FAST TIMES AT RIDGEMONT HIGH habe ich hier in den vergangenen Beiträgen bereits mehrfach erwähnt. Seine Bedeutung für die Teeniekomödie ist kaum zu überschätzen, in den USA wird der Film geradezu kultisch verehrt, nicht zuletzt weil er Jungstars wie Jennifer Jason Leigh, Phoebe Cates, Forest Whitaker, Eric Stoltz, Anthony Edwards oder Nicolas Cage auf den Weg brachte. Sean Penn spielte sich mit seiner Darstellung des immer bekifften Surfers Jeff Spicoli in die Herzen der jugendlichen Zuschauer und schuf einen Charakter, der seitdem wohl dutzendfach imitiert wurde (am populärsten etwa in BILL & TEDS EXCELLENT ADVENTURE). In Deutschland scheint mir der Film eher weniger bekannt, was wohl auch dem ultimativ nichtssagenden und austauschbaren Verleihtitel ICH GLAUB‘ ICH STEH‘ IM WALD zuzuschreiben ist, der wüsten Klamauk suggeriert, den Heckerlings Film eher nicht bietet.
Schon die Entstehungsgeschichte von FAST TIMES AT RIDGEMONT HIGH ist interessant: Rolling-Stone-Journalist Cameron Crowe kam, gelangweilt von seiner Arbeit, auf die Idee, sich als Highschool-Schüler auszugeben und sozusagen „undercover“ noch einmal zur Schule zu gehen. Seine Erlebnisse während dieser Schulzeit hielt er im gleichnamigen Roman fest, der noch vor seine Veröffentlichung das Interesse Hollywoods weckte und für eine Adaption optioniert wurde. Crowe selbst schrieb auf Grundlage seines Buches das Drehbuch und der Film, der weder groß beworben wurde noch namhafte Stars aufwies, entwickelte sich in der Folge zu einem Geheimtipp. FAST TIMES AT RIDGEMONT HIGH startete demnach nicht nur die Karrieren der oben aufgezählten Jungdarsteller, sondern auch die von Cameron Crowe, der nur wenig später das Script zum Quasi-Sequel THE WILD LIFE vorlegte und 1989 schließlich den ebenfalls sehr verehrten SAY ANYTHING inszenierte. SINGLES, dem Film zum Grunge-Hype, folgten u. a. der Oscar-prämierte JERRY MAGUIRE und schließlich der autobiografische ALMOST FAMOUS. Erstaunlich angesichts dieses Hintergrundes, dass Crowes Buch seit Jahren OOP ist.
FAST TIMES AT RIDGEMONT HIGH hat keine geschlossene Handlung, sondern kreist um eine Gruppe von Schülern während eines nicht näher definierten Schuljahres: Jeff Spicoli interessiert sich mehr für Parties als für den bevorstehende Abschluss und wird von seinem strengen, aber fürsorglichen Lehrer Mr. Hand (Ray Walston) in die Mangel genommen. Stacy (Jennifer Jason Leigh) sehnt sich angestachelt von ihrer erfahrenen Freundin Linda (Phoebe Cates) nach dem ersten Mal und wird schließlich vom „hustler“ Mike Damon (Robert Romanus) geschwängert. Ihr Bruder Brad (Judge Reinhold) arbeitet in einem Burgerladen an der großen Karriere, erfährt aber eine herbe Enttäuschung, als er von seinem Chef kurzerhand gefeuert wird. Der schüchterne Mark (Brian Backer) ist wiederum in Stacy verliebt und muss miterleben, wie sein bester Freund Mike sie ihm ausspannt und benutzt. Diese eigentlich bekannten Geschichten erzählt Heckerling zum Teil mit großen Zeitsprüngen, aber hoher Sensibilität für jugendliche Befindlichkeiten und einem Gespür für die markanten Details, die dafür sorgen, dass sie sich echt anfühlen.
Herausstechend ist die Episode um Stacy, deren Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht überaus ernüchternd sind und nichts mit dem zu tun haben, was ihr Linda einflüstert: Von einem zehn Jahre älteren Weiberheld wird sie sehr unromantisch des Nachts im Dugout des örtlichen Baseballfelds entjungfert, Mike beglückt sie erst mit einer frühzeitigen Ejakulation, ignoriert sie anschließend und gibt ihr schließlich die alleinige Schuld, als sie ihm von ihrer Schwangerschaft berichtet. Obwohl er ihr verspricht, sie zur Abtreibungsklinik zu begleiten, lässt er sie sitzen, sodass sie sich von ihrem nichts ahnenden Bruder chauffieren lassen muss, dem sie eine Verabredung im Bowling Center vorgaukelt. Man spürt die weibliche Hand in der Inszenierung dieser Sequenz, die ganz ohne aufgesetzte TV-Movie-Drama und ohne die oft obligatorischen marktschreierischen OP-Szenen auskommt. Im Rahmen der Teeniekomödie, die Sex vor allem aus männlicher Perspektive betrachtete und sich eher selten mit seinen Konsequenzen auseinandersetzte, markiert sie eine bemerkenswerte Ausnahme. Besonders beachtlich: Die Entscheidung Stacy selbst wird nicht hinterfragt, wie das sonst gang und gäbe ist. Es gibt keine Ausflüge in den Beichtstuhl, keine Exkurse über den Wert des ungeborenen Lebens, keine Liebäugelei mit einer Teeniemutterschaft. Stacy tut, was sie tun muss und Drehbuch wie Regie stehen ihr dabei ganz ohne elterliche Bevormundung zur Seite. Diese Haltung ist noch heute, fast 40 Jahre später, nicht selbstverständlich.
Nach einer Lieblingsfigur gefragt, dürften die meisten Freunde des Films Jeff Spicoli nennen: Sean Penn hat die witzigsten Momente und die zitierwürdigsten Dialogzeilen abbekommen, ist von seiner Rolle des Stoners kaum zu trennen. Auch Robert Romanus darf seinem unerfahrenen Zögling Mark als altersweiser „Berater in Liebesdingen“ geschliffen formulierte Ratschläge mit auf den Weg geben und Phoebe Cates hat mit ihrer Oben-ohne-Szene den wahrscheinlich ikonischsten Auftritt des ganzen Films (der wahrscheinlich unzählige Onanie-Sessions beflügelte – ganz wie im Film selbst). Wenn ich mich entscheiden müsste, so würde ich wahrscheinlich Brad nennen, der das tragikomische Element von FAST TIMES AT RIDGEMONT HIGH ausmacht und mit Judge Reinhold wahrhaft kongenial besetzt ist. Er verkörpert den herzensguten Pechvogel mit jeder Faser seines Körpers und wenn er am Ende seinen großen Triumph feiert, nachdem er ein 90-minütiges Tal der Tränen durchwandern musste, gönnt man ihm das als Betrachter von ganzem Herzen. Die Idee, die Zukunft seiner Protagonisten am Ende in einer kurzen Texteinblendung vorherzusagen, haben Heckerling und Crowe aus Lucas‘ AMERICAN GRAFFITI übernommen und im Sinne ihres Films verbessert, indem sie auf unnötige Downer, die einem die Freude nachträglich verderben, verzichtet haben. Überhaupt muss ich den ausnehmend optimistischen Blick, den Heckerling auf das Leben wirft, loben. Selbst ein Charakter wie Mike Damone wird nicht zum „Schurken“ degradiert: Er hat sich wie ein Arschloch verhalten, ja, aber der Film gesteht ihm eine Entwicklung zum Positiven zu. Das scheint dann auch die wesentliche „Aussage“ des Films zu sein, wenn man eine solche denn unbedingt herausfiltern möchte: Die Jugend ist eine Zeit, in der man Erfahrungen sammelt. Diese beinhaltet Enttäuschungen und Fehltritte genauso wie Erfolge und Glücksmomente. Entscheidend ist, dass man nicht auf der Stelle stehen bleibt, sondern mit seinen Erfahrungen wächst. Schön, dass FAST TIMES AT RIDGEMONT HIGH einem dies vermittelt, ohne dabei auch nur einmal den belehrenden Zeigefinger zu heben.