Mit ‘Jean-Claude van Damme’ getaggte Beiträge

Jean-Claude Van Damme fühlt sich in den Sad-Sack-Rollen, die ihm nun seit rund zehn Jahren immer wieder zugetragen werden, offenkundig so wohl wie in einem schlabberigen Jogginganzug, der mindestens genauso viele Knitterfalten hat wie sein Gesicht. In WE DIE YOUNG spielt er Daniel, einen kriegsversehrten Veteranen des Afghanistan-Feldzuges, der sich als Kfz-Mechaniker verdingt, bei einer Bombenexplosion seine Stimme verlor und außerdem eine Lungenverletzung erlitt, die ihn zur regelmäßigen Einnahme harter Schmerzmittel zwingt, die er dem jungen Lucas (Elija Rodriguez) abkauft. Lucas wiederum ist einer der Kuriere der elsalvadorianischen Gang, die die Vorstadtstraßen Washingtons beherrscht und ein blutiges Regiment führt. An der Spitze der Gang steht Rincon (David Castañeda), ein gesichtstätowierter Melancholiker, mit dem man keinen Streit haben möchte. Als Lucas‘ kleiner Bruder in die Gang aufgenommen werden soll, beschließt der Junge, dass es Zeit für den Ausstieg ist, was Rincon naturgemäß gar nicht gefällt. Es kommt zur Hetzjagd auf den Jungen, bei der ihm Daniel schließlich mit all seiner Erfahrung zur Seite steht.

WE DIE YOUNG scheitert ein wenig an seinen hohen Ambitionen. Regisseur und Drehbuchautor Lior Geller, dessen Debüt-Kurzfilm ROADS den Rekord als meistausgezeichneter Studentenfilm hält, wollte viel mehr schaffen als „nur“ einen Actionfilm. Sein Vorbild dürfte John Singletons BOYZ N THE HOOD gewesen sein, denn wie dieser wirft Geller mit WE DIE YOUNG einen Blick auf die amerikanische Realität des Gangwesens, erzählt eine bewegende Coming-of-Age-Geschichte um den Ausstieg eines Jungen aus dem Sumpf, der ihn umklammert, gibt einen Kommentar zu den außenpolitischen Unternehmungen Amerikas ab, das er mit Elementen des Heimkehrerfilms verbindet, und verpackt das alles in einen innerhalb weniger Stunden spielenden Reißer mit zahlreichen Gewaltszenen, Schießereien und Verfolgungsjagden. Der Versuch ist aller Ehren wert und WE DIE YOUNG hebt sich vom typischen, gleichförmigen DTV-Klopper durchaus wohltuend ab, aber am Ende ist das Stück, das Geller von der Wurst abbeißt, dann doch einfach zu groß.

Das zeigt sich gut an der Rolle Van Dammes, dessen Darbietung als traumatisierter, körperlich behinderter Veteran umso bemerkenswerter ist, als die Figur über eine Ansammlung vager Klischees kaum hinauskommt. Es fehlen jegliche spezifische Details, die diesen Daniel zu einem dreidimensionalen, lebendigen Charakter machen würden. Das zeigt sich besonders deutlich am Schluss, wenn das „Rätsel“ um die Ursache seines Traumas aufgelöst wird, das bis zu diesem Zeitpunkt in Form von nicht weiter identifizierbaren Rückblickfetzen angedeutet wurde: Es zeigt sich, dass Daniel in Afghanistan aus Versehen ein Kind erschossen hatte und über dem Schock schließlich in die Explosion geraten war, die ihm die Stimme kostete. So wie der Film das präsentiert, wirkt das aber nicht wie eine echte Erfahrung, sondern lediglich wie ein Platzhalter, den man vergessen hat, mit Leben zu füllen. Das große Finale, ein Shootout, in den die Polizei die Gangmitglieder verwickelt, koinzidiert mit der Hochzeitsfeier von Rincons Schwester, die natürlich eine tödliche Kugel abbekommen muss, zum einen,um Rincon zu bestrafen, zum anderen, um seinen Zorn auf Lucas noch einmal zu vergrößern. Auch das ist sofort als Drehbuchkniff zu enttarnen, der umso billiger ist, als die Schwester nie wirklich Gestalt annehmen darf, nur als vage Manifestierung von Rincons Bruderliebe existiert. Stark ist WE DIE YOUNG hingegen in der Skizzierung seines Schauplatzes und des Milieus, in dem er spielt. Hätte sich Lior Geller ganz auf den „Arbeitsalltag“ des Drogenkuriers Lucas konzentriert, der mit seinem Fahrrad verschiedene Kunden ansteuert und im Dienste seines Chefs Aufträge ausführt, wäre sicher mehr dabei herausgekommen. So wird WE DIE YOUNG gegen Ende immer zerfahrener und das zum Dabeibleiben nötige emotionale Investment wird durch allzu viele oberflächliche Klischees verhindert. Für Van-Damme-Fans ist der Film aber trotzdem sehenswert und als schlecht würde ich ihn auch nicht bezeichnen.

kickboxer_vengeance_one_sheet_finalAn das Original, einen von Jean-Claude Van Dammes frühen Actionfilmen, kann ich mich nur noch marginal erinnern. Was von dem Film gemeinhin überdauert hat, ist sein Schurke, der damals von Michael Qissi gespielte, mit einem charakteristischen Zopf auf dem rasierten Schädel ausgestattete Tong Po, der sich mit Van Dammes Kurt Sloane ein blutiges Finale mit glassplitterbewehrten Fäusten lieferte.

Das Remake ist der fast 30 Jahre alten Vorlage in liebevoller Treue ergeben: Alain Moussis Held heißt wie Van Dammes Figur von einst Kurt Sloane, David Bautista interpretiert den ohnehin schon überlebensgroßen Tong Po als waren Titanen des kampfsportlerisch Bösen, komplett mit Arena im Nirgendwo, ihn umgebenden Kultisten und geilen Schlampen im Schlafgemach, und die Rachegeschichte wurde nahezu eins zu eins adaptiert (im Orginal wird Kurts Bruder nur querschnittsgelähmt geprügelt, hier stirbt er – was angesichts der Tatsache, dass er von dem vor kurzem tatsächlich verstorbenen Darren Shahlavi gespielt wird, zusätzliche Schwere erhält). Als Schlussgag bekommt Moussi sogar Gelegenheit für eine kleine Tanzeinlage, die per Splitscreen mit Van Dammes Geschwofe von einst parallelisiert wird. Wunderbar!

Es dauert aber eine Weile, bis der Funken überspringt. KICKBOXER: VENGEANCE hat den Look, die Nüchternheit und die Schnitttechnik eines modernen DTV-Actioners und das führt in Verbindung mit der oldschooligen Schmucklosigkeit der Geschichte zu einigen Irritationen. Der Film wirkt zunächst ein bisschen unspektakulär und lieblos, aber das ändert sich spätestens in dem Moment, in dem Van Damme als Trainer Durand auftritt. Mit Hut und Sonnenbrille hat er, wie Vern in seinem Review richtig anmerkt, die Coolness eines Blues- oder Jazzmusikers und bringt dann jenen unverwechselbaren Charakter mit, der dem milchbrötchenhaften Moussi fehlt (ein aber völlig untadeliger Stuntman und Kampfsportler). Auch das ist aber gar nicht unbedingt ein Manko, weil es dem episch ausgewalzten Finale erst die nötige Fallhöhe verleiht. Der Youngster muss eine wahre Passion durchlaufen, bevor sich das Blatt wendet. Die Fights sind, das muss man sagen, grandios: Nicht ganz so virtuos inszeniert wie bei Florentine vielleicht, aber wie bei diesem immer sehr übersichtlich und dynamisch. Stockwell, der Anfang bis Mitte der 2000er mit BLUE CRUSH, INTO THE BLUE und TURISTAS einige Semihits hatte, bevorzugt eine eher trockene Herangehensweise und lässt die Fähigkeiten seiner Darsteller für sich sprechen. Speziell Moussi zaubert einige ungalubliche Kicks aus dem Ärmel, die den Naturgesetzen völlig zuwiderlaufen, meines Erachtens aber tatsächlich ohne irgendwelche Tricks realisiert wurden. Dazu kommen dann liebgewonnene Standards wie die Training-Montage zu motivierender Musik, die frechen Manipulationen des Trainers, ein tumber Sidekick und die unterbelichtete Liebesgeschichte samt Sexszene (mit dicken Brüsten).

Was zum ganz großen Glück fehlt sind ein paar echte eigene Ideen, etwas, das man noch nicht gesehen hat, etwas mehr Aufregung und das Gefühl, das die Macher für ihre Sache brannten. KICKBOXER: VENGEANCE ist eine Nummer zu routiniert für die Riesenbegeisterung und der ultragelangweilte und sinnlose Quasi-Gastauftritt von Gina Carano hilft auch nicht unbedingt. Insgesamt ist der Film aber durchaus ein Gewinn, zumal es ja in den letzten zwei, drei Jahren nicht mehr allzu viel zu bejubeln gab auf diesem Sektor. Als Produzent fungierte übrigens Dimitri Logothetis, der einst den kreuzöden SLAUGHTERHOUSE ROCK inszeniert hatte und nun das bereits angekündigte Sequel drehen darf. Also ich freue mich drauf!

no-retreat-no-surrender-movie-poster-1986-1020247752Habe ich den jetzt wirklich zum ersten Mal gesehen? Ich glaube ja, aber verbürgen will ich mich nicht dafür. JCVDs Debüt als Schauspieler (er war vorher lediglich als Statist zu sehen gewesen) war auch der Auftakt für ein putziges Sequelphänomen, das sich in den USA und Deutschland über mehrere Reihen aufsplittete. Unter dem Originaltitel NO RETREAT, NO SURRENDER kam die Reihe zwischen 1986 und 1992 in den USA auf immerhin fünf Teile, die in Deutschland aber unter unterschiedlichsten, jede Verbindung vermissen lassenden Titeln herauskamen. KARATE TIGER, wie NO RETREAT, NO SURRENDER indessen bei uns hieß, zog selbst diverse Sequels nach sich, die wiederum nichts miteinander zu tun hatten und auf großzügigen Umbenennungen des deutschen Verleihs basierten. So hielten u. a. Teile aus den KICKBOXER- und BEST OF THE BEST-Serien Einzug in das KARATE TIGER-Franchise, für das in Deutschland 1998 erst mit Teil 10 Schluss war. Lediglich ein weiteres „echtes“ Originalsequel wurde einverleibt: NO RETREAT, NO SURRENDER 4 wurde zu KARATE TIGER 5. Wer Lust auf einen amtlichen Knoten im Hirn hat, kann sich ja mal der deutschen Wikipedia-Seite von KARATE TIGER widmen, die die bizarren Verschlingungen haarklein aufdröselt.

Hier soll es aber nun ausschließlich um das Original gehen, das schon erklärungsbedürftig genug ist. Corey Yuens Film verquickt auf engstem Raum jugendliches Außenseiterdrama und Coming-of-Age- sowie Karate-Trainings- und -Turnierfilm mit zahlreichen Tanz- und Klamaukeinlagen, dem klassischen Kung-Fu-Plot um konkurrierende Dojos und dem Motiv eines prominenten Mentors, der dem Protagonisten als geisterhafte Erscheinung den Weg weist. Der ca. 95 Minuten lange Film ist vollgestopft mit Subplots und Figuren, vereint zudem einander eher widerstrebende Elemente der Hongkong-Komödie und des typisch amerikanischen Teeniefilms. Der Humor ist reichlich debil und grell, und das Spiel der eh nicht gerade brillanten Akteure wirkt dadurch, dass sie Stoff umsetzen sollen, der eher auf das deutlich exaltiertere, burleske Spiel chinesischer Darsteller ausgerichtet ist, gleich doppelt so steif und unnatürlich. Aber diese Theatralik, die totale Übersteuerung aller Emotionen, die dem in den USA vorherrschenden Coolness-Paradigma so krass widerstrebt, macht auch den Reiz von NO RETREAT, NO SURRENDER aus. Abgesehen vom Erscheinen Bruce Lees als geisterhaftem Lehrer des Protagonisten und natürlich der Idee, dass ein Gangsterboss völlig unbedeutende Karateschulen in seine Gewalt bringen will, ist Corey Yuens Film eigentlich eher „realistisch“, aber durch die genannten Eigenheiten wirkt er selbst in seinen banalsten Szenen noch wie ein bizarres Märchen aus einer rätselhaften Paralleldimension.

Schon seltsam, dass ausgerechnet dieser Film zu einem solchen popkulturellen Phänomen heranreifte. Andererseits macht er ziemlich viel Spaß und das ist ja letztlich entscheidend. Nur als Actionfilm ist er jetzt nicht unbedingt der Bringer und dass die muscles from Brussels (hier noch mit ein bisschen Babyspeck) gegen diesen ätzenden Jammerlappen verlieren ist im Grunde genommen natürlich ein Skandal.

 

 

 

 

Aaah. Das tat gut.

ENEMIES CLOSER ist der erste Film von Peter Hyams seit dem Thriller BEYOND A REASONABLE DOUBT von 2009 (den ich nicht gesehen habe) und macht wieder Lust auf weiteren neuen Stoff des auch schon 72-jährigen Veteranen. Vom Monsterflop mit A SOUND OF THUNDER, dessen Produktion von Flutkatastrophen und Konkursen gebeutelt wurde, und der seiner Karriere einen herben Schlag zu einem strategisch ungünstigen Zeitpunkt versetzt hatte, scheint er sich erholt zu haben. Vom Produktionsniveau der Achtziger- und Neunzigerjahre, als er wohl einer von Hollywoods verlässlichsten Auftragsregisseuren für actiongeladene Thriller war, ist er mit ENEMIES CLOSER zwar weit entfernt, aber man kann deutlich sehen, was einem in den vergangenen 15 Jahren gefehlt hat. Damals erlebte Hyams‘ Karriere beflügelt vom Überraschungshit mit THE RELIC einen zweiten Frühling – sein Spielfilmdebüt ist der großartige BUSTING von 1972 und es folgten bis in die Neunziger u. a. solche Filme wie CAPRICORN ONE, OUTLAND, THE STAR CHAMBER, RUNNING SCARED, PRESIDIO, NARROW MARGIN, TIMECOP und SUDDEN DEATH -, der immerhin zum Schwarzenegger-Vehikel END OF DAYS führte. Die 2000er hätten einen klassisch geschulten Routinier wie ihn ganz gut gebrauchen können, aber es hat nicht sollen sein.

Nun also ENEMIES CLOSER, ein Actionthriller in bescheidenem äußeren Rahmen und besetzt mit seinem alten Weggefährten Jean-Claude Van Damme, diesmal nicht als einsamer Held, sondern als durchgeknallter Anführer einer Bande von Drogenschmugglern. Schon von Beginn an merkt man, dass da jemand hinter der Kamera stand, der sein Handwerk nicht beim Drehen von Werbespots oder Videoclips gelernt hat: Ohne großes Heckmeck, sondern hochkonzentriert wird die Geschichte um einen überschaubaren Kreis von Figuren aufgebaut, visuelle Mätzchen, die vom Geschehen ablenken, sucht man vergebens. Anstatt also den lack of scope durch irgendwelches Effektbrimborium zu kaschieren, begreift Hyams ihn als Stärke: Die Prämisse ist nach kurzer Zeit klar und der sich anbahnende Konflikt wird über die restliche Laufzeit gnadenlos und unter Zuhilfenahme einiger effektiver Wendungen ausgespielt. Man fühlt sich unweigerlich an die Achtzigerjahre erinnert, als solche enorm zugespitzten, aber niemals überkonstruiert anmutenden Filme noch der goldene Standard waren (mich erinnerte er mit seiner Naturkulisse etwas an Spottiswoodes SHOOT TO KILL), bis sie dann irgendwann von immer weiter aufgeblasenen Eventfilmen abgelöst wurden, in denen der Handlungsort wichtiger schien als die Figuren, die ihn bevölkerten. Dabei verkommt ENEMIES CLOSER aber nie zur nervigen Retronummer, im Gegenteil: Mit seinem Ansatz, der allem, was heute so im Actionfilm vor sich geht, diametral entgegengesetzt ist, wirkt er frisch und originell. Selbst seine Schwächen weiß er für sich zu nutzen: Tom Everett Scott ist auch deshalb so effektiv als zurückgezogener Berufssoldat, weil er gar nicht wie einer aussieht, eigentlich eine Spur zu kuschelig scheint. Wenn er dann schließlich alle Hemmungen fallen lassen muss, wie einst John Rambo durch die Wälder zieht und seinen Verfolgern nette Booby Traps hinterlässt, ist die Überraschung umso größer. Eine zweite überlebensgroße Figur neben Xander hätte ENEMIES CLOSER auch nicht gut zu Gesicht gestanden: Van Damme liefert eine anbetungswürdige Darbietung und einen Schurken ab, die in der Ahnengalerie der Action Villains einen Ehrenplatz verdient hat. So bleibt unterm Strich ein packender, actiongeladener und äußerst kompetent inszenierter Thriller, der die teurere Konkurrenz keinesfalls zu scheuen braucht. Klasse!

Jean-Claude Van Damme war nie weg. Seit seinem Debüt 1986 in NO RETREAT, NO SURRENDER (die vier Filme, in denen er zuvor als Statist und Nebendarsteller mitwirkte, zähle ich mal nicht) hat er in jedem Jahr mindestens einen Film gedreht (Ausnahme ist lustigerweise der Jahrgang 1987). Einen Namen machte er sich unter den Actiondarstellern als smarter, gutaussehender Sonnyboy, der bei den Frauen gut ankam, sich für ein Lächeln nie zu schade war und sich selbst offenkundig ziemlich toll fand. Jeanshosen, Voll- oder Dreitagebart und Cowboystiefeln, mit denen sich kernige Typen wie Stallone oder Norris als men next door inszenierten, setzte er pastellfarbene Designeranzüge und Gelfrisur entgegen. Klar, es gab Ausnahmen (siehe etwa John Woos HARD TARGET), aber grundsätzlich war das Van Dammes Persona. Noch in seinem letzten vorletzten großen Kinofilm als Hauptdarsteller, Tsui Harks phänomenalem KNOCK OFF, spielte der damals auch schon 38-jährige Belgier eine Variation dieses geckenhaften Typen – unvergessen, wie er Cantopop-Songs singend in einem knallroten Sportwagen durch Hongkong rast. Als 98/99 kurz nacheinander erst das folgende Herzensprojekt LEGIONNAIRE, in dem er einen klassischen Loner im Stile alter Hollywood-Helden gab, und dann UNIVERSAL SOLDIER: THE RETURN an der Kasse gnadenlos baden gingen, war Van Dammes große Zeit eigentlich vorbei. Und mit ihr verschwand auch der gut gelaunte Lausebengel, dessen Abenteuer für jede Art von existenzieller Gravitas absolut unempfänglich waren.

Seitdem hat sich ein unübersehbarer Wandel an Van Dammes Persona vollzogen, dessen Radikalität schon einigermaßen bemerkenswert ist. Es ist ja nicht untypisch, dass das Werk von Actiondarstellern oft als eine Art Reflexion ihres „wahren“ Lebens fungiert. Die sechs ROCKY-Filme spiegeln die Karriereschritte Stallones vom Underdog zum Megastar geradezu akribisch, Schwarzenegger war jahrelang wenig mehr als ein wandelnder Muskelberg mit lustigem Akzent und Seagal lässt die Grenzen zwischen seinen Rollen und seinem Leben bewusst verschwimmen. Was bedeutet es also, dass sich Van Damme seit einigen Jahren schon als Gebrochenen inszenieren lässt, der für vergangene Sünden Abbitte leisten muss? Man weiß, dass Van Damme zu seinen Hochzeiten kein Kind von Traurigkeit war, es ordentlich krachen ließ und sich auch nicht wirklich darum scherte, diese Tatsache zu verbergen. Während andere Stars ein Bewusstsein für ihre Außendarstellung entwickeln und sich bemühen, den Anschein von Anstand und Sitte zu wahren, um ihre Fans nicht zu verprellen, wirkte Van Damme immer ein bisschen wie der Prolet, der plötzlich zu Geld gekommen ist, und nicht weiß, wohin damit. Koks, Nutten, Sportwagen: Van Damme wollte alles und er wollte es sofort. Dieser Lebenswandel machte ihn zur Zielscheibe der Klatschpresse und stand wahrscheinlich auch einem Sprung in höhere Sphären im Weg. Wenn Van Damme nicht, wie in THE EXPENDABLES 2 als Nebendarsteller an Bord geholt wird, ist er für das Kino verbrannt, spielt seit über 15 Jahren nahezu ausschließlich in DTV-Produktionen mit.

Ob die „Muscles from Brussels“ diesen kommerziellen Niedergang wirklich bedauern, ihre Karriere rückblickend anders gestalten würden, weiß ich nicht. Wenn Van Damme auch kein Thema mehr für Hollywood ist, so ist sein Name dennoch eine Marke, genießt er einen gewissen Status, von dem es sich wahrscheinlich ganz gut leben lässt. Dennoch zieht er sehr schon seit Jahren viel mileage daraus, den nachdenklichen professional zu geben, der sich auf das Ende vorbereitet, vorher aber noch etwas zu erledigen hat. Es begann mit Ringo Lams Wutbrocken IN HELL, in dem Van Damme in einem russischen Knast gewissermaßen lebendig begraben wurde, setzte sich fort in WAKE OF DEATH, in dem er unter der Trauer über den Tod seiner Familie fast zerbrach, und UNTIL DEATH, in dem er einen bad lieutenant spielt, der nach einer near death experience ein neues Leben beginnen will. Im Quasi-autobiografischen JCVD reflektiert er über sein Leben und seine Karriere, während er müde und traurig in die Kamera guckt, UNIVERSAL SOLDIER: REGENERATION und UNIVERSAL SOLDIER: DAY OF RECKONING stilisieren ihn zum tragischen Antihelden shakespeare’schen Ausmaßes, einem zum Töten programmierten Zombie. Alle diese Filme setzen Van Dammes zerfurchtes, verlebt wirkendes Gesicht und seinen kantigen Schädel mit großem Gewinn ein, suhlen sich in Bildern des Leids und der Selbstgeißelung. POUND OF FLESH macht das nicht anders, beginnt mit einem in einer Eiswasser-Badewanne liegenden, bewusstlosen Van Damme, der sich dann verstört erhebt und orientierungslos durch sein Hotelzimmer stolpert wie Frankensteins Monster nach seiner wundersamen Belebung. Erinnerungsfetzen kehren zurück, mit Entsetzen sieht er erst das blutbesudelte Bett und schließlich die brutale Narbe an seinem Rücken. Man hat ihm eine Niere gestohlen, eine Niere, die seiner Nichte das Leben retten sollte, einer Nichte, die eigentlich seine Tochter ist. Mit seinem Bruder, der weiß, dass seine Frau einst fremdging und von wem seine Tochter ist, jagt er auf der Suche nach der Niere durch Manila, hoffend alle seine Sünden wiedergutmachen zu können, indem er das lebensrettende Organ dem sterbenden Mädchen bringt, um ihr ein neues Leben zu schenken: Jenes neue Leben, für das er keine Zeit mehr hat.

Ernie Barbarash, der mit Van Damme bereits 6 BULLETS und ASSASSINATION GAMES gedreht hat, lädt den Film bis zur Kante mit christlicher Symbolik auf (am Anfang benutzt Van Damme eine Bibel, um damit seine Gegner zu verdreschen), lässt die Charaktere Gespräche über Sünde, Gott und Vergebung führen und den Antihelden am Schluss den Märtyrertod sterben, nicht allerdings, ohne ihn zuvor mit dem Bruder versöhnt und ihm eine liebevolle Umarmung mit der Nichte gegönnt zu haben, die sein eigen Fleisch und Blut ist. Der Titel, prosaisch verstanden Bezug nehmend auf die fehlende Niere, bezieht sich natürlich auf Shakespeares „The Merchant of Venice“, in dem der Held seine Schuld beim Kaufmann Shylock damit bezahlen soll, dass er sich für diesen ein Pfund des eigenen Fleisches von den Rippen schneidet. Die Weichen sind gestellt: Im Stile des Film Noirs jagt der durch seine Wunde geschwächte Protagonist durch die Stadt, um sein Leben in den letzten Stunden, die ihm noch bleiben, in Ordnung zu bringen. Vielleicht ist es nicht allzu verwunderlich, dass POUND OF FLESH etwas müde wirkt: Richtig großen Enthusiasmus bringt sein Held nicht mehr auf, es ist reines Pflichtbewusstsein und ein schlechtes Gewissen, die ihn antreiben, und Van Damme spielt das so, als wünschte er sich in jeder Szene ins nächste Bett. Die Action ist routiniert, aber niemals aufregend, Manila eine hübsche Alternative zu Budapest, die aber nicht weiter ins Gewicht fällt. Vor allem fehlt dem Film ein guter Schurke (bad guy Darren Shalavi erlebte die Veröffentlichung des Films nicht mehr, erlag mit nur 42 Jahren einem Herzanfall), und ein etwas weiter zugespitztes Drehbuch: Der Wettlauf gegen die Zeit, eigentlich eine Spannung garantierende Klammer, wird kaum herausgearbeitet, die zu rettende Tochter bekommt einfach kein Gesicht, der gesundheitliche Zustand des Helden bleibt unklar. So ist es eben in erster Linie Van Damme selbst, der POUND OF FLESH sehenswert macht. Wenn er da am Ende mit schneeblassem Gesicht tot zusammensackt, ist das fast, als schaue man einem Urzeitgiganten beim Sterben zu. Möge sein Todeskampf noch viele Filme anhalten.

Ich habe leider nur die massiv gekürzte deutsche Fassung dieses Films gesehen, deshalb ist mein Text hier unter Vorbehalt zu betrachten. Unter normalen Umständen hätte ich mir diese Version des FIlmes gar nicht angesehen, aber ich wusste im Vorfeld nichts über eine ungekürzte Version, hatte INFERNO sowieso als ein eher uninteressantes DTV-Vehikel abgetan und keine Ahnung, dass sich hinter dem Regiepseudonym „Danny Mulroon“ der ROCKY-Veteran John G. Avildsen verbirgt, der seinen Namen zurückzog, nachdem sich das Studio in seinen fertigen Film eingemischt hatte. Der Film ist wahrscheinlich auch ohne die Kürzungen, die mir seltsamerweise kaum aufgefallen sind, merkwürdig, und ich kann nur mutmaßen, wie er wohl in einer intakten Version aussieht. Möglicherweise entpuppt er sich dann, wenn alle Kanten sauber abgerundet sind, als spröder Langweiler, so als 75-minütige schroff in den Himmel ragende Ruine ist er durchaus interessant, weil da scheinbar unvereinbare Gegensätze hart und unvermittelt aufeinandertreffen.

INFERNO beginnt mit einem indianischen Sprichwort und einem einsam auf einem Motorrad durch die Wüste fahrenden Van Damme als Veteran Eddie Lomax. Er hält an, steigt ab, nimmt eine Flasche Fusel und eine Knarre aus seinem Gepäck, trinkt einen kräftigen Schluck und legt sich dann mitten in die sich meilenweit in alle Richtungen ausdehnende Leere. Er wartet auf seinen Freund, den Indianer Six-Toes (Danny Trejo), den er um Erlaubnis zum Selbstmord bitten will und der dann plötzlich auch wie aus dem Nichts erscheint. Bevor Lomax seinen Plan jedoch ausführen kann, kommen ihm ein paar Proleten zuvor, die ihm das Motorrad klauen, das eigentlich für Six-Toes bestimmt ist, und ihn als tot zurücklassen. Es stellt sich heraus, dass sie zum Hogan-Clan gehören, einer Bande von Drogendealern, die ein Wüstenkaff namens Inferno in Angst und Schrecken versetzen. Die Anwesenheit einer Gruppe von Bikern nutzt Lomax, um einen Krieg zwischen den beiden anzuzetteln, in den auch die gebeutelten Bewohner von Inferno eingreifen.

Die Handlung ist unverkennbar von Kurosawas YOJIMBO inspiriert (die ihrerseits etliche Male aufgegriffen wurde, etwa von Sergio Leone für PER UN PUGNO DI DOLLARI oder von Walter Hill für LAST MAN STANDING), aber Avildsen befreit sie vom ihr innewohnenden Ingrimm. INFERNO wirkt abwechselnd hochgradig reduziert und stilisiert (der Anfang, der nahelegt, das Lomax und Six-Toes Phantome aus dem jemseits sind), dann wieder wie eine sehr warmherzige Komödie. Das Treiben in Inferno, das überwiegend von alten Leuten mit liebenswerten Marotten bewohnt wird, erinnerte mich etwa – gerade auch im Hinblick auf die Kulisse – an Ron Underwoods grandiosen TREMORS. Diese verschiedenen Ansätze stehen etwas unversöhnt nebeneinander und wirklich zwingend ist das alles nicht, aber dann auch wieder sehr ungewöhnlich und interessant. Ich war durchaus positiv überrascht, werde mir ein abschließendes Urteil bis zur Sichtung der intakten Fassung aber verkneifen.

Ich weiß nicht genau, wie ich darauf komme, aber bei mir hat sich irgendwie die Idee festgesetzt, LEGIONNAIRE sei eine Herzensangelegenheit Van Dammes gewesen. Ich konnte nirgendwo Hinweise finden, die diese These stützen würden, aber mir erscheint das einfach zu verführerisch: Bereits 1990 hatte er mit A.W.O.L. einen kurzen Ausflug in die Fremdenlegion unternommen, und die Romantik, mit der Pulpliteratur und Exploitationfilm die französische Institution schon immer aufgeladen haben, schienen auch ideal zu Van Dammes Leinwandpersona zu passen. Auch wenn man ihn oft in die Rolle des smarten pretty boy mit den stählernen Fäusten stecken wollte, am wohlsten fühlte er sich immer, wenn er den heimatlosen loner auf der erfolglosen Suche nach einer Heimat spielen durfte. Die Vermutung, dass Van Damme mit seiner eigenen Filmografie durchaus im Clinch lag, drängt sich auf, wenn man seine einzige Regiearbeit betrachtet: THE QUEST war ein lupenreiner Abenteuerfilm, der 1996, dem Jahr, in dem er erschien, hoffnungslos aus der Zeit gefallen war und demnach fulminant floppte. Das gilt auch für LEGIONNAIRE: Direkt im Anschluss an die Renaissance, die ihm die Hongkong-Regisseure Tsui Hark und Ringo Lam mit MAXIMUM RISK, DOUBLE TEAM und KNOCK OFF beschert hatten, kam dieser durchaus ambitioniert produzierte Film ganz ohne Martial-Arts-Fights, dafür mit viel Pathos, eindrucksvollen Bildern endloser Weite und dem Charme alter Wüstenepen daher. So wie ich, der ich beim vorfreudigen Einlegen des ausgeliehenden NTSC-Tapes blutige Handkantenaction und rasante Shoot-outs erwartete, massiv enttäuscht wurde, ging es wohl auch dem Verleih, der daraufhin beschloss, LEGIONNAIRE nicht auf die große Leinwand zu bringen – wo seine Bilder eigentlich hingehörten –, sondern gleich via Pay-TV und Video zu verwerten. Es war ein Schlag, von dem sich Van Dammes Karriere zumindest in kommerzieller Hinsicht nicht mehr wirklich erholte.

Wer LEGIONNAIRE aber aufgeschlossen begegnet, der wird möglicherweise eine Überraschung erleben. Peter MacDonald, der mit RAMBO III einen der letzten großen, handgemachten Actioner drehte, erzählt seine in den 1920er-Jahren angesiedelte Geschichte in opulenten, patinabelegten Bildern. Es geht um den Pariser Boxchampion Alain Lefevre (Jean-Claude Van Damme), der sich in die Fremdenlegion flieht, als er den schurkischen Boxpromoter Galgani (Jim Carter) hintergeht und um sein Leben fürchten muss. Zurück lässt er auch seine einstige Geliebte, die sich mittlerweile ebenfalls in den Fängen des Ganoven befindet. In der Legion findet er Freunde in dem quirligen Italiener Guido (Daniel Caltagirone), dem hünenhaften Schwarzen Luther (Adewale Akinnuoye-Agbaje) und dem Briten Mackintosh (Nicholas Farrell), doch der brutale Sergeant Steinkampf (Steven Berkoff) zerstört mit eiserne Härte jeden Anflug von Frohsinn. Als Alain für einen Pressebericht fotografiert wird, bekommt Galgani Wind von seinem Aufenthaltsort und schickt seine beiden Killer nach Afrika. Doch just in dem Moment, in dem Alain seine Strafe erhalten soll, wird die Fremdenlegion von einem Wüstenstamm angegriffen …

Erzählerisch ist LEGIONNAIRE durchaus ausbaufähig: Vieles bleibt uneingelöstes Versprechen, das Figureninventar ist hochgradig klischeebeladen und wenn der Film nach 95 Minuten endet, hat man nicht das Gefühl, dass wirklich ein „Abschluss“ erreicht wurde. Letzteres kann man durchaus als Stärke begreifen. MacDonald vermeidet die Ideologiefalle, indem er seinem Legionär den großen Triumph verwehrt, ihm lediglich das Überleben schenkt, das allein mitten in der Wüste allerdings nicht viel wert ist. Was bleibt ist die Erinnerung an die Verflossene, die sich als schemenhafte Überblendung über das Bild legt, bevor sie Alain mit seinem Schciksal allein lässt. Eigentlich erzählt LEGIONNAIRE überhaupt keine Geschichte, jedenfalls nicht in dem Sinne, dass da eine Entwicklung nachgezeichnet würde. Wir begleiten Alain für ein Stück seines Wegs, dann lassen wir ihn wieder allein, und das im Moment der eigentlich größten Krise. Was der eine als dramaturgischen Totalausfall bezeichnen mag, mag der andere als besonders wirkungsvollen Kniff betrachten. Egal wie man selbst das sieht, dass das Ende nachhallt, daran besteht wohl kaum ein Zweifel. Auf visueller Ebene und besonders in der explosiven Inszenierung der Actionszenen überzeugt LEGIONNAIRE hingegen vollends: Der ausgedehnte Showdown in der verfallenen Wüstenfestung liefert ein unaufhörliches Bombardement spektakulärer Explosionen, der Kontrast von stahlblauem Himmel, braunem Wüstenboden und lodernder Feuersbrunst wird von Kameramann Douglas Milsome immens effektvoll eingefangen. Dieser Kampf der Legionäre gegen den Chiffre bleibenden Wüstenstamm in einem unwirtlichen Niemandsland erhält so auch eine mystische, unwirkliche Note, die den reinen Materialismus des Films unterläuft und meine Eingangsthese, LEGIONNAIRE sei so eine Art Evangelium nach Jean-Claude, unterstreicht.

Film des Jahres 2012.

THE EXPENDABLES hat mich vor etwas mehr als zwei Jahren wahnsinnig glücklich gemacht: Ein richtig guter Film war er trotzdem nicht. Die Freude darüber, die alten Recken nach teilweise entbehrungsreichen Jahren in einem großen Actionfilm vereint zu sehen, überdeckte die milde Enttäuschung darüber, dass Slys Film kein großes „Fuck You!“ an die modernen Sitten und Gebräuche des Actionkinos darstellte, sondern weitestgehend dessen fragwürdigen ästhetischen Rahmenbedingungen verpflichtet war. Dass THE EXPENDABLES verglichen mit anderen Großproduktionen dennoch beinahe bescheiden rüberkam – was Viele ihm ankreideten –, er nicht versuchte, das Rad neu zu erfinden oder Michael Bay und Konsorten in Sachen Megalomanie zu überbieten, fand ich sehr angenehm. Es passte zur Altersmüdigkeit seiner Darsteller, zu ihrem Wissen, dass der eigene Mythos längst gesichert ist. Niemand von ihnen musste irgendwem noch irgendwas beweisen. Bei THE EXPENDABLES 2 ist die Unschuld weitestgehend verloren: Die Freude über das Wiedersehen, das schöne Gefühl, den alten Helden bei ihrer verdienten Ehrenrunde zujubeln zu dürfen, weicht hier dem Eindruck, dass das alte Eisen den angekündigten Ruhestand gern noch ein paar Jahre nach hinten verschiebt, wenn die große Kasse winkt. THE EXPENDABLES war ein Geschenk, THE EXPENDABLES 2 ist im Grunde Business as usual. THE EXPENDABLES war Black Sabbath einmalig wiedervereint mit Ozzy, THE EXPENDABLES 2 ist die xte Tournee der greisenhaften Rolling Stones. Der Film schmälert schon durch seine bloße Existenz rückwirkend den Liebesdienst, den Sly seinen Fans mit Teil 1 erwiesen hat. Und er wirft teilweise sogar die Frage auf, ob er wirklich verstanden hat, was einen guten Actionfilm auszeichnet, was Fans am Genre und seinen Protagonisten lieben und was am ersten Teil gelungen war.

THE EXPENDABLES handelte seine Action-Set-Pieces fast pflichtschuldig ab, war dafür immer ganz bei sich, wenn er seinen wettergegerbten Helden dabei zusah, wie sie sie selbst waren. Mehr als irgendwelche Stunts oder Effekte sind es die kleinen Momente, die sich bei mir eingebrannt haben: Stallone und Rourke im nachdenklichen Zwiegespräch, die Sorge Jet Lis um sein finanzielles Auskommen, Dolph Lundgrens fall from grace und seine finale Wiederaufnahme im Kreis der Kameraden. Dass ich hier die Namen der Darsteller verwende und nicht die ihrer Rollen, ist zwar meiner Faulheit zuzuschreiben, bei IMDb nachzuschauen, macht aber dennoch Sinn: THE EXPENDABLES bediente den Wunschtraum eines jeden Fans, dass seine Helden (oder etwa die Mitglieder der Lieblingsband) auch privat die dicksten Kumpels sind, in ihrer Freizeit miteiander rumhängen und in Erinnerungen schwelgen, Anekdoten austauschen, sich necken und aufziehen, aber immer für einander da sind. Außergewöhnlich an diesem Film war nicht die Allstar-Besetzung, sondern seine fast unverschämte Relaxtheit. Der generische Plot um Eric Roberts und seine Bananenrepublik hat beim Ehemaligentreffen fast gestört.

Nun also THE EXPENDABLES 2: Die Vermarktungslogik ließ vermuten, dass gegenüber dem Vorgänger vor allem quantitativ zugelegt wird. Und so ist es dann auch: Die Cameos von Bruce Willis und Arnold Schwarzenegger wurden zu Nebenrollen ausgebaut, Chuck Norris darf einen Gastauftritt absolvieren, Jean Claude Van Damme den Schurken spielen, die Rolle des obersten Henchman, die im Vorgänger Steve Austin zufiel, übernimmt nun Scott Adkins. (Zu meinem Bedauern wurde Gary Daniels nicht adäquat ersetzt. Dabei hätten sich Lorenzo Lamas, Billy Blanks, Roddy Piper, Sasha Mitchell oder Jeff Speakman sicherlich über einen Anruf gefreut und wären wahrscheinlich zu Fuß zum Drehort gelaufen. Na gut, Billy Blanks vielleicht nicht, der dürfte als Tae-Bo-Guru mehr Geld gescheffelt haben als mit allen seinen Filmen zusammen.) Diese personelle Auftstockung wird aber bei genauem Blick schon dadurch relativiert, dass Jet Li bereits nach gut 20 Minuten aus dem Film verschwindet. Ein Fehler, weil es auch sein Rapport mit Dolph Lundgren war, der dem Vorgänger Herz und Seele verlieh. Und Lundgren, der eigentliche Star und emotionale Kern von THE EXPENDABLES, wird hier als hohler Comic Relief verheizt. Randy Couture und Terry Crews waren schon im ersten Teil nur Randfiguren und werden noch mehr marginalisiert. Die Szenen, die das Team bei den gemeinsamen Plauderstündchen zeigen, vermisst man schmerzlich. Gerade, weil sie auch hier wieder genau jene Momente markieren, in denen der Film die Seele offenbart, an der es ihm sonst an allen Ecken und Enden mangelt. Die Actionszenen wurden ausgebaut, sie sind länger, blutiger und auch spektakulärer, zudem – eine der wenigen echten Verbesserungen gegenüber dem ersten Teil – deutlich übersichtlicher und kohärenter inszeniert, aber sie füllen nicht die Lücke, die da sonst klafft.

Wie auch THE EXPENDABLES wird auch sein Sequel voreilig als Eighties-Revival-Action, als Dienst am Fan des guten alten Actionkinos der Achtziger bezeichnet. Das traf schon auf Teil 1 nur bedingt zu (stilistisch hatte er mit den Actionfilmen der Achtziger rein gar nichts zu tun), hier geht es vollkommen an der Sache vorbei. THE EXPENDABLES 2 ist genauso am Reißbrett entworfenes Produkt wie so viele Filme, die man sonst mit dem Arsch nicht anschauen würde. Die Ausnahme ist, dass hier Leute mitspielen, von denen man dachte, dass sie es besser wüssten. Das große Ärgernis des Films ist seine unerträgliche Selbstreferenzialität, mit der er sich eben gerade nicht an die Cracks wendet, an Menschen, die das Werk Stallones, Schwarzeneggers, Norris‘, Lundgrens oder Van Dammes in- und auswendig kennen, es studiert haben und innig lieben. Die hohlen Zitate, die da vor allem Schwarzenegger in einem fort in den Mund gelegt werden, sind genau jene Zeilen, die zu bejubeln man die Quelle gar nicht mehr kennen muss, weil sie längst in den Fundus der Popkultur eingegangen sind. Wie einfallslos und ahnungslos muss man sein, wenn man ein von Arnie geäußertes „I’ll be back“ als Pointe in einer Multimillionen-Dollar-Produktion verkauft, die sich als Oldschool-Action versteht? Wenn man ihn Bruce Willis ein „Yippiekayay“ entgegnen lässt? Das hat nichts mit Ehrerbietung oder Metahumor zu tun (und mit Insiderwitz noch viel weniger), das ist einfach nur miserables Handwerk. Ein Armutszeugnis, ehrlich gesagt. Chuck Norris‘ Auftritt wäre eine schöne Sache gewesen, wenn man sich wenigstens ein bisschen Mühe gegeben hätte, ihn halbwegs sinnvoll in die Handlung zu integrieren. So latscht er in den Film rein, weil er auch noch mitmachen muss und verwandelt ihn in eine härtere Variante von HOT SHOTS. Es hätte nur noch der Schwenk auf das mitfilmende Kamerateam gefehlt, die Entfremdung wäre dadurch kaum stärker ausgefallen.

Solcherlei Stückwerk, die unkreative, ohne Sinn für eine übergeordnete Dramaturgie erfolgte Aneinanderreihung zotiger Gimmicks zerstört dann auch den Effekt, den die gelungeneren Szenen ohne jeden Zweifel hätten haben können. Jean Claude Van Damme hat eine traurig unterentwickelte Schurkenrolle abbekommen, aber er reißt den Film in jeder seiner Szenen an sich. Er muss dafür nicht mehr tun, als anwesend zu sein und sein in den letzten zehn Jahren ausgeprägtes Eisgesicht hinter einer coolen Sonnenbrille zu verbergen. Er sieht aus wie die Muse eines Avantgarde-Künstlers, wie die Gestalt aus einem Kraftwerk-Video: unantastbar, kantig, androgyn, geil. Dem Affentheater, zu dem der Film in den letzten 20 Minuten verkommt, setzt er Arroganz, Selbstbewusstsein und Kaltschnäuzgkeit entgegen. Auch Scott Adkins nutzt seine Mini-Chance und bekommt die Gelegenheit, seinen bewährten Yuri-Boyka-Akzent in einer Hollywood-Produktion unterzubringen (vielleicht der einzig echte In-Joke des Films, schon deshalb, weil er kaum jemandem aufgefallen ist – so ähnlich wie Gary Daniels im Vorgänger). Nur Stallone kann da mithalten. Sein kurzatmig ausgestoßenes „Track him, find him, kill him!“ ist einer der raren Gänsehautmomente des Films. THE EXPENDABES 2 sollte eigentlich voll von solchen Momenten sein, aber die Prioritäten lagen leider woanders.

Der Text ist jetzt etwas schärfer geworden, als ich das vorhatte. Es ist mir tatsächlich genetisch unmöglich, THE EXPENDABLES 2 nicht doch irgendwie zu mögen, aber die Erkenntnis, dass die unantastbaren Helden nicht nur nicht unfehlbar sind, sondern auch noch unter massiven Geschmacksverwirrungen leiden, ist ziemlich schmerzhaft. Ich wollte einen anderen THE EXPENDABLES 2 als diesen. Einen, der ohne dämlichen Humor auskommt, einen, der seine Recken nicht insgeheim zu Clowns degradiert. Einen der mir nicht ständig – wink-wink, nudge-nudge – zuzwinkert und sich mit mir verbrüdern will, indem er mir Witze erzählt, die ich schon kenne. Einen mit Herz und Seele und nicht nach zielgruppenorientierter Marktanalyse zurechtoptimierten Eventklumpen. Ich muss mich wohl damit abfinden, dass ich damit einer Minderheit angehöre. Und ich bin durchaus kompromissbereit. Das Problem an THE EXPENDABLES 2 ist nicht in erster Linie, dass er etwas macht, was ich nicht wollte. Sondern dass er das, was er macht, schlecht macht.

Der großartige John Hyams war hier auf diesen Seiten schon mehrfach Thema: Mit UNIVERSAL SOLDIER: REGENERATION, DRAGON EYES und vor allem UNIVERSAL SOLDIER: DAY OF RECKONING hat er drei Filme vorgelegt, die das Actiongenre von Grund auf verändert haben. Aber noch mehr: Er hat drei Filme von einer Kraft geschaffen, die an die ganz großen Meister des Fachs erinnert – Kubrick, Noe, Lynch, Cronenberg, Tarkovskij, Woo, Zulawski, Deodato, Cameron kommen einem unweigerlich in den Sinn, wenn man verfolgt, wie er das Schicksal des untoten Soldaten Luc Devereaux inszeniert. Auf Critic.de widmen sich in den nächsten Tagen verschiedene Autoren dem noch überschaubaren, aber kaum noch unterschätzbaren Werk. Darunter neben meiner Wenigkeit so verehrte Kollegen wie Jochen Werner, der wunderbare Film-Euphoriker Sebastian Selig sowie mein einstiger Mit-Himmelhund Marcos Ewert. Die Retrospektive rundet ein Interview mit John Hyams höchstselbst ab, zu dem ich auch ein paar Fragen beisteuern konnte. Hier findet sich der Einleitungstext, hier mein Essay zu UNIVERSAL SOLDIER: REGENERATION und Sebastians Text zu UNIVERSAL SOLDIER: DAY OF RECKONING. Viel Vergnügen!