Glaubt man dem Wikipedia-Eintrag zu THE KING OF COMEDY, so einigten sich Scorsese und De Niro nach dem anstrengenden Dreh von RAGING BULL auf einen „einfacheren“ Film. Scorsese wollte eigentlich sein Wunschprojekt THE LAST TEMPTATION OF CHRIST mit De Niro in der Rolle von Jesus Christus drehen, aber De Niro überzeugte ihn davon, es zur Abwechslung mit einer Komödie zu versuchen. Sie einigten sich auf ein Script, das schon einige Jahre in Hollywood herumgegeistert und von Scorsese bereits einmal abgelehnt worden war (Michael Cimino war einmal als Regisseur vorgesehen, entschied sich dann aber für HEAVEN’S GATE). Mit seiner Laufzeit von unter zwei Stunden, dem übersichtlichen Ensemble und der simplen satirischen Prämisse wirkt THE KING OF COMEDY auf den ersten Blick tatsächlich wie eine kleine Zwischenmahlzeit. Doch der Film verfügt über gähnende Abgründe und scharfe Zähne, die sich hinter seinem trügerischen Grinsen verbergen. Das Ausmaß der persönlichen Katastrophe um den gestörten Stalker und Möchtegernkomiker Ruper Pupkin (Robert De Niro) wird dabei nicht hundertprozentig sichtbar: Das Finale fühlt sich versöhnlich, vielleicht gar triumphal an, fast wie eine späte Wiedergutmachung für die schonungslose Bloßstellung seiner Hauptfigur, aber es wird nicht ganz klar, ob dies nicht nur eine der vielen nahezu unsichtbaren Finten ist, mit denen Scorsese den Zuschauer hereinlegt.
Es passt angesichts dieser Doppelgesichtigkeit, dass man THE KING OF COMEDY aus heutiger Perspektive wahlweise als überkommen oder aber visionär bezeichnen kann. Rupert Pupkin – ein weltfremder Mittdreißiger, der noch bei seiner Mutter lebt, in lebhaften bewegten Bildern von der großen Karriere als Fernsehkomiker und Showmaster träumt und schließlich sein Idol Jerry Langford (Jerry Lewis) entführt, nachdem es ihm nicht gelungen ist, sich auf regulärem Weg einen Platz in dessen Show zu ergattern – ist ein fehlgeleiteter Fan, ein Opfer des vom Showbusiness geschürten Celebrity-Kults und ein nur unterdurchschnittlich begabter Mann, der einfach nicht begreifen kann, dass er nicht über das gottgegebene Talent verfügt, welches ihm einen Platz auf den Bühnen der Welt sichern müsste. Und weil er das einfach nicht verstehen will, die eindeutigen Signale von Langford und den Fernsehleuten stets zu seinen Gunsten interpretiert, auch wenn sie eigentlich absolut unmissverständlich sind, greift er am Ende zu überaus drastischen Mitteln. Der arme Rupert hat das Pech, zwei Jahrzehnte zu früh geboren worden zu sein: Heute könnte er von Castingshow zu Castingshow tingeln und hätte so zumindest das Gefühl, eine realistische Chance zu haben. Tatsächlich erinnert sein Charakter an viele dieser besonders hoffnungslosen Kandidaten, die leider als einzige auf der Welt felsenfest davon überzeugt sind, zu Höherem bestimmt zu sein, und sich auch vom gegenteiligen Urteil von Fachleuten nicht von ihrem Glauben abbringen lassen. Rupert Pupkin ist vom amerikanischen Showbusiness vollständig geblendet: Er fühlt sich dazu auserkoren und legitimiert, die Menschen mit seinem Talent zu beglücken. Seiner Vorstellung nach gehört zu einer Karriere als Komiker lediglich eine bei Geburt quasi verabreichte Begabung, die allein schon zum Eintritt ins Glück berechtigt. Dass Langford und später auch dessen Sekretärin ihm stattdessen den Rat geben, sein Fertigkeiten in kleinen Comedy-Clubs zu schulen, an seinen Gags und der Präsentation zu feilen, bevor er sich irgendwo bewirbt, überhört Rupert diesen geflissentlich. Der begnadete Künstler muss nicht arbeiten, weil ihm die Inspiration in den Schoß fällt. Adorno und Horkheimer hätten wahrscheinlich ihren Spaß mit dem Film gehabt, entspricht er streckenweise doch sehr genau dem Bild, das die beiden in ihren Arbeiten von der Kulturindustrie zeichneten: Es ist ein System, das seinen Erfolg nicht zuletzt der Tatsache verdankt, dass es auf den Betrachter absolut durchlässig wirkt („Everyone can make it!“) und Leichtigkeit vorgaukelt, wo tatsächlich schwer gearbeitet wird (der müde und ausgebrannt wirkende Langford sagt zu Beginn, dass er seine Show hasst, weil sie für ihn längst zur lästigen Routine verkommen ist). Langford und seine Mitarbeiter und Kollegen bilden eine eigene Klasse, die sich vom „gemeinen Volk“ hermetisch abgeschottet hat. Der Zynismus ist greifbar: Man will die Begeisterung und Zuneigung der Pupkins, aber sie sollen einem gefälligst nicht zu nah kommen. Man spürt den Ekel des Showstars, wenn er nur neben einem Normalsterblichen wie Pupkin im Auto sitzen muss.
Aber das soll nicht davon ablenken, dass es sich bei Rupert Pupkin um einen Psychopathen handelt: Über weite Strecken ist THE KING OF COMEDY alles andere als komisch, ein Vorgänger jener heute dank der beiden THE OFFICE-Serien (und dem deutschen Ableger STROMBERG) weitestgehend etablierten Fremdscham-Komödien. Es ist schmerzhaft, Rupert dabei zuzusehen, wie er die eigentlich unmissverständlichen Zeichen ignoriert oder fehlinterpretiert, wie er nach einem Gespräch, das er Langford mehr oder weniger aufgezwungen hat, dem Glauben erliegt, mit dem Star befreundet zu sein, wie er wieder und wieder in dessen Büro anruft oder mit seinem adretten Anzug und dem Köfferchen in der Empfangshalle des Senders darauf wartet, empfangen zu werden. Das Schlimmste an ihm ist aber sein unerschütterliches Selbstvertrauen, das sich vollkommen antiproportional zu seinem Talent verhält: Er hat nicht den geringsten Zweifel daran, auf die Bühne bzw. ins Fernsehen zu gehören und seiner Meinung nach ist es nur eine Frage der Zeit, bis es endlich soweit ist. Es gibt eine furchtbare Szene, in der er ein Demotape für den Sender erstellt: Anstatt seine besten Gags aufzunehmen, hält er eine lange Dankesrede, ergeht sich dann in Vorschlägen darüber, wie der Showmaster ihn ankündigen sollte, während seine Mutter ihn aus dem Off immer wieder schreiend zur Ruhe ermahnt. Der Film wird am Ende nicht ganz eindeutig, aber es ist durchaus möglich, dass Rupert keinen einzigen Witz in seinem Programm hat, dass er ausschließlich über den Traum verfügt, ein Publikum mit seinen Gags zum Lachen zu bringen und seine Liebe zu empfangen. Es bleibt unklar, ob sein Stand-up-Auftritt in Langfords Show, den er sich am Schluss im Fernsehen anschaut, tatsächlich so stattgefunden hat oder ob wir wieder einmal nur Teil an Ruperts Vorstellungen haben. Sein Bühnengehabe ist seltsam steif, ohne dabei wirklich unsouverän zu sein, sein Grinsen ist wie eingemeißelt, die durchaus wohlwollenden Publikumsreaktionen könnten aus der Konserve stammen oder auch nicht. Seine Witze sind einfach und altbacken, aber nicht so schlecht, wie man es befürchtet hat. THE KING OF COMEDY endet mit einer Montage, die zeigt, wie Rupert tatsächlich zum Medienstar aufsteigt, wie er nach dem Absitzen seiner Haftstrafe einen Bestseller veröffentlicht und zum gefragten Mann wird. Er wäre nicht der erste Nichtskönner, dem ein gerüttelt Maß an Dreistigkeit zu ungeahntem Ruhm verhilft, allein es fehlt der Glaube daran, dass dieser Rupert die Kompromisse eingehen könnte, die dafür nötig sind. Es ist sehr viel wahrscheinlicher, dass es für Rupert immer so weitergeht, dass er sich das nächste unrealistische Ziel ausguckt und verrennt.
THE KING OF COMEDY erntete überwiegend positive Reaktionen (Pauline Kael gehörte zu seinen berühmten Kritkern), verschwindet in Scorseses Filmografie aber mit seinen anderen Werken der Achtzigerjahre zwischen den offensichtlichen Masterpieces der Siebziger- und Neunzigerjahre wie MEAN STREETS, TAXI DRIVER, RAGING BULL, GOOD FELLAS oder CASINO. Wie ich zu Beginn schrieb, mutet der Film leicht und flüchtig an, offenbart seine Tiefe nicht unmittelbar. Man könnte argumentieren, dass es sich bei THE KING OF COMEDY um eine komödiantische Variation von TAXI DRIVER handelt: In beiden Filmen spielt De Niro einen zunächst wohlmeinenden Psychopathen, der nach einigen Rückschlägen schließlich zum Verbrecher wird. An seinem Rupert Pupkin beeindruckt aber, ganz im Gegenteil zu brüterischen Intensität von Travis Bickle, wie Rupert den ganzen Film über frei von jedem Selbstzweifel und jedem Zorn bleibt. Seine unbeirrbar gute Laune und sein Enthusiasmus versiegen nie, nie muss er sich mit Selbstzweifeln herumschlagen, nie nagt es an ihm, dass er überall auf Ablehnung stößt. Rupert Pupkin weiß nicht, dass er ein lächerlicher Clown, ein verblendeter Narziss ohne Talent und ein unerträglich selbstabsorbierter Schwätzer ist, und gerade das macht die Figur so tragisch. Robert De Niros Darstellung scheint eintönig und gleichförmig, weil ihm das selbstzufriedene Grinsen Ruperts nie entgleitet. De Niro hat nicht die eine große, dramatische Szene, in der er alles kulminieren würde (die Tragweite seiner Handlungen wird Rupert ja nie wirklich bewusst), aber er brilliert darin, diesen Fanatiker als sich selbst erhaltendes, völlig autark funktionierendes System zu interpretieren. Rupert Pupkin ist eine leere Hülle, ein Mann, der sich in seinem Traum vom Ruhm längst total verloren hat. Neben De Niro überzeugen auch Jerry Lewis in einer grandiosen, zurückgenommenen Darbietung, aus der in gleichem Maße die Müdigkeit wie auch die Erfahrung aus drei Jahrzehnten im Showgeschäft sprechen, und Sandra Bernhard als Ruperts kaum weniger wahnsinnige Freundin und Komplizin Masha. Ihre gemeinsame Beziehung fasst das menschliche Drama im Zenrtum von THE KING OF COMEDY perfekt zusammen: Anstatt sich als Seelenverwandte zusammenzutun und sich gegenseitig zu schützen und aufzubauen, rennen sie beide Beziehungen und Zielen hinterher, die immer unerreichbar bleiben werden.