inzwischen. Die Folge, die in einer einzigen Nacht spielt und mit einer tollen handgehaltenen Einstellung beginnt, ist trotzdem eine der stärksten der ersten 10.

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