Mit ‘Heimatfilm’ getaggte Beiträge

Der 16. Hofbauer-Kongress begann nicht mit diesem Film: Zur Eröffnung lief D’Amatos wunderbarer DIRTY LOVE, (über den ich jetzt aus naheliegenden Gründen nichts schreibe), im Anschluss daran vier Folgen des achtteiligen FWU-Aufklärungsfilms DER LIEBE AUF DER SPUR, die ich – wodka- und bratengeschädigt – leider komplett verschlafen habe. Zum „stählernen Überraschungsfilm“ HEUBODENGEFLÜSTER war ich zum Glück wieder wach: Deutsche Lustspiele der Sechziger- und Siebzigerjahre sind schließlich eine meiner Leibspeisen aus dem Kongress-Portfolio, und diese Variante – mit Heimatfilmkolorit und einem kleinen, aber feinen Darstellerensemble sowie der kundigen Regie Rolf Olsens ausgestattet – sah besonders schmackhaft aus.

Serviert wurde Formelkino par excellence, dank eines vermutlich eher schmalen Budgets besonders karg gestaltet, sich ganz auf die Fähigkeiten seiner Darsteller und die nimmermüde Abfolge tumber Späße verlassend. Es gibt haarsträubend vorhersehbaren Slapstick, wirklich kein „Klassiker“ wird ausgelassen, zahme Erotik, für die vor allem Ann Smyrner zuständig ist, eine wilde Verkettung von amüsanten Verwechslungen und Missverständnissen sowie bayrisches Landschaftsidyll – lediglich der musikalische Auftritt eines Gaststars aus der deutschen Schlagerszene fehlt zum vollkommenen Glück. Aufgewogen wird dieser Mangel aber durch ein Drehbuch, dessen labyrinthische Handlung einzig dazu erdacht wurde, möglichst viel von dem in den Film packen zu können, was deutsche Zuschauer damals lustig fanden – zumindest nach Auffassung der Macher.

Florian Maderer (Peter Carsten) ist ein fescher Gutsbesitzer und Bürgermeisterkandidat seines Örtchens, der sich bei Dorffesten immer wieder in Raufereien verwickeln lässt und deshalb nun zur Abkühlung ins Gefängnis soll. Es gelingt ihm und seiner klugen Frau Genoveva (Elfie Petramer) jedoch, Florians etwas einfältigen Vetter Blasius (Gunther Phillipp) dazu zu überreden, ihm die Haftstrafe uner Vorspiegelung einer falschen Identität abzunehmen. Der willigt tatsächlich ein – wird aber nach dem Besuch des Staatsbeamten Dr. Leo Dorn (Ralf Wolter) sofort wieder amnestiert (zum Geburtstag des Bundespräsidenten), natürlich mit Hintergedanken: Dorn will Maderer ein Grundstück abkaufen und hofft, ihn mit seiner Gefälligkeit im Preis drücken zu können. Am Hofe Maderers kommt es im Folgenden zum großen Chaos: Dorn hat sich angekündigt, um den Deal perfekt zu machen, und damit Florians Schwindel nicht auffliegt, muss sein Vetter die Rolle des Familienoberhaupts übernehmen, während der stolze Florian dazu verdonnert wird, den Knecht zu spielen. Dorn auf den Fersen ist wiederum der Detektiv Hugo Zehe (Herbert Hisel), der von Dorns Gattin (Trude Herr) engagiert wurde, weil sie zu Recht vermutet, er habe ein Verhältnis mit seiner Sekretärin Dodo (Ann Smyrner), die ihn auf seiner Reise begleitet. Und dann sind da noch Florians Tochter Hannerl (Renate von Holt), die zu Besuch aus der großen Stadt kommt und sogleich Kontakt zu ihrem einstigen Jugendschwarm aufnimmt, sehr zum Missfallen ihres Vaters, der depperte Andreas (Paul Löbinger), der scharf auf Florians Magd Resi (Christiane Rücker) ist, sich dann aber in den Detektiv in Frauenkleidern verliebt, der Kneipenwirt Limbusch (Rolf Olsen), Florians ärgster Konkurrent im Kampf um das Bürgermeisteramt, ein stotternder Depp und Willy Millowitsch als Gefängniswärter …

Die zeitgenössische Filmkritik konnte mit soviel geballter Trivialität erwartungsgemäß rein gar nichts anfangen, auch eine Revision ist angesichts harscher Beurteilung wie jener des Lexikons des internationalen Films, nach der HEUBODENGEFLÜSTER „eine Attacke gegen den gesunden Menschenverstand“ sei, eher nicht zu erwarten. Wie schön, dass man solcherlei enthemmtes Amüsement in Nürnberger Nächten zu schätzen weiß. Zusammen wurde Olsens Film gefeiert, bejohlt und beklagt, manches humoristisch verkarstete Tal durchschritten, nur um dann wieder einen sonnebeschienenen Gipfel der Albernheit zu erklimmen. HEUBODENGEFLÜSTER gehen der klebrige Frohsinn und der ornamentale Schwulst anderer deutscher Lustspiele und Heimatfilme weitestgehend ab, Olsen inszeniert mit der Hand des realistischen Ökonoms und die Salve an Zoten, die wie aus der Stalinorgel geschossen auf den Zuschauer niedergeht, ist vor allem ein Mittel, das Tempo hochzuhalten, ein Surrogat für die Schießerei, den Faustkampf oder die Verfolgungsjagd des Actionfilms.

Arnfeld ist ein verschlafenes kleines Örtchen in der österreichischen Wachau, das sich von der neueröffneten Dampferstation Touristenbesuch erhofft. Stattdessen kommt erst einmal nur die schöne Helga (Marianne Hold) aus dem großen Wien, um in Arnfeld ihr altes Kindermädchen Theres (Annie Rosar) zu besuchen. Die freundliche alte Dame leitet den Gasthof „Zur Lindenwirtin am Donaustrand“, hat aber kaum genug Gäste, um die Schulden beim alten Kilian (Hans Moser) zu begleichen. Weil Helga Innenarchitektin ist, hat sie einige Ideen, wie man den maroden Gasthof herausputzen kann, und als ihr der Schlossverwalter Fred (Claus Holm) auch noch ein paar antike Möbel überlässt, ist der Grundstein für einen rauschenden Erfolg gelegt. Im Trubel, der das Örtchen nun ereilt, werden auch einige Herzen erobert respektive verloren: Doch bevor sich Helga und Fred in die Arme schließen können, müssen erst die obligatorischen Plothürden überwunden werden.

DIE LINDENWIRTIN VOM DONAUSTRAND ist ein absolut idealtypischer Vertreter des Heimatfilms der späten Fünfzigerjahre: Das alte Erfolgsrezept wurde mittlerweile durch zarte Zugeständnisse an die Jugend erweitert, die sich vor allem im Soundtrack niederschlagen, dessen Angebot klassischen Liedguts immer wieder von moderneren, schwungvolleren Rhythmen aufgelockert wird, aber auch in der Integration jugendlicher Sympthiefiguren. Der Konflikt von Stadt und Land, der in Filmen wie GRÜN IST DIE HEIDE, DER FÖRSTER VOM SILBERWALD oder SCHWARZWALDMÄDEL noch zentral war (und natürlich stets zugunsten des Landes ausfiel), ist längst gelöst: Ein Städtchen wie Arnfeld ist auf den Besuch aus der Großstadt angewiesen und weiß das auch, die Stadtleute freuen sich, draußen in der Natur einen guten Tropfen zu verköstigen, und Helga und Fred schaffen es selbstverständlich, sich eine Karriere in der großen Stadt aufzubauen und für den Urlaub aufs Land zurückzukehren. Überhaupt nimmt man nicht mehr alles so verbissen: Die Jugend hat sich von der strengen Moral der Erwachsenen weitestgehend emanzipiert, entscheidet sich aber pünktlich zum Happy End aus ganz freien Stücken für die Legitimität der Ehe, sodass alle glücklich sind. Die Zeitenwende prägt diese Filme, die sich nicht mehr als echte Utopien verstehen, sondern ihre Daseinsberechtigung als lediglich vorübergehende Fluchtmöglichkeit gleich mitreflektieren.

Regisseur Hans Quest orientiert sich augenscheinlich stark an den Filmen, die Harald Reinl zu jener Zeit gedreht hatte: Mit DIE FISCHERIN VOM BODENSEE und DIE PRINZESSIN VON ST. WOLFGANG teilt DIE LINDENWIRTIN VOM DONAUSTRAND nicht nur die Hauptdarstellerin, sondern auch Plotstruktur und Figurenkonstellation sowie die Verbindung von Romantik, Lustspiel, Musik- und Tanzfilm vor der Kulisse eines attraktiven Urlaubsorts. Hier von Filmkunst zu sprechen, geht an der Sache natürlich meilenweit vorbei, vielmehr wurde den Zuschauern ein handliches Unterhaltungspaket geschnürt, das sie für 90 Minuten vom Alltag ablenken sollte. Das kann man gewiss schlechter machen: Marianne Hold ist hübsch anzusehen, Hans Moser ist auch ohne echte Pointen immer für einen Lacher gut und muss eigentlich nur Hans Moser sein, die Story ist genau so vorhersehbar, dass man mitfiebern kann (wenn man möchte), ohne dabei um seine Gesundheit fürchten zu müssen, die Musik geht ins Ohr und beißt sich da hartnäckig fest, während alles andere schon kurze Zeit später wieder vergessen ist. Fließbandware ja, aber eben „mit Herz“.

Ich möchte diesen Text mit einer Lobpreisung für Georg Thomalla beginnen, einem beliebten, gleichwohl wenig respektierten oder beachteten deutschen Schauspieler, dessen Filme heute im Allgemeinen beschämt unter den Teppich gekehrt oder in dessen Fernsehäquivalent, dem Sonntagmorgenprogramm der Öffentlich-Rechtlichen, versendet werden. In Reinls Komödie VERLIEBTE FERIEN IN TIROL nimmt er eine für den Plot bestenfalls tangentielle Funktion ein, aber er reißt den Film mit einer Kraft an sich, die staunen lässt und begeistert, ja euphorisiert. Wie er sich durch die knapp 80 Minuten Reinl’schen Trivialfilms hyperventiliert, immer haarscharf unterhalb des Anschlags agierend, kann man nur als schauspielerische Tour de Force bezeichnen, die unbedingte Würdigung verdient hat.

Ich komme auch darauf, weil ich kürzlich in einem Interview, dass das arte-Magazn anlässlich der TV-Ausstrahlung von SEIN LETZTES RENNEN mit Dieter Hallervorden führte, lesen musste, dass der Schauspieler aufgrund seiner Kino-Darbietungen in den Achtzigerjahren als „deutscher Louis De Funes“ bezeichnet wurde. Ich musste nicht viel darüber nachdenken, um das furchtbar blöd zu finden. Genauso gut hätte man Hallervorden als deutschen Eddie Murphy bezeichnen können oder Cary Grant als amerikanischen Fips Asmussen, weil schließlich alle vier Komiker sind und meistens Hosen tragen. Der Vergleich Hallervordens mit De Funes hinkt gewaltig: Die Kunstfiguren des Franzosen waren eine Verballhornung des konservativen französischen Gaullismus, eines herrschsüchtigen, aufgeblasenen, wichtigtuerischen Chauvinismus, der im Falle De Funes‘ deshalb so witzig war, weil er im krassen Missverhältnis zu dessen zwergenhaftem Äußeren stand. De Funes‘ Charaktere ahnten wohl, dass es mit ihrer ostentativ vor ihnen hergetragenen Autorität nicht allzu weit her war: Ihre manische Hyperaktivität und Nervosität, war Ausdruck dieses Wissens. De Funes machte sich über die herrschende Generation der konservativen Patriarchen lustig, Hallervorden hingegen war als Didi immer der arme, herzensgute Trottel, der verzweifelt und unermüdlich versuchte, sich gegen die Fährnisse der modernen kapitalistischen Gesellschaft zu behaupten. Er machte sich als Didi über niemanden lustig, vielmehr kämpft er um die Würde des sprichwörtlichen „kleinen Mannes“.

Aber Thomalla, der könnte tatsächlich als „deutscher De Funes“ durchgehen und seine Darbietung in VERLIEBTE FERIEN IN TIROL ist ein guter Beleg dafür. Er spielt den Dortmunder Disponenten Christian Meier („mit ,Ch'“, wie er immer wieder betont, als sei das etwas besonders Ungewöhnliches), der mit Frau und Kind sehnsüchtig den Ferien entgegensieht. Als Macher und Superdad hat er eine wahre Monsterreise gebucht, die sie mit dem Auto (!!!) von Dortmund über Innsbruck, Rom und Neapel nach Afrika und dann bis zum Kilimandscharo führen soll. Der minutiöse Reiseplan, den er als mit deutscher Effizienz und Genauigkeit erstellt sowie sorgfältig in eine Mappe geheftet hat und mit dem er fortan allen auf die Nerven geht, sich selbst eingeschlossen, muss natürlich schon beim Kofferpacken zum ersten Mal über den Haufen geworfen werden, weil das echte Leben leider nicht so perfekt ist wie deutsches Planungsgenie. In der Nähe von Innsbruck, wo man den kurzfristig als Fahrer eingesprungenen Untermieter und Architekten Stefan Hellwig (Hans-Jürgen Bäumler) absetzen will (die Gründe dafür kommen später an die Reihe), verfährt man sich und beschließt, über Nacht in einem Bauernhof einzukehren, um am nächsten Morgen weiterzufahren. Meier (mit Ch) findet vor lauter Ärger über die Verspätung und die Sorge um möglicherweise platzende Anschlussbuchungen kaum zur Ruhe, hüpft wie ein Flummi oder ein zunehmend alkoholisiertes Rumpelstilzchen durch die Gegend. Die Gattin sieht mit hilfloser Sorge, wie ihr Mann sich dem Nervenzusammenbruch oder gar dem Herzanfall nähert, schafft es aber nicht, ihn zur Besinnung zu bringen. (Die Konstellation aus übermotiviertem Vater und davon genervter Familie erinnert nicht wenig an Harold Ramis NATIONAL LAMPOON’S VACATION und Thomalla kann Chevy Chase durchaus die Stirn bieten.) Hyperventilierend blättert er immer wieder in seinem Hefter, rechnet aus, unter welchen Umständen man den Rückstand wieder einholen kann, und muss dann miterleben, wie eine Erkältung der Tochter alle Hoffnungen auf eine schnelle Abreise zunichte macht. Sein Amoklauf aus verzweifelten Anrufen beim Reisebüro, Umbuchungen und Streitereien mit den „Eingeborenen“ des Alpenkaffs – flankiert von den typischen Stilmitteln der deutschen Komödie jener Zeit, nämlich High-Speed-Dialoge, Versprecher, Wortfindungsstörungen und immer wieder Missverständnisse, Missverständnisse, Missversändnisse – endet nach einer Alkoholfahrt an einer tragenden Säule der Tankstelle von Toni Sailer, woraufhin Meier sich – nun auto- und führerscheinlos – auf eine Alpenwiese niederlässt, zum ersten Mal Entspannung findet, Kilimanjaro Kilimanjaro sein lässt und zur Freude seiner Familie verkündet, dass der Urlaub nun vor Ort verbracht werde. Die Montagesequenz mit Jodelkurs, Schuhplatteln, Kuhmelken, Heuernten und Mistkarren zeigt einen tief relaxten Meier, der am Ende gleich zwei Koffer für das nächste Jahr da lässt.

Der eigentliche Plot um den Architekten Stefan, der auf Geheiß seines Schwiegervaters in spe (Carl Lange) einen Entwurf für die Errichtung einer Fabrik inmitten der Bergidylle zeichnen soll, dann aber erst die große Liebe in Form der Tierärztin Karin (Uschi Glas) und schließlich sein Gewissen findet, das ihn davon abhält, die Natur mit seiner Fabrik zu verschandeln. fällt gegenüber Thomallas aufopferungsvollem Spießbürgererwachen erwartungsgemäß ab. Bäumler muss schon die hässlichsten Hemden des Jahrgangs ’71 tragen, um überhaupt aufzufallen, und man merkt auch Reinl das Desinteresse an, das ihn befällt, wann immer sich das Drehbuch der faden Liebesgschichte zuwendet. Hellwig ist aber auch ein besonders begriffsstutziger und langweiliger Typ: Begeistert und berauscht vom „Fortschritt“ latscht er mit seiner schockierten Karin durch einen lärmenden Steinbruch, ohne die naheliegenden Probleme wahrnehmen zu wollen, bis schließlich ein kleines verwundetes Zicklein, das nichtsahnend in die Kiesgrube gestürzt ist, ihm erste Zweifel kommen lässt. Am Ende ist natürlich alles gut, Stefan kann seine Karin heiraten ud trotzdem Karriere machen, weil sich sein Auftraggeber und Ex-Schwiegervater in spe von Bürgermeister/Tierarzt Rudolf Prack überzeugen ässt, seine Fabrik woanders zu bauen, die Meiers fahren gut erholt nach Hause und der Papa hat seine Lektion gelernt. Und Martin Böttchers Winnetoueske Melodei verwandelt jeden sich gegen das totale Glück sträubenden Zuschauer in einen geschmeidigen Ball beliebig formbarer Knete.

Aber wie gesagt: Dieser Thomalla dreht hier auf wie ein junger De Niro des Heimatfilms. Womit wir wieder bei den blöden Vergleichen wären.

1. Baronin von Auerstein (Margarete Haagen) ist untröstlich: Die Hypothek auf ihr altehrwürdiges Schloss wurde gekündigt und wenn sie nicht 500.000 Schilling bezahlt, muss es zwangsversteigert werden. Doch ihr alter Freund Kleemann (Werner Finck), der zu gern einem Adelsgeschlecht angehörte, macht ihr einen Vorschlag: Wenn der Sohn der Baronin, Franz (Joachim Fuchsberger), Kleemanns Tochter Daniela (Karin Dor) heiratet, bezahlt er ihr die Schulden und legt noch was drauf.

2. Als Daniela davon erfährt, ist sie empört. Die Drohung des Papas, sie ins Internat zu stecken, wenn sie sich verweigert, weiß sie zu kontern: Sie beschließt, sich so zu verhalten, dass Franz sie ablehnen muss. Als sie dem Auserwählten jedoch begegnet, verliebt sie sich Hals über Kopf in ihn. Franz will indessen Junggeselle bleiben, also schlägt Daniela ihm vor, den Eltern etwas vorzuspielen, um in seiner Nähe bleiben zu können. Franz willigt ein, doch anstatt sich um Daniela zzu kümmern, bereitet einen Umbau des Schlosses zum Hotel vor, der das nötige Geld einbringen soll, um die Schulden zu begleichen.

3. Inzwischen trifft Konstantin Opel (Wolfgang Gruner), ein Reporter aus Berlin, im Zillertal ein mit dem Vorhaben, eine große Reportage zu machen. Also plant er, einen Gesangswettbewerb zu organisieren. Schmauss (Hans Moser), der Wirt des Gasthofes, in dem Opel untergekommen ist, macht sich hingegen Sorgen, dass das Auerstein-Hotel ihm die Gäste wegnehmen könnte. Man schlägt ihm vor, sich an die Baronin ranzuschmeißen.

4. Christel (Isa Günther), eine alte Kindheitsfreundin von Franz, ist eifersüchtig auf Daniela. Ihre Schwester Reserl (Jutta Günther) macht Opel schöne Augen und Daniela lernt Hans (Albert Rueprecht) kennen, der bei Schmauss arbeitet, sich tatsächlich aber auf den Abschluss seines Jura-Studiums vorbereitet. Er bittet sie, Schmauss nichts davon zu erzählen.

5. Schmauss erfährt von Hans‘ Plänen, als er dessen Zimmer besucht und konfrontiert ihn damit. Hans denkt, Daniela habe ihn verraten und verlässt das Zillertal. Franz, der sich dafür entschieden hat, Christel zu heiraten, hört von deren Großvater, dass sie mit Opel zusammen sei (er hat sie aus der Ferne verwechselt). Daniela und Franz beschließen gesenkten Hauptes, einander zu heiraten.

6. Friede, Freude, Eierkuchen: Schmauss erzählt Hans, wie es wirklich war, und dass Daniela nun Franz heiraten wolle, Franz hört vom Standesbeamten, dass es Reserl ist, die Opel heiraten will. Die Trauung wird abgeblasen, Franz heiratet Christel, Daniela ihren Hans, das Reserl gibt Opel das Ja-Wort und Kleemann wird trotzdem Adliger, weil er die Baronin ehelicht. Womit auch Schmauss‘ Sorgen sich in Luft aufgelöst haben.

Die schematische Skizzierung des Plots habe ich nicht etwa aus Denkfaulheit vorgenommen. Sie soll vor allem zeigen, wie perfekt diese Kommerzfilme auch zu jener Zeit schon konstruiert waren, wie da ein Gerüst gebaut wurde, das Platz für all jene Attraktionen bot, von denen man glaubte (oder wusste), dass sie die Zuschauer ins Kino locken. Reinl drehte DIE ZWILLINGE VOM ZILLERTAL unmittelbar nach DIE PRINZESSIN VON ST. WOLFGANG (so wie er jenen unmittelbar nach DIE FISCHERIN AM BODENSEE inszeniert hatte), und gestaltete das Drehbuch zuvor nach seinen Vorstellungen um. Waren die beiden Vorgänger noch Variationen ein und derselben Geschichte, geht ZWILLINGE zwar etwas eigenere Wege, doch die Zutaten sind weitestgehend die gleichen. Es geht natürlich um die Liebe und die Hindernisse, die man auf dem Weg zur Eheschließung zu überwinden hat, und nicht nur die eigenen Gefühle, sondern vor allem die Eltern stehen immer wieder im Weg. Die Günther-Zwillinge hatten ihre Publikumstauglichkeit bereits in FISCHERIN unter Beweis gestellt, und Karin Dor, seit 1954 mit Reinl verheiratet, hatte kurz zuvor schon einmal mit dem neuen Star Joachim Fuchsberger für KLEINER MANN – GANZ GROSS vor der Kamera gestanden. Den westdeutschen Stadtmenschen, der in die ländliche Idylle kommt und dort Verwirrung stiftet, gab es bereits in der PRINZESSIN (hier wie dort ein Berliner), den Part des einheimischen „Originals“, das hier von Moser verkörpert wird, übernahm zuvor Joe Stöckel. Wie bei der FISCHERIN gibt es in der Mitte des Films ein großes Volksfest, das Anlass für den Aufmarsch von Trachtenträgern und natürlich für Musik liefert, und am Schluss lösen sich alle Konflikte in Wohlgefallen und also einer großen Hochzeit auf.

Man könnte DIE ZWILLINGE VOM ZILLERTAL aufgrund dieser Geformtheit durchaus als „zynisch“ beschreiben: Der Film funktioniert wie ein Uhrwerk, bei dem jedes Teilchen an seinem Platz ist und nichts dem Zufall überlassen wird. Aber wie dieser Film tatsächlich reibungslos „funktioniert“, bereitet eben nicht gerade wenig Spaß. Reinl ist ein Vollprofi, der nicht nur die Technik beherrscht, sondern sie auch mit Leben füllen kann, so mechanistisch der Plot auch voranschreitet. Und er weiß alle Schwächen zu kaschieren: Dass die Günther-Zwillinge weder als Schauspielerinnen noch als Identifikationsfiguren taugen, fällt nicht weiter ins Gewicht, weil sich der Film eh nie lange an einer Stelle aufhält. Und dass es streng genommen ein Konstruktionfehler ist, dass die beiden Hauptfiguren nicht zueinanderfinden, ist egal, weil der Zuschauer ansonsten die Vollbedienung in Sachen Romantik, Komik, Bildgewalt, Musik und „Action“ bekommen hat. Das Finale mit den vier Hochzeiten an einem Tag fasst den Film in seiner Bevorzugung von Quantität über Qualität recht treffend zusammen. Keine dieser Ehen scheint wirklich glaubwürdig, aber die schiere Masse gleicht dieses Defizit locker wieder aus. Auch DIE ZWILLINGE VOM ZILLERTAL war ein Kassenerfolg, doch in seinem Eklektizismus lässt er das nahende Ende des Heimatfilms alter Prägung bereits erahnen.

Heimatfilm goes Sozialdrama: Maria Gassl (Marianne Hold) ist die letzte, die den alten Fischereibetrieb der Familie noch aufrechterhalten kann, doch das Geschäft wird ihr durch die Dumpingpreise erschwert, die Hans Bruckberger (Gerhard Riedmann) für die Fische aus eigener Zucht nimmt. Als wäre das noch nicht genug, wird ihr erst das Fischernetz von den frechen Schweizer-Zwillingen Anny und Fanny (Isa & Jutta Günther) zerstört, die beide ein Auge auf den feschen Hans geworfen haben, und dann auch noch ein recht unverschämtes Angebot von den Bruckbergers zum Abkauf der Fischereirechte unterbreitet. Voller Zorn konfrontiert sie den Jungunternehmer, auf den die energische junge Frau so viel Eindruck macht, dass er sich Hals über Kopf in sie verliebt. Es dauert nicht lange, bis auch sie ihre Ressentiments überwunden hat. Doch dann gibt es unerwartete Probleme: Es scheint, als sei Bruckbergers Vater Karl (Joe Stöckel) der uneheliche Vater Marias …

Noch während der Produktion von DIE FISCHERIN VOM BODENSEE; der sich als großer Publikumserfolg herausstellen sollte, unterschrieb Reinl den Vertrag für ein „Sequel“: Der hier bereits besprochene DIE PRINZESSIN VON ST. WOLFGANG reaktivierte wesentliche Teile der Besetzung. Neben den Stars Hold und Riedmann traten dort auch Joe Stöckel und die resolute Annie Rosar wieder auf – und bemühte eine sehr ähnliche, nun aber mit umgekehrten Vorzeichen wiederholte Dramaturgie, verkuppelte die wohlhabende Prinzessin Josi gegen jeden Widerstand mit dem armen, aber umso ehrlicheren KFZ-Mechaniker Toni. Die strukturelle Ähnlichkeit kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass DIE FISCHERIN im Vergleich sowohl interessanter als auch spritziger ist: Die geschäftliche Konkurrenz der beiden Protagonisten verleiht der Liebesschmonzette einen realistischeren, moderneren Hintergrund (mit sanfter Thematisierung von Umweltverschmutzung, Überfischung und Industrialisierung), und die Verbindung von Joe Stöckel und Annie Rosar als streitendes Ehepaar Bruckberger einen Witz, den man im Nachfolger vermisste. Es stellt sich am Schluss heraus, das Karl seine Vaterschaft nur erfunden hatte, um der mit äußerster Strenge die Finanzen überwachenden Gattin „Alimente“ abzuzwacken, die er dann in Wahrheit an seinem Stammtisch versaufen konnte. Ihre Erleichterung darüber, dass der Ehemann ihr mitnichten fremdgegangen war, wie sie seit Jahrzehnten geglaubt hatte, weicht schnell wieder der weiblichen Wut: „Versoffen hast’s!“ Wer den Heimatfilm hingegen auf der Suche nach Absonderlichkeiten durchpirscht, wird am ehesten bei den Schweizer-Zwillingen fündig, die keineswegs enttäuscht sind, als sich Hans für Maria entscheidet: Kein Mann soll schließlich zwischen die beiden Mädels treten, die ihren Vater (Rudolf Bernhard) mit Rechnungen für Falschparken und zu schnelles Fahren quälen, ihm zur „Entgiftung“ sofort Milch einflößen, wenn er sich mal ein Schlückchen gegönnt hat. Er erträgt diesen Terror erstaunlicherweise mit nur milde resigniertem Lachen über die ach so verrückten Töchterlein. Am Schluss schmeißt sich dann der Schifferkapitän vom Bodensee-Urlaubsdampfer an die beiden ran, nachdem die verführerische Wirkung seines Liedguts wirkungslos an der schönen Maria abgeprallt war.

Auch wenn ich mir damit jegliche noch verbliebene Credibility zerstöre: Ich fand diesen Film irgendwie putzig, gar keine schlechte Mittagsunterhaltung. Klar, er ist ein reines Kommerzprodukt, das auf die leicht zu erweichenden Herzen von Hausfrauen und Großmütter abzielt, aber er ist von Profis gescriptet und inszeniert und kommt dabei recht schwungvoll daher. Diese späten „Heimatfilme“ haben zudem den Vorteil, dass sie die deutschen/österreichischen Landschaften nur noch als austauschbare Kulisse verwenden, anstatt sie ideologisch unangenehm zu überfrachten, wie das weniger Jahre zuvor noch üblich war (siehe etwa GRÜN IST DIE HEIDE für ein besonders abschreckendes Beispiel). Das Label „Heimatfilm“ ist dann auch etwas irreführend: DIE FISCHERIN VOM BODENSEE ist eine romantische Komödie, deren Dramaturgie noch heute als Blaupause für dann allerdings in großstädtischen Werbeagenturen, Luxushotels oder sonstigen Wirtschaftsbetrieben spielende Filme europäischer oder amerikanischer Provenienz herhalten muss.

ruf_der_waelder_articleFür DVD-Veröffentlichungen wie RUF DER WÄLDER bin ich dem umtriebigen Verleih „Filmjuwelen“ unendlich dankbar, selbst wenn sie manchmal die editorische Sorgfalt vermissen lassen, die die Filme verdient hätten (und ihre Booklets sich lesen wie Krankenakten). Nicht unbedingt, weil es sich hier um ein zu Unrecht vergessenes Meisterwerk handelt, sondern weil der Film wunderbar dazu geeignet ist, das statische Bild, das man vom deutschen kommerziellen Kino hat, einer Revision zu unterziehen. Vom Österreicher Franz Antel inszeniert, dessen eindrucksvolle Karriere in den Vierzigerjahre begann und der sich zunächst vor allem mit Heimatfilmen und leichter Unterhaltung einen Namen machte, ist RUF DER WÄLDER so etwas wie ein missing link zwischen dem betulichen Fünfzigerjahre-Kino und dem schmierigen Schmuddelkram und den Reißern der Siebziger, die man hier vor allem in den Klängen des Beat-Soundtracks heraufziehen sieht, der auch jedem St.-Pauli-Film gut zu Gesicht gestanden hätte.

RUF DER WÄLDER beginnt mit dem gemütlichen Opa Gustl (Paul Hörbiger), der den Zuschauern seinen Hund Bella vorstellt, dessen Geschichte er sich im Folgenden widmen wird. Der italienische Gastarbeiter Marcello (Terence Hill) liest den Welpen eines Tages auf dem Gelände seines Stahlwerks auf und bekommt daraufhin Ärger mit seinen deutschen Kollegen, denen das Tier ein Dorn im Auge ist. Ingenieur Prachner (Rudolf Prack), der in den Alpen eine neue Seilbahn erbaut, bietet dem als aufbrausend geltenden Italiener einen Job als Schlosser an. In dem kleinen Dörfchen angekommen, zieht der „Makkaroni“ sofort den Hass des LKW-Fahrers Kubesch (Rolf Olsen) auf sich und verliebt sich außerdem in die schöne Angelika (Johanna Matz), auf die auch der neue Förster Bernd (Hans-Jürgen Bäumler) ein Auge geworfen hat. Die Beziehung zwischen dem Fremden und der Einheimischen wird von allen mit Misstrauen beäugt, das bestätigt wird, als Marcello im Eifer des Gefechts einen Mann totschlägt. Ihm gelingt die Flucht aus der Gefangenschaft, er tötet Kubesch und trifft Angelika wieder, die ihm eröffnet, dass es nichts werden wird mit ihnen. Er schnappt sich ein Gewehr und macht sich auf den Weg gen Heimat, doch in den Wäldern kommt es zum Duell mit Bernd und dem Oberförster Matthias (Gerhard Riedmann) …

Das zeitgenössische Urteil des „Evangelischen Filmbeobachters“ bringt auf den Punkt, was RUF DER WÄLDER so spannend macht: „Ein Heimatfilm, der einige alte Klischees abbaut, um sie flugs durch neue zu ersetzen.“ Wobei man relativieren muss, denn streng genommen ist RUF DER WÄLDER kein Heimatfilm. Sicher, er spielt in der idyllischen Bergwelt der Alpen und streift vor allem auf Dialogebene genretypische Themen, etwa wenn da über die Umweltzerstörung, den geringe Wildbestand und das Wildern gesprochen wird, doch mehr als um die Proklamierung eines utopischen Raums namens „Heimat“ geht es darum, wie die Umrisse dieses Begriff zunehmend aufweichen. Bilder des qualmenden Stahlwerks bilden zu Beginn einen harten Kontrast zum Alpenpanorama, und wenn sich Antel in die Arbeiterquartiere begibt, fühlt man sich an LASS JUCKEN KUMPEL II. TEIL: DAS BULLENKLOSTER erinnert. Mit seinem italienischen Protagonisten findet die Heimatproblematik auf Figurenebene ihre Repräsentation und RUF DER WÄLDER scheint zunächst genau das zu kritisieren, was der Heimatfilm in den Jahrzehnten zuvor als Ideal ausgerufen hatte: das Abschotten nach außen, den Argwohn allem „Fremden“ gegenüber. Doch überraschenderweise vollzieht der Filme eine Kehrtwende: Die Liebesbeziehung zwischen Marcello und Angelika, so wird ihr vom weisen Prachner erklärt, habe keine Zukunft, weil das südländische Heißblut nicht zu ihr passe, es kann nicht sein, was nicht sein darf. Ein unerwarteter Umschwung, bei dem es auch daran hapert, dass Terence Hill einfach viel zu nett ist, um als Bedrohung für den Frieden durchzugehen. Er reagiert eigentlich immer nur auf die Feindseligkeit der anderen. Im Gegenzug wird Bernd als „realistische“ Alternative etabliert, ein Schachzug, der nur als reaktionär bezeichnet werden kann, tut sich der brave Förster doch vor allem durch Arroganz und Ablehnung gegenüber dem Italiener hervor. Aber Liebe muss eben mit Vernunft einhergehen, weshalb ein aufrechter Österreicher allemal besser ist als ein unzuverlässiger Italiener. Es wird so dargestellt, als ob sich hier unabänderliches Schicksal vollzieht, dabei ist die Geschichte, die zum Tod Marcellos führt, doch eine von gesellschaftlichem Versagen. Der Gastarbeiter bleibt ein bloß Geduldeter, isoliert in der Dorfgemeinde, auf den Charakter des „impulsiven Südländers“ reduziert. Und der Film, der doch damit begann, Türen aufzustoßen, muss sie am Ende umso fester verrammeln. In diesem Umschwung ist RUF DER WÄLDER dann vielleicht sogar ein besonders nachdrücklicher Heimatfilm: Er verschließt die Augen vor der Realität und hält gegen jedes bessere Wissen am Status quo fest.

45918484 DIE FISCHERIN VOM BODENSEE war noch nicht fertiggestellt, da wurde Reinl bereits für diesen Film verpflichtet, einen dem Vorgänger in Besetzung und Handlung fast originalgetreu nachempfundenen Aufguss. Der Heimatfilm, der zu Beginn der Fünzigerjahre mit Erfolgen wie SCHWARZWALDMÄDEL, GRÜN IST DIE HEIDE oder DER FÖRSTER VOM SILBERWALD heute geradezu utopisch erscheinende Zuschauermassen mobilisierte und mit entsprechend vielen Produktionen im Kino vertreten war, verzeichnete zu dieser Zeit bereits ein sinkendes Publikumsinteresse und stark verminderte Erträge. Übersättigung und generell sinkendes Niveau waren die Ursachen. DIE PRINZESSIN VON ST. WOLFGANG trägt dieser Entwicklung durch eine Art inhaltlicher Verallgemeinerung Rechnung: Zwar dient das österreichische St. Wolfgang als gewohnt heimelige, urtümliche Kulisse, doch die Geschichte könnte eigentlich überall spielen. Am Ende wird gar ein Ausflug an die Côte d’Azur und den Badeort Cannes gewagt.

Der Film erzählt von der Liebesgeschichte des jungen Werkstatt-Besitzers und Tüftlers Toni Leitner (Gerhard Riedmann) und Josefa (Marianne Hold), ihres Zeichens waschechte Prinzessin. Dem Adelshaus ist die Beziehung der beiden Jugendfreunde natürlich ein Dorn im Auge und so wird Josefas Heirat mit Frinz Georg Alexander (Thomas Reiner) forciert. Dank der Unterstützung eines Lokalpolitikers (Joe Stöckel) und eines Berliner Journalisten (Walter Gross) kann Josis gestrenge Tante, die Fürstin Isabella (Annie Rosar), jedoch davon überzeugt werden, der jungen Liebe nachzugeben. In St. Wolfgang findet schließlich die Hochzeit statt.

Heimatfilm-typische Themen wie der Kontrast zwischen Natur und Stadt spielen hier keine Rolle mehr, eine Entwicklung, die 12 Jahre nach Kriegsende wahrscheinlich auch dem mittlerweile nicht mehr zu leugnenden Wirtschaftsaufschwung geschuldet war. Der Film thematisiert die mit diesem verbundenen neuen Hoffnungen indessen eher nebenbei: Toni, der eigentlich vom Ingenieursberuf träumte, als ihn der Tod des Vaters zum Werkstattbesitzer machte, hofft, eine seiner Erfindungen patentieren zu können und begibt sich gegen Ende des Films, als seine Beziehung zur Prinzessin gescheitert scheint, zum Antritt einer neuen Stelle nach Australien. Beim Besuch des Liebespaares auf der Gaisbergspitze wohnen beide der von einem Volksfest begleiteten Einweihung einer Antennennanlage bei: Auch hier also Wachstum, Fortschritt und das Gefühl des Aufstiegs. Zeichneten die frühen Heimatfilme der zweiten Welle das Naturidyll noch als ein vom Stadtleben abgeschiedenes, wird der touristische Aspekt hier ganz offen ins Bild gerückt, wenn Reisebusse mit winkenden Urlaubern durchs Bild fahren. DIE PRINZESSIN VON ST. WOLFGANG handelt nicht mehr von ländlicher Utopie, er betrachtet seinen Handlungsort nur noch als attraktiven Backdrop, den Harald Reinl mit dem von ihm gewohnten Professionalismus, aber auch ohne echte Inspiration zu nutzen weiß. Der Film läuft ganz gut rein, ist zwar zu jeder Sekunde absolut vorhersehbar, entwickelt dabei aber jene „Gemütlichkeit“, die für den Erfolg dieser Filme von wesentlicher Bedeutung war. Riedmann gibt den Toni als herzensgutes Schwiegersöhnchen mit unerschöpflichem Talent und Marianne Hold beherrscht diesen schmachtenden Blick aus feurigen Augen, der für die Überhöhung romantischer Gefühle und damit das Gelingen dieser Filme so wichtig ist, nahezu perfekt. Die bestehenden Geschlechterrollen werden am Ende erwartungsgemäß zementiert, wenn Josi ihrem Toni mit einem befreiten Lachen das Steuer überlässt, weil es schließlich so sein muss. Aufgelockert wird die Geschichte durch kurze Gesangs- und Tanzeinlagen, durch Stöckel und Gross, die als ungleiches Paar den Klischees vom Stadt- und Landmenschen ein humorvolles Gesicht verleihen und als Comic Relief fungieren, und eine kurze Suspense-Szene, in der Toni und Josi den kleinen Franzl (Michael Ande) aus einem VW-Käfer (Wirtschaftswunder!) retten müssen, der über einem reißenden Wasserfall in den Bäumen hängt. Hier übte Reinl wahrscheinlich schon für den actionlastigen Thrill der späteren Karl-May-Filme. Dass DIE PRINZESSIN VON ST. WOLFGANG – der als „auf wahren Tatsachen beruhend“ beworben wurde, tatsächlich aber eine Literaturverfilmung ist – in allererster Linie aber eine auf kommerziellen Erwägungen beruhende Nummernrevue ist, kann Reinl nie verbergen. Vor allem am Ende, wenn der herzensgute Toni ganz aus dem Film genommen wird und an der positiven Wendung gar keinen Anteil hat, stattdessen etwas mediterran-mondänes Cannes-Flair mitgenommen werden muss, zeigt sich, dass da mit ganz heißer Nadel gestrickt wurde.

Keinen Film habe ich dieser Tage (oder sogar jemals?) mit solcher Spannung erwartet wie Jürgen Enz‘ mittlerweile gleichermaßen gefeierten wie berüchtigten Heimatfilm. Die mir schon seit einiger Zeit vorliegende Videokopie habe ich extra links liegen lassen, um beim ersten Sonderkongress des Hofbauer-Kommandos mit der 35-Millimeter-Kopie besonders nachhaltig entjungfert zu werden. Der Film hatte es, belastet mit dieser Erwartungshaltung (die durch die zahlreichen Lust machenden, dabei das Mysterium des Filmes bewahrenden Texte geschätzter Freunde und Kollegen geschürt wurde) eigentlich unheimlich schwer. Meine Leser, die meine Filmlandschaft teilen, kennen das wahrscheinlich aus eigener Erfahrung: Diese endlich nach langer Wartezeit erfolgenden Sichtungen von Filmen, über die man schon so viel und fast ausschließlich Gutes gehört hat, sind oft auch die enttäuschendsten. Hier wurden die Erwartungen jedoch nicht nur erfüllt, sondern noch meilenweit übertroffen, was als Beleg dafür dienen mag, was Enz mit HERBSTROMANZE für ein Meisterwerk gelungen ist. Und nicht nur das: Sein Film ist hinsichtlich seiner Stimmung absolut singulär, ein Unikat, nicht nur in der deutschen Filmlandschaft. Er ist so verstörend und groß, dass man nur bedauern kann, dass er, immerhin als „Film für die ganze Familie“ angekündigt, seinerzeit so hoffnungslos floppte, mithin keinen ganzen Serie vom genialisch-autistischen Enz inszenierter Spät-Heimatfilme initiierte: Schon der Gedanke lässt unweigerlich Hosen platzen und Gehirne schmelzen.

Aus dem fernen München reist Christina Peters (Anke Syring), eine Frau in den besten Jahren, mit ihrer stummen Tochter Veronika (Marion Brandmaier) ins beschaulich-rustikale Hochsauerland, um auf dem Gut Vorwald Freiherr Benno von Calden (Rudolf Lenz) zu besuchen, mit dem sie vor vielen, vielen Jahren eine unerfüllt gebliebene Liebesbeziehung unterhielt. Beim Freiherrn erwachen jedenfalls sofort alte Gefühle, auch unter dem Eindruck Veronikas, die ihn so sehr an seine große Liebe erinnert. Doch die Last der vergangenen Jahrzehnte lässt sich nicht beseitigen …

Der Trailer suggeriert noch einen Plot, in dessen Zentrum der schurkische Reno von Calden (Claus-Dieter Reents), Sohn des Freiherrn und sein unstillbares Verlangen nach der jugendlichen Veronika stehen, doch der entsprechende Konflikt ist kaum mehr als ein Nachgedanke in diesem Film, der eine Meditation über das Älterwerden und den langsamen Fluss der Zeit ist. Eigentlich passiert überhaupt nichts in HERBSTROMANZE, aber dabei ist er dennoch übervoll. An Eindrücken, Geheimnissen, unerzählt bleibenden Geschichten, unerfüllten Wünschen und geplatzten Träumen. Und an Blicken. Oh, diese vielsagenden Blicke … Unter der Oberfläche, die spiegelglatt daliegt wie der friedvolle Ententeich auf des Freiherrn Grundbesitz, die nur von ganz leichten Wellenbewegungen gekräuselt wird, wenn eine leichte Brise darüberstreicht, ein Unwetter ankündigt, das dann doch unerwartet ausbleibt, da brodelt es gewaltig, fallen bizarre Raubfische über gründelnde Entchen her und zerfetzen sie lustvoll mit ihren rasiermesserscharfen Zähnen. Die Suggestivkraft, die Enz in seiner aufreizend langsamen, hypnotischen Inszenierung beschwört, ist vielfach kaum zu ertragen. Die Dialoge dringen nie zum Kern der Dinge vor, die Münder verstummen, bevor sie die Wahrheit aussprechen können, und was am Ende bleibt, sind hilflose Gesten und immer wieder diese Blicke ins Nichts. Die Luft in jenen Szenen des bis zur totalen Leblosigkeit ritualisierten Beisammenseins – am Frühstücks- oder Mittagstisch, im Festzelt, beim Schachspiel – ist zum Schneiden dick und die Nerven sind bis zum äußersten gespannt. Die ostentative Betonung seiner Gastfreundschaft, die der Freiherr immer wieder verkündet, lässt ihn wahlweise als Realitätsverleugner oder aber als Blindgänger erscheinen, die Kluft zwischen Anspruch und Realität als vollkommen unüberbrückbar. Nicht nur im Zuschauerraum stellte sich stets spürbare Entspannung ein, wenn der Clown Kaspar Leroy (Dietz-Werner Steck) die aufgeladene Atmosphäre mit seinen exaltierten Späßen durchbrach. Auch die Charaktere freuen sich sichtbar über die Ablenkung vom Elefanten im Raum, der mit jeder Bewegung weiteres Porzellan zerschlägt, ohne dass jemand Anstoß daran nähme. HERBSTROMANZE ist auch ein Film der Handlungsunfähigkeit bzw. -verweigerung, ein Film über die äußersten Auswüchse der Verdrängung. (Die Traumatisierung Veronikas wird von ihrer Mutter einfach so hingenommen, ihre Fixierung auf den toten Vater als romantische Marotte genauso toleriert wie das Arschlochverhalten Renos von Benno.) Das passt zum Heimatfilm mit seiner Sexualitätsverklausulierung und seiner Untiefenpsychologie natürlich wie die Faust aufs Auge. Die Besetzung Rudolf Lenzs, des einstigen Försters vom Silberwald, ist mehr als nur programmatisch: HERBSTROMANZE wirkt zeitweise beinahe wie der große Meta-Heimatfilm, in dem alle Klischees des Genres in abstrakten Gesten erstarrt sind. Anstatt Bedeutung werden hier nur noch leere Bedeutungsbehälter transportiert. Und statt imposanter Alpenkulisse empfängt die nondeskript-erdfarbene Anhäufung von Hügeln, Tannenwäldern und Tälern des Sauerlands den Zuschauer mit mildem Hohn. Enttäuschung ist nicht zuletzt die Befreiung von einer Täuschung.

Aber Enz‘ Film ist keineswegs bloß trocken-intellektuelle Fingerübung. Mit seiner meditativen Stimmung, maßgeblich befördert durch den typisch mechanischen Enz-Soundtrack und die gewohnt langsame Inszenierung sowie das chloroformierte Spiel der Akteure, handelt es sich vielmehr um einen unmittelbar sinnlichen Film, der eher instinktiv verstanden wird, als mit den Instrumenten der Hermeneutik seziert. Es ist ein unglaublich deutscher, unglaublich beunruhigender, aber auch unglaublich aufregender Film. Am Ende betastet Benno, seiner Christina trauernd hinterherschauend, das kleine Porzellanpferd, den Talisman Veronikas, den diese ihm überlassen hat, als Zeichen ihrer Dankbarkeit und der Überwindung ihres Traumas. Es ist ein Bild, das die finale (Auf-)Lösung aller Probleme, den Aufbruch in eine befreite Zukunft signalisieren soll. Aber es ist mit so vielen weiteren, weitaus weniger beruhigenden Bedeutungen aufgeladen, dass es vielmehr eine neue, noch tiefere Ebene neurotischer Verstrickungen andeutet. „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“, schrieb einst Bertolt Brecht in „Der gute Mensch von Szechuan“. Das trifft auch auf den Zuschauer zu, der aus der HERBSTROMANZE entlassen wird. Nur Benno von Caldern, der große Verdränger, fragt sich nichts mehr.

wetterleuchten-um-mariaLuis Trenkers WETTERLEUCHTEN UM MARIA beginnt wie ein lupenreiner Actionfilm: Zu Bildern vom bayerischen Alpenidyll erklärt ein Voice-over-Kommentator, dass rücksichtslose Wilddiebe dabei seien, den Bestand an Wildtieren gnadenlos zu zerstören. Zum Beleg hört man einen Schuss hallen, gerade als die Bewohner des Handlungsortes ein paar aufgezogene Hirsche und Rehe in die freie Wildbahn entlassen. Man ist sich einig: Zwei Jäger sind zu wenig, um dem kriminellen Treiben Einhalt zu gebieten. Ein dritter muss her. Bei diesem dritten handelt es sich um Thomas (Bert Fortell) und er wird darüber aufgeklärt, dass man von ihm erwarte, hart durchzugreifen, notfalls mit Waffengewalt. Mit umgeschnallter Knarre zieht er nun durch das Örtchen und die umliegenden Bergwälder, von den Einwohnern argwöhnisch beäugt, denn jeder von ihnen geht gern auf die Jagd und muss seinen Lebensunterhalt mit harter Arbeit verdienen. Zu allem Überfluss beginnt der tumbe Thomas auch noch eine Liebesaffäre mit Maria (Marianne Hold), der Tochter des Bürgermeisters (Viktor Staal), der selbst ein eifriger Wilddieb ist. Und auch der kaum weniger aggressive Kaspar (Harald Maresch) hat ein Auge auf die schöne Frau geworfen. Thomas tappt mit der Eleganz eines betrunkenen Braunbären durch dieses Minenfeld. Und natürlich kommt es irgendwann zur Katastrophe …

Leider bestreitet WETTERLEUCHTEN UM MARIA seine Spielzeit nun nicht, wie es eben im Actionfilm üblich wäre, mit dem Kampf des Jägers mit der Lizenz zum Töten gegen eine durch und durch amoralische Dorfgemeinschaft, beschäftigt ihn nicht so sehr die Reinstallation von Law & Order mithilfe der guten alten Stahljustiz. Stattdessen liegt ihm das Liebesglück von Thomas und Maria am Herzen und dass, obwohl er wirklich alles tut, es zu verbauen. Der Papa kann Jäger grundsätzlich nicht leiden, diese faulen Nichtsnutze, die den lieben langen Tag im Wald spazieren gehen und rechtschaffene Bürger drangsalieren, hat sich für seine Tochter wahrlich etwas Besseres vorgestellt. Als er Thomas mit dessen alter Jugendfreundin, der Baroness Isabella (Katja Kessler) im freundschaftlichen Miteinander sieht, serviert er es seiner Tochter brühwarm und treibt so einen Keil zwischen die beiden. Isabellas Einsatz – die Gute steht selbst kurz vor ihrer Hochzeit mit einem Anwalt, ist mithin völlig unschuldig – leitet die Versöhnung ein, doch dann kommt es zur Auseinandersetzung zwischen Thomas und Marias Vater. Als wäre das noch nicht genug, plant das Dorf ein Komplott gegen den Jägersmann, der sich plötzlich nicht nur selbst dem Vorwurf der Wilderei gegenübersieht, sondern auch noch dem des Mordes am Bürgermeister. Maria kann das Komplott zwar aufdecken, doch nur um den Preis, dem schurkischen Kaspar die Ehe zu versprechen. Damit die beiden Gutmenschen Thomas und Maria doch noch zusammenfinden können, bedarf es eines eilig zusammengetrommelten Lynchmobs und des Unfalltods Kaspars. Keine Ahnung wie man in einem solchen Umfeld glücklich werden kann, aber Maria und Thomas sind da schon ein Stückchen weiter, schließen sich vor strahlend blauem Himmel in die Arme und tanzen glücklich in das Meuchelmörderkaff, auf dass sie bis an ihr Lebensende unter Demütigungen in Todesangst leben.

WETTERLEUCHTEN UM MARIA erinnert ein bisschen an DER WILDERER UM SILBERWALD, ist aber ungleich stringenter erzählt und kompetenter inszeniert. Luis Trenker weiß, wie man die Alpenkulisse mit maximalem Effekt ablichtet, dennoch verkommt sein Film nicht zur Diashow, bei der sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen. Auf die beliebten Versatzstücke muss man natürlich dennoch nicht verzichten: Das ein oder andere fröhliche Liedchen wird angestimmt, während eines Volksfestes wird ausgiebig getanzt (die Anwesenheit eines Kettenkarussells schafft Gelegenheit für einige tatsächlich spektakuläre Kameraeinstellungen) und mit Johanna König, die einige Jahre später als Werbeikone „Klementine“ zu bundesweiter Berühmtheit gelangen sollte, wird das Bedürfnis nach burlesker Komik befriedigt. Das Liebesleben der Figuren spielt sich anscheinend ausschließlich oberhalb der Gürtellinie ab, und wenn Kaspar die schnieke Maria anfleht, ihm doch bitte bitte einen Kuss zu geben, ist das in diesem Kontext schon eine eklige Anzüglichkeit. Es brodelt in der Lederhose und unter dem Dirndl. Verblüffen muss auch die Naivität, mit der die Figuren vorgehen. Hier steht nicht Realismus oder Authentizität im Mittelpunkt, wird stattdessen lediglich das Ziel verfolgt, die für den Spannungsbogen nötigen Komplikationen herbeizukonstruieren. Vor allem am Ende werden der gesunde Menschenverstand, die herrschenden Gesetze und die Regeln von Rechtsprechung und Gerichtsbarkeit völlig außer Kraft gesetzt, nur um Thomas in existenzielle Nöte zu bringen. Zusammen mit der Zeichnung der Dorfgemeinschaft als einer, die die Gesetze nach eigenem Gutdünken interpretiert, ohne dass dies ernsthaft infrage gestellt würde, ergibt sich ein mehr als tristes, dumpfes Bild des vermeintlichen Paradieses. Dass da aus jeder Zimmerecke ein Marien- oder Jesusbildnis glotzt, mag einem kaum mehr als Ironie erscheinen.

„ALT HEIDELBERG ist der ultimative Verzichtsfilm“: Zu dieser an das Vokabular des Hofbauer Kommandos angelehnten Beschreibung ließ ich mich kurz nach der Sichtung auf Facebook hinreißen, in einem ersten Versuch, das eben Gesehene einzuordnen. „Verzicht“: Dieses Wort ist zum prägenden Stempel für solche Filme häufig deutschen Ursprungs geworden, die an der hierzulande weit verbreiteten Unsitte kranken, ihren Protagonisten jedweden körperlichen Genuss mithilfe abstruser moralischer Argumentationen madig zu machen oder gleich ganz zu verbieten. „Verzicht“ heißt demzufolge die Krankheit der langsam vertrocknenden Hausfrauenprimel, die lieber auf den lieben Gott und die Sittenpredigten ihrer Mitmenschen hört als auf den Lustschrei ihres Unterleibs, und des fleißigen Mannes, dem das Bruttosozialprodukt wichtiger ist als das regelmäßige Freispülen der Samenstränge. ALT HEIDELBERG nun handelt direkt, unmittelbar vom Verzicht, nicht nur in der Hinsicht, dass er seinen Protagonisten (und diverse Nebencharaktere) vor die Wahl zwischen Lusterfüllung und Verzicht stellt, sondern auch, weil diese Wahlmöglichkeit von Anfang an nur virtuell ist. Noch nicht einmal hier, im Kino, dem Ort des Eskapismus und der Wunscherfüllung, einer Oase der unendlichen Möglichkeiten inmitten der Wüste bundesdeutscher Biederkeit, gönnt Drehbuchautor und Regisseur Marischka seinem Helden den Ausbruch aus der Tristesse der Realität, sondern wirft ihn mit geradezu sadistischer Boshaftigkeit in Ketten, um sich diese Brutalität von seinen wahrscheinlich überwiegend weiblichen Zuschauern mit salzigen Tränen bezahlen zu lassen.

Karl-Heinrich (Christian Wolff), Erbprinz des erfundenen Herzogtums Sachsen-Karlsburg, soll sein Studium in Heidelberg aufnehmen. Der strenge Stundenplan, der für ihn ausgearbeitet wird, versetzt seinen Lehrmeister Dr. Jüttner (Gert Fröbe), einen jovialen älteren Herren, in schiere Raserei, weiß er doch, dass zum Studium nicht nur das Lernen, sondern auch das Leben gehört. Zumal in Heidelberg, dessen wunderbaren Wein und köstliches Bier er in seiner eigenen Studienzeit lieben gelernt hat. Er begleitet Karl-Heinrich sehr zum Missfallen seines spießigen Kammerdieners Lutz (Rudolf Vogel) und achtet im Folgenden darauf, dass dieser ausgiebig teilnimmt am Studentenleben. Karl-Heinrich legt die vornehme Zurückhaltung bald ab, wird zum beliebten Kameraden in seiner Burschenschaft und verliebt sich darüber hinaus in die brave Käthi (Sabine Sinjen), rehäugiges Kellnermädel in dem Gasthof, in dem Karl samt Gefolgschaft residiert. Das Liebesglück wird jäh unterbrochen, als sich der Gesundheitszustand von Karls Onkel in der Heimat rapide verschlechtert und die Anwesenheit einer Vertretung unabdingbar wird …

ALT HEIDELBERG ist die vierte Verfilmung des gleichnamigen Theaterstücks von Wilhelm Meyer-Förster aus dem Jahr 1901. Zuvor hatte sich unter anderen der große Ernst Lubitsch 1924 an dem Stück versucht und es unter dem Titel OLD HEIDELBERG für MGM inszeniert. Das Lexikon des Internationalen Films geht wenig zimperlich mit Marischkas Umsetzung um, bezeichnet es im gewohnten, mit gepfefferten Invektiven angereicherten Stil als „[m]it Burschenherrlichkeit, gedämpfter Sentimentalität und kitschigen Postkartenbildern aus dem Neckarland angereicherte Pseudo-Romantik“. Wenn man dieses Urteil auch nicht zur Gänze abweisen mag – wie hier einer Zeit hinterhergetrauert wird, in der Burschenschaftler nachts saufend durch die Straßen ziehen und deutsches Liedgut grölen, befremdet den heutigen Zuschauer mehr als nur ein bisschen –, so verwundern doch die Vorwürfe „gedämpfter Sentimentalität“ und „Pseudo-Romantik“, die vermuten lassen, da wurde einfach irgendein naheliegender Vorwurf aus dem Hut gezaubert, um sich mit dem Film nicht näher beschäftigen zu müssen. ALT HEIDELBERG ist von einer zutiefst fatalistischen Weltsicht geprägt, die sich schwerlich nur mit dem Verweis auf den affirmativen Rührstück-Charakter begründen lässt. Glück ist in ALT HEIDELBERG in dem Moment, in dem man ihm am nächsten ist, immer schon wieder im Verschwinden begriffen. Karls Zeit in der badischen Studentenmetropole ist von Anfang an begrenzt, die Flucht nur von vorübergehender Dauer. Sein Studium ist kein Wendepunkt in seinem Leben, sondern nur eine kurze Zäsur, nach der er so weitermachen muss, wie es für ihn von Herkunft wegen schon immer vorgesehen war. Marischkas Film erzählt eben nicht davon, wie man sein Glück in die eigene Hand nimmt, wie man sich gegen das Schicksal stemmt und sich selbst verwirklicht, sondern wie man am Ende doch immer nur jenen Weg geht, der einem vorgegeben ist. Was einem dann noch bleibt, das ist die Erinnerung.

Der ganze Film ist voll Bedauern verpasster Gelegenheiten und nicht ausreichend gewürdigter Momente, voller Gewissheit des nahenden Todes, maroder Körper und Resignation gegenüber der Zukunft, die wahrscheinlich doch nur eine Enttäuschung aller naiven Jugendträume ist, die man sich einst nicht verkneifen konnte. Vielleicht kommt irgendwann im Leben einmal die Gelegenheit, die Vergangenheit kurzzeitig aufleben zu lassen, zurückzukehren an die Orte der Jugend, sich noch einmal vom Zauber vergangener Tage bescheinen zu lassen: Aber auch diese Momente halten letztlich nur Schmerz bereit, machen sie doch überdeutlich klar, dass zu viel Zeit vergangen ist, um sie noch einmal zurückdrehen zu können. Dr. Jüttner hat noch einmal Glück: Er kann auf seine alten Tage noch einmal nach Heidelberg, sich noch einmal den Lastern der Jugend, dem Wein und dem Bier hingeben, aber es ist klar, dass das nicht mehr als seine Ehrenrunde ist. Als Karl zwei Jahre nach seiner Abreise nach Heidelberg zurückkehrt, kann er nur noch Jüttners Grab besuchen, immerhin an einem idyllischen Plätzchen mit Blick auf Heidelberg gelegen. Auch sonst ist Karls Besuch von der Einsicht in die Unabänderlichkeit der Dinge geprägt: Noch einmal lädt er seine Burschenschaft in den Gasthof ein, doch außer zweien erkennt er niemanden mehr. Was ein rauschendes Wiedersehensfest werden sollte, wird ein schweigsames, bedrücktes Beisammensitzen, das die Erkenntnis bringt, dass sich die Uhr nicht zurückdrehen lässt. Immerhin zeigt das Wiedersehen mit Käthi, das die alte Liebe noch da ist, aber sie darf eben nicht sein. Zu Hause wartet die dem Prinzen zugedachte Prinzessin. Es gibt hier kein Happy End, nicht in dieser Welt, nicht in Heidelberg. Karl steht auf und geht, ohne sich umzudrehen.