PEPPERMINT ist Vigilanten-Action ohne allzu große Ambitionen, ohne Vorgaukelei von Relevanz oder Brisanz, dafür aber schön ruppig und dank der versierte Regie von Morel, der schon mit TAKEN und BANLIEUE 13 bewiesen hat, was er kann, in seinen Actionszenen angenehm zupackend und immer übersichtlich.
Die Story ist natürlich Tinnef, da muss man sich nichts vormachen, aber das ist ja nicht zwingend ein Makel: Riley North (Jennifer Garner) mutiert von der braven Familienmama zur mit allen Abwassern gewaschenen Killerin, nachdem gesichtstätowierte Killer des mexikanischen Drogenkartells ihren Mann und ihre kleine Tochter exekutiert haben und eine korrupte Rechtsprechung ihr die Gerechtigkeit verwehrt hat.
PEPPERMINT beginnt in medias res mit einem heftigen Fight, bei dem Riley verwundet wird, und springt dann fünf Jahre in die Vergangenheit, an den Tag ihres Verlusts. Ihr Mann landet auf der Todesliste des Kartells, weil sein Name im Zusammenhang mit einem Einbruch gefallen ist, den sein Arbeitskollege mit seiner Hilfe verüben wollte. Ausgerechnet am Geburtstag der süßen kleinen Tochter werden die beiden auf einer Weihnachtskirmes erschossen. Auch Riley wird getroffen, kann die Täter aber – auch dank der erwähnten Tattoos identifizieren. Morel und Drehbuchautor Chad St. John (LONDON HAS FALLEN) ziehen alle Register, um den Zorn des Zuschauers hervorzukitzeln: Erst taucht ein schmieriger Anzugtyp bei Riley auf, um sie mit einem fetten Geldumschlag zum Zurückziehen ihrer Aussage zu überreden, dann begegnet sie demselben Typen im Gerichtssaal wieder – es ist der Verteidiger der Mörder. Alle sind gegen sie, ihr Geisteszustand wird angezweifelt und als sie wutentbrannt auf die Mörder losgeht, wird sie getasert und dann gleich in einen Krankenwagen verfrachtet, der sie in eine Heilanstalt bringen soll. Sie reißt sich los und flieht.
Danach geht es wieder in die Gegenwart: Die Leichen der drei Mörder werden aufgeknüpft an einem Riesenrad gefunden, das FBI macht die Polizei darauf aufmerksam, dass niemand Geringeres als die verschwundene Mutter für die Taten verantwortlich sein könnte. „We found this on YouTube.“, sagt sie und führt den verdutzten Beamten ein Video vor, das sie als MMA-Fighterin zeigt. Im Folgenden räumt Riley im Alleingang mit dem Kartell um den miesen Diego Garcia (Juan Pablo Raba) auf, der unter anderem aus einer Piñata-Fabrik heraus operiert. Außerdem wird sie zu einer Art Schutzpatronin der Obdachlosen, deren Heimat, eine urbane Ruine, sie von Gesindel befreit hat: Einem trinkenden Vater erteilt sie eine Lektion darüber, dass er sich um seinen Sohn kümmern soll und an einer Wand gibt es ein großes Mural, das sie als Engel darstellt. Am Ende wird sie von der Polizei gefasst, doch der ermittelnde Detective (John Ortiz) lässt sie frei, sodass es theoretisch ein Sequel geben könnte.
Ich fand PEPPERMINT sehr hübsch: Der Film hat ein paar Doofheiten und einmal vergreift er sich meines Erachtens erheblich im Ton, aber ich fand es sehr angenehm, dass er sich ganz auf seine Qualitäten als Reißer konzentriert und sich nicht dazu emporschwingt, eine Message zu verbreiten. Die Actionszenen sind brutal, dynamisch und einigermaßen realistisch, kein Over-the-Top-Spektakel und Jennifer Garner hat schon häufiger bewiesen, dass sie so etwas kann. Outlaw Vern hat in seinem Text sehr richtig darauf hingewiesen, dass allein die Tatsache, dass hier eine Frau auf Rachefeldzug geht, der Geschichte schon einen anderen Spin gibt: Während es in DEATH WISH etwa ja auch implizit darum geht, dass der anzugtragende Liberale endlich zum richtigen Mann wird, also seine wahre Bestimmung erfüllt ist hier das Gegenteil der Fall. Riley findet sich zunächst in der Mutterrolle, die die Gesellschaft für sie als ideal auserkoren hat und mutiert dann zur Ein-Personen-Todesschwadron, entsagt gewissermaaßen dem gesellschaftlichen Konsens. Dass die Bösewichte super-eindimensionale Hispanics sind, ist hingegen gerade heute ein bisschen rückständig und wird auch nicht durch die Tatsache aufgehoben, dass der gute Cop Beltran heißt. PEPPERMINT hat, soweit ich weiß, keine allzu guten Kritiken erhalten, aber das sollte Actionfans und Freunde von guten Selbstjustigeschichten nicht davon abhalten, ihm eine Chance zu geben. Ich halte es für ziemlich wahrscheinlich, dass solche mit dem Teil genauso zufrieden sein werden wie ich.