Mit ‘Joe D’Amato’ getaggte Beiträge

Manchem gilt dieses Frühwerk D’Amatos – der einzige Film, den er unter seinem bürgerlichen Namen „Aristide Massaccesi“ herausbrachte – als eines seiner stärksten. Auch wenn sich hinter dieser Zuneigung wohl nicht zuletzt die Abneigung so manches Genrefans gegenüber der Unterleibszentriertheit abzeichnet, die charakteristisch für einen Großteil des D’Amato’schen Schaffens ist, gibt es durchaus nachvollziehbare Gründe für diese Einschätzung. Ohne Zweifel ist der gialloeske Mystery-Horror von einer traumgleichen Poesie und Ästhetik durchdrungen, die man nicht unbedingt mit dem Italiener assoziiert, von dem man meist Handfestes gewohnt ist. LA MORTE HA SORRISO ALL’ASSASSINO ist darüber hinaus nicht ungeschickt erzählt und verzichtet fast gänzlich auf erklärende Dialoge zugunsten von nahtlos eingewobenen Rückblenden, was erheblich zum somnambulen Flow des Films beiträgt. Allerdings musste ich dann doch noch einmal die Inhaltsangabe von Wikipedia zu Rate ziehen, um sicherzustellen, dass ich auch wirklich alles richtig verstanden hatte (hatte ich natürlich nicht). Nun gibt es viele Filme, die mit einer konfusen, verschachtelten Erzählstruktur inhaltliche Schwächen bewusst kaschieren, aber LA MORTE HA SORRISO ALL’ASSASSINO gehört meines Erachtens nicht dazu: Das alles ergibt am Ende tatsächlich Sinn, sofern man das von einem Film, in dem rächende Geister auftreten, um die Nachfahren ihrer Mörder auszulöschen, und Mad Scientists mal eben das Geheimnis des ewigen Lebens lüften, behaupten kann.

LA MORTE HA SORRISO ALL’ASSASSINO beginnt gleich mit einem Rückblick sowie zwei stilistischen Mitteln, die zum Handwerkszeug jedes Low-Budget-Filmemachers zählen: Zoom und Weitwinkel. Beide kommen im Verlauf der 85 Minuten ausgiebig zum Einsatz, verleihen ihm seinen charakteristischen Look und datieren ihn in einer Zeit, in der die Kamera schnell gezückt war, wenn es galt, einen Film rauszuhauen um die niederen Instinkte des Publikums zu stillen. D’Amato haut dann auch ein, zwei Mal auf den Schlamm, etwa in einer sehr niedlichen Szene, in der ein Schießprügel und eine Handvoll grobe Erdbeermarmelade effektovll zum Einsatz kommen, oder bei einer Katzenattacke auf den buckligen Luciano Rossi, bei dem dieser eines Auges verlustig geht, aber LA MORTE HA SORRISO ALL’ASSASSINO ist weitesgehend geschmackvoll, orientiert sich mit Anleihen bei Poe eher an in der Vergangenheit angesiedelten Mystery- oder Geisterfilmen denn an den zweitgenössischen Gialli, die damals schwer en vogue waren, und zeigt in seiner erwähnt wortkargen, verschachtelten Inszenierung dazu reizvoll konträr  laufende psychedelische Einflüsse. Letztlich erzählt der Film keine sonderlich originelle Geschichte: Es geht um eine verführerische junge Frau zwischen zwei Männern, die unter tragischen Umständen ums Leben kam, und nun aus dem Jenseits zurückgekehrt ist, um sich an den Verantwortlichen sowie deren Nachfahren zu rächen. Aber so, wie D’Amato diese Geschichte erzählt, ohne expositorischen Dialog, mit überraschenden Zeitsprüngen sowie aufreizender Redundanz und Langsamkeit, scheint sie deutlich komplexer oder wenigstens verwirrend. D’Amato wird ja häufig mit seinem spanischen Kollegen Jess Franco verglichen bzw. in einen Topf geworfen, was auf eine nur sehr oberflächliche Betrachtung ihrer Filme zurückzuführen ist und eher mit vergleichbaren Produktionsbedingungen zu tun hat, aber hier lassen sich meines Erachtens tatsächlich einige deutliche ästhetische Parallelen erkennen: Neben oberflächlichen Ähnlichkeiten wie dem Einsatz von Zooms, Weitwinkel und Weichzeichner sind vor allem die Betonung von Atmosphäre gegenüber der Handlung und dann das kreative Spiel mit der Zeit zu nennen. Gegenwart und Vergangenheit fließen in  LA MORTE HA SORRISO ALL’ASSASSINO nicht nur in Gestalt der untoten Ewa Aulin ineinander, D’Amato trennt sie kaum voneinander ab, lässt den Film zudem eine auffällige Kreisbewegung vollziehen und immer wieder einen verführerisch hypnotischen Tanz aufführen. Der Weg ist das Ziel.

Zwei der drei nominellen Stars, nämlich Kinski und Rossi-Stuart, bekleiden lediglich kleine Nebenrollen, die zwar durchaus bedeutend sind, aber in keinem Verhältnis zu ihrer hervorgehobenen Stellung in den Credits stehen. Beide sind aber super, wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen: Kinski verfährt hier nach der Prämisse „Wham! Bang! Thank you Ma’am!“ und verliert keine Zeit für große Faxen. Gleich bei seinem ersten Auftritt stürmt er im Stechschritt und ohne ihn eines Blickes zu würdigen an seinem Schauspielkollegen vorbei, um sich nach dem Wohlbefinden der bettlägerigen Ewa Aulin zu erkundigen. Fehlende Pupillenreaktion, Atem und Pulsschlag machen ihn skeptisch: Um auf Nummer sicher zu gehen, rammt er der Schönen kurzerhand eine Stecknadel ins Auge. Als ihre Reaktion (zum Glück!) ausbleibt, weiß er, das mit ihr etwas nicht stimmen kann. Der ausgestellte Ernst, mit dem er bei der Sache ist, ist in jeder seiner wenigen Szenen eine echte Schau. Giacomo Rossi-Stuart hinterlässt weniger schauspielerischen Eindruck, trägt dafür aber eine beeindruckende Föhnfrisur zur Schau, die Chris Roberts und Roy Black vor Neid hätte erblassen lassen, zumal er sie auch noch stilsicher mit einem akkurat gewichsten Schnäuz kombiniert. Chapeau! Dieses Kompliment möchte ich durchaus auf den ganzen Film ausweiten, der trotz der vielen Querverweise und Vergleiche, die ich hier gezogen habe, durchaus das Prädikat „Eigenständig“ verdient.

So ändern sich die Zeiten: Damals war D’Amatos ROSSO SANGUE für mich ein Nägelkauer erster Güte, ein Film, den ich tatsächlich saumäßig spannend fand, während mich andere D’Amatos wahrscheinlich an den Rand des Komas und darüber hinaus getrieben hätte. Heute schaut’s ein bisschen anders aus und ich empfinde seinen Versuch eines „amerikanischen“ Schockers wenn auch beileibe nicht schlecht, so doch durchaus etwas öde in seiner Geradlinigkeit, die wenig Platz lässt für das, was D’Amatos Filme sonst so auszeichnet, und einfach nicht das ist, was er so richtig gut kann.

Es gibt wieder jede Menge selbstzweckhafter Sauereien zu bewundern, wie etwa einen Bohrer oder eine Tischsäge durch einen Kopf und anders als bei ANTHROPOPHAGUS hängen Eastman die Gedärme hier nicht am Ende, sondern schon am Anfang aus der Plauze, aber eigentlich spielt D’Amato hier ein bisschen Hitchcock: Der Film bezieht seine Spannung ganz wesentlich daraus, dass da auf der einen Seite ein junges Mädchen mit einer Behinderung an sein Bett gefesselt ist, auf der anderen ein nahezu unbesiegbares, blutrünstiges Monstrum durch die Landschaft wankt (die offensichtlich in den USA liegen soll, weil alle ständig über ein gerade laufendes Football-Match reden, obwohl man doch deutlich erkennt, dass der Film in Italien gedreht wurde): Es ist klar, worauf das hinauslaufen wird und die Frage, die D’Amato dem Zuschauer aufzwängt, lautet natürlich: Wird es das arme, unglücksselige Mädchen schaffen, sich trotz seiner Behinderung aus dem Bett zu erheben, um dem Monster zu entkommen oder wird es ihm hilf- und schutzlos ausgeliefert sein?

Das ist, wie gesagt, nicht uneffektiv und wird von D’Amato auch mit jener für nervenzerrende Suspense so wichtigen Engelsgeduld und Ausdauer inszeniert, aber für mich scheitert das ganze Konstrukt ein wenig daran, dass die Figur der Mordmaschine letztlich leer bleibt und die Verbindung zu seinem Opfer niemals zwingend ist. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn D’Amato den Abstraktionsgrad seiner Erotikfilme erreichen würde, aber auch das ist hier nicht der Fall. Im Gegenteil bemüht er sich nach Kräften, den Eindruck klassischen Erzählkinos zu erwecken, aber ohne sich eben die Mühe gemacht zu haben, ein entsprechend konstruiertes Drehbuch mitzubringen.

Ich mag den Film nicht schlecht machen, weil ich ihn, auch wenn es diesmal nicht so richtig geklappt hat, irgendwie mag, ihn auch für einen eher ungewöhnlichen Vertreter des Italo-Horrorfilms jener Tage halte. Als letzter Film an einem durch und durch exzessiven Film- und Feierwochenende musste er auch die schwere Bürde tragen, auf einen schon reichlich vollgesogenen Schwammkopf zu treffen. Beim nächsten mal dann also als Opener.

26768_16Kurz vor dem Abschluss des viel zu frühen Endes des 16. Hofbauer-Kongresses beschwor Joe D’Amato noch einmal Urlaubsstimmung herauf und hielt mit seiner unnachahmlichen Regiekunst die Zeit an. In Hongkong, an der Seite der schönen Laura Gemser, ließ es sich wunderbar hindämmern und träumen. Auch das zwar nicht grafische, aber doch unangenehme Ende mit der „Ass Cobra“, brachte keine erhebliche Beschleunigung des müde und wohlig pochenden Ruhepulses. Ich bin mir sicher, sähe man Bilder des Publikums während der Vorführung, so fühlte man sich auch ein wenig an die Lieblingstiere von Eva (Laura Gemser) und Judas (Jack Palance) erinnert, die da fast bewegungslos in ihren Terrarien liegen, nur hin und wieder mit ihren gespaltenen Zungen schnalzend.

Der Plot des Filmes ist dabei sogar recht dramatisch: Die Schlangentänzerin Eva gerät in Hongkong zwischen die Brüder Jules (Gabriele Tinti) und Judas. Letzterer ist steinreich, aber auch ein Eigenbrötler und Sonderling, der sich viel lieber mit seinen Schlangen beschäftigt als mit Menschen. Das ändert sich, als er Eva kennen lernt und sie bei sich aufnimmt, sehr zum Missfallen seines Bruders. Wirklich hingezogen fühlt sich Eva aber zu Gerri (Michele Starck), einer kühlen Blonden, mit der sie manches sinnliche Schäferstündchen verbringt – bis der eifersüchtige Jules dazwischengrätscht …

D’Amato zerdehnt diese amour fou mithilfe von ausgedehnten Tanzeinlagen, Sightseeingtouren und Erotikszenen, die mitunter fast vergessen lassen, worum es eigentlich geht. Und wenn dann doch etwas passiert, wartet bereits die nächste Pause. Am Ende haben zwei Menschen ihr Leben gelassen, zwei sind zu Mördern geworden, eine Liebe ist zerbrochen. Trotzdem hat man das Gefühl, das sich eigentlich gar nichts verändert hat: Eva wird in die nächste Stadt reisen, um dort mit ihren Schlangen zu tanzen, und neue Verehrer und Verehrerinnen anlocken und Judas wird sie vergessen, weil er ja immer noch seine Tierchen hat und er sich mit seiner Einsamkeit bereits ganz gut arrangiert hat. Die Tragik besteht dann auch viel eher darin, dass es in dieser Filmwelt keinerlei Chance für die eine, anhaltende Liebe gibt, wie Sven Safarow in seiner Einleitung richtig zusammenfasste, nicht so sehr darin, dass dies anhand eines letztlich beliebigen Beispiels durchexerziert wird. Piero Umilianos einprägsames Titelthema scheint diesen Zustand schon zu betrauern, noch bevor man weiß, wohin die Reise für Eva und die anderen gehen wird. Was bleibt sind oberflächliche Reize und verblassende Erinnerungen an Ereignisse und geisterhafte Gesichter von gestern. Es gibt nur wenige Regisseure, die dieses Gefühl so wirkungsvoll in Film kleiden wie D’Amato: Schon beim Sehen entgleiten sie einem, während man verzweifelt versucht, irgendetwas von ihnen festzuhalten. Ja, manche Bilder bleiben bei einem, aber ohne ihren Kontext stehen sie wie verloren da. Auch der als Produzent fungierende britische Exploitation-Papst Harry Alan Towers, dem es sogar gelungen war, Jess Franco für einige Filme zu bändigen, kann EVA NERA diese spezielle Flüchtigkeit nicht austreiben, die D’Amatos Filme so unverwechselbar macht, es aber auch immens erschwert, anderen diesen Reiz in Worten mitzuteilen.

Der Appell kann daher nur lauten: Schaut mehr D’Amato, am besten im Kino.

 

hk16_deliziaDen Abschluss des ersten Kongresstages bildete mit DELIZIA ein besonderes Schätzchen: Der Softerotikfilm des Säulenheiligen Joe D’Amato wurde seinerzeit ausschließlich in Italien ausgewertet, gelangte also nie über die Landesgrenzen des Stiefels hinaus, und ist derzeit lediglich noch als italienisches VHS-Tape erhalten, das extra für den Kongress digitalisiert und untertitelt worden war. Der Aufwand hat sich gelohnt, auch wenn ich vermute, dass man im fortgeschrittenen Stadium der D’Amato-Verehrung angelangt sein muss, um diese Ansicht zu teilen. In dieser Nacht in Nürnberg, in jenem charakteristisch tranceartigen Zustand, der sich einstellt, wenn man viel Alkohol, schweres Essen, drei Filme und eine mehrstündige Autofahrt quer durch die Republik intus hat und euphorisiert ist vom Gefühl, nach einem Jahr Abstinenz zurück zu sein im verschworenen Kreise eines cinephilen Geheimbundes und Spezialistenzirkels, konnte es (fast) keinen besseren Film geben. Ich kann mich an kaum noch etwas erinnern von DELIZIA: Ich war wach, aber trotzdem in einem geistigen Dämmerzustand, angenehm berauscht, von dem naiven Schauspiel auf der Leinwand, das keine Inhaltsangabe, nur einen Satz braucht: Ein Junge (Luca Giordana) verliebt sich in seine Cousine Delight (Tini Cansino), die sich zu seiner Überraschung als der feuchte Traum aus seinen Tittenheften entpuppt.

Tini Cansino war dem Vernehmen nach in jenen Tagen eine Erotikberühmtheit in Italien und stolziert demnach mit makelloser Figur, hohlem Köpfchen und hohem Vogelstimmchen durch die Geschichte, lebendes Eye Candy, das in nahezu jeder Szene in unterschiedlichen Stadien der Ausgezogenheit vorgeführt wird. DELIZIA lebt sehr entscheidend von der zuhälterischen Unverfrorenheit, mit der D’Amato immer wieder draufhält und Cansinos Reize ins rechte Licht rückt, und dabei noch nicht einmal einen Hehl daraus macht, was der einzige Sinn und Zweck seines Filmes ist. Solange dabei eine göttliche Szene wie jene rumkommt, in der Delizia lustvoll an einem rohen Ei saugt, kann es dem zahlenden Kunden aber auch herzlich egal sein. Der geschulte D’Amatist wird die gewohnt somnambule Inszenierung zu schätzen wissen, diesen gleichmäßig-unaufgeregten Flow, der einfach perfekt ist für Late-Night-Sichtungen mit berauschtem Kopf und erschöpfter Aufnahmefähigkeit – zumal in einem solch erlauchten und liebgewonnenen Kreis. Was mir sonst noch in Erinnerung geblieben ist: Es gibt irgendwann eine große Gartenparty, bei der auch eine Punkrockkapelle auftritt, die mit ihrem Sound hart in das plastikhafte Italo-Synthiegedudel grätschen, das den restlichen Soundtrack ausmacht. Da gewinnt DELZIA ganz plötzlich eine Unmittelbarkeit, die man sonst nicht unbedingt mit D’Amato in Verbindung bringt. Der Rest ist in den Tiefen meines Unterbewusstseins vergraben, darauf wartend, nach und nach an die Oberfläche zu treiben – oder eben nicht. Ich hoffe sowieso darauf, DELIZIA irgendwann noch einmal zu Gesicht zu bekommen.

 

 

beyond_darkness_poster_02Es ist noch kein Jahr her, dass ich BUIO OMEGA zum letzten Mal gesehen habe, auf dem Fernsehschirm, in einer nicht so berauschenden Version. Deshalb will ich hier auch nur zwei Dinge ergänzen, die mir gestern bei der Sichtung im Kino aufgefallen sind.

1. Fand ich die damals berüchtigten und bei Jugendschützern sehr „beliebten“ Splattereffekte in besagter letzter Sichtung eher underwhelming, haben sie im Kino doch erhebliche Wirkung entfaltet. Es macht eben doch eine Menge aus, ob man sich die Missetaten des fiesen Frank in vertrauter und an Ablenkung reicher heimischer Umgebung ansieht oder im Kino auf großer Leinwand, wo man ihnen regelrecht ausgeliefert ist. Die Präparierung seiner Geliebten ist supergarstig und eklig, genauso wie die spätere Entsorgung eines dickleibigen Mädchens in einer Wanne voll blubbernder Salzsäure.

2. Vor allem die Musik von Goblin macht aus der von D’Amatos gewohnt behäbig inszenierten Schauermär (das ist nicht negativ gemeint) einen echten Reißer. Gerade die erste halbe Stunde, die Frank dabei begleitet, wie er seine Geliebte wieder ausgräbt, mit nach Hause nimmt und dort präpariert, wird erst durch den treibenden Goblin-Groove zum Nägelkauer par excellence. Blendet man die Musik aber bewusst aus, zeigt BUIO OMEGA dieselben langen, eigentlich ereignislosen Einstellungen und das sedierte Spiel mäßig begabter Mimen, das D’Amatos Filmen diese ganz eigene Qualität verleiht. Es stellt sich die Frage, wie wohl die späteren D’Amatos rüberkämen, wenn sie nicht durch traurig-karge Budgets gehandicappt gewesen wären. Natürlich aber auch, ob man denn überhaupt will, dass sie durch eine solche „Verbesserung“ ihrer eigentümlichen und singulären Qualitäten beraubt würden. Die Begegnung mit BUIO OMEGA im Kino war nicht nur ein Highlight meines Filmjahres, sondern darüber hinaus mal wieder sehr lehrreich.

0100338IL FIORE DELLA PASSIONE ist einer der vielen Softerotikfilme, die Joe D’Amato in den späten Achtziger- und frühen Neunzigerjahren unter dem Namen seiner Produktionsfirma Filmirage in den USA inszenierte und dann auf den Markt brachte, wie aus einem bodenlosen Füllhorn der nie versiegenden Titillationen. Im vorliegenden Fall orientierte er sich nicht an 9 1/2 WEEKS oder ähnlich Naheliegendem (wie in den Filmen seiner 11 DAYS, 11 NIGHTSReihe), sondern am guten alten Film Noir mit seinen blonden Sirenen, verblödeten, schwanzgesteuerten Männern und dunklen Absichten. Aber natürlich kommt bei D’Amato alles ganz anders.

Jeff (Robert LaBrosse) ist ein echter hunk und, wie es sich für einen Noir-Protagonisten gehört, per Anhalter unterwegs zu seinem Bruder, nachdem er mehrere Jahre im Bau eingesessen hat. Wie man weiß, braucht ein soeben aus der Haft Entlassener nichts so dringend wie einen guten Fick, also schickt D’Amato die platinblonde Linda (Kristine Rose) vorbei, der Jeff – eine gute Chance immer sofort erkennend – sogleich nachstellt. Als die beiden sich lüstern beäugen,  röhren die Bläser auf dem Soundtrack wie brünftige Hirsche, und wenig später wird Linda auch schon auf dem Fahrersitz ihres orangefarbenen Sportwagens von Jeff durchgeorgelt, eingekeilt zwischen Fahrertür, Lenkrad und Rückenlehne, die meterhohen Absätze ihrer Come-fuck-me-Pumps praktisch auf der Beifahrerseite eingehakt. Sie schmeißt ihn raus, ohne ein Wort des Dankes für seinen selbstlosen Akt der Liebe, und braust davon. Jeff nimmt’s sportlich mit einem Lächeln über diese Wahnsinnsfrau, wohl wissend, dass geile Typen wie er in einem D’Amato-Film regelmäßig zur Entladung kommen. Und so ist es dann auch: Bei seinem Bruder angekommen, dem ergrauten Besitzer einer schlecht gehenden Pinte, der optisch eher Jeffs Vater sein könnte, trifft er die geile Ische aus dem Sportwagen wieder. Sie ist niemand Geringeres als seines Bruders Ehefrau. Wobei die Ehe der beiden das Verfallsdatum schon weit überschritten hat: Sie redet gar nicht mehr mit ihm, macht sich keinerlei Mühe, ihre Verachtung zu verbergen. Und er ist schon so abgestumpft, dass er das gar nicht bemerkt. Umso besser für Jeff!

Die Geschichte läuft dann im Weiteren genauso ab, wie man das erwartet, nur dass alles länger dauert als in vergleichbaren Filmen, wo die Leute immer viel zu geschäftig sind, als dass sie sich dem Nichtstun und Müßiggang hingeben könnten. In IL FIORE DELLA PASSIONE spielen die Figuren hingegen regelmäßig Karten, sie stehen rum und unterhalten sich oder sie haben ganz plötzlich spontanen Sex, einfach so, warum auch nicht. Während Jeff also seine Affäre mit Linda pflegt, gräbt er auch noch an der dunkelhaarigen Jamie (Kristine Fischhertz) rum und kann sich einfach nicht entscheiden. Irgendwann geht der Plot dann weiter, will Linda, dass Jeff seinen Bruder kalt macht, weil der sie schlecht behandelt und schlägt. Dass nichts an des Bruders Persönlichkeit solch ein Verhalten andeutet, der im Gegenteil ein überaus friedfertiger Zeitgenosse ist, stört Jeff nicht weiter. Aber er empfindet Lindas Gesuch auch nicht als Skandal. Seine Reaktion ist mehr so ein: „Ach scheiße, sowas kann ich jetzt gar nicht gebrauchen. Aber gut, man kann es sich nicht aussuchen. Na dann.“ Zu den Mordplänen, die jetzt in einem Noir von Interesse wären, kommt es aber nicht. Stattdessen mehr Pokerspiele, mehr Sex an unbequemen Orten, mehr ziellose Konversation. Und dann tauchen zum Finale wie aus dem Nichts zwei Halunken auf, die man vorher schon mal kurz gesehen hat, und sorgen dafür, dass die Geschichte eine andere Wendung nimmt. Die ist zwar auch nicht glaubwürdiger, aber dennoch eine Überraschung.

Darüber zu diskutieren, ob IL FIORE DELLA PASSIONE jetzt besser oder schlechter ist als andere Filme D’Amatos aus jener Schaffensphase, geht am Ziel vorbei. Die Schauspieler sind nicht ganz so farblos und steril wie in anderen Werken, aber gewiss auch keine großen Mimen, der Score verwöhnt das Ohr mit feinsten Saxophon-Edelpop-Schmachtballaden, die Handlung ist Vorwand für eine Handvoll softer Sexszenen, die keinen Hund mehr hinterm Ofen hervorlocken. Es gibt nicht viel, worüber man hier streiten müsste: Entweder man lässt diesen Stoff ratlos links liegen oder man geht in dieser Stimmung völliger Indifferenz auf, genießt die Konsequenzlosigkeit des Ganzen, freut sich über die Füllszenen, die hier in den Fokus rücken, und die Dialoge, mit denen alle messerscharf aneinander vorbeiquatschen. Es ist ein wundersame Welt, in der D’Amatos Figuren da rumlaufen, und man wundert sich, warum sie sich nicht von früh bis spät kaputtlachen. Wahrscheinlich ficken sie einfach lieber.

chinese-kamasutra-movie-poster-1993-1020378132Die amerikanische Sinologin Joan Parker (Giorgia Emerald) verschlägt es zu Studienzwecken nach China, wo sie auf der Suche nach, wie sie sinngemäß sagt, „wenig bekannten kulturellen Phänomenen Chinas“ auf das Kamasutra stößt. Man verzeiht ihr die scheunentorbreite Bildungslücke, denn obwohl Joan ein heißer Feger ist, wirkt sie ziemlich spröde und schaut zudem drein wie ein ausrangiertes Auto aus einem ehemaligen Ostblockstaat. Die Lektüre des selbst in der chinesischen Bibliothek mit „Chinese Kamasutra“ beschrifteten Folianten bringt ihr träges Blut zwar ziemlich in Wallung, nur wo sie mit der ganzen tosenden Lust hin soll, das weiß sie nicht. Ihr Kollege würde ja gern mal ran, aber Joan scheint die Signale nicht zu erkennen. Stattdessen wird sie von einem heruntergekommenen, leerstehenden Haus magisch angezogen, hinter dessen Fenstern angeblich ein Mann stehe und ihr anzügliche Blicke nachschicke. Als Joan vor lauter Neugier das Haus betritt, trifft sie dort eben jenen Mann, einen bärtigen Chinesen mit Stirnband und Cape, der ihr eine Geschichte auftischt, die viel zu verrückt ist, als dass sie sie nicht sofort für bare Münze nehmen müsse: Joan sei seine wiedergeborene Geliebte, eine Prinzessin, und er der Geist eines ermordeten Prinzen, der nun in der Ewigkeit darauf warte, mit der Verflossenen wiedervereint zu werden. Warum sie zu diesem Zweck in diverse fantasievolle Sexspielchen einbezogen werden muss, habe ich nicht ganz verstanden – man steckt halt nicht drin im Chinesen -, auch nicht, ob sie das nun alles geil findet oder doch eher befremdet ist: Ihr Blick legt letzteres nahe, aber da sie auch nichts Besseres zu tun hat …

Kann sein, dass es an ihrer Verwirrung liegt, die die Verwischung der Grenze zwischen Traum und Realität verursacht, aber vielleicht ist sie tatsächlich auch nur enttäuscht: CHINESE KAMASUTRA ist (zumindest in der Fassung, die ich gesehen habe) ein Softsexfilm, der sich hier und da lustvoll an den Grenzen zur Hardcore-Pornografie reibt, aber dann doch reichlich trocken bleibt. Das ganze wollüstige Gelecke, ölige Massieren und fingrige Reiben wirkt über die gesamte Spieldauer weniger erregend als vielmehr enervierend. Man möchte den männlichen Protagonisten zurufen, dass sie das Ding doch jetzt endlich mal reinstecken mögen, aber das einzige was eingeführt wird, sind bunte Plastikdildos. In einer sehr bizarren Szene wird Joan von drei hochmotivierten Lustsklaven mit ebensolchen misshandelt und man sieht sehr deutlich, dass sie überhaupt nicht berührt wird. Später serviert man ihr eine Gemüseplatte, deren Centerpiece eine phallisch geschnitzte Möhre ist, die sie mit großem Eifer und unter großem Zungeneinsatz verspeist. Schön, wenn es schmeckt, den Koch wird es gefreut haben. Am Ende fasst sich Joans Kollege, der sie schon seit Tagen nicht mehr gesehen hat und sich Sorgen macht, ein Herz und betritt das Haus: Er sieht so aus wie der Prinz einst und als er Joan auffindet, kommt es dann endlich zur finalen Nummer und der Wiedervereinigung der Wiedergeborenen. Ihr Orgasmus bleibt aber Privatsache, denn CHINESE KAMASUTRA endet just in diesem Moment.

D’Amatos Film sieht zum Teil sehr hübsch aus, vor allem die Rückblenden in die einstige gemeinsame Vergangenheit des Pärchens gefallen dank des ungewöhnlichen Settings, einer verwitterten Ruine, die alles gewesen sein könnte, aber gewiss nicht, wie es in den Dialogen heißt, ein chinesischer Herrscherpalast. Macht nix, denn wenn ich an CHINESE KAMASUTRA etwas wirklich hervorheben möchte, dann definitiv die Tatsache, dass es D’Amato sehr schön gelungen ist, seinen Film in einem Raum anzusiedeln, der weniger geografisch als vielmehr mental verortbar ist. Er entfaltet sich wie ein Traum, schwerelos, redundant, völlig bescheuert, dann wieder mit immenser unklarer Bedeutung aufgeladen, an der nicht nur die teilnahmslose Protagonistin abprallt. Am allertollsten finde ich aber, dass D’Amato, der nie um ein Pseudonym verlegen war, diesen Film tatsächlich unter dem Namen „Chang Lee Sun“ inszeniert hat. Das zeugt von Humor und Stil. Ich glaube daher, dass er den Koch, der so tolle Penisgemüse schnitzt, von zu Hause mitgebracht hat. Oder war das hinterher gar das Werk von Laura Gemser?

UnbenanntNach einer kurzen Definition von „Tanz“ gefragt, könnte man vielleicht antworten, dass es sich dabei um die rhythmische, fließende Bewegung zu Musik handelt, weiterführend, dass es sich dabei um den spielerischen, körperlichen, also: nonverbalen, Ausdruck von Emotionen handelt. Mit DIRTY LOVE hat auch der nimmermüde Joe D’Amato in den späten Achtzigern seinen Tanzfilm gedreht und irgendwie ist da zusammengekommen, was zusammengehört.

Es ist mir bis hierhin sehr schwer gefallen zu erklären, was mich an D’Amatos Filmen, vor allem jenen aus den späten Achtzigerjahren, in letzter Zeit so fesselt. D’Amato erzählt keine wahnsinnig originellen Geschichten und eigentlich ist seine Haltung als Regisseur mit der eines Erzählers sowieso nur sehr unzutreffend beschrieben. Seine Filme zeichnen sich vor allem durch eine sehr eigene Atmosphäre und Ästhetik aus, sie wirken traumgleich, gedämpft, verlangsamt, unwirklich, ohne dabei jedoch jemals ins ausdrücklich Surreale oder Unrealistische abzugleiten, sie scheinen „uninszeniert“, ohne jedoch die oft anstrengenden Authentifizierungsstrategien eines als „dokumentarisch“ apostrophierten Kinos aufzufahren. Seine Protagonisten, gespielt von oft amateurhaft und ungeschliffen, positiv gesagt: ungekünstelt agierenden Darsteller – die hölzernen englischen Synchronisationen unterstreichen diesen Aspekt noch – sind keine echten Handelnden, also Menschen, die den Fluss des Films durch ihre Persönlichkeit und die aus dieser hervorgehenden Entscheidungen und Taten vorantreiben, sondern eher menschliches Treibgut, oder besser: Träumende, deren Unterbewusstsein ihnen nur vorgaukelt, irgendeinen Einfluss auf den Fortgang ihres Traums zu haben. Deshalb ist ein Tanzfilm, in dem es eben zunächst nicht um die Ratio und den verbalen Ausdruck geht, sondern um die ungefilterte Übertragung innerer Vorgänge nach außen, auch so eine reizvolle Schablone für D’Amato: Seine Figuren schwimmen wie bunte Fische ziellos in einem Aquarium umher, reine unreflektierte, ungerichtete Bewegung, und aus ihrem Mund steigen immer wieder seltsam eckige, oft brachial deklamatorische Willens- und Absichtbekundungen auf wie Luftbläschen, nur um an der Wasseroberfläche sogleich wieder zu zerplatzen.

Seine Protagonistin heißt Terry Jones (Valentine Demy) und man kann sich schon allein über diese Namensgebung stundenlang den Kopf zermartern: Hat D’Amato diesen Namen reflexhaft gewählt, so wie er auch zu inszenieren scheint, oder hat er dabei vielleicht doch an das Monty-Python-Mitglied gedacht? Wie dem auch sei, jedenfalls ist diese Terry keine rein sympathische Figur, im Gegenteil: Die Art, wie sie ihre höchst sprunghafte und unzuverlässige Art als Ausdruck eines angeblich so gefestigten Charakters begreift, mutet unreif und teilweise gar bösartig an. Dem Freund, den sie zu Beginn zurücklässt, um in Richmond eine Tanzkarriere zu starten, verspricht sie im Weggehen noch, ihn nicht zu betrügen, doch schon in der nächsten Sekunde interessiert sie das nicht mehr, er wird im weiteren Verlauf keine Rolle mehr spielen, nicht einmal als Erinnerung. Der junge Hotelportier, von dem sie sich zu spontanen, ausgelassenen Tanzeinlagen auf dem Flur hinreißen lässt und der ihr zum Auszug ein Fahrrad schenkt, erhält dafür nicht nur kein Dankeschön, auch das Versprechen, ihn zu besuchen, löst sie erst ganz am Schluss des Films endlich ein. Einem Stripper, mit dem sie in ein Hotel geht und der es dann im Bett nicht bringt, nimmt sie gnadenlos die zehn Dollar wieder weg, die sie ihm als Bezahlung gegeben hat, ohne jedes Mitleid für das jammernde Häufchen Elend, das ihr unter Tränen gesteht, noch nie mit einer jungen Frau geschlafen zu haben. Ihre Mitbewohnerin, in deren Wohnung sie unterkommt, wird von ihr aufs Übelste beschimpft, als Terry herausfindet, dass sie sich als Prostituierte verdingt und außerdem drogenabhängig ist. Die Eltern, die ihr unter der Voraussetzung, dass Terry das Tanzen aufgibt, spontan einen großen Geldbetrag zur Verfügung stellen, um ihr aus einer Zwangslage zu helfen, werden ebenfalls belogen. Und den fiesen reichen Schnöselmacker, in dessen Haus sie sich ohne Einladung förmlich eingenistet hat, fordert sie in einem Konflikt auf, aus ihrem Leben zu verschwinden, als sei er es, der ihre vier Wände bewohnt.

Aber diese Sprunghaftigkeit Terrys macht auch den eigentümlichen Reiz dieses Films aus, der keinem eingängigen 4/4-, sondern einem weitaus komplexeren oder eben gar keinem Takt zu folgen scheint. Die „schmutzige Liebe“, von der der Titel spricht, kommt erst sehr spät ins Spiel, ein einsames Zugeständnis an die Konvention des Erzählkinos, und das seltsame Happy End – Terry wird beim Vortanzen zusammen mit einem männlichen Mitbewerber, den man vorher noch nie gesehen hat, ausgewählt – schließt einen Handlungsstrang ab, der eigentlich gar nicht entwickelt wurde. Stattdessen folgt DIRTY LOVE dem eigensinnigen Gang seiner Protagonistin, der ihrem Tanzstil ähnelt, durch das Leben: nicht geltenden Regeln von Grazie und Anmut folgend, die Kanten nicht durch das Sandpapier einer klassischen Ausbildung abgeschliffen, sondern impulsiv, voller Energie und ganz der augenblicklichen Inspiration verpflichtet. Ihr trotziges Kinn wie ein Rammbock nach vorn gestreckt, um Hindernisse zur Seite zur werfen, marschiert Terry auch in der größten Verwirrung noch mit entschlossener Zielstrebigkeit nach vorn, lässt sich von eigenartigen Zufällen nicht aus der Bahn werfen. Sie weiß, dass man in einem Film von Joe D’Amato eh mit allem rechnen muss. Zum Beispiel damit, den geilen Macker mit Ambitionen in der Politik auf der schäbigen Bowlingbahn wiederzutreffen.

11days11nights2movieposterturkishJetzt ist die Verwirrung perfekt: Die nominelle Fortsetzung von D’Amatos 11 DAYS, 11 NIGHTS ist eigentlich schon der dritte Film um die erotischen Abenteuer der „Gesellschaftsautorin“ Sarah Asproon. Doch weil der zweite Teil unter dem höchst irreführenden Titel TOP MODEL vermarktet worden war, bekommt Teil drei nun die Nummer 2 verpasst und somit die große Ehre, sich „offiziell“ schimpfen zu dürfen.

Alle Welt wartet auf das neue Buch von Sarah (Kristine Rose), die soeben ihre Scheidung (?) hinter sich gebracht hat, aber ihr fehlt noch die zündende Idee, was ihrer Verlegerin, die jetzt zwar Jackie heißt, aber immer noch von Laura Gemser gespielt wird, gar nicht gefällt. Zum Glück platzt just in diese kreative Dürre ein unscheinbarer Briefumschlag, der sich als Testament eines verflossenen Lovers von Sarah entpuppt. Sie soll in sein Haus einziehen und entscheiden, welcher seiner Verwandten seines Erbes würdig ist. Die Baggage entpuppt sich als einzige Schlangenbrut, jeder hintergeht jeden und hat eine Leiche im Keller. Kein Hindernis für Sarah, nicht zumindest die männlichen Vertreter auf die Matratze zu zerren, um ihre Geheimnisse ans  Tageslicht zu bringen …

Und los geht es, das schlaftrunkene Softcore-Georgel zu Neunziger-Synthiemucke, die sich mit Akkordeon-Einsatz als schwerst Lambada-geschädigt erweist. Kristine Rose, die die kecke, pausbäckige Jessica Moore in der Hauptrolle ablöst, wirft platinblondes Haar und schmerzhaft euterförmige Silikonbrüste ins Rennen, hat null Charisma, aber dafür das ausdruckslose Gesicht, das die perfekte Projektionsfläche für D’Amatos Schmierenkomödie ist. Jede Szene läuft mit pornöser Zielstrebigkeit auf das nächste Nümmerchen hinaus, kein Wunder, dass alle Charaktere so wirken, als litten sie unter Rückenmarksschwund und akuter Hirnerweichung. Schon dass die Welt da händeringend auf die mittlerweile dritte Ausgabe der gesammelten Fickgeschichten dieser höchst langweiligen Sarah wartet, stellt der Menschheit kein gutes Zeugnis aus, doch dass alles noch sehr viel schlimmer ist, beweist der desolate Zustand der Durrington-Sippe. Der Höhepunkt der Niedertracht wird in einer Rückblende erreicht, in der der Vater die Studienfreundin seines Sohnes betäubt und vergewaltigt, um den Sohnemann, der gerade noch rechtzeitig eintrifft, um seinen Papa balls deep in action vorzufinden, in die bis in die Gegenwart des Filmes vorhaltende Impotenz zu stürzen. (Ihr dürft raten, wer den armen Tropf wieder auf Vordermann bringt.) Die immer besoffene Mama, bei der man den ganzen Film über vergeblich darauf wartet, dass ihr ein Sabberfaden aus dem stets geöffneten Mund tropft, fällt da kaum noch ins Gewicht.

Die Atmosphäre des Films ist superseltsam, dunkel, irgendwie steif (hihi) und künstlich, und einige rätselhafte Regieeinfälle und Dialogzeilen verstärken diesen Effekt noch. Zu Beginn sieht man Sarah und Jackie zusammen joggen und als sie eine Pause machen, schaut Jackie auf die Uhr und bemerkt freudig, dass sie heute „10 Minuten“ schneller gewesen seien als sonst. Das nennt man wohl Trainingsfortschritt. Toll ist auch ein anscheinend defekter Fernseher, der in einem der Zimmer des ausladenden Hauses der Durringtons herumsteht: Er dient als Ständer für einen anderen, kleineren Fernseher und auf seiner Mattscheibe klebt ein Sticker mit der Aufschrift „Drink Responsely“, was gut gemeint, aber nicht wirklich übersetzbar ist. D’Amatos Talent, vielsagende Pullover für seine Figuren auszuwählen, das man schon in BLUE ANGEL CAFE bewundern konnte, wird hier mit gleich zwei beeindruckend schlimmen Strickpullis in einer Szene auf die nächste Stufe katapultiert. Und dann ist da natürlich der absolut denkwürdige Schlusstwist, der allein das Ansehen von 11 DAYS, 11 NIGHTS 2 lohnt und Hollywood vormacht wie das funktioniert mit den ordentlich reinknallenden Überraschungen in letzter Sekunde. Sehr schön finde ich ja auch, dass die Drehbuchautorin Rossella Drudi – die auch in zahlreichen Filmen u. a. von Claudio Fragasso, Bruno Mattei und D’Amato mitwirkte – unter dem Pseudonym „Sarah Asproon“ arbeitete: Das wirft vielfältige Deutungsmöglichkeiten und Fragen (u. a. über ihren Lebenswandel) auf, unterstreicht aber vor allem den pseudoaufklärerischen, in Wahrheit aber nur sensationalistischen Charakter der Filme, mit dem sie etwas an die Reihe der „Reports“ und Mondofilme von einst erinnern. Nur bei D’Amato kann eine von Bett zu Bett hüpfende Nymphomanin als große Gesellschaftskritikerin, Vorzeigefeministin und intellektuelle Vordenkerin firmieren. Ich bin gespannt, welche Wahrheiten sie als nächstes unter der Bettdecke hervorzerrt.

topmodelDer Titel TOP MODEL ist gleich in zweierlei Hinsicht irreführend: Zum einen handelt es sich bei diesem Film des fleißigen Joe D’Amato um ein Sequel zu dessen 9 1/2 WEEKS-Rip-off 11 DAYS, 11 NIGHTS aus dem Jahr zuvor, das damals sogar einen deutschen Kinostart bekam. (Der Alternativtitel von TOP MODEL lautet dann auch wesentlich weniger geheimniskrämerisch 11 DAYS, 11 NIGHTS PART 2: THE SEQUEL.) Zum zweiten gibt es im ganzen Film kein einziges Top-Model zu bewundern, vielmehr müsste man die Protagonistin richtigerweise als „Upper Middle Class Prostitute“ bezeichnen, was zugegebenermaßen nicht ganz so glamourös und griffig klingt und auch schlechter auf ein Videokassetten-Cover passt.

Wie zuvor geht es um die gar nicht prüde Sarah Asproon (Jessica Moore): Sie arbeitet im vornehmen Callgirl-Betrieb von Dorothy (Laura Gemser), die – wenn ich das richtig verstanden habe – auch als ihre Verlegerin fungiert. Sarah ist nämlich eine Art Kreuzung aus Günther Wallraff und Erika Berger, und nachdem sie zuvor einen Bestseller über ihre Sexerlebnisse als clevere Aufreißerin geschrieben hatte, soll sich in ihrem neuen Buch nun alles um die verschiedenen Freier drehen, die sie bedienen muss. Da ist zum Beispiel der schwitzige Brillenfettsack, der sie in einem mit nackten Schaufensterpuppen ausgestatteten, sonst völlig leeren Loft empfängt und sie dann dabei fotografiert, wie sie Sex mit diesen simuliert. Oder ein fieser Geschäftsmann, der sie in einer Lagerhalle für Mardi-Gras-Umzugswagen vögelt und das Spektakel per Kamera in ein kleines Büro überträgt, wo seine Kumpels anerkennend mit der Zunge schnalzen. Dann gibt es da noch einen großen, sehnigen Schwarzen mit einem riesigen, extraordinär frisierten Schnauzbart, der wahre Sturzbäche der Lust schwitzt, während Sarah ihm … ja was denn eigentlich? Der Kameraperspektive und ihren Bewegungen zufolge vermute ich, dass sie ihm lustvoll die Kniescheiben massiert, aber ich kann mich natürlich irren, kenne mich schließlich nicht aus im Business.

Naja, wie dem auch sei, jedenfalls lernt Sarah eines Tages Cliff (James Sutterfield) kennen, der in Dorothys Agentur irgendwas mit den Computern machen soll. Er verguckt sich in die stets provokative Sarah, die von seiner Mischung aus jungenhafter Schüchternheit und durchtrainiertem Hardbody sogleich auf Betriebstemperatur gebracht wird. Nun kommt das eine Problem ins Spiel, das sich der Film gönnt – als „Konflikt“ kann man es kaum bezeichnen: Cliff ist während seines Aufenthalts in N’Awlins, wo der Film wie fast alles, was D’Amato in dieser Zeit gedreht hat, spielt, bei seinem Freund untergekommen, der seinerseits auf Geschäftsreise ist und gern eine Beziehung mit Cliff führen würde. Cliff ist sich nämlich über seine Sexualität nicht so recht im Klaren, zumindest sollen das seine hadernde Blicke und eine Szene, in der er ein Foto seines Freundes anhimmelt, suggerieren. Aber mit seiner inneren Zerrissenheit ist es dann doch nicht so schlimm, denn er nutzt jede sich bietende Gelegenheit, sich mit Sarah zu treffen und sich von ihr in die weite Welt der heterosexuellen Liebe einführen zu lassen. Diese Sarah ist wirklich bemerkenswert: Wo andere Prostituierte zwischen zwei Freiern froh wären, sich vom Job erholen zu können oder mal was ganz anderes zu machen, zum Beispiel neues Laminat verlegen oder die Fugen im Bad nachziehen, da trifft sie sich noch zum privaten Ficken. Da hat jemand wahrlich sein Hobby zum Beruf gemacht! Was in den seligen Eighties alles möglich war! Natürlich darf nach 9 1/2 WEEKS auch eine Szene nicht fehlen, in der Nahrungsmittel lüstern zweckentfremdet werden, in diesem Fall eine ganze Box mit Garnelen, die Cliff seiner Geliebten über den nackten Körper zieht (also die Gernelen, nicht die Box). Findet das wirklich irgendjemand geil auf diesem Planeten? Wenn ja, more power to them, aber zum Angucken ist das wirklich nix.

Ganz, ganz zum Schluss, man fragt sich schon, wo diese träge Aneinanderreihung von supersoft gefilmten Sexszenen eigentlich hinführen soll, kommt dann der Moment der Eskalation, auf den in RomComs so verlässlich wie das Amen in der Kirche eine Montagesequenz folgt, die die beiden eigentlich füreinander Bestimmten, nun aber durch ein dummes Missverständnis Getrennten dabei zeigt, wie sie traurig die Orte des verflossenen gemeinsamen Glücks aufsuchen, bedröppelt bei ihren ausgelassen lachenden Freunden sitzen oder sich in Jogginghose und Unterhemd zwischen aufgerissenen Chipstüten und Kleenexpackungen gehen lassen: Sarah sieht Cliff, wie er auf dem Flughafen seinen zurückkehrenden Freund abholt und dieser ihm vertraulich die Hand auf den Arm legt. Ich wusste ja, dass Amerikaner als keusch gelten, aber ob diese kleine Freundschaftsbekundung wirklich jenes Entgleisen der Gesichtszüge rechtfertigt, das Sarah danach befällt? Aus der oben skizzierten Trauer und der folgenden tränenreichen Versöhnung wird leider nichts, denn kaum hat Sarah sich umgedreht, um in eine Zukunft ohne Cliff zu schreiten, kommt der auch schon hinter ihr hergerannt und es gibt eine Umarmung, die sagt: „Lass uns heiraten! Ach nee, lass uns erst einmal irgendwas Geiles mit unseren Geschlechtsteilen machen.“ Wer will es Cliff verdenken? Wer sich einmal von Sarah die Kniescheiben hat massieren lassen, ist für homosexuelle Popoliebe für immer verloren.