Vor kurzem hatte ich hier schon einmal darüber geschrieben, dass traditionelle Geister- oder auch Gothic-Horrorfilme mich meist nicht wirklich erreichen. Selbst ein landauf, landab geliebter und verehrter Klassiker wie Mario Bavas LA MASCHERA DEL DEMONIO lässt mich eher kalt – auch wenn ich natürlich nie etwas Schlechtes über ihn sagen würde und dessen formale Meisterschaft natürlich erkenne. Aber bei mir funktioniert er einfach nicht. DANZA MACABRA hingegen hat mich total umgehauen. Ich finde ihn nicht nur um Längen besser als alles, was Bava in diesem Bereich jemals gemacht hat, sondern würde mich jetzt, einige Tage nach der Sichtung, sogar zu der euphorisierten Aussage hinreißen lassen, dass Margheriti mit diesem Werk – dem zweiten in einer Reihe von drei Gothics, die er von 1963 bis 1964 drehte – ein Meisterstück des Horrorfilms überhaupt gelungen ist. Ganz bestimmt hängt meine Begeisterung auch damit zusammen, dass ich DANZA MACABRA in einer traumhaften Kopie auf großer Leinwand sehen durfte, ein Glück, das ich mit dem erwähnten LA MASCHERA DEL DEMONIO nicht hatte. Aber es gibt noch andere Gründe, die nicht nur mit dieser privilegierten Rezeptionssituation zu tun haben und mich in meinem Urteil bestärken.
Zunächst mal: Das Drehbuch von DANZA MACABRA ist wirklich sensationell gut. Nicht in dem Sinne, wie man das schon einmal so schreibt, wenn man meint, dass ein Film über eine interessante Geschichte und ausgefeilte Charaktere verfügt, was aber ja de facto gar nicht so einfach dem Script allein zuzuschreiben ist, schon gar nicht von einem Außenstehenden. Nein, mir geht es vor allem um die Struktur der Erzählung. DANZA MACABRA besteht insgesamt aus ca. sechs bis acht langen Sequenzen, die sehr deutlich voneinander getrennt sowie streng chronologisch sortiert sind und dem Film eine absolute Klarheit verleihen, die die Unabwendbarkeit des Schicksals, das sich hier vollzieht und das die Quelle des Grauens ist, das den Betrachter umfängt, noch beträchtlich verstärkt. Schritt für Schritt läuft der Zuschauer zusammen mit dem im Gegensatz zu ihm allerdings völlig ahnungslosen Protagonisten auf das Unfassbare zu, wissend, dass ihn jeder dieser deutlich voneinander abgegrenzten Schritte dem Ende näher bringt.
Jede dieser einzelnen Sequenzen gäbe für sich schon einen nahezu perfekten Kurzfilm ab: Der umwerfende Anfang, in dem die Hauptfigur, der Journalist Alan Foster (Georges Riviére), einen Pub betritt, wo ein Fremder (Silvano Tranquilli), der sich wenig später als Edgar Allan Poe entpuppen wird, eine gruselige Geschichte erzählt und die Inszenierung schon zu diesem frühen Zeitpunkt suggeriert, es gehe um alles. Oder auch die Szene, in der Foster das leerstehende Haus samt umgebenden Garten erkundet, in dem er eine Nacht verbringen und überleben muss: Sie ist reine „Stimmungsmache“, aber so umwerfend fotografiert und geduldig inszeniert, dass man fast traurig ist, als Barbara Steele auftaucht und den Stein der Handlung ins Rollen bringt. Aber natürlich geht es dann erst richtig los, und wem in dem Moment, in dem die unglücksselige Elisabeth Blackwood (Barbara Steele) angesichts dreier Morde in kurzer Folge dem Wahnsinn verfällt, nicht die Gänsehaut eiskalt in den Nacken kriecht, der ist wahrscheinlich selbst schon eine Leiche. Es geht in DANZA MACABRA zunächst um die heimtückische Bekehrung eines Skeptikers, dann aber um Eifersucht, Lesbianismus, ewige Liebe, unsterbliche Schuld und Sühne, nebenbei auch um Vampirismus und das alles vollzieht sich mit der Wucht einer griechischen Tragödie. Margheritis Film (laut Imdb war auch Sergio Corbucci beteiligt, aber das habe ich eben zum ersten Mal gelesen) ist von 1964, aber er weist weit in die Zukunft, sowohl mit seiner offenen Thematisierung von homosexueller Liebe als auch mit seinen zum Teil bemerkenswerten Effekten. So gibt es eine halbverfallene, unheimlich röchelnde Leiche mit Totenkopfgesicht zu sehen, deren Anblick mir fast die Schuhe ausgezogen hat. Und das Ende ist von einer abgezockten Bösartigkeit, die heutige Schocker nicht annähernd so elegant hingebogen bekommen.
Da fragt man sich doch, warum ausgerechnet DANZA MACABRA unter Dutzenden von deutlich schwächeren Horrorfilmen vergleichbarer Prägung, die seinerzeit den Weg in deutsche Kinos fanden, eine Auswertung verwehrt blieb. Dem potenziellen Zuschauer wurde hier nicht weniger als eine Sternstunde des Genres vorenthalten. Ach Pustekuchen, einer der schönsten Filme ever.