Mit ‘Jamie Foxx’ getaggte Beiträge

Warum sind wir so besessen von der Idee der Rache?

Rachefilme gehören zum US-Kino, seit berittene Helden mit Stetson und Revolver noch das Gros der Spielfilmprotagonisten stellten. Die Idee der Durchsetzung und Wiederherstellung von Gerechtigkeit mit den Mitteln der Gewalt spielte beim Aufstieg des Kinos zur beherrschenden Kunstform des 20. und 21. Jahrhunderts wahrscheinlich auch deshalb eine so bedeutende Rolle, weil die USA genau so, nämlich mit Blei, überhaupt aus dem Boden gestampft werden konnten: Bevor es eine Verfassung und ein Gesetzbuch gab, mussten schließlich erst all jene aus dem Weg geräumt werden, die einem solchen Unterfangen mehr als nur kritisch gegenüberstanden. In den Siebzigerjahren rückte dann eine neue Form des Rachefilms in den Fokus: Der Selbstjustizfilm, wie Michael Winner ihn mit DEATH WISH begründete, schlug den Bogen zum Western zurück, indem er eine Gesellschaft abbildete, die kurz vor dem Rückfall in die Barbarei stand. Das Verbrechen drohte Überhand und den „braven Bürgern“ die Existenzgrundlage wegzunehmen, so die Diagnose dieser Filme. Doch war es wirklich eine Lösung, das Gesetz mit der Schusswaffe wieder in die eigene Hand zu nehmen? Seit dem Erfolg des Charles-Bronson-Klassikers feiern der Selbstjustiz-Thriller und Rachefilm regelmäßig ihre Renaissance, was seltsam ist, weil es wahrscheinlich noch niemals so sicher auf unseren Straßen war wie heute. Und immer wieder wird in diesen Filmen suggeriert, dass die Frage nach der Recht- oder Unrechtmäßigkeit von Selbstjustiz neu verhandelt werden müsse, dass es keine Übereinkunft darüber gebe, dass die Aufgabe, Recht zu vollstrecken, in den Händen des Staates liege. Zugegeben: Wann immer ein Straftäter in den Augen der „schweigenden Mehrheit“ (oder der rechtskonservativen Presse) nicht hart genug bestraft wird, folgt todsicher auch wieder der Ruf nach der Todesstrafe oder einer anderen körperlichen Form der Bestrafung. Und sicher lässt sich das Rachebedürfnis von Menschen, die ein Familienmitglied aufgrund eines Verbrechens verloren, emotional gut nachvollziehen. Ich glaube aber nicht, dass es hier diesen echten Verhandlungsbedarf gibt, wie es der Rachefilm in den Raum stellt. Selbst dem überzeugtesten Rechtsausleger muss ja klar sein, dass er diesem „Recht“, das er für sich in Anspruch nehmen möchte, selbst zum Opfer fallen könnte. Trotzdem spülen seit einiger Zeit Jahr für Jahr gefühlt Dutzende von Filmen in unsere Kinos, in das Programm von Streaminganbietern oder via Blu-ray und DVD in unsere Regale, die sich mit Rache und Selbstjustiz auseinandersetzen, uns daran erinnern, dass wir gar nicht so tief in uns drin eine gewalttätige Spezies sind und die Frage aufwerfen, ob Rache nicht vielleicht doch OK ist. Der Rachefilm ist von einem kleinen Subgenre zu einer Standardform des Actionfilms und des Thrillers geworden. Und so reizvoll ich das Thema „Rache“ gerade für harte, politisch unkorrekte Reißer auch finde: Ich halte diese Tendenz für etwas beunruhigend. Selbst wenn alle diese Filme letztgenannte Frage ablehnend beantworten, wirkt es doch so, als geschehe das letztlich eher aus einem Pflichtgefühl heraus, denn aus Überzeugung.

LAW ABIDING CITIZEN ist kein besonders aktuelles, aber umso eklatanteres Beispiel für die nicht mehr ganz so neue Strömung, ein abgeschmackter, harter, sich in der ersten Hälfte in grafischen, abstoßenden Gewaltszenen und Anstößigkeit geradezu suhlender Film, der seinen relativ gängigen Plot – ein Mann, der seine Familie an zwei skrupellose Mörder verloren hat und vom Justizsystem enttäuscht wurde, nimmt Rache – mit den Mechanismen verbindet, die die SAW-Reihe dem Kino bescherte. Gerard Butlers Protagonist Clyde Shelton ist nämlich kein einfacher, heißgelaufener Vigilant, der mit der Pumpgun loszieht, um Punks abzuknallen wie sein Vorgänger Paul Kersey, sondern ein brillantes, diabolisches, in den Geheimdiensten geschultes Mastermind, das einen aufwändigen Plan ausgeklügelt hat, mit dem es seine Gegenspieler manipuliert wie Figuren in einem elaborierten Brettspiel. In diesem Spiel geht es nicht nur darum, Rache zu üben und Gerechtigkeit her-, sondern das gesamte Rechtssystem auf die Probe zu stellen. Ziel seines Plans sind neben den beiden Mördern, die bereits innerhalb der ersten halben Stunde ihr Leben auf grausame Art und Weise verlieren, auch der Rechtsanwalt Nick Rice (Jamie Foxx), der sich damals auf einen faulen Deal einließ, sowie die Richterin und mit diesen der ganze Rechtsapparat. Eigentlich geht es Shelton aber gar nicht um Individuen, sondern insgesamt um die abstrakte Idee von Recht und um die Mechanismen, die diesem Recht dazu verhelfen, Wirklichkeit zu werden – zumindest behauptet er das. Das ist durchaus eine interessante Grundlage für ein sich mit philosophischen Grundfragen auseinandersetzendes Drama, aber LAW ABIDING CITIZEN verwendet seine Energie dann doch lieber auf die Zelebrierung grotesker Splatterszenen, derber, das R-Rating auf eine Zerreißprobe stellende Geschmacklosigkeiten, die seiner vermeintlich kritischen Haltung zuwiderlaufen, und haarsträubend idiotische Plotwendungen. Dieser Clyde Shelton mag ein Wahnsinniger sein, aber der Film findet nicht wenig Freude daran, seinen Wahn in blutrünstigen Bildern vor dem Betrachter auszubreiten. Es ist der klassische Fall eines Films, der sich für deutlich cleverer hält, als er tatsächlich ist und in dem Aufwand, der da betrieben wird, um möglichst perfide Gewaltdarstellungen herbeizukonstruieren und inhaltlich zu legitimieren, kommt ein unangenehm unreflektiertes, geradezu obsessives Verhältnis zu Gewalt zum Vorschein. Und wenn es am Ende darum geht, das Kaninchen aus dem Hut zu zaubern, das da ie ganze Zeit angeteasert wurde, kommt nur antiklimaktischer Unfug dabei heraus. Drehbuchautor ist Kurt Wimmer, der einst den schönen Brian-Bosworth-Actioner ONE TOUGH BASTARD inszenierte, und danach mit dem MATRIX-Klon EQUILIBRIUM eine ganze hanebüchene Dystopie erdachte, bloß um Christian Bale mit einer Pistole herumfuchteln zu lassen.

Wer wie ich einen herkömmlichen Selbstjustizreißer von LAW ABIDING CITIZEN erwartet, wird sich nach etwa 30 Minuten ziemlich wundern: Zu diesem Zeitpunkt sind die beiden ekligen Home Invaders, die Shelton Frau und Tochter vor seinen Augen ermorden und vergewaltigen, nämlich bereits tot, ihr Mörder – besagter Shelton – gefasst und man fragt sich, was in den kommenden 90 Minuten des Director’s Cuts eigentlich noch passieren soll. Bis hierhin durfte der Betrachter bereits einer Hinrichtung per Giftspritze beiwohnen, die durch Sheltons Zutun zur körperlichen Qual für das hilflose, wimmernde Opfer gerät, der blutigen Verstümmelung des Killers mit Trennschleifer und diversen anderen Schneidewerkzeugen sowie der folgenden Übersendung einer Videoaufzeichnung des Massakers an die kleine Tochter des Anwalts (die Auskunft, dass der Penis einem Teppichmesser und der Hodensack einem Hackebeil zum Opfer fielen, hebt der Film sich für die Dialoge auf). In diesem Tempo macht LAW ABIDING CITIZEN weiter: Die Richterin wird vom sich selbst verteidigenden Shelton erst davon überzeugt, dass er ohne Kaution auf freien Fuß zu setzen sei, dann von ihm als „bitch in heat“, die es gern „up the ass“ nehme, beschimpft, weil sie einen Killer wie ihn laufen ließe. Es bleibt nicht bei dieser Beleidigung: Er sprengt ihren Kopf wenig später via Telefonverbindung. Zu seinem Spielchen gehört auch die Ermordung seines Zellenkameraden durch ein gutes Dutzend Stiche mit einem Steakknochen in die Kehle, wonach sich der blutüberströmte Gerechtigkeitsfanatiker dann in aller Seelenruhe auf seine Pritsche legt. Ihr merkt schon: LAW ABIDING CITIZEN ist ein gemütliches kleines Filmchen, das cinephiler Schöngeister anspricht und zu rechtsphilosophischen Debatten bei Rotwein und Käsehäppchen anregt. Doch nachdem in der ersten Stunde die Leihen angehäuft wurden, packt den Film die Müdigkeit und er verfällt in gängige Thrillerstrukturen. Der so geniale Plan des Rächers läuft auf einen ziemlich schnöden Terrorakt hinaus (er will das Gerichtsgebäude sprengen), seine übermenschliche Intelligenz, die in einer Szene gepriesen wird, die auch aus einem Seagal-Film stammen könnte, besteht letztlich darin, dass er einen Tunnel gegraben hat, durch den er aus dem Knast entkommen kann. Und bevor man sich fragt, wozu er den ganzen irrwitzigen Aufwand eigentlich betrieben hat, wenn er seine Bombe doch auch einfach so hätte legen können, ist der Film zu Ende.

LAW ABIDING CITIZEN ist Hochglanzschund, ein mit viel Geld polierter Reißer, der so tut, als hätte er etwas zu erzählen, aber fast ausschließlich aus billigen Tricks besteht, die davon ablenken sollen, dass das alles kompletter Blödsinn ist. Der durchtriebene Anwalt und sein Team sind komplett unfähig und die Genialität des Killers würden andere als „Umständlichkeit“ beschreiben. Das trifft auch auf die Inszenierung zu, die mit so abgeschmackten Einfällen wie jenem daherkommt, die Hinrichtung eines Verbrechers mit einem Bühnenauftritt der Anwaltstochter parallelzumontieren. Hier ist alles Selbstzweck, der sich aber schämt, dazu zu stehen und stattdessen große Töne spuckt. Das ist für eine Stunde lang ganz putzig, danach aber nur noch nervtötend.

Ich war eigentlich bereits nach 60 Sekunden geneigt, BABY DRIVER wieder auszumachen. Der bubenhafte Fluchtwagenfahrer Baby (Ansel Elgort) sitzt da mit Sonnenbrille und iPod-Stöpseln im Ohr und lauscht seiner Musik, derweil die Gruppe Gangster, die er chauffiert, ihren Bruch begehen. „Lauscht“ ist dabei eigentlich der falsche Ausdruck, denn Baby hört nicht einfach nur zu, er „performt“, indem er Playback singt und „coole moves“ am Lenkrad vollzieht. Ärx. BABY DRIVER fängt sich danach zum Glück und fährt seine „Coolness“ auf ein erträgliches Maß zurück, aber ein bisschen symptomatisch ist dieser Auftakt dennoch.

BABY DRIVER handelt von besagtem jugendlichen Fluchtwagenfahrer Baby. Als Kind verlor er seine Eltern bei einem Autounfall und lebt seitdem bei dem taubstummen Ziehvater Joseph (CJ Jones). Weil er von dem Unfall einen Tinnitus zurückbehalten hat, hört er ständig, unentwegt Musik über die zahlreichen verschiedenen iPods, die er für unterschiedliche Stimmungen mit sich führt. (Außerdem nimmt er Dialoge und Geräusche auf und macht daraus mit diversen Samplinggeräten und Drum Machines „Tracks“, die er auf Kassetten aufnimmt.) Weil er in jugendlichem Überschwang einmal das mit Hehlerware beladene Auto des Gangsterbosses Doc (Kevin Spacey) gestohlen hat, steht er nun in dessen Schuld. Glück für beide: Baby ist ein überirdisch begabter Autofahrer, der bei den Raubüberfällen, die Doc organisiert, zum Einsatz kommt und seine Schulden so abbezahlt. Kurz vor seinem vermeintlich letzten Job lernt Baby die Kellnerin Debora (Lily James) kennen und lieben. Beide wollen unbeschwert in die Zukunft starten: Nur sie, ein Auto, coole Musik und die Straße. Doch Doc will Baby nicht so einfach gehen lassen.

Als BABY DRIVER irgendwann im Frühjahr in den USA uraufgeführt wurde, überschlugen sich die diversen Online-Magazine vor Begeisterung. Edgar Wright, seit der Cornetto-Trilogie, die er mit Simon Pegg gedreht hatte, eh ein Liebling der Nerds, und nach dem Rausschmiss bei ANT-MAN nahezu mit Märtyrerstatus ausgestattet, hatte das Medium Film revolutioniert, so hörte sich das wenigstens an. Eins will ich ihm ganz gewiss nicht wegnehmen: Wright verfügt über überbordenden Einfallsreichtum, das immense technische und gestalterische Geschick, seine Ideen umzusetzen und beides kommt in BABY DRIVER überdeutlich zum Ausdruck. Der Film ist gespickt mit kleinen visuellen Details und Regieeinfällen, dazu konsequent im Rhythmus der Musik geschnitten, die soetwas wie der zweite Protagonist ist. Bei der Auswahl der Songs stellt Wright seinen Geschmack unter Beweis, setzt vor allem auf den Sound der Siebzigerjahre sowie alte Soulklassiker aus dem Hause Stax und Motown, mit denen man eigentlich nie etwas falsch macht, und entwickelt jene Dynamik, jenen Sog und Drive, den man schon an seinem SCOTT PILGRIM VS. THE WORLD zu schätzen wusste. Speziell die ersten beiden Actionszenen, in denen Baby, Dutzende von Polizeiautos am Heck seines Fluchtwagens klebend, über die Straßen Atlantas nicht so sehr fährt als tanzt, sind wahrhaft atemberaubend, jeder Schnitt sitzt am richtigen Platz, kein Einsatz, kein Beat wird verpasst.

Aber irgendwie fehlt hier trotzdem etwas, vor allem eben im Vergleich mit SCOTT PILGRIM VS. THE WORLD und den Filmen, die der Regisseur im Team mit Simon Pegg gemacht hat: vielleicht das Herz, die Seele? Oder ist es doch das Hirn? BABY DRIVER kommt über die Fingerübung nie so ganz hinaus, wird mit seiner aus sattsam bekannten Genre-Versatzstücken kompilierten Gangster- und Liebesgeschichte nie ganz lebendig, bleibt mit den Abziehfiguren und dem hundertfach abgespulten Plotverlauf immer auf Distanz zum Zuschauer, dessen Herz er doch eigentlich erobern will. BABY DRIVER kommt damit knapp 20 Jahre zu spät, hätte wunderbar in die Neunziger gepasst, als alle Quentin Tarantino nacheiferten, ihre Filme mit Sonnenbrillen, fluchenden Tough Guys und leidenschaftlich-kompromisslosen Liebhabern vollstopften, über ihre Lieblingssongs – hier: Killer Tracks – schwadronieren ließen und sich an einem Update der Juvenile-Delinquency-Filme der Fifties versuchten. (Die Parallelen von BABY DRIVER zu TRUE ROMANCE sind unübersehbar.) Klar, BABY DRIVER ist inszenatorisch um ein Vielfaches besser als das, was sich damals in die Videotheken ergoss, auch deutlich moderner natürlich, ich will ihm auch nicht absprechen, dass Wright mit dem Herzen bei der Sache war, aber den zentralen Makel teilt er mit seinen Vorläufern: Er bleibt in diesem metafilmischen Raum hängen, wo alles Zeichen ist, aber nichts mehr bedeutet. Ein Ikea-Film: Alles ist Ausstattung und Einrichtung, sogar die Musik.

Der Witz nutzte sich dann für mich auch recht schnell ab und am Ende, wenn es zum reichlich konventionellen Duell zwischen dem Liebespärchen und dem verbleibenden Killer Buddy (Jon Hamm) kommt, verflüchtigt sich auch der Drive, der in der ersten Hälfte des Films noch über die inhaltliche Leere hinwegsehen ließ. Ein bisschen hat man da den Eindruck, dass Wright mit den Gedanken schon wieder beim nächsten Film war, der dann hoffentlich wieder etwas mehr Bodenhaftung haben wird. Vielleicht sollte er Simon Pegg zurückholen, der Wrights Ambitionen immer in jenem Humanismus erdete, der SHAUN OF THE DEAD und HOT FUZZ so liebenswert und wertvoll machte.

horrible-bossses-2-10Sequels haben bei mir derzeit gute Karten: Analog zu KICK-ASS 2 gefällt mir auch HORRIBLE BOSSES 2 um Längen besser als der doch reichlich zwiespältige erste Teil. Der Unterschied zwischen beiden Filmen manifestiert sich zum einen in der nun endgültig völlig abstrusen Storyline, in die sich auch die übersteuerten Figuren besser einfügen, zum anderen – nur scheinbar im Widerspruch dazu – in der größeren Empathie, die Anders ihnen entgegenbringt. Während Jennifer Anistons sexsüchtige Zahnärztin im Vorgänger noch als psychopathisches Biest und misogynes Zerrbild der selbstbewussten Frau durchging, hat sie ihre Sucht im Sequel endlich zur Kenntnis genommen und versucht sie in einer Selbsthilfegruppe in den Griff zu bekommen: Dass ihre Bemühungen eher erfolglos sind, sie die Sitzungen dazu zweckentfremdet, sich an den Berichten ihrer Leidensgenossen aufzugeilen und neues Fleisch zu akquirieren, macht sie fast schon zur tragischen Figur, die deutlich mehr komisches Potenzial in sich birgt.

Der deutsche Verleihtitel KILL THE BOSS 2 macht indes überhaupt keinen Sinn mehr: Nick (Jason Bateman), Dale (Charlie Day) und Kurt (Jason Sudeikis) sind nach ihren Erfahrungen aus dem Vorgänger unter die Unternehmer gegangen und erhalten ein lukratives Angebot vom Großhändler Bert Hanson (Christoph Waltz). Dem liegt allerdings gar nichts an einer fairen Geschäftsbeziehung, vielmehr will er die drei in die Pleite treiben und sich ihr Unternehmen unter den Nagel reißen. Ein erneuter Mordversuch kommt nicht infrage, so viel haben die drei Protagonisten gelernt, aber irgendwie auch Spaß an kriminellen Aktivitäten gefunden, mit denen man lästiges verantwortliches Handeln adrenalinfördernd umgeht. Also wird kurzerhand Rex (Chris Pine) entführt, der selbstverliebte Sohn Hansons, und ein stattliches Lösegeld gefordert. Der Plan wird allerdings dadurch verkompliziert, dass Rex über deutlich mehr kriminellen Drive verfügt, seinen Vater inbrünstig hasst und an dem Coup beteiligt werden will.

Regisseur Sean Anders fährt ganz gut damit, sich auf seine drei Antihelden zu konzentrieren, deren Miteinander mehr Raum erhält als noch im Vorgänger, in dem ihnen die drei titelgebenden Bosse Konkurrenz machten. Nick hat alle Hände voll damit zu tun, seine infantilen, enorm begeisterungsfähigen, aber nicht besonders intelligenten im Zaum zu halten, was ihm mal besser, mal schlechter gelingt. Der eklige Rex – Chris Pine hat sichtlich Spaß an seiner Rolle – weiß die drei geschickt gegeneinander auszuspielen und Nick ist dann doch zu ehrgeizig, um den Idioten allein das Ruder zu überlassen. Doch je näher die Amateure ihrem Ziel kommen, umso häufiger stolpern sie über die von ihnen selbst gelegten Fallstricke. HORRIBLE BOSSES 2 ist witziger, zotiger, aber gleichzeitig auch visuell einfallsreicher: Sehr schön ist die Sequenz gestaltet, in der der Plan der vier wie ein perfekter Film abläuft, sich z. B. ein Blutfleck in einer nahtlosen Überblendung in die Spiegelung roten Neonlichts in einer Pfütze verwandelt. Auch toll, wie alles, was in diesem „Vorstellungsfilm“ noch so  perfekt war, später in der Umsetzung nur noch halb so gut funktioniert oder sich als lediglich filmischer Effekt entpuppte: Die Perücke, mit der sich Kurt in Bert Hanson verwandeln soll, lässt ihn wie einen Wischmop aussehen, die Pagenkostüme, mit denen sich Nick und Dale verkleiden, entsprangen lediglich der überbordenden Fantasie Dales, der sich nun sehr enttäuscht darüber zeigt, ganz undramatisch in zivil fliehen zu müssen.

Am klügsten ist aber die von „Motherfuckah“ Jones (Jamie Foxx) kommende Einsicht, dass der Zuschauer es bei den Protagonisten mitnichten noch mit drei unschuldigen Tölpeln auf Irrwegen zu tun hat. Die Art und Weise, wie sie ihre Probleme nun schon zum zweiten Mal mit einem Verbrechen lösen wollen, und dabei trotzdem beharrlich das Selbstbild aufrechterhalten, lediglich in die Ecke gedrängte Normalos zu sein, die keine andere Wahl haben, macht sie zu den eigentlichen Gestörten des Films.

2000x3000srDer Terror der Ökonomie: Die Zeiten, in denen man während seiner Arbeitszeit mit seinen Händen Dinge von Bedeutung und Bestand schuf, geraten immer weiter in die Vergangenheit, immer mehr Menschen verbringen immer mehr Zeit in immer anonymeren Büros, in denen sie zu einer Leistung, Leistung, Leistung angetrieben werden, die oft vollkommen abstrakt bleibt. Der resultierende Burn-out ist die Staublunge der Gegenwart. Richtig verheerend wird die Lage, wenn man an seinem Arbeitsplatz auch noch Mobbing und Psychoterror ausgesetzt ist, und wenn es gar der eigene Vorgesetzte ist, der dafür verantwortlich ist, hat man kaum noch eine Chance. Genau in dieser Lage finden sich die drei Protagonisten von HORRIBLE BOSSES, der sichtlich vor dem Problem steht, dass seine subject matter – Arschgeigen und Psychopathen, die andere Menschen aus purer Boshaftigkeit quälen – nicht die Spur komisch ist. Um sein Thema in den Griff zu bekommen, treibt er die Prämisse so sehr auf die Spitze, dass damit leider auch nahezu jeder Bezug zur Realität flöten geht.

Die „horrible bosses“ mit denen sich Nick (Jason Bateman), Dale (Charlie Day) und Kurt (Jason Sudeikis) herumschlagen müssen sind ein egozentrischer, machtgeiler Manipulator (Kevin Spacey), eine nymphomane Intrigantin (Jennifer Aniston) und der koksbedröhnte Wahnsinnige (Colin Farrell): alle drei ausgemachte Psychopathen weit jenseits jeglichen „normalen“ Arschlochtums. Die Lösung des Problems liegt auf der Hand: Die Chefs müssen sterben. Doch das ist für drei gewöhnliche Typen schwieriger als es sich zunächst anhört.

HORRIBLE BOSSES fängt sich irgendwann, wenn er die Exposition hinter sich gelassen hat und sich den Verwicklungen rund um die Mordbemühungen zuwendet, kommt aber konzeptionell nicht über das oben skizzierte Manko hinaus. Die Differenz zwischen den drei betont durchschnittlich und „realistisch“ gehaltenen Protagonisten und ihren wahrhaft monströsen Chefs ist einfach viel zu groß, als dass der Film einen homogenen Ton etablieren, der Zuschauer das Ganze ernstnehmen könnte. Es gibt durchaus witzige Szenen, vor allem wenn Jamie Foxx als angeblicher Profikiller „Motherfuckah“ Jones und Colin Farrell als Vollspinner mit schütterem Haar auftreten, aber insgesamt ist HORRIBLE BOSSES viel zu konstruiert. Mehr noch: Die Szenen mit der sexuell übergriffigen Zahnärztin (Jennifer Aniston) sind vollkommen abseitig und beinahe abstoßend, zumal die Reize der Schauspielerin keineswegs als „bedrohlich“ inszeniert werden – nein, im Grunde genommen soll man die Vorstellung, von der Aniston vergewaltigt zu werden, geil finden. Übertragen auf den Film als Ganzes heißt das aber auch, dass gar nicht mal so unterschwellig suggeriert wird, die Waschlappen von Protagonisten sollen sich mal nicht so anstellen. Mehr als zwiespältig.

Der Tourguide Donnie (Nicolas Wright), der die Touristen durch das Weiße Haus führt, erwähnt es einmal ganz explizit: Der mittlere Teil des dreigeteilten Gebäudes sei derjenige, der in INDEPENDENCE DAY zerstört wurde. Das mittlerweile ikonische Bild war vielleicht der erste echte Geniestreich des Schwaben Emmerich, der sich seitdem zu einem echten Bilderstürmer entwickelt hat, Manhattan in THE DAY AFTER TOMORROW mitsamt der Freiheitsstatue unter einer meterdicken Eisschicht begrub oder in 2012 gleich den ganzen Erdball zertrümmerte. Aber es geht in dem Zitat nicht in erster Linie um eitle Selbstreferenzialität und Selbstbeweihräucherung: Das Weiße Haus ist in WHITE HOUSE DOWN eine nationale Wunde, die Achillesferse der Nation, die immer wieder – auch im Film – symbolträchtig attackiert wurde. Eine wichtige Rolle spielt auch das Gemälde „The Burning of the White House“, das der Künstler Tom Freeman 1814 nach dem Vorbild des Brandes, den die Briten im Zuge des Krieges von 1812 gelegt hatten, anfertigte. Mehrfach wird es ins Bild gerückt, einmal sagt ein Betrachter, dass es bei ihm jedesmal eine Gänsehaut auslöse. Es zeigt mehr als nur ein brennendes Haus: Wenn das Weiße Haus brennt, steht die amerikanische Idee auf dem Spiel. Das ist auch in WHITE HOUSE DOWN der Fall, bei dem der Angriff auf den Wohnsitz des Päsidenten nur der überaus medienwirksam inszenierte erste Akt eines Plans ist, der auf einen Atomschlag auf den Mittleren Osten und damit möglicherweise auf nicht weniger als den Dritten Weltkrieg hinausläuft. Der Unterschied zu den vorangegangenen Anschlägen: Diesmal sind es keine Invasoren von außen, die sich desWeißen Hauses bemächtigen und es mit reichlich Sprengkraft attackieren, sondern Verräter aus den eigenen Reihen.

Der Film steht mit dieser Umkehrung des traditionellen Feindbildes in einer langen Tradition von Filmen, die nationale Traumata auf- und das wankende US-amerikanische Selbstbewusstsein angreifen und rekurriert wohl nicht zuletzt auf das „Blockhütten“-Motiv, dessen Ursprung wahrscheinlich in D. W. Griffiths THE BIRTH OF A NATION liegt und sich quer durch den amerikanischen Film verfolgen lässt, etwa von Fords DRUMS ALONG THE MOHAWK und Hawks‘ RIO BRAVO bis hin zu Romeros NIGHT OF THE LIVING DEAD oder Carpenters ASSAULT ON PRECINCT 13. Das Blockhütten-Motiv lässt sich zunächst einmal als auf die Spitze getriebene Verbildlichung des kriegerischen Konfliktes sehen, in dem sich die USA jeweils befanden. Das Haus, eine intakte Einheit, die das Streben nach Ordnung und Zivilisation verkörpert, wird von außen angegriffen und von den jeder Fluchtmöglichkeit beraubten Insassen verteidigt. Entweder es gelingt ihnen, das Haus zu halten, oder sie gehen mit ihm unter. Nachdem die USA in ihrer Gründerzeit Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen mit den Briten waren, die ihren Besitzanspruch wahren wollten, konnten sich ihre Einwohner danach in ihrer „Blockhütte“ meist sicher wähnen. John Milius drehte mit RED DAWN den Spieß um, machte die USA zum Ort eines Verteidigungskrieges gegen kommunistische Invasoren, drängte ihre Bürger in die Rolle der einstigen Ureinwohner. Emmerich ging mit INDEPENDENCE DAY einen Schritt weiter, indem er das Weiße Haus explodieren ließ, in WHITE HOUSE DOWN wird das berühmte Bauwerk nun zum Hauptschauplatz – und eben zur besonders geräumigen und symbolträchtigen Blockhütte, deren Belagerer allerdings nicht länger vor der Tür stehen, sondern bereits „drin“ sind.

Das passt natürlich zu gegenwärtigen weltpolitischen Lage, in der Konflikte längst nicht mehr ausschließlich entlang nationaler Grenzlinien verlaufen: Der externe „Feind“, von dem in WHITE HOUSE DOWN als einzigem noch die Rede ist, stimmt am Ende völlig unerwartet dem Friedensplan von Präsident Sawyer (Jamie Foxx) zu, damit den Weg zur globaler Einigkeit bereitend. Die Schergen, die mit dem Überfall auf das Weiße Haus den pazifistisch eingestellten Präsidenten absetzen und den Erstschlag gegen den Nahen Osten vorbereiten wollten, sind nicht nur unschädlich gemacht, sondern mit ihrer Misstrauenspolitik auch ins Unrecht gesetzt worden. Bevor man sich mit den Nachbarn befasst, sollte man vor der eigenen Tür kehren. Als Besen fungieren in WHITE HOUSE DOWN der wankelmütige US Capitol Police Officer John Cale (Channing Tatum), dem der Job als Secret-Service-Mann aufgrund seines von Versäumnissen und vorzeitigen Aufgaben geprägten Lebenslaufes zu Beginn des Films noch verweigert wurde, und der Präsident höchstselbt, der hier zwar nicht, wie sein Vorgänger in INDEPENDENCE DAY, ins Flugzeug steigen muss, um den Tag zu retten, aber Cale bis zum Schluss in seinem Kampf zur Seite steht, ganz nach dem Vorbild des Schiffskapitäns, der ja auch erst als Letzter von Bord geht. Der American Dream kann einen nicht nur vom Tellerwäscher zum Millionär machen, sondern auch vom Versager zum besten Papa der Welt, zum nationalen Helden und zum engsten Vertrauten des Präsidenten.

Die Kritiken, die WHITE HOUSE DOWN erfuhr, waren eher mittelmäßig – Emmerich wird ja eh kaum ernst genommen, weil er zu populistisch ist -, an den Kassen fiel er ins Wasser. Der allgemeine Tenor war, soweit ich das beurteilen kann, dass Emmerich nicht der richtige Mann für solche martialischen Actionfilme nach altem Vorbild (Parallelen zu DIE HARD sind nicht zu verkennen) sei, aber das kann ich nicht unbedingt bestätigen. Ein Shootout gerät ein wenig konfus, ansonsten hat WHITE HOUSE DOWN gegenüber zeitgenössischen ADS-geplagten und von epileptischer Kameraführung heimgesuchten Actionfilmen die Nase vorn, gerät zudem auffallend ruppig und unnachgiebig in der Beseitigung seiner Bösewichter. Es wird immer Stimmen geben, die sich solchen Stoffen aufgrund irgendwelcher ideologischer Probleme verschließen und Emmerichs Drang zur Überhöhung verspotten. Ich kann mittlerweile nicht mehr anders, als vor cinephiler Beglückung zu jauchzen, wenn da etwa am Ende John Cales Tochter Emily (Joey King) den angeordneten Luftschlag gegen das Weiße Haus in letzter Sekunde verhindert, indem sie mit der Flagge des Präsidenten auf den Rasen läuft und den heranrauschenden Fliegern signalisiert, abzudrehen. Sie rettet damit nicht nur den Präsidenten und ihren Dad, sie zeigt letzterem auch, was er bei ihren Talentwettbewerb noch versäumt hatte. Für die einen ist das Kitsch, für mich verdammt großes Kino.

„Django“: noch mehr als für Franco Neros einen Sarg hinter sich herziehenden Revolverhelden, der vielleicht ganz einfach deshalb nicht tot zu bekommen ist, weil er längst nur noch als Geist auf der Erde wandelt, steht der Name für das Genre des Italowesterns. Sergio Corbuccis Film war nicht der erste und er ist vermutlich auch nicht der bekannteste, aber sein Einfluss ist kaum zu unterschätzen. Sergio Leone hatte mit den ersten beiden Teilen seiner Dollar-Trilogie wichtige Vorarbeit geleistet und den Grundstein gelegt, Corbucci warf noch die letzten an den US-Ursprung erinnernden Atavismen über Bord, und imaginierte die neue Westernwelt als eine versiffte Vorhölle voller Dreck und verkommener Subjekte. Sein Django war ein klassischer Underdog, ein Mann nicht ohne Namen wie bei Leone, aber doch ohne durchschaubare Vergangenheit, getrieben von einem tief im Inneren schlummernden Zorn. Der Krieg, in dem er gekämpft hat, hat ihn nicht etwa zum Helden gemacht, sondern ihn schwer gezeichnet: Was er dort genau erlebt hat, wird nie thematisiert, aber man erkennt den traumatisierten Veteran hinter dem maskenhaften Gesicht. Hier knüpft Tarantino mit DJANGO UNCHAINED an, der die Italowestern-Motivik von den gegen die Mächtigen ankämpfenden Underdogs  zu einer Auseinandersetzung mit der US-amerikanischen Geschichte der Sklaverei nutzt und damit fast noch mehr Blaxploitation- als Italowestern-Hommage ist.

Django (Jamie Foxx) wird von dem deutschen Kopfgeldjäger Dr. King Schultz (Christoph Waltz) befreit, weil der jemanden braucht, der drei Zielpersonen identifiziert. Bald arbeiten die beiden Hand in Hand und haben es dabei vor allem auf miese Rassisten, Sklavenhändler und -besitzer wie Big Daddy (Don Johnson) abgesehen. Der gemeinsame Weg führt sie auch auf das Anwesen von Calvin Candie (Leonardo DiCaprio), der sich Djangos Ehefrau Broomhilda (Kerry Washington) als Prostituierte hält. Die beiden erschleichen sich das Vertrauen des Großgrundbesitzers, indem sie sich als interessiert an einem „Mandingo“, einen schwarzen Kämpfer, zeigen. Djangos Braut soll nach ihrem Plan in einem unauffälligen Nebenhandel erworben werden. Doch die Tarnung fliegt auf …

Nachdem ich sowohl mit meinen Ersteindrücken zu sowohl DEATH PROOF als auch zu INGLOURIOUS BASTERDS massiv danebengelegen habe, bin ich vorsichtig geworden. Aber DJANGO UNCHAINED hat mich auch nicht entfremdet, wie es die beiden genannten Titel zunächst geschafft hatten: Wem die letzten Filme Tarantinos zu dialoglastig und akademisch waren, der wird mit seinem letzten rundum zufrieden sein. Ich bin geneigt, DJANGO UNCHAINED als Tarantinos kommerziellsten und zugänglichsten Film zu bezeichnen. Er ist rasant, wo der Vorgänger auffallend statisch war, plot- und handlungslastig, wo Plot und Handlung zuvor eher zweitrangig waren, aktionsgetrieben, wo früher meist gesprochen wurde. Als actionlastiger Western ist DJANGO UNCHAINED ein Erfolg und ich würde lügen, wenn ich behauptete, an den saftigen Blutfontänen, zerplatzenden Körperteilen und pointierten Episoden keinen Spaß gehabt zu haben. Auch dass Tarantino hier erneut einer sich nach vier Filmen zur handfesten Obsession ausgewachsenen Rachefantasie frönt, kann ich dem Film verzeihen – weil es dem Geist der Inspirationsquellen gerecht wird, weil ich den Akt der „poetic justice“, die hier vollzogen wird, begrüße, ich es als befreiend empfinde, wenn Drecksäcke wie Nazis, Rassisten, Sklavenhändler und anderes Pack auf der Leinwand ihrer gerechten Strafe zugeführt werden. Das Problem, dass ich habe, ist ein anderes: Ich finde, dass sich dieser Stoff nicht für diese Art Entertainment eignet. Auch INGLOURIOUS BASTERDS war in gewisser Weise kalkuliert, aber Tarantino fand dafür eine Form, die verhinderte, dass die Ermordung von Juden und Nazis einfach nur so reinlief. Der Film hatte Brüche, die die Immersion verhinderten, bei DJANGO UNCHAINED hingegen verdichtet sich der Eindruck, Tarantino sei seiner eigenen Verführungskunst oder zumindest dem Glauben an ihre unfehlbare Wirkung aufgesessen. Verglichen mit einem Film wie Fleischers MANDINGO, der seine Verstrickung in die Ausbeutungsmaschine, die die reale Sklaverei in Form von mit weißem Geld produzierten Blaxploitation-Filmen in der Gegenwart fortschreibt, gleich mitreflektiert, immunisiert sich Tarantino, indem er sich hinter seinem messianischem Helden und dessen clowneskem Begleiter (Christoph Waltz legt seine Rolle für meinen Geschmack etwas zu selbstverliebt und komisch an) versteckt und seine Schurken zu grotesken Arschlöchern und degeneriertem Gesindel verzeichnet. Eine Sequenz zeigt eine Versammlung des Ku-Klux Klans, dessen Mitglieder sich darüber beschweren, durch die Masken nicht richtig sehen zu können. Das ist durchaus lustig, aber allzu oft offenbart sich Tarantinos Bild jener Zeit als eindimensional und naiv, scheint ihm die Tragweite des Systems hinter der Sklaverei gar nicht bewusst. Bei ihm wird alles auf die einfache Gleichung „böse weiße Großgrundbesitzer knechten arme Schwarze“ reduziert. Ein kleines Detail, auf das mich meine liebe Gattin aufmerksam gemacht hat, deutet indes an, dass Tarantino seine problematische Haltung als weißer Filmemacher zu diesem Stoff sehr wohl reflektierte: So fahrlässig und inflationär das Wort „nigger“ hier gebraucht wird, gewissermaßen aus historischer Akkuratesse, Tarantino selbst verbietet es sich in seiner Rolle als australischer Sklaventreiber. Für ihn sind Schwarze „blackies“. Vielleicht ist die Begriffswahl auch nur Tarantinos enzyklopädischem Trieb geschuldet, aber wenn man bedenkt, dass er sich das berüchtigte „N-Wort“ in seiner Rolle in PULP FICTION noch erlaubte (etwas, was heute wahrscheinlich gar nicht mehr ginge), darf man dahinter sehr wohl einen Reifeprozess, gesteigerte Sensibilität und eine bewusste Entscheidung vermuten.

Solche „Haken“, die zur Auseinandersetzung, zur Reibung auffordern, und an denen es in Tarantinos Werk sonst nicht mangelt, habe ich in DJANGO UNCHAINED weitestgehend vermisst. Zum ersten Mal scheint es so, als habe der Tarantino sich damit begnügt, einen „Tarantino-Film“ zu drehen. Der Soundtrack verknüpft sehr vorhersehbar Soulklassiker, Italowestern-Scores und Hip-Hop, Franco Nero darf seinen Gastauftritt absolvieren und Jamie Foxx fragen, ob er wisse, wie man „Django“ schreibe. Alte Weggefährten und nicht genug gewertschätzte Nebendarsteller füllen die Besetzungsliste. Es hagelt Gewalt und Sadismen im Minutentakt. Das konnte man alles erwarten und bekommt es in zuverlässiger Qualität geliefert. Bislang zeichnete sich Tarantinos Werk aber nicht zuletzt dadurch aus, dass nie so wirklich klar war, was man bekam, und man sich vom fertigen Film mehr als einmal auf dem falschen Fuß erwischt sah. In diese Hinsicht ist DJANGO UNCHAINED schon eine Enttäuschung, wenn auch auf hohem Niveau.

 

Über kaum eine der aktuellen Marvel-Verfilmungen wurde vonseiten der Nerds so viel Häme und Hass ausgekübelt wie über THE AMAZING SPIDER-MAN. Zwar schien man sich einig darüber, dass Sam Raimis SPIDER-MAN 3 eine einzige Katastrophe gewesen war, aber das voreilige Rebooting stieß dann doch nur auf wenig Verständnis. Raimi hatte mit SPIDER-MAN 2, vielleicht einer der besten Superheldenfilme überhaupt, einigen Kredit bei den Fans erwirtschaftet. Ich muss ja sagen, dass mir THE AMAZING SPIDER-MAN ganz gut gemundet hat: Ich bin wohl einfach zu wenig Comic-Geek, um mich über die „Fehler“ zu ereifern, die dem Film als Sakrileg vorgeworfen wurden. Aber die Tatsache, dass ich mich knapp 18 Monate nach der Sichtung des Films rein gar nicht mehr an ihn erinnern kann, nicht einmal an einzelne Details oder den Schurken, lässt mich mein damaliges Urteil durchaus etwas in Zweifel ziehen. Zumal die neueste Installation tatsächlich ein ziemlicher Reinfall geworden ist.

Wie so viele der aktuellen Blockbuster ist THE AMAZING SPIDER-MAN 2 mit 150 Minuten viel zu lang geraten. Und es ist erstaunlich, dass es ihm trotz dieser epischen Länge nicht einmal annähernd gelingt, so etwas wie Tiefe zu erreichen. Den Großteil der Handlung nimmt das amouröse Hin und Her zwischen Peter Parker (Andrew Garfield) und Gwen Stacy (Emma Stone) ein, das ebenso sehr Klischee bleibt wie die Liebe der beiden Behauptung. Beide stehen sich schmachtend gegenüber und sagen ihre Dialogzeilen auf, das war’s. (Lustig, weil ich einem Blogger, der genau das in seinem Text zum ersten Teil bemerkt hat, via Kommentar noch vehement widersprochen hatte. Wahrscheinlich muss ich mich aus de Ferne entschuldigen.) Die Ausdauer, die das Drehbuch für diese hohle Romanze aufbringt, geht eindeutig zulasten der Schurkenfiguren, die zwar mit Leichtigkeit das interessanteste am ganzen Film sind, aber trotzdem keinerlei Persönlichkeit entwickeln dürfen. Der zerstreute Oscorp-Hausmeister Max Dillon (Jamie Foxx) träumt von nichts so sehr, wie einmal wahrgenommen zu werden. Als er sich durch einen Unfall in einen menschlichen Dynamo namens Electro verwandelt und auf dem Times Square ein Chaos anrichtet, hat er seine 5 Minuten Ruhm, wird jedoch nicht wie Spidey als Held gefeiert, sondern als Freak beschimpft. Und das ist auch schon seine ganze Geschichte: Loser will Liebe, schießt übers Ziel hinaus, wird endgültig verstoßen, will Rache. Peters Freund Harry (Dane DeHaan) hingegen, Millionenerbe des Oscorp-Vermögens, sieht hingegen dem Tod durch eine schreckliche Krankheit entgegen, die ihm von seinem Vater vererbt wurde. Er glaubt, das Blut Spider-Mans könne ihm helfen, Peter fürchtet hingegen, die Injektion könne ihm erst recht das Leben kosten und verweigert seinem Freund den Wunsch. Peng, fertig ist die Hassbeziehung und der Rachewunsch, den Harry in Gestalt des Green Goblins auszuagieren gedenkt. Mir ist bewusst, dass die Comics, auf denen die Marvel-Filme basieren, sich nicht unbedingt durch psychologisch ausgeklügelte Charaktere und Konflikte auszeichneten, sondern vor allem durch archetypische Figuren und Plotkonstruktionen, die in expressiven Bildern abgewickelt wurden. Aber es ist eben ein Unterschied, ob man ein 30 Seiten dünnes Heftchen für 2 Dollar liest, oder eine Karte für ein solch breitgewalztes Multimillionen-Dollar-Effektspektakel löst, auf dem die Figuren überlebensgroß aufgeblasen werden. Wo ist die Liebe für die Figuren und ihre Emotionen geblieben, wo der Wunsch, sie auf der Leinwand zum Leben zu erwecken, anstatt sie noch zweidimensionaler zu machen, als sie es zuvor waren? Wie trist, fahl, lauwarm und schlicht öde dieser Film ist, ist mir aufgefallen, als ich nach ca. einer Stunde zum ersten Mal über einen Gag leise schmunzeln musste. THE AMAZING SPIDER-MAN 2 löste bei mir nichts aus. Rein gar nichts. Die wenigen Momente, in denen ich etwas aufmerkte, sind die Kämpfe, in denen endlich etwas passiert, das man nicht bis ins Detail vorhersehen kann, in denen sich endlich etwas bewegt. Der aufregendste Moment des ganzen Films ist der Cliffhanger um den neuen Gegner Rhino (Paul Giamatti), den man hoffentlich im nächsten Film zu sehen bekommt. In den wenigen Auftritten, die ihm hier spendiert werden, verströmt er mehr Esprit und Persönlichkeit als die übrigen 149 Minuten zusammen. Zeitverschwendung.