Mit ‘Johannes Heesters’ getaggte Beiträge

11Episode 11: Die Schrecklichen (Zbynek Brynych, Deutschland 1969)

Es verwundert nicht, dass es Brynych brauchte, um die erste wirklich komplett freidrehende Episode der Krimiserie zu inszenieren. In DIE SCHRECKLICHEN wird die ausgeraubte Leiche eines Mannes aus der Isar gezogen – bereits der dritte Fall in wenigen Wochen. Die aggressiven und unfreundlichen Senioren, die immer am Flussufer entlangschlendern, einen kleinen Jungen im Schlepptau, können keine brauchbare Auskunft über den Tathergang geben. Die Spur führt zu einer Kneipe, in der das Opfer sich einen angesoffen hatte, bevor er das Zeitliche segnete. Offensichtlich hatte man ihn dort ausgeraubt und dann im Fluss entsorgt. Verdächtig sind der Wirt Panse (Dirk Dautzenberg) und dessen Freundin Hilde (AnitaHöfer), die ersterer benutzt, um Männern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Im Dunstkreis der Kneipe streunert auch der bedauernswerte Wegsteiner (Karl Walter Diess) herum, der von Hilde (Anita Höfer) verstoßene Vater des kleinen Jungen. Ebenfalls zum Inventar der Pinte gehört die junge Herta (Helga Anders), Panses Tochter, die es in der dumpfen Atmosphäre der Bierschwemme nicht mehr aushält.

Nicht nur, dass die Episode angereichert ist mit surrealen Elementen, Brynych unterstreicht diese auch inszenatorisch mit weiter verfremdenden Stilmitteln. „Die Schrecklichen“ beginnt mit einem an die zur gleichen Zeit reüssierenden Report-Filme erinnernden Voice-over Kommentar, dann sprechen da Charaktere direkt in die Kamera, der Score vereint volkstümliche Musik mit dissonant klingenden Stücken, es gibt kurze, nur mit Musik unterlegte Montagesequenzen sowie eine spontane Tanzeinlage von Helga Anders und der Song, zu dem Brynych immer wieder zurückkehr ist Gil Francropolus‘ „Corinna“. Hervorstechendstes Merkmal sind aber die Titelhelden, die Bande der Senioren, übellaunige Anarchisten, deren kurze Dialoge auch aus der Feder Becketts stammen könnten und fast an absurde Poesie heranreichen. „Die Schrecklichen“ wirkt gleichermaßen weniger tagesaktuell und konkret, wie sie in ihrem teuflischen Humor zur gleichen Zeit ein ziemlich düsteres Bild der deutschen Gesellschaft zeichnet. Höhepunkt ist sicher Hildes Geständnis, ihr Sohn sei ihr egal. „Wenigstens sind Sie ehrlich“, kann der Kommissar da nur noch sagen, den längst nichts mehr wundert. Die Schrecklichen sind jeder Menschlichkeit beraubt, eine fast schon dämonisch zu nennende Bande asozialer Geschöpfe, die erkannt haben, dass Menschlichkeit nichts bringt und deshalb nach Gesetzen leben, die ihnen die Laune diktiert. Sie sind nicht so sehr gewöhnliche Schurken als vielmehr ein Zeichen des drohenden Niedergangs. Den können Keller und seine Leute bestenfalls bremsen, aber gewiss nicht aufhalten. Es müsste ein großer Regen kommen und den ganzen Dreck wegspülen …

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waggonEpisode 12: Die Waggonspringer (Theodor Grädler, Deutschland 1969)

Bei einem ihrer Überfälle verliert ein Mitglied der „Waggonspringer“ durch einen Unfall sein Leben. Kurz nachdem die Leiche am nächsten Morgen entdeckt wird, ist sich auch schon wieder verschwunden. Die Täter müssen ganz in der Nähe sein, können aber entkommen. Sie handeln im Auftrag von Graffe (Erik Schumann), der nach dem Unglücksfall Schwierigkeiten hat, die Bande beisammenzuhalten und ihr Schweigen zu sichern. Kommissar Keller und seine Assistenten sind ihm schon auf den Fersen.

Nach „Die Schrecklichen“ ein erwartbarer Rückschritt, dafür aber eine sehr actionlastige und bissige Episode. Schumann ist als Halunke deutlich besser als als Held, zu den Waggonspringern gehören gern gesehene Gesichter wie Ulli Kinalzik und Ralf Schermuly. Und es gibt eine schöne Szene auf einer Müllkippe.

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stundenbplanEpisode 13: Auf dem Stundenplan: Mord (Theodor Grädler, Deutschland 1969)

Im Zimmer des weithin unbeliebten Lehrers Dommel (Thomas Holtzmann) wird eine tote Schülerin aufgefunden. Seine Klasse wendet sich – angeführt vom Schüler Palacha (Vadim Glowna) – einträchtig gegen den Pauker, scheint ihn als Täter überführen zu wollen. Dass Dommel seiner Schülerin sehr zugetan war, entlastet ihn eher nicht, aber auch Palacha hatte ein Motiv für die Tat: Er war mit der Toten zusammen, bevor sie ihm für den Lehrer den Laufpass gab …

Eine dieser trickreich strukturierten Episoden, in denen der Verdacht mehrfach von einem Charakter zum anderen springt. Damit die Idee eines Komplottes gegen den Lehrer so richtig wirksam wird, werden die Regeln der Ermittlungsarbeit etwas gebeugt: Dass der Mordverdächtige vor der versammelten Schülerschar verhört wird, die ihn mit seinen Aussagen immer weiter in die Enge treibt, ist ein effektiver dramaturgischer Kniff, der der Realitätsprüfung eher nicht standhält. Holtzmann – der in der DERRICK-Folge „Steins Tochter“ ebenfalls einen Lehrer spielt – ist wie gemacht für diese unsicheren, hypernervösen Verlierertypen (natürlich wohnt er mit seiner mütterlich besorgten Schwester zusammen) und tut einem ganz unabhängig vom Ausgang der Folge einfach nur Leid. Glowna hingegen schäumt über vor Wut, Verzweiflung und Hilflosigkeit und bietet einen guten Widerpart. Als Spießer, der nur auf die Wahrung des schönen Scheins bedacht ist, tritt Hans Quest auf: Er lässt seinen Lehrer fallen wie eine heiße Kartoffel, damit der Schulbetrieb ordentlich weiterlaufen kann. Dass da ein junges Mädchen ums Leben kam, interessiert ihn eigentlich nicht weiter. „Auf dem Stundenplan: Mord“ ist gut gemachte Krimiunterhaltung, die mit einem bitteren Ende aufwartet, aber nicht an die noch bevorstehenden Meisterleistungen der Serie heranreicht.

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ungeheuerEpisode 14: Das Ungeheuer (Dietrich Haugk, Deutschland 1969)

Rückblickend ist es, ohne geeignete Belege immer schwierig, sich zu Wirkung und Rezeption zu äußern, aber es würde mich schon sehr wundern, wenn „Das Ungeheuer“ die bundesdeutschen Fernsehzuschauer nicht an ihre Ohrensessel und Lehnstühle gefesselt hätte. So manchem dürfte die gesellschaftskritische Dimension von Dietrich Haugks meisterhaft inszenierter Episode nicht entgangen sein, musste er doch erkennen, dass er mit seiner feinen Nachbarschaft höchstselbst aufs Korn genommen wurde. Innerhalb der Serie markiert die Folge zudem einen weiteren Schritt weg von der noch in den ersten zehn Episoden etablierten, streng eingehaltenen Formel, hin zur Experimentierfreude und narrativen Freiheit, die später immer wieder für Überraschungen sorgen sollte und DER KOMMISSAR wie auch DERRICK heute noch einen Platz in den Herzen der Freunde des deutschen Films sichert.

Ein Liebespärchen (Volker Lechtenbrink & Claudia Golling)  stolpern bei einem Rendezvous im Wald über die Leiche eines Mädchens. Der Mörder kann ihnen gerade noch entwischen, doch das Paar verfolgt ihn und setzt ihn in einer nicht weit entfernt gelegenen Siedlung fest. Kommissar Keller reist mit seinen Assistenten an, um die Anwohner der Reihe nach zu verhören, denn jeder von ihnen kann der Mörder sein – oder zumindest wissen, wer er ist. Den Kriminalbeamten bietet sich ein Panoptikum des deutschen Spießertums: Da ist Frau Hausmann (Camille Spira), die ihren beiden zerstrittenen Söhnen (Rainer Basedow & Manfred Spies) ohne zu zögern ein Alibi gibt, der Lehrer Vollmer (Paul Edwin Roth), der sein Frau (Signe Seidel) verprügelt, Hilde Lambert (Inge Seidel), die ihren behinderten Sohn (Manfred Seipold) versteckt, der alleinstehende Lektor Heirich (Jochen Blume), dem Weibergeschichten nachgesagt werden, der geistig behinderte Ernie (Heiner Zogg), der sofort das Misstrauen der Nachbarn auf sich zieht, auch wenn seine Schwester Irene (Hannelore Elsner) noch so sehr seine Unschuld beteuert, und natürlich das Ehepaar Kaduhn (Klaus Höhne & Erne Seder), die sich förmlich dabei überschlagen, ihre Nachbarn zu beschuldigen. Die Episode spielt annähernd in Echtzeit und bewegt sich atemlos zwischen der Straße, auf der der Mörder verschwand, und den Häusern der Anwohner, die sich mittlerweile alle neugierig versammelt haben und als Schaulustige die Arbeit des Kommissars verfolgen, ihm immer wieder „schlaue“ Ratschläge geben oder sich das Maul über die anderen zerreißen.

Das ist nicht nur sehr spannend (auch wenn ich schon früh ahnte, wer der Mörder ist), sondern auch ungemein actionreich inszeniert. Man spürt die sich minütlich weiter aufheizende Stimmung, den unter der Oberfläch brodelnden Hass, das Misstrauen, mit dem jeder jedem begegnet und diese unheilvolle Bereitschaft, den nächsten bedingungslos ans Messer zu liefern, wenn es auch nur der eigenen Sicherheit hilft. Die verschlafene Stimmung, die in der Straße zu Anfang noch herrscht, simmert langsam dem Siedepunkt entgegen und erreicht den Schmelzpunkt schließlich am Ende in einer Eckkneipe, in die sich Keller und seine Männer zur Beratung zurückziehen. Man schrammt nur haarscharf an der Lynchjustiz vorbei, doch dann, wenn der Mörder gefasst ist, wird alles vergessen und man lässt sich gemeinsam am Tisch nieder, um bei Bier und Schnaps über diesen verrückten Tag zu schwadronieren und wahrscheinlich darüber, dass man es ja immer gewusst hat.

Das ist alles so unfassbar gut geschrieben, inszeniert und gespielt, man wünschte sich, dass man sowas auch heute noch regelmäßig zwischen 20:15 und 21:45 Uhr zu sehen bekäme.

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papier18Episode 15: Der Papierblumenmörder (Zbynek Brynych, Deutschland 1969)

Auf einem Schrottplatz wird Billie (Eva Mattes) erschossen, ein Mädchen aus einem Erziehungsheim, der Mörder kann entkommen. Als Hinweis auf ihn findet man lediglich eine Papierblume. Bonny (Christiane Schröder), Billies beste Freundin im Heim, scheint mehr zu wissen. Sie bezichtigt den wohlhabenden Dr. Winkelmann (Herbert Tiede) des Mordes: Der Mann hatte ein Verhältnis mit Billie …

„Der Papierblumenmörder“ könnte man als Brynychs Vorarbeit für seinen ein Jahr später entstandenen Spielfilm OH HAPPY DAY bezeichnen: Hier wie dort widmet sich der Regisseur einer Heranwachsenden und ihren Konflikten mit den Erwachsenen, wobei er eine lineare Erzählung fast vollkommen aufgibt, seine Geschichte eher als Collage von Szenen und Momenten strukturiert, die nur bedingt auf ein Ziel zulaufen. So ergibt sich ein facettenreiches Stimmungsbild vom Generationenkonflikt in Deutschland an der Schwelle der Siebzigerjahre, das formal an vergleichbare Strategien aus Musik, Literatur und bildender Kunst zu jener Zeit erinnert. Das Banale und das Bedeutsame stehen gleichwertig und untrennbar nebeneinander, was klar scheint, wird undurchsichtig, das vermeintlich Wahre entpuppt sich bei genauerem Hinsehen bloß als seine Reflektion. Hippies sind allgegenwärtig, in einer Diskothek hängen Poster von Che Guevara, Fidel Castro und Ho Chi Minh, um der kaputten Welt zu entfliehen wird der Freitod als romantische Alternative erwogen, Thomas Fritsch spielt ein traurig dreinblickendes Blumenkind namens „Teekanne“, Harry Klein steht als Bindeglied zwischen den Konfliktparteien zwischen den Fronten und wird am Schluss von seinen Kollegen daran erinnert, wo er hingehört. Es ist schwierig, mit dem Abstand von einem Tag und nach nur einer Sichtung etwas wirklich Gehaltvolles oder gar Abschließendes über die Episode zu sagen, weil sie nicht so sehr zur Analyse einlädt, sondern einen eher überrumpelt, eine unmittelbare und emotionale Wirkung anstrebt. Es bleiben eher Bilder hängen als irgendwelche Konzepte oder „Aussagen“ und Brynych entwickelt einen unverkennbar musikalischen Rhythmus, der gleichermaßen mitreißend ist, aber eben auch die Tendenz hat, den einzelnen Ton im Rausch untergehen zu lassen. Wenn ich sagte, dass „Die Schrecklichen“, Brynychs erste KOMMISSAR-Episode, „komplett freidrehend“ sei, so lässt sich das nach „Der Papierblumenmörder“ nicht mehr aufrecht erhalten. Gegen das experimentelle Feuerwerk, das der Tscheche hier abbrennt, ist „Die Schrecklichen“ geradezu traditionell.

Ich frage mich, wie das damals aufgenommen worden ist, kann mir kaum vorstellen, dass der „normale“ Fernsehzuschauer hier noch mitgehen wollte und konnte. Wenn man bedenkt, was heute, in unserer vermeintlich so fortschrittlichen Zeit schon los ist, wenn Dominik Graf sich beim TATORT erlaubt, einmal die Regeln zu beugen. Kommentare auf einschlägigen Fanseiten sprechen eine deutliche Sprache und legen nahe, dass man Brynychs Episode entweder liebt oder ihr verständnislos gegenübersteht. Schön, dass man sich damals den Luxus solcher Freidenkerei erlaubte.

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15740895_1475856999106264_5893617189780365122_nEpisode 16: Tod einer Zeugin (Zbynek Brynych, Deutschland 1969)

Brynych macht mit „Tod einer Zeugin“ konsequent da weiter, wo er mit „Der Papierblumenmörder“ aufgehört hatte. Einziger Unterschied ist, dass es hier um einen vergleichsweise konventionellen Kriminalfall geht: Eine Prostituierte wird in ihrer Wohnung erschossen, während der Berufsverbrecher Karras (Götz George), ihr Exfreund, vor ihrer Tür steht. Keller und Co. nehmen sich Karras trotz dieses vermeintlich sicheren Alibis vor, denn er war in die Erpressung eines der Freier der Toten involviert, ein Fall, der damals nicht gelöst werden konnte.

Was unter der Regie eines anderen wahrscheinlich eine unspektakuläre Durchschnittsfolge geworden wäre, nutzt Brynych zu einer Übung in totalem Wahnsinn. Es vergeht kaum eine Minute, in der er nicht irgendeine verrückte Idee unterbringt, sei es nur eine ungewöhnliche Bildkomposition, eine bizarre Schnittfolge, das Durchbrechen der vierten Wand oder aber eine witzige Szenenimprovisation. Man weiß als Zuschauer nie, was einen als nächstes erwartet und da Brynych das Kunststück gelingt, diese Strategie auf Episodenlänge zu dehnen, entsteht der Eindruck einer halsbrecherischen Talfahrt mit kaputten Bremsen: Das eingeschlagene Tempo raubt einem beinahe den Atem, der gut gelaunte Beat von France Galls „Zwei Apfelsinen im Haar“ fungiert als gnadenloser Taktgeber. Kritiker bemängelten damals, dass „Tod einer Zeugin“ zu albern sei: Tatsächlich hat die Folge mit den gesellschaftskritischen Elementen vorangegangener Episoden nur wenig zu tun, spielt in einer ganz eigenen Welt, in der der Kommissar und seine Assistenten verzweifelt darum bemührt sind, die Ordnung wenigstens einigermaßen zu wahren, bevor alles in Scherben geht. Brynych zeigt, was im Rahmen einer solchen Serie möglich ist, denn auch wenn Gegner der Meinung sind, er habe sich hier zu weit von der Essenz entfernt, so bleiben die Figuren doch intakt. Und er bietet dem dieses Jahr verstorbenen Götz George – damals gerade 30 Jahre alt – eine große Bühne, auf der seine beträchtlichen Talente zur Schau stellen kann. Sein Karras – mal fröhlicher Hallodri, dann wieder eiskalter Halunke, im nächsten Moment schon amoklaufender Wutbolzen – ist eine echte Schau und ein wunderbares Gegenüber für Ode, Schramm, Glemnitz und Wepper, die ihm weder schauspielerisch noch charismatisch das Wasser reichen können, aber ihm dafür eine spiegelglatte Oberfläche bieten, an denen er seine Bälle abprallen lassen kann.

Resümierend gilt hier aber das Gleiche wie für „Der Papierblumenmörder“: Man sollte „Tod einer Zeugin“ vor allem gucken, anstatt darüber zu lesen oder zu schreiben.

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hyaenenEpisode 17: Parkplatz-Hyänen (Zbynek Brynych, Deutschland 1979)

Weiter im Takt, denkt der Zuschauer, der sich ob der beiden vorangegangenen Brynych-Folgen bereits auf inszenatorischen Wahnwitz eingestellt hat. Doch Brynych schlägt für „Die Parkplatz-Hyänen“ ein moderateres Tempo an – ohne dabei jedoch ganz auf seine Trademarks zu verzichten. Auf einem Parkplatz überfallen zwei Gauner einen Mann. Als der den Wagen der beiden erkennt, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als ihn umzubringen. Kommissar Keller und sein Team schlagen bei der Familie Boszilke auf, deren beiden Söhne Jürgen (Werner Pochath) und Karl (Fred Haltiner) dringend tatverdächtig sind, aber ein Alibi von der protektiven Mutter Lotte (Marianne Hoppe) erhalten. Keller ist wenig beeindruckt und locht die beiden Brüder dennoch ein. Als in der kommenden Nacht ein weiterer Überfall nach demselben Muster am selben Ort verübt wird, triumphiert die aggressive Mutter: Ihre Brut kann es nicht gewesen sein. Keller weiß aber, wo er zu suchen hat: Bei Gierke (Günther Neutze), einem Kneipenwirt und Freund der Boszilkes …

Kreisen Reineckers Drehbücher sonst so oft um tyrannischer Vaterfiguren, zeichnet er hier ein schauriges Matriarchat, das mich ein bisschen an Tobe Hoopers THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE erinnert hat. Das Treiben im Haus der Boszilkes ist kaum weniger bizarr, mit dem behinderten Vater (Johannes Heesters), einem ständig südamerikanische Volkslieder spielenden Immigranten und diversen anderen die ausladenden Räumlichkeiten bevölkernden Figuren. Die Familienverhältnisse werden in einer langen Sequenz zu Beginn erkundet, die „Die Parkplatz-Hyänen“ eine kammerspielartige Anmutung verleihen, die zwar im weiteren Verlauf aufgebrochen wird, aber dennoch prägend für die beengende Stimmung der Episode ist. Marianne Hoppe ist grandios als rasende Mutterfigur, die vor Hass auf die Staatsmacht beinahe zu schäumen beginnt und nicht nur die arme Frau Rehbein (Helma Seitz) schier in den Wahnsinn treibt. Ihre Liebe ist förmlich erdrückend, für ihre eigene Brut, aber auch für alle, die dieser zu nahe kommen. Mutterliebe schlägt da in furchteinflößenden Fanatismus um, dem die Hoppe mit fiebrig glänzenden Augen und sich überschlagender Stimme einen fratzenhaft verzerrtes Gesicht gibt. In einer großen Szene belauern Keller und Kollegen den nichts ahnenden Gierke, der hinter seinem Tresen das berühmt-berüchtigte Neutze-Gesicht macht – und, wenn mich nicht alles täuscht, in der ganzen Folge kein einziges Wort sagt. Dabei lauschen sie immer und immer wieder dem Tom-Jones-Hit „Ghost Riders in the Sky“, dessen Western-Anleihen einen schönen Kontrast zu bundesdeutschen Dumpfheit darstellen. Humor gibt es auch, sogar selbstreferenziellen: Als Grabert sich für seine Ermittlungen als stotternder Handlungsreisender ausgibt, bemerkt Heines, dass er den Stotterer zuletzt „im Fall Brynych“ gespeilt hätte. Michel Jacot, der später mit LASS JUCKEN, KUMPEL zu Ruhm und Ehre gelangte, agiert unter dem Namen „Michael Jakubek“ als dritte Hyäne, aber das habe ich jetzt nicht verraten.

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