Immer, wenn dieser Film irgendwo gezeigt wrd, stirbt irgendwo eine Feministin – weinend, allein und mit zerrissenen Strümpfen.
Andrea Bianchis QUELLI CHE CONTANO ist wirklich ein ziemlich unverschämtes Stück Kino, von einer teuflischen Energie befeuert, die ihn nach saftigem, aber noch vergleichsweise gediegenem Auftakt immer tiefer in den stinkenden Abgrund treibt. Wenn man genau hinschaut, meint man manchmal Schemen einer kritischen Auseinandersetzung mit italienischer Machokultur und dem Ehrbegriff der Mafia erkennen zu können, aber Bianchi macht das alles unkenntlich, indem er es fingerdick mit ranzigem Fett, verdorbenem Schweinemett, Sperma und Scheidensekret einschmiert, bis es nur noch nach Verzweiflung und Niedertracht riecht.
Die wunderschöne Barbara Bouchet, großartig in Lucio Fulcis NON SI SEVIZIA UN PAPERINO, hat wahscheinlich einen besonderen Platz in ihrem Herzen für diesen liebenswerten Film: Als Margie, stets angetrunkene amerikanische Ehefrau des Mafiosi Don Ricuzzo Cantimo (Fausto Tozzi) und natürlich Ex-Hure, darf sie den Protagonisten, Killer Tony Aniante (Henry Silva) erst becircen, indem sie sich in einem Stall mit Milch einreibt (sie tut das, ohne zu wissen, wer er ist oder ihn auch nur einmal zuvor gesehen zu haben, einfach so). Dann isst sie für ihn auf die aufreizendste Art und Weise, die jemand der oft verlachten Frucht jemals angedeihen ließ, eine Banane – mindestens ebenso eindrucksvoll wie ihre Einsatzbereitschaft ist allerdings die Ahnungslosigkeit ihres Gatten, der dem Schausspiel teilnahmslos beiwohnt – und wird dafür mit einer denkwürdigen „Liebesszene“ belohnt, bei der sie kopfüber in eine offene Schweinehälfte gefickt wird. Das ist aber immer noch nicht genug, am Ende zieht der gute Tony ihr noch seinen Gürtel durchs Gesicht, bis sie kaum nch wiederzuerkennen ist. Der italienische Exploitationfilm ist in den Siebzigerjahren selten zimperlich mit seinen Frauen umgegangen, aber QUELLI CHE CONTANO setzt wahrhaft Maßstäbe: Warum er dieser beklagenswerten Figur mit solch mitleidloser Verachtung begegnet, lässt sich nicht abschließend klären, zur Verteidigung lässt sich höchstens einräumen, dass keiner wirklich gut wegkommt. Die Gangster, die Kinderleichen zum Drogenschmuggel benutzen nicht, aber auch der Protaagonist nicht. Am Ende der Geschichte, die sich ein bisschen an Kurosawas YOJIMBO bzw. Leones PER UN PUGNO DI DOLLARI anlehnt, mit Henry Silvas Aniante in der Mifune- respektive Eastwood-Rolle, stellt sich heraus, dass auch er ein Gelackmeierter war und sich seiner Unverwundbarkeit zukünftig keinesfalls sicher sein darf.
QUELLI CHE CONTANO ist nicht nur ein heftigst geschmackloser und abgeschmackter, sondern auch ein sehr seltsamer Film, der neben seiner Mafiageschichte auch noch Elemente des Horrofilms aufgreift: Tony Aniante hat die an Ikonen des Slasherfilms erinnernde Gabe, immer da auftauchen zu können, wo seine Schießkünste gefragt sind, auch wenn das eigentlich völlig unmöglich ist, und er pflegt sich dabei mit einer kunstvoll gepfiffenen Melodie anzukündigen, die ein ziemlich offensichtliches Morricone-Zitat darstellt. Ob er das Pfeifen gehört habe, fragt ihn einmal sein Boss Don Cascemi (Vittorio Sanipoli), nachdem er von seinem Bodyguard rausgehauen wurde, doch der antwortet nur mit einer Gegenfrage: Welches Pfeifen denn? Er hab nichts gehört. Bianchi greift das nie wieder auf, lässt das einfach so stehen. Warum sagt Aniante nicht einfach, dass das sein Markenzeichen ist? Keine Ahnung. Aber das ist ja auch das eine zu nennende Schöne an diesem Film: Diese Unreflektiertheit, mit der er seinen blutigen Stiefel abspult.