SPIDER-MAN: HOMECOMING fand ich zwar ganz nett, aber auch nicht so richtig zwingend. Letztlich krankte er für mich an einem Symptom, das schon mehrere Marvel-Filme zeigten: Mit dem fliegenden Strauchdieb Vulture (Michael Keaton) gab es einen Schurken, der nur mäßig interessant war und dem Film einen wie nachträglich aufgepfropften Konflikt bescherte, den es zwar irgendwie noch brauchte, für den im Drehbuch aber nicht mehr so richtig viel Platz übrigblieb. Ich kann mich heute, ein knappes halbes Jahr nach der Sichtung, an kaum noch etwas Konkretes erinnern. SPIDER-MAN: INTO THE SPIDER-VERSE war da schon ein ganz anderes Kaliber.
Mit SPIDER-MAN: FAR FROM HOME mache ich jetzt einen ziemlichen Sprung, denn der aktuelle Beitrag zum MCU schließt unmittelbar an AVENGERS: ENDGAME an, den ich noch nicht gesehen habe, von dem ich jetzt aber schon weiß, was darin passiert. Egal, denn seien wir mal ehrlich, wer sich die Dinger wegen er aufregenden Storylines anschaut, die man in der Regel auf einem Bierfilz unterbringt, ist ja eh mit dem Klammerbeutel gepudert. FAR FROM HOME schickt Peter Parker (Tom Holland) nun also mit seiner Schulklasse auf Europareise, während der er drei große Aufgaben zu erledigen hat: Erstens – und für ihn eigentlich am wichtigsten – will er endlich die angehimmelte MJ (Zendaya) für sich gewinnen, zweitens muss er als Spider-Man dabei helfen, die Welt vor einer tödlichen Bedrohung zu bewahren und drittens diese beiden Aufgaben unter einen Hut bringen – am besten so, dass keiner seinem Geheimnis auf die Schliche kommt. Und dann ist da ja auch noch Nick Fury (Samuel L. Jackson), der Spidey unbedingt in sein Team holen möchte, aber im Gegensatz zu dessen Förderer Tony Stark noch an der Bereitschaft des Jungspunds zweifelt. Bei der Bedrohung handelt es sich um sogenannte Elementals, Elementarmonster, die von einer parallelen Version unserer Erde stammen. Das zumindest behauptet Quentin Beck aka Mysterio (Jake Gyllenhaal), ein Bewohner eben jener Welt, der die Elementals dort bereits besiegt hat und dies nun mithilfe Spider-Mans ein zweites Mal tun will. Wer die Comics kennt, der weiß schon, dass das alles Quatsch und Quentin Beck in Wahrheit ein raffinierter Betrüger ist, dem es um etwas ganz anderes geht.
SPIDER-MAN: FAR FROM HOME unterscheidet sich von seinem Vorgänger nicht wesentlich: Wieder verquickt er seine Superheldengeschichte mit komödiantischen Teenie- und Highschoolfilm-Elementen, die durchaus amüsant, wenn auch nicht irrsinnig originell sind. Die Anbindung an den übergeordneten Storybogen um die Avengers schafft etwas zusätzliche Dramatik und Schwere: Unter anderem geht es um das Erbe, das Tony Stark Peter Parker hinterlassen hat: eine Hightech-Brille namens Edith sowie damit verbunden die Aufgabe, die Avengers in Zukunft anzuführen. Der Clou des Filmes ist, dass das Motiv des Schurken unmittelbar mit diesem Subplot verbunden ist. Mysterio wirkt also eben nicht, wie Vulture im Vorgänger, mehr oder weniger willkürlich reingeflanscht, sondern im Gegenteil wie ein zwingend notwendiger Bestandteil der Geschichte. Und Gyllenhaal fand ich wirklich super, ganz gewiss einer der bislang stärksten Superschurken des MCU bisher. Mysterios besondere Gabe liefert wunderbaren Stoff für effektreiche Actionszenen mit Hintersinn, denn mithilfe technologischer Hilfsmittel erzeugt er gefährliche Illusionen. Auch wenn es sicher nicht zu erwarten war, dass Marvel den Meta-Aspekt dieser Idee auch nur annähernd ausreizt, holen sie doch ziemlich viel raus aus der Idee. Die wunderbar choreografierte Sequenz, in der Spidey von einer Illusion in die nächste stürzt, bis weder er noch der Zuschauer noch wissen, was echt und was Täuschung ist, ist ebenso ein Highlight wie der Finalkampf des Helden gegen eine Vielzahl der von Mysterio befehligten Drohnen auf einer Themsebrücke in London
Auch bei diesem Film würde ich zwar – wie so oft im MCU – bemängeln, dass er deutlich mehr visuelles Flair, eine Bildsprache oder überhaupt eine identifizierbare formale Gestaltung vertragen könnte, aber dieser Mangel fiel hier für mich weniger schwer ins Gewicht, weil die Geschichte endlich mal was hergibt. Das Ende bietet einen schönen Cliffhanger, der wahrscheinlich aber nicht mehr aufgelöst werden wird. Wie ja vor einigen Wochen bekannt wurde, ist der Spider-Man-Deal zwischen Disney und Sony geplatzt, sodass dies wohl vorerst der letzte Auftritt des Webslingers innerhalb des MCU gewesen sein dürfte. Nach SPIDER-MAN: FAR FROM HOME finde ich das zwar durchaus etwas schade, aber ansonsten ist natürlich jede Niederlage, die Disney einstecken muss, erst einmal begrüßenswert.