Mit ‘Karin Dor’ getaggte Beiträge

Das gab’s noch nie: Die drei Stars der Karl-May-Reihe, Pierre Brice, Lex Barker und Stewart Granger, vereint in einem einzigen Film! Und noch dazu Karin Dor, unvergesslich als Winnetous Gspusi Ribanna in WINNETOU 2. TEIL! Das war das Versprechen des Films, seine Unique Selling Proposition, um es mal in Marketingsprech zu sagen, und die Produzenten waren anscheinend so angetan von dieser Idee, dass die Notwendigkeit, eine richtige Story um diesen Besetzungscoup herum zu stricken, ihnen offensichtlich zweitrangig erschien. So ist GERN HAB ICH DIE FRAU’N GEKILLT also ein Episodenfilm geworden, in dem die drei Stars doch wieder fein säuberlich voneinander getrennt in unterschiedlichen Segmenten agieren, die in Wien (Granger), Rio (Barker) und Rom (Brice) spielen, und also doch nicht „gemeinsam“ auftreten.

Die Rahmenhandlung dreht sich um einen vermeintlichen Mädchenmörder (Peter Vogel), der sich auf der Flucht vor der Polizei im Haus von Professer Alden (Richard Münch) versteckt und von diesem im Verlauf des Abends drei Geschichten zu hören bekommt, die fuck all mit seinem Schicksal zu tun haben, aber egal. Episode eins ist die beste des Films und lässt Granger als mondäner Privatdetektiv David Porter in einer Mordsache in Wien ermitteln – natürlich zu Zithermusik. Dieser Teil des Films ist mit Leichtigkeit sauber inszeniert mit einigen schönen, stimmungsvollen Bildern des nächtlichen Wiens und gut aufgelegten Darstellern. Neben Granger, der diese versnobten Gentlemänner im Schlaf beherrscht, gefällt vor allem Walter Giller als sein freundlicher Butler. Episode zwei fällt dann schon massiv ab und schickt Pierre Brice als Geheimagent Brice (haha!) nach Rom. Worum es geht, ist zweitrangig, die ganze Geschichte wirkt wie aus unattraktiven Resten zusammenstückelt, ein bemüht lustiger Voice-over-Kommentar sowie alberne Soundeffekte versuchen zu retten, was zu retten ist. Es misslingt. Episode drei schließlich lässt den Privatdetektiv Glenn Cassidy (Lex Barker) von Los Angeles nach Rio jetten, um ein Komplott aufzudecken. Karin Dor absolviert einen sinnlosen Cameo als Rezeptionistin in einem Hotel und Klaus Kinski macht seine Aufwartung als kleiner Gauner. Natürlich dürfen Impressionen vom Karneval nicht fehlen. Am Ende erweist sich der Mädchenmörder als Kriminalist, der den eigentlichen Killer – Professor Alden – überführt.

GERN HAB ICH DIE FRAU’N GEKILLT, benannt nach dem Stück „Gern hab ich die Frau’n geküsst“ aus der Operette „Paganini“ von Franz Lehár, ist einigermaßen kurzweilig – wie könnte es bei einem Episodenfilm auch anders sein -, aber so willkürlich und sinnfrei, dass es kracht. Weder passen die drei Geschichten zusammen – von der oben erwähnten Gemeinsamkeit ihrer Hauptdarsteller mal abgesehen – noch werden sie durch die ebenfalls bescheuerte Rahmenhandlung in irgendeiner sinnstiftenden Form zusammengeführt. Man kann hier wirklich nur mutmaßen, was wirklich für eine Idee hinter dem Film steckte bzw. warum es nicht gelang, einen die drei Episoden überspannenden Bogen zu finden. Als Drehbuchautor fungierte übrigens Rolf Olsen, neben etlichen anderen, z. B. Ernesto Gastaldi, und ich vermute, dass wir ihm die „witzigen“ Sprüche aus Episode zwei zu verdanken haben. Ein Mysterium, dieser Film, aber keins der guten Art.

antwort_kennt_nur_der_windSimmels gleichnamiger Bestseller von 1973 war noch lauwarm, da entsprach Produzent Luggi Waldleitner dem Publikumsbedürfnis bereits mit seinem sechsten Simmel-Film (Texte zu den vorangegangenen ALLE MENSCHEN WERDEN BRÜDER, GOTT SCHÜTZT DIE LIEBENDEN und hoffentlich auch LIEBE IST NUR EIN WORT werden alsbald nachgereicht). Das „Lexikon des internationalen Films“ bescheinigt „Publikumswirksamkeit“ und will in dem gewohnt melodramatisch-sedierten Private-Eye-Film sogar einen Vertreter des Actionkinos sehen. Na gut, für die wieder einmal wie Absinth-berauschte Schaufensterpuppen durchs mondäne Cannes schwebenden Figuren mag schon der kurze Dauerlauf als „Action“ durchgehen, ansonsten muss man sich über das Erregungspotenzial der Herren Filmenzyklopädisten schon etwas wundern.

Für mich spiegelt nichts so sehr das enervierende, stets am Rande des kreischenden Exitus befindliche Herzflattern dieses Filmes wider wie der Score von Erich Ferstl. Eine schwitzig-schwüle Saxophonmelodie, die man sich perfekt zur Begleitung einer geleckten Achtzigerjahre-Sexszene oder eines nächtlichen Neon-Straßenpanoramas vorstellen kann, wird von einem dahinter zum Crescendo schwellenden Orchester-Gewimmel untermalt. Die Musik ist toll, kündigt in jeder Szene schicksalhafte Ereignisse, tragische Wendungen, großes Drama, unstillbare Sehnsucht, unsterbliche Liebe und den unerwarteten Einbruch des Unfassbaren an, schaukelt sich – mutmaßlich wie der Film – zu einem alles in den Schatten stellenden Höhepunkt entgegen … der dann leider nie kommt. Immer wieder bricht die Musik ab, nur um später in derselben Intensität wiederaufgenommen zu werden. Die verwendete Musikschleife dauert wahrscheinlich keine zwei Minuten, in der sie immer ganz kurz unterhalb des obersten Anschlags vor sich hin taumelt, ihn aber nie erreicht. In Verbindung mit der selbstbewussten Schlaftrunkenheit der Handlung und dem leeren Professionalismus, mit dem das alles dargeboten wird, stellt sich ein seltsamer Effekt ein: Man erlebt den Film wie einen Wachtraum, aus den hellsichtigen Augen des kurz vor dem Einschlafen Stehenden betrachtet, dem es nicht gelingt, diesen Schlaf gänzlich abzuschütteln und sich ins Wachsein zurückzukämpfen. Als liefe man unter Wasser. Oder durch farblos-milchigen Wackelpudding.

Die Geschichte ist eigentlich banal: Der Versicherungsagent Robert Lucas (Maurice Ronet) wird von seinem Freund und Vorgesetzten Gustav Brandenburg (Herbert Fleischmann) nach Cannes geschickt, um dort herauszufinden, ob es sich bei dem Tod des wohlhabenden Bänkers Hellmann, der mitsamt seiner Yacht und zugehöriger Besatzung in die Luft geflogen ist, um Selbstmord handelte. Mehr noch, ihm wird unmissverständlich klargemacht, dass er gefälligst einen Selbstmord festzustellen habe, weil die Versicherung in diesem Fall die Auszahlung einer Prämie von 15 Millionen spart. Vor Ort verliebt sich Lucas in die Malerin Angela Delpierre (Marthe Keller) und macht gemeinsame Sache mit Nicole Monnier (Karin Dor), der Krankenpflegerin von Hellmanns Gattin (Charlotte Kerr). Nicole behauptet zu wissen, wer der Mörder Hellmanns war und plant mit Lucas einen Coup, die Versicherungssumme selbst einzustreichen. Es gibt diverse Tote und am Ende hat Lucas nicht nur das Geld, sondern auch die große Liebe und vielleicht sogar sein Leben verloren: Ein schwerer Herzfehler macht eine Notoperation mit ungewissem Ausgang unmöglich. Nur das Glückseselchen, das Angela ihm bei einem Straßenhändler-Buben gekauft hatte, baumelt aufgeregt wartend an der OP-Tür.

Was an den Simmel-Geschichten mit den Vorurteilen gegen ihn im Hinterkopf – Fließband- und Trivialschreiber – so interessant ist (zumindest soweit ich sie anhand der Filme beurteilen kann), ist dass sie auf den ersten Blick durchaus  ambitioniert sind: Es handelt sich nicht um die affirmativen Liebesschmonzetten, die die blumigen Titel suggerieren, oder besser gesagt: nicht nur. Simmel spannt einen großen Bogen, es ist unverkennbar, dass er einen Hang zum Epischen hat, und er reichert seine Geschichten mit zahlreichen Hinweisen auf die damalige Welt- und Wirtschaftspolitik an. DIE ANTWORT KENNT NUR DER WIND beschäftigt sich mit der Welt der Hochfinanz, der Weltwirtschaftskrise und der zerstörerischen Kraft des Kapitalismus, bemüht dabei durchaus um einen kritischen Tenor und setzt zu Beginn sogar den damaligen Fernsehjournalisten Friedrich Nowotny ein, um dem Zuschauer eine kurze (und überaus hölzerne) Einführung in das Thema „Devisenhandel“ zu geben. Man merkt Simmels Geschichten an, dass er über einen journalistischen Background verfügt (er schrieb mehrere Jahre für das Magazin „Quick“). Aber so ambitioniert sie in ihrem Entwurf auch sein mögen, sie kommen über den Anspruch, das Publikum mit einer markigen Prämisse zu ködern und bei der Stange zu halten, dann doch nicht hinaus. Da steckt so etwas Protziges, Unehrliches, unangenehm Manipulatives in ihnen. Wenn man Simmel mit Samuel Fuller vergleicht, ebenfalls ein Journalist, der zum Schriftsteller (und zum Filmemacher) wurde, merkt man, was bei Simmel fehlt: das Herzblut, die Lebendigkeit, der Drive, die Haltung, das Mitgefühl. DIE ANTWORT KENNT NUR DER WIND will eine Aussage zur Entfremdung des Menschen im Kapitalismus von sich selbst machen, ist im Kern also tief humanistisch, aber es gibt keinen einzigen Menschen im ganzen Film, keinerlei Empathie, nur matt schillernde Oberflächen, verbunden mit dem Glauben, dass noch die größte Banalität von weltbewegender Bedeutungsschwere ist. Der Mensch, der an den Umständen zerbricht, interessiert nur als Opfer, als Zahl in einer Statistik, nicht als Individuum. Und letzten Endes soll man sich an all dem ausgestellten Leid, dem man ja eh nicht entfliehen kann, nur delektieren. Das ist, gerade in den Verfilmungen des lakonischen Vohrer, dessen Inszenierung man das Unverständnis für die Windungen des Drehbuchs und seiner Protagonisten deutlich anmerkt, nicht ohne seinen eigenen ungewöhnlichen Reiz, vor allem, wenn man die Simmel-Filme als Versuch begreift, wirklich großes Kino im Stile Hollywoods zu machen, und den trotz des betriebenen Aufwands metertiefen Graben zwischen beiden bemerkt. Aber DIE ANTWORT KENNT NUR DER WIND ist von den drei von mir bislang gesehenen Verfilmungen bislang die mit Abstand ödeste gewesen. Statt mit erzählerischer Eleganz, Hochspannung und Schauwerten zu verführen, wirkt er wie das von einer lustlosen-resignierten Krankenschwester verabreichte Morphium für einen Todkranken. Zum Abschied lüpft sie kurz den Rock und entblößt den knackigen Apfelpo, aber anfassen ist nicht.

1. Baronin von Auerstein (Margarete Haagen) ist untröstlich: Die Hypothek auf ihr altehrwürdiges Schloss wurde gekündigt und wenn sie nicht 500.000 Schilling bezahlt, muss es zwangsversteigert werden. Doch ihr alter Freund Kleemann (Werner Finck), der zu gern einem Adelsgeschlecht angehörte, macht ihr einen Vorschlag: Wenn der Sohn der Baronin, Franz (Joachim Fuchsberger), Kleemanns Tochter Daniela (Karin Dor) heiratet, bezahlt er ihr die Schulden und legt noch was drauf.

2. Als Daniela davon erfährt, ist sie empört. Die Drohung des Papas, sie ins Internat zu stecken, wenn sie sich verweigert, weiß sie zu kontern: Sie beschließt, sich so zu verhalten, dass Franz sie ablehnen muss. Als sie dem Auserwählten jedoch begegnet, verliebt sie sich Hals über Kopf in ihn. Franz will indessen Junggeselle bleiben, also schlägt Daniela ihm vor, den Eltern etwas vorzuspielen, um in seiner Nähe bleiben zu können. Franz willigt ein, doch anstatt sich um Daniela zzu kümmern, bereitet einen Umbau des Schlosses zum Hotel vor, der das nötige Geld einbringen soll, um die Schulden zu begleichen.

3. Inzwischen trifft Konstantin Opel (Wolfgang Gruner), ein Reporter aus Berlin, im Zillertal ein mit dem Vorhaben, eine große Reportage zu machen. Also plant er, einen Gesangswettbewerb zu organisieren. Schmauss (Hans Moser), der Wirt des Gasthofes, in dem Opel untergekommen ist, macht sich hingegen Sorgen, dass das Auerstein-Hotel ihm die Gäste wegnehmen könnte. Man schlägt ihm vor, sich an die Baronin ranzuschmeißen.

4. Christel (Isa Günther), eine alte Kindheitsfreundin von Franz, ist eifersüchtig auf Daniela. Ihre Schwester Reserl (Jutta Günther) macht Opel schöne Augen und Daniela lernt Hans (Albert Rueprecht) kennen, der bei Schmauss arbeitet, sich tatsächlich aber auf den Abschluss seines Jura-Studiums vorbereitet. Er bittet sie, Schmauss nichts davon zu erzählen.

5. Schmauss erfährt von Hans‘ Plänen, als er dessen Zimmer besucht und konfrontiert ihn damit. Hans denkt, Daniela habe ihn verraten und verlässt das Zillertal. Franz, der sich dafür entschieden hat, Christel zu heiraten, hört von deren Großvater, dass sie mit Opel zusammen sei (er hat sie aus der Ferne verwechselt). Daniela und Franz beschließen gesenkten Hauptes, einander zu heiraten.

6. Friede, Freude, Eierkuchen: Schmauss erzählt Hans, wie es wirklich war, und dass Daniela nun Franz heiraten wolle, Franz hört vom Standesbeamten, dass es Reserl ist, die Opel heiraten will. Die Trauung wird abgeblasen, Franz heiratet Christel, Daniela ihren Hans, das Reserl gibt Opel das Ja-Wort und Kleemann wird trotzdem Adliger, weil er die Baronin ehelicht. Womit auch Schmauss‘ Sorgen sich in Luft aufgelöst haben.

Die schematische Skizzierung des Plots habe ich nicht etwa aus Denkfaulheit vorgenommen. Sie soll vor allem zeigen, wie perfekt diese Kommerzfilme auch zu jener Zeit schon konstruiert waren, wie da ein Gerüst gebaut wurde, das Platz für all jene Attraktionen bot, von denen man glaubte (oder wusste), dass sie die Zuschauer ins Kino locken. Reinl drehte DIE ZWILLINGE VOM ZILLERTAL unmittelbar nach DIE PRINZESSIN VON ST. WOLFGANG (so wie er jenen unmittelbar nach DIE FISCHERIN AM BODENSEE inszeniert hatte), und gestaltete das Drehbuch zuvor nach seinen Vorstellungen um. Waren die beiden Vorgänger noch Variationen ein und derselben Geschichte, geht ZWILLINGE zwar etwas eigenere Wege, doch die Zutaten sind weitestgehend die gleichen. Es geht natürlich um die Liebe und die Hindernisse, die man auf dem Weg zur Eheschließung zu überwinden hat, und nicht nur die eigenen Gefühle, sondern vor allem die Eltern stehen immer wieder im Weg. Die Günther-Zwillinge hatten ihre Publikumstauglichkeit bereits in FISCHERIN unter Beweis gestellt, und Karin Dor, seit 1954 mit Reinl verheiratet, hatte kurz zuvor schon einmal mit dem neuen Star Joachim Fuchsberger für KLEINER MANN – GANZ GROSS vor der Kamera gestanden. Den westdeutschen Stadtmenschen, der in die ländliche Idylle kommt und dort Verwirrung stiftet, gab es bereits in der PRINZESSIN (hier wie dort ein Berliner), den Part des einheimischen „Originals“, das hier von Moser verkörpert wird, übernahm zuvor Joe Stöckel. Wie bei der FISCHERIN gibt es in der Mitte des Films ein großes Volksfest, das Anlass für den Aufmarsch von Trachtenträgern und natürlich für Musik liefert, und am Schluss lösen sich alle Konflikte in Wohlgefallen und also einer großen Hochzeit auf.

Man könnte DIE ZWILLINGE VOM ZILLERTAL aufgrund dieser Geformtheit durchaus als „zynisch“ beschreiben: Der Film funktioniert wie ein Uhrwerk, bei dem jedes Teilchen an seinem Platz ist und nichts dem Zufall überlassen wird. Aber wie dieser Film tatsächlich reibungslos „funktioniert“, bereitet eben nicht gerade wenig Spaß. Reinl ist ein Vollprofi, der nicht nur die Technik beherrscht, sondern sie auch mit Leben füllen kann, so mechanistisch der Plot auch voranschreitet. Und er weiß alle Schwächen zu kaschieren: Dass die Günther-Zwillinge weder als Schauspielerinnen noch als Identifikationsfiguren taugen, fällt nicht weiter ins Gewicht, weil sich der Film eh nie lange an einer Stelle aufhält. Und dass es streng genommen ein Konstruktionfehler ist, dass die beiden Hauptfiguren nicht zueinanderfinden, ist egal, weil der Zuschauer ansonsten die Vollbedienung in Sachen Romantik, Komik, Bildgewalt, Musik und „Action“ bekommen hat. Das Finale mit den vier Hochzeiten an einem Tag fasst den Film in seiner Bevorzugung von Quantität über Qualität recht treffend zusammen. Keine dieser Ehen scheint wirklich glaubwürdig, aber die schiere Masse gleicht dieses Defizit locker wieder aus. Auch DIE ZWILLINGE VOM ZILLERTAL war ein Kassenerfolg, doch in seinem Eklektizismus lässt er das nahende Ende des Heimatfilms alter Prägung bereits erahnen.

Als erster und – trotz wohlwollender Publikums- und Kritikerreaktionen – auch letzter Film einer nach dem bahnbrechenden Erfolg von Reinls DER SCHATZ IM SILBERSEE neben den Karl-May-Filmen von der Constantin geplanten Reihe von Western, ist DER LETZTE MOHIKANER deutlich härter und auch amerikanischer als die schwelgerischen Epen nach Vorlage des deutschen Romanciers aus Radebeul. Reinl, zu seiner Zeit ohnehin einer der wenigen deutschsprachigen Regisseure, die sich auf die Inszenierung von Action verstanden, drehte einen erstklassigen Verfolgungs- und Belagerungswestern, verlegte die Handlung des berühmten Romans von James Fenimore Cooper vom 18. ins 19. Jahrhundert, von den Waldgebieten im Osten in eine typisch felsige Wildwestkulisse. Die drei Hauptstränge der Handlung führt er mit großer Könnerschaft und stetigem Spannungsaufbau auf das explosive Finale, das sichtlich von Altmeistern wie Howard Hawks inspiriert ist. Lediglich in der Figurenzeichnung der Titelfigur, dem Indianer Unkas (Daniel Martin) und seinem treuen Freund Falkenauge (Anthony Steffen), zeigen sich deutliche Parallelen zu den Winnetou-Filmen: schon allein deshalb, weil beiden dieselben Synchronsprecher zugeteilt wurden. Aber auch sonst erinnert Unkas‘ Art, mit den Augen einen Punkt hinter dem Horizont zu fixieren und in poetischen Bildern zu sprechen an den berühmten Apachenkollegen. Es stört nicht weiter, weil „der letzte Mohikaner“ von Cooper ja schon im Titel als tiefromantische Figur angelegt worden war, als Zeichen einer untergehenden, naturverbundenen Kultur und einer gewissen wilden Unschuld, die die weißen Siedler dabei waren, endgültig zu zerstören.

Doch eigentlich bleibt diese Hauptfigur ein Nebenaspekt in einem sehr geradlinig auf den finalen Showdown zulaufenden Film, dem sehr viel mehr an der historischen Realität als an einer märchenhaften Utopie gelegen ist, wie sie die Karl-May-Filme verkörperten. Schon die unwirtliche Felsenlandschaft der andalusischen Tabernas-Wüste markiert einen gewaltigen Unterschied zu den saftig-grünen, mit leuchtend weißen Felsen gesprenkelten Wiesen Jugoslawiens, und Karin Dors Cora gibt gleich mehrfach zu verstehen, wie grausam dieses Land sei. Die Menschen sterben hier deutlich weniger glamouröse oder auch nur dramatische Tode, sie beißen eben ins Gras, und das in stattlicher Zahl, ohne dass sie noch einem Blutsbruder den letzten Gruß ins Ohr hauchen könnten, und selbst, wenn die Bösewichte am Ende besiegt oder wenigstens in die Flucht geschlagen werden, stellt sich nicht die Euphorie des Triumphes ein. DER LETZTE MOHIKANER endet mit dem sinnlosen Tod desselben, ein unmissverständliches Zeichen dafür, das jede Hoffnung auf einen Sieg der Vernunft, auf eine gleichberechtigte Koexistenz nicht nur zwischen Weißen und Indianern, sondern zwischen Menschen jeglicher Herkunft, vergebens ist. Ein starker Film, der eine wertvolle Ergänzung und einen wirkungsvollen Kontrapunkt zu den Karl-May-Filmen bildet.

 

 

you_only_live_twice_ver4_xlgVielleicht ist das nur eine subjektive Fehleinschätzung meinerseits, aber YOU ONLY LIVE TWICE scheint mir in der allgemeinen Wertschätzung ein eher vernachlässigter Bondfilm zu sein, gerade wenn man bedenkt, welche Verehrung die klassischen Connery-Bonds allgemein erfahren. Auch ich hatte ihn in erster Linie als „nett“ in Erinnerung behalten, keinesfalls als Enttäuschung, aber eben auch nicht als ausgesprochenen Höhepunkt der Reihe. Das ist er auch nicht, aber er vereint alles, was man als Bond-Sympathisant an der Reihe zu schätzen weiß, ohne dabei zum seelenlosen Best-of zu verkommen. Er gönnt sich kleine Abstecher, die ihm Identität verleihen, ohne ihn dabei allzu weit vom eigentlichen Weg wegzuführen, und wirkt nach dem protzigen, freudlosen und grimmigen THUNDERBALL wieder wie eine überschwängliche Kleine-Jungs-Fantasie, bunt, impulsiv, sprunghaft, kreativ und ungezwungen. Vielleicht hat er mir bislang von allen Bonds am besten gefallen.

Eines noch vorab, bevor ich auf Details des Films eingehe: Ich habe in den vorangegangenen vier Texten immer viel von „der Formel“ gesprochen, von typischen Elementen der Reihe, davon, wie alle Filme ab einem bestimmten Zeitpunkt quasi nach einer Blaupause gefertigt wurden. Aber selbst dieser mittlerweile fünfte Bondfilm weist immer noch einige Eigenheiten oder zumindest eine individuelle Konfiguration der infrage kommenden Elemente auf. Die Pre-Title-Sequent ist hier sehr eigen strukturiert, umfasst erst den Coup SPECTREs – die Terrororganisation entführt Raumkapseln der Russen und Amerikaner –, bevor sie dann die zu Tarnungszwecken vorgenommene Scheinexekution Bonds behandelt: Keine Kurzmission der Doppelnull wie sonst also. Bis auf den kurzen Auftakt in Hongkong spielt YOU ONLY LIVE TWICE ausschließlich in Japan, es gibt keinen Finalkampf mit dem Schurken, keinen besonders hartnäckigen Killer und auch keine Szene, in der Bond den Tod vor Augen hat. Dafür aber den absurden Schurkenplan – der Raub der Kapseln midflight in outer space durch ein „gefräßiges“ Raumschiff soll einen Krieg zwischen den USA und der UdSSR auslösen – die Femme Fatale (die deutsche Karin Dor als „Helga Brandt“), das technische Gimmick von Q – einen Mini-Helikopter –, ein Piranhabecken, den ersten Auftritt von Ernst Stavro Blofeld (Donald Pleasence) und seinen der Science Fiction entsprungenen (und von Syd Cain wunderbar realisierten) Stützpunkt im Inneren eines Vulkans. Mehr als alles andere schlägt sich die Wahl des Handlungsortes auf die Stimmung des Films nieder. Schon der wunderbare, verträumt-liebevolle Theme Song von Nancy Sinatra („You only live twice or so it seems/One life for yourself and one for your dreams/You drift through the years and life seems tame/Till one dream appears and love is its name“) hebt sich deutlich vom sonst üblicherweise angeschlagenen sirenenhaften Ton der Titellieder ab, und auch die Zartheit von Bonds Mitstreiterinnen Aki (Akiko Wakabayashi) und Kissy (Mie Hama) hinterlässt sichtliche Spuren beim Vorzeige-Chauvie Bond. Geschickt wissen die beiden Frauen die devote, servile Haltung, die asiatischen Frauen im Film klischeehafterweise oft zugedacht wird (gleich zwei oder drei Szenen widmen sich der Körperpflege der Männer durch ein mehrköpfiges Team leicht bekleideter Schönheiten), für sich zum Vorteil zu wenden und Bond insgeheim unter ihre Kontrolle zu bringen. Den Kulturschock erlebte nicht nur der Zuschauer, für den der Ausflug nach Fernost 1967 noch immens exotisch sein musste.

Kurz bevor YOU ONLY LIVE TWICE auf seinen Showdown zustrebt, erlaubt er sich einen wunderbaren Exkurs, der in der Geschichte der sehr auf absolute Unterhaltungs-Effizienz hin optimierten Reihe ein Unikat darstellt: Zu Tarnungszwecken wird Bond mithilfe von Perücke und Make-up nicht nur in einen Japaner verwandelt, sondern auch mit der Japanerin Kissy verheiratet. Plötzlich wird YOU ONLY LIVE TWICE zur Dokumentation japanischer Riten und Traditionen, wenn er sich sehr ausführlich einer Hochzeitszeremonie zuwendet. Und auch wenn das Ehepaar ab da ständig beteuert, alles sei „Just business“, so entspinnt sich hier eine sehr zarte Romanze, deren Höhepunkt das entspannte Lächeln Kissys in einem direkt auf die untergehende Sonne zusteuernden Ruderboot ist, mit dem sie Bond beschenkt. EIn Filmmoment zum Dahinschmelzen. Der Titel, der sich auf Bonds zweites Leben nach seiner inszenierten Beerdigung bezieht, nimmt mit laufender Spielzeit eine weitere Bedeutung an, eine, die eine alternative Zukunft Bonds suggeriert. In diesem Sinne ist seine Gattin Kissy eine Hitchcock’sche Wiedergängerin der umgebrachten Aki: Im ländlich-ursprünglichen Idyll des Fischerdorfs, in dem Bond zum Schluss einzieht, und wo die Zeit fast stillzustehen scheint, könnte eine neue Heimat für Bond liegen, lockt ein Leben ohne Geheimdienst, ohne tödliche Missionen, ohne SPECTRE und Blofeld und ohne immer wieder zu betrauernde tote Mitstreiter. Die Utopie manifestiert sich indes nie und es ist unklar, ob Bond sie überhaupt bemerkt, aber sie ist da, spiegelt sich im unwirklichen Glitzern des Meeres und den Lichtreflexen auf der Kamera. (Der folgende Film, ON HER MAJESTY’S SECRET SERVICE, scheint mit Bonds Ausscheiden aus dem Staatsdienst eine logische Weiterentwicklung dieser romantischen Ansätze – und sein „Misserfolg“ vielleicht der entscheidende Schritt hin zum strengen Streamlining, das außergewöhnliche Ideen künftig verbot. Dazu in Kürze mehr.) Der Titel erhält zudem eine fast prophetische Dimension, wenn man weiß, dass die beiden Produzenten Saltzman und Broccoli, Regisseur Gilbert, Set Designer Ken Adam und Kameramann Freddie Young nur knapp dem Tode entrannen: Um sich eine Ninja-Demonstration anzuschauen, cancelten die fünf Männer in letzter Minuten ihren Rückflug. Eine geschichtsträchtige Entscheidung, denn der Flieger stürzte nur wenige Minuten nach dem Start ab, es gab keine Überlebenden. Ganz sicher verdankt der Film diesem Umstand den allerersten Ninja-Auftritt im westlichen Kino, vielleicht aber auch diese gelöste, in manchen Szenen melancholische Stimmung. Es steckt eine Klarheit und Schärfe der Empfindungen in YOU ONLY LIVE TWICE, die den in vielerlei anderer Hinsicht klaren und scharfen THUNDERBALL im Vergleich blind und stumpf erscheinen lassen. Wunderbar!

 

Während meines Germanistikstudiums musst ich mich zwangsläufig auch mit der sogenannten „Älteren“ beschäftigen, wie der Bereich der älteren deutschen Literaturwissenschaft abkürzend genannt wurde. Die „Ältere“ umfasste nicht nur die Auseinandersetzung mit der damaligen Dichtung, sondern auch mit der mittelhochdeutschen Sprache. Logischerweise kam man dabei um das germanische Versepos „Die Nibelungen“ kaum herum. Da ich Versepen bis heute allerdings zum Weglaufen anstrengend finde, bin ich über höchst rudimentäre Kenntnisse des Stoffes nicht hinausgekommen. Inwiefern Harald Reinls Verfilmung, von Artur Brauners Produktionsgesellschaft CCC in Auftrag gegeben und finanziert, eine „werkgetreue“ Umsetzung darstellt, darüber kann ich bestenfalls Mutmaßungen anstellen oder Wikipedia konsultieren. Der Eindruck, den das in zwei Teile à ca. 90 Minuten gesplittete Werk macht, ist aber durchaus ein seriöser, und man merkt der Inszenierung jederzeit das Bemühen an, der historischen Bedeutung des zugrundeliegenden Stoffes gerecht zu werden. Natürlich schwelgt DIE NIBELUNGEN, wie es für das populäre deutsche Kino (repräsentiert etwa durch die Karl-May-Filme, für die ja nicht zuletzt eben auch Harald Reinl verantwortlich zeichnete) jener Tage typisch ist, reichlich in farbenprächtigen Bildern, bietet im Stile des US-amerikanischen oder auch italienischen Monumentalkinos große Schauwerte, aufwändige Kostüme, beeindruckende Bauten sowie wuselige Massen- und Schlachtenszenen (letztere vor allem im zweiten Teil), und kommt den sonst unerreichbar scheinenden Vorbildern dabei sehr nah. Reinls Zweiteiler verkommt dabei jedoch niemals zum bloß bunten Märchenschinken, sondern bewahrt eine literarische, fast avantgardistische Qualität sowie die seltsame Fremdheit der Vorlage, anstatt diese zu bezähmen.

DIE NIBELUNGEN, 1. TEIL: SIEGFRIED VON XANTEN etabliert zunächst den Barden Volker von Alzey (Hans von Borsody) als Erzähler, der dem Zuschauer zur Einführung und später, wann immer es gilt größere narrative Bögen zu spannen, mit seinen Reimen erklärend zur Seite steht. (Der Reim, mit dem DIE NIBELUNGEN, 2. TEIL: KRIEMHILDS RACHE abschließt – „hier hat die Geschichte ein Ende: das ist der Nibelungen Not“ – basiert auf der dem Original angeblich am nächsten kommenden Fassung, was meine obige Seriositätsunterstellung stützen würde.) Das schafft eine gewisse Distanz, die Reinl niemals aufgibt, sondern in seiner ganzen Inszenierung bewahrt. Den wahrscheinlich berühmtesten Teil des Epos, Siegfrieds (Uwe Beyer) Kampf gegen den Drachen und sein anschließendes Bad im Drachenblut, verlagert er, wie in der Vorlage, in die Vorvergangenheit seiner Geschichte und entzieht ihm damit jede Spannung – eigentlich entgegen der Unterhaltungsfilm geltenden Logik (eine moderne Verfilmung des Stoffes würde Siegfrieds Abenteuer wahrscheinlich ganz in den Mittelpunkt rücken). Die Entscheidung, den Handlungsort Worms nach Jugoslawien zu verlegen, bewirkt einer Verfremdung, die den ganzen Film trägt und noch vergrößert wird, wenn schließlich der Sprung in die Kargheit Islands gemacht wird. Dort erweckt Siegfried Königin Brunhild (Karin Dor) mit einem Ring aus ihrem tiefen Schlaf und gewinnt so ihre Liebe für sich, was schließlich der Ausgangspunkt der folgenden Tragödie ist. Während Karin Dor – in einem sich vor dem graublauen, die schroffen Felsen darunter fast verschlingenden Himmelspanorama grell abzeichnenden roten Umhang – ganz unterkühltes Beben ist, ihr Gesicht bis auf ein dramatisches Vibrieren ihrer sinnlichen Lippen stets steinern bleibt, agiert der ehemalige Hammerwerfer Beyer (Bronzemedaillengewinner bei den Olympischen Spielen 1964 in Tokio) mit dem ungebremsten Enthusiasmus und der knubbelnasigen Schlitzohrigkeit eines jugendlichen Springinsfeld. Er ist vielleicht das einzige Bindeglied zwischen Reinls Film und dem in den Sechzigerjahren bereits seinem Ende entgegentaumelnden italienischen Peplums, seine Besetzung sicherlich ein Zugeständnis an die damalige Gegenwartskultur, aber in seiner Amateurhaftigkeit ist er eine Idealbesetzung: Für ihn kann es zwischen all diesen innerlich zerfressenen Ehrgeizlingen, Intriganten, Mitläufern und Machtmenschen keine Zukunft geben und schon gar keine Ehe mit der ihre Gebärmutter abschottenden Brunhild. Wie Siegfried vom fiesen Hagen von Tronje (Siegfried Wischnewski) übertölpelt wird, wird dank Beyer gänzlich nachvollziehbar. Auch Rolf Henniger ist als König Gunther eine solche wirkungsvolle Fehlbesetzung: Er war damals knapp 40 Jahre alt und scheint mit seiner feschen Ted-Frisur, in die ein paar wenig überzeugende graue Strähnchen hineingefärbt wurden, zu jugendlich für einen König. Er strahlt rein optisch zumindest im ersten Teil keinerlei natürliche Autorität aus, was natürlich zu seiner Rolle perfekt passt: Er benötigt die Hilfe seines übermenschlich starken (und mit einer Tarnkappe getarnten) Freundes erst, um Brunhild im Kampf zu besiegen und sie so gegen ihren eigentlichen Willen zu seiner Frau zu machen, und dann noch einmal, als er sie beschlafen und einen Erben zeugen will (sie schützt sich gegen ihn mit einem magischen Gürtel, den Siegfried ihr heimlich entwendet). Inhaltlich ist dieser erste Teil eigentlich der undankbarere: Siegfrieds Heldentaten werden, wie erwähnt, in einer Rückblende relativ schnell abgehandelt (der Kampf gegen den Pappdrachen wurde wohl auch aus Selbstschutz kurz gehalten) und der Rest ist eigentlich lediglich ein In-Stellung-Bringen der einzelnen Figuren für die Verwerfungen des zweiten Teils. Aber Reinl weiß das geradezu brillant zu nutzen: Die immer wiederkehrenden Bilder der sich vor gewaltigen Naturkulissen verlierenden Helden erzeugen jene Ahnung von Größe, die den Stoff auszeichnet, mehr als dies mit akribisch ausgetüftelten und ausgedehnten Set Pieces möglich wäre. Bei aller Bildgewalt ist DIE NIBELUNGEN, 1. TEIL: SIEGFRIED VON XANTEN intim, fast kammerspielartig: Im Zentrum stehen weniger Taten als Gesichter und die sich in ihnen abzeichnenden Gefühle, nicht ihre Handlungsmacht, sondern ihre Ohnmacht gegenüber schicksalhaft waltenden Kräften, die größer sind als sie.

DIE NIBELUNGEN, 2. TEIL: KRIEMHILDS RACHE ist dann zumindest teilweise von anderem Kaliber. Gleich zu Beginn sieht man zum ersten Mal das Volk, das im ersten Teil noch gänzlich abwesend war, und so den Eindruck erweckte, die Herrscherfamilie um König Gunther lebe allein in der Wormser Ödnis. Der Film wirkt zunächst gewissermaßen „naturalistischer“ und „historischer“, steigert sich dann jedoch zum Ende hin immer mehr, ohne jedoch ganz in den sich andeutenden orgiastisch-orgasmischen Rausch zu verfallen. Wir befinden uns immerhin in der deutschen Verfilmung eines deutschen Werkes und die Maske der Gefasstheit wird natürlich niemals abgeworfen. Was sich darunter abspielt, ist hingegen wieder eine ganze andere Frage. Kurz für all diejenigen, die mit dem Stoff nicht vertraut sind: Die mit Siegfried verheiratete und auf Brunhild eifersüchtige Kriemhild (Maria Marlow) gesteht der Königin von Gunthers und Siegfrieds Hinterlist, die ursächlich für ihre Schwangerschaft war. Brunhild, erbost über Siegfrieds Verrat, beauftragt Hagen mit der Ermordung. Der, hinterlistiges Schwein, das er ist, bringt Kriemhild höchstselbst dazu, ihm Siegfrieds verwundbare Stelle zu verraten und tötet den vermeintlich unbezwingbaren durch einen gezielten Speerwurf. Kriemhild ist außer sich vor Wut und Zorn und dient sich mit Rachegedanken im Hinterkopf schließlich dem Hunnenkönig Etzel (Herbert Lom) als Eheweib an. Die Burgunder ahnen, was ihnen bevorsteht, als sie eine Einladung Etzels erhalten, doch treten sie dennoch die Reise an. An Etzels Hof vollzieht sich Kriemhilds Rache an den Mördern ihres Gatten in einem wilden Gemetzel, das nur Volker von Alzey überlebt, um die Geschichte weiterzutragen. DIE NIBELUNGEN, 2. TEIL: KRIEMHILDS RACHE beginnt nach der Ermordung Siegfrieds und widmet einen Großteil der Spielzeit der Reise der Burgunder zu Etzels Hof und ihrem Aufenthalt dort, der erst in eine Art Belagerungszustand und dann schließlich in einen Kampf übergeht. Ging es im ersten Teil um das Verbergen aller verräterischen Emotion, vermittelte Reinl stets den Eindruck ungesunder Repression, so überragt Kriemhilds rasender Zorn diese Fortsetzung. Es geht um die Eskalation, die der Repression unweigerlich folgt. Noch nicht einmal der aus glühenden Kohleaugen blickende Hunnenkönig hat der Furie Kriemhild, deren Hass alles verschlingt, noch etwas entgegenzusetzen – ja, nicht einmal Kriemhild selbst kann ihm widerstehen. So brodeln die Ereignisse ihrem unausweichlichen Höhepunkt entgegen. Die zunehmend dezimierten Burgunder verschanzen sich vor den geduldig auf den Angriffsbefehl wartenden Hunnen. Dann gibt es das nächste Scharmützel und einen erneuten Rückzug. Auch hier verzichtet Reinl auf ein allzu grafisches Ausmalen der Metzeleien, stattdessen schwenkt er zunehmend weg oder legt gar eine Schwarzblende über das Geschehen. Dunkelheit übermannt den Film und mit ihr werden auch die Figuren lebendig. Rolf Henniger entwickelt plötzlich, in der Verzweiflung des Augenblicks, jene Kraft und Statur, die er im ersten Teil vermissen ließ: Er steht plötzlich wie selbstverständlich immer im Zentrum des Bildes, wie in einer Umlaufbahn ordnen sich alle anderen um ihn herum, sogar der sonst wie ein Turm über alle ragende Wischnewski. Ernst W. Kalinkes Kamera durchmisst den ihm nun nicht mehr bloß Unendlichkeit entgegenhaltenden Raum, dabei hilflos nach Nähe suchend, doch die Figuren haben ihre Autonomie längst selbst gefunden und sich für den Blick von außen verschlossen. Während um sie herum die Welt brennt, kommen sie endlich zu sich. Auch die Schauspieler scheinen vergessen zu haben, dass sie in einem Film mitwirken. Das ist alles auf so beunruhigende Art und Weise deutsch und dabei so ungemein andeutungsreich und ahnungsvoll, so opulent künstlerisch und verstörend wie es ein wahrscheinlich als crowd-/(kraut)pleasend gedachter Kostümschinken nur sein kann. Reinl hat viele, viele Filme gemacht, von denen ich zwar nun schon einige, aber doch nur einen Bruchteil gesehen habe: Soweit ich es also bislang beurteilen kann, ist das hier seine Meisterleistung. Und die Blu-ray sollte in jedem Schrank stehen.

 

Fast alles, was ich zu DER TEPPICH DES GRAUENS, der ersten Verfilmung eines Weinert-Wilton-Romans, geschrieben habe, trifft auch auf den Nachfolger namens DIE WEISSE SPINNE zu. Die Dr.-Mabuse-Reminiszenzen sind diesmal fast noch deutlicher. So referenziert Reinl hier nahezu originalgetreu eine Szene aus Fritz Langs meisterlichem DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE: So sitzen die vom ermittelnde Inspektor Conway vorgeladenen Zeugen einem gesichtslosen Schatten hinter zwei blendenden Lampen gegenüber, der sich am Ende als reiner Pappkamerad entpuppt. Und wieder steckt hinter der geheimnisvollen Mordserie ein Drahtzieher, dessen Identität und Gesicht selbst seinen Helfern unbekannt ist. Mir hat vor allem gut gefallen, dass der tolle Dieter Eppler, gern gesehener Nebendarsteller in der „echten“ Edgar-Wallace-Reihe hier eine deutlich größere Rolle abbekommen hat, in der er als ehemaliger Schauspieler gleich in mehreren Verkleidungen auftreten darf. Auch sonst ist DIE WEISSE SPINNE schön besetzt, unter anderem mit Horst Frank in einer seiner zahlreichen Schurkenrollen, der immer wunderbare Werner Peters.

Doch obwohl die einzelnen Elemente von DIE WEISSE SPINNE durchaus stimmig geraten sind, hat mich der Film als Ganzes wie nur wenige in der vergangenen Zeit genervt. Sein ganz, ganz großes Problem sind die beiden falschen Fährten, die er für den Zuschauer legt und über die volle Laufzeit von immerhin 100 Minuten nicht wieder verlässt: Beide sind von der ersten Sekunde an durchschaubar, und dass das Drehbuch die „Auflösung“ bis zum Schluss des Films herauszögert, ist demzufolge nicht viel mehr als ein selbstverliebtes – oder realitätsfernes – Tanzen um den heißen Brei. Da mag Dieter Eppler in seinen zahlreichen Identitäten noch so gut maskiert sein, man erkennt ihn eben doch unter jedem angeklebten Bart und mag den Protagonisten, denen das nicht gelingt, die Begriffsstutzigkeit nicht recht verzeihen. Schlimmer ist jedoch die andere Finte des Films: Da kündigt der Scotland-Yard-Mann die Ankunft eines Top-Kriminalisten Conway aus Australien an, der mit eigenen Methoden und unter Geheimhaltung seines Aussehens ermitteln wolle, und nur wenig später tritt Joachim Fuchsberger als vemeintlich aus der Haft entlassene Ralph Hubbard auf, dessen Involvierung in die Handlung vollkommen arbiträr wäre, es sei denn, er wäre eben jener Conway, den man trotz seiner elementaren Wichtigkeit für die Handlung nie zu Gesicht bekommt. Doch Reinl inszeniert das alles so, als sei die finale Enttarnung Hubbards als Conway der größte Clou seit Norman Bates in Frauenklamotten durch die Tür gestürmt ist.

Natürlich: Nach rund 60 Gruselkrimis, die ich in den vergangenen acht Monaten gesehen habe, erwarte ich beim besten Willen keine elaborierten Verwirrtaktiken. Diese Filme sind bei aller vordergründigen Labyrinthik höchst simpel gestrickt und letzten Endes durchschaubar. Aber das ist bei den besten Beispielen eben verzeihlich, weil es sowieso um etwas anderes geht: um die stimmungsvolle Fotografie, die schrulligen Figuren, die nebligen Settings, die fantasievollen Morde und Maskierungen. DIE WEISSE SPINNE legt statt auf solche schmückenden Details viel zu viel Gewicht auf einen Plot, dessen Cleverness er in geradezu verhängnisvollem Maße überschätzt.

 

 

 

 

 

 

„Wer Edgar Wallace liebt, wird auch von Weinert-Wilton begeistert sein“: So versuchten die Marketing-Strategen der Constantin Film damals die Menschen in DER TEPPICH DES GRAUENS zu locken, und man weiß nicht, ob man die Ehrlichkeit dieser Aussage loben oder doch eher die Einfallslosigkeit ankreiden soll, mit der da in den Sechzigern eine erfolgreiche Masche gnadenlos und ohne Unterlass zu Tode geritten wurde. Neben den Edgar-Wallace-Filmen von Horst Wendlandt, Atze Brauner und anderen Konkurrenten, hatte der Freund der sogenannten „harten Welle“ der Gruselkrimis die Auswahl zwischen den Mabuse-Filmen, den Filmen nach Bryan Edgar Wallace, diversen nach bekanntem Muster gefertigten Rip-offs und schließlich also auch noch den Verfilmungen der Romane von Louis Weinert-Wilton. So mancher Krimifreund hat den Kinosaal wahrscheinlich gar nicht mehr verlassen ob dieser angeblichen Vielfalt. Dennoch kann man sich heute nur noch darüber wundern, dass diese Welle über zehn Jahre lang durch die Kinos schwappte und sich nicht schon deutlich früher Ermüdungserscheinung und Übersättigung bemerkbar machten. Zumal sich die einzelnen Filme kaum voneinander unterschieden. DER TEPPICH DES GRAUENS, der Startschuss der vierteiligen Reihe von Weinert-Wilton-Verfilmungen, wartet mit an die Plakate der Wallace-Filme angelehntem Posterdesign auf (die literarische Vorlage war ebenfalls in der Goldmann-Taschenkrimi-Reihe erschienen), wurde von Harald Reinl inszeniert, einem der maßgeblich stilprägenden Regisseure hinter dem Edgar-Wallace-Erfolg, und mit aus dem Wallace-Ensemble bekannten Darstellern besetzt: So begegnen einem Joachim Fuchsberger und Karin Dor in den für sie typischen Hauptrollen, Werner Peters und Carl Lange agieren als Nebendarsteller. Im kontrastreichen Schwarzweiß fühlt man sich gleich zu Hause und die Mischung von Krimihandlung mit Grusel- und Mysteryelementen stellt auch nicht vor besondere kognitive Herausforderungen. Sollte sie ja auch gar nicht.

DER TEPPICH DES GRAUENS erzählt von einer rätselhaften Mordserie: Mehrere Menschen fallen einem exotischen Giftgas zum Opfer, das beim Zerfall kleiner, harmlos aussehender Kügelchen austritt. Besondere Potenz entwickeln diese Kügelchen angeblich auf den Maschen kostbarer Teppiche, was nun wirklich die idiotischste Begründung für einen sowieso schon dämlichen Titel ist, die man sich vorstellen kann. Hinter der Mordserie, in die sowohl der Secret-Service-Agent Raffold (Joachim Fuchsberger) als auch Ann Learner (Karin Dor), die Nichte eines der Opfer, involviert ist, steht eine Verbrecherorganisation, die von einem großen Unbekannten im Hintergrund geführt wird …

Wenn man sich die Mühe machen möchte, die Weinert-Wilton’schen Eigenheiten gegenüber den Wallace’schen aus dem Film herauszuarbeiten, so mag man eine stärkere Hinwendung zu klassischen Gangsterfilm-Elementen und den Verzicht auf die sonst üblichen Ränkespiele um Erbschaften alteingesessener britischer Adelsfamilien konstatieren. Tatsächlich erinnert DER TEPPICH DES GRAUENS (wie übrigens auch DIE WEISSE SPINNE) mit seiner klandestin operierenden Gangsterbande, die die Befehle ihres unbekannten Anführers als Textnachrichten auf einem Bildschirm empfängt, stark an die Dr.-Mabuse-Filme. Reinls Film ist etwas moderner als die in ihrer Mischung aus Gothic Horror und Mystery typisch britischen Wallaces. Das sieht man schon daran, dass als Assistent Raffolds ein Schwarzer namens Sam (Lorenzo Robledo) fungiert: Die Existenz von dunkelhäutigen Menschen wurde in den Edgar-Wallace-Filmen noch weitestgehend geleugnet, wenn mich mein Erinnerungsvermögen nicht täuscht. Man sollte sich davon aber nicht zu viel versprechen: Der arme Kerl wird als louisarmstrongesk radebrechender, dumpf glotzender Trottel mit einem IQ nur ganz knapp oberhalb der Zimmertemperatur gezeichnet, der von Fuchsberger in einer Tour herumkommandiert und bevormundet wird, und man wundert sich ob dieses kaum noch unterschwelligen Rassismus, dass man statt seiner nicht gleich Eddi Arent im Blackface oder einen Schimpansen im Anzug hat antreten lassen. Der Effekt wäre ungefähr derselbe gewesen.

DER TEPPICH DES GRAUENS hat seine Momente – eine stimmungsvolle Szene in einem sumpfigen Waldstück bleibt im Gedächtnis – und bietet mit seinen geringfügigen Modifikationen Abwechslung zu den sehr gleichförmigen Wallace-Filmen, aber richtig spannend ist er nicht. Immerhin wirkt er nicht ganz so sehr in seiner festgefahrenen Form erstarrt, wie das bei der Quasi-Konkurrenz im Jahr 1962 ohne Frage bereits der Fall war. Einen Originalitätspreis kann man ihm dafür aber beim besten Willen nicht verleihen.

 

 

Der Anwalt Roger Mont Elise (Lex Barker), ein Findelkind ohne Wissen über seine Herkunft, erhält eine mysteriöse Einladung von einem ihm unbekannten Grafen Regula (Christopher Lee) auf dessen Schloss. Auf der beschwerlichen Reise dorthin – allein die Nennung des Namens „Regula“ lässt alle Menschen sofort angsterfüllt verstummen – trifft er auf die schöne Baroness Lilian von Brabant (Karin Dor), die die gleiche Einladung erhalten hat; angeblich, um eine Erbschaft anzutreten. Doch mit beiden hat Graf Regula andere, finstere Pläne …

Dem Titel nach beruft sich Reinls DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL auf Edgar Allan Poes Kurzgeschichte „The Pit and the Pendulum“, die einige Jahre zuvor bereits von Roger Corman adaptiert worden war, zudem ähnlich frei wie hier. (Von Poes Geschichte sind in beiden Verfilmungen eigentlich nur noch die titelgebenden Foltermethoden und der insgesamt fragmentarische Charakter erhalten.) Mehr als eine Literaturverfilmung oder ein deutsches Remake des US-Films stellt DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL aber vielmehr einen der in den Sechzigerjahren eher rar gesäten Ausflüge des deutschen Kommerzkinos ins Horrorkino dar, genauer gesagt in jene Gefilde, die auf der anderen Seite des Ärmelkanals so verlässlich von den seligen Hammer Studios beackert wurden: Reinls Film ist lupenreinster Gothic Horror, in der kurzen Spielzeit außerdem so vollgepackt mit typischen Elementen wie alten Flüchen, dunklen Familiengeheimnissen, verfallenen, verwunschenen Schlössern, dem Tode geweihten Jungfrauen, finsteren Gewölben, hilflosen Damen, gefährlichen Kutschfahrten, okkulten Experimenten und sinistren Typen, dass er beinahe wie eine Parodie wirkt, der der extrovertierte Humor abhanden gekommen ist. Der Auftakt erinnert massiv an Mario Bavas Regiedebüt LA MASCHERA DEL DEMONIO, die Reise des Protagonisten in das Schloss eines berüchtigten Grafen an die zahlreichen DRACULA-Filme (ebenso wie die ersten vorsichtigen Schritte in Richtung Special Effects), andere Elemente lassen hingegen zukünftige Geschmacksentgleisungen erahnen (ich musste manchesmal an HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT und DER HEXENTÖTER VON SCHLOSS BLACKMOOR denken). Gleichzeitig ist der Film von Reinl aber mit jenem Schwung und jener Freude am Bild inszeniert, die man aus den zu jener Zeit reüssierenden Wallace- und Karl-May-Filmen kennt. Und Peter Thomas‘ Score verbindet dann auch ganz konsequent orgellastige Geisterbahnklänge mit tanzbaren, eingängigen Jazzrhythmen.

In der unaufgeregten, zielstrebigen Art, mit der der Film ohne irgendwelche Finten oder Subplots auf sein Finale zuläuft, entspricht er seinem Sujet auch formal par excellence. Wenn der Spuk nach gerade einmal 80 Minuten vorbei ist, fühlt man sich eben wie nach einer ausgedehnten Geisterbahnfahrt, gut bedient, aber nicht satt. Hier und da hätte man sich vielleicht etwas mehr gewünscht, aber es ist gerade dieses Fragmentarische, das dem Film gut tut. Reinl wusste wohl ganz auch genau, dass die Story gegenüber markigen Bildern pendelnder Guillotinen, zerfallender Schurken, kriechender Schlangen und kreischender Schönheiten zweitrangig ist, und hält sich deshalb auch gar nicht lang mit eitlem Kram wie Charakterzeichnung oder ähnlichen Tand auf. Wenn die holde Lilian ihren Roger am Ende fragt, ob das alles nur ein Traum war, dann trifft diese Frage auch auf den Film selbst zu, der sich ebenso schnell wieder verflüchtigt wie er gekommen war. Nur einige seiner drastischeren Bilder spuken noch im Unterbewussten herum, um in Zukunft noch einmal zurückzukehren. Gleiches gilt für Die SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL auch in filmhistorischer Hinsicht: Er bleibt in seiner Zeit eine Einzelerscheinung, die leider keinen Trend setzen konnte. Schade, denn dass die Formel „deutscher Gothic Horror“ gut hätte aufgehen können, beweist er nachdrücklich. Dass er stattdessen einen gewissen Exotenbonus genießt, verhindert allerdings auch, dass er in Vergessenheit gerät. Ein schöner Trost

mann_mit_den_tausend_masken_der_querPaul Finney (Paul Hubschmid), Codename „Supersieben“ (in der internationalen Fassung und im wunderbaren Titelsong „Upperseven“), ist der Topagent des britischen Geheimdienstes. Besonders berüchtigt sind seine Verwandlungskünste: Er stellt nicht nur seine eigenen, den Originalen aus Fleisch und Blut täuschend echt nachempfundenen Masken her, sondern ist auch ein Meister der Stimmenimitation. Diese Wandlungsfähigkeit hat zur Folge, dass nicht einmal sein ärgster Feind, der Superschurke Kobras (Nando Gazzolo), weiß wie Supersieben wirklich aussieht. Das kommt dem Agenten bei den Ermittlungen in seinem neuesten Fall besonders zugute: Es geht um Goldschmuggel, die Befreiung eines berühmten Juwelendiebes aus dem Arbeitslager und das Abzweigen von Millionen, die eigentlich als Gegenleistung für eine Diamantenlieferung als Entwicklungshilfe nach Südafrika gehen sollten. Supersieben zur Seite steht die amerikanische Agentin Helen Farheit (Karin Dor) …

Ich gestehe, dass ich der Handlung, die die Protagonisten im Eiltempo von Kopenhagen über London nach Rom, Basel und schließlich nach Johannesburg und Kapstadt führt, nicht wirklich folgen konnte. Als megalomanischer Superverbrecher wäre ich ein totaler Reinfall, denn was genau Kobras mit seinem übermäßig komplizierten Plan eigentlich bezwecken wollte, ist mir im Tohuwabohu durch die Lappen gegangen. Aber irgendwie ist das bei diesem Film auch reichlich egal. Wer es bis hierhin noch nicht mitbekommen hat: DER MANN MIT DEN TAUSEND MASKEN ist ein typischer Vertreter der Eurospy-Welle, die in den Sechzigerjahren durch die europäischen Kinos schwappte, ausgelöst durch das Seebeben der immens erfolgreichen Bond-Serie. Die Besetzung von Paul Hubschmid als Connery-Surrogat ist gewissermaßen ein no brainer: Der Schweizer genoss seinerzeit großen Ruhm im europäischen Filmgeschäft, galt als Frauenschwarm und präsentierte sich nach außen als distinguierter Gentleman, dessen Image auch die vielen Weibergeschichten nichts anhaben konnten, im Gegenteil (so wie Will Tremper es in seinen Filmmemoiren „Große Klappe“ erzählt, trieb Hubschmid mit seiner Vielweiberei nicht nur seine ihm treu ergebene Ehefrau in den Selbstmord, sondern anschließend auch die Schauspielerein Renate Ewert, die Frau, mit der er seine Gattin betrogen hatte). Er war zumindest auf dem Papier so etwas wie die Idealbesetzung für den cleveren, weltgewandten „Supersieben“, dem die Kollegin Farheit schon nach dem ersten Blickkontakt nicht mehr widerstehen kann. Was Hubschmid in der Praxis dann jedoch fehlt, ist jenes Maß an Selbstironie, das Connery trotz ausgestelltem Chauvinismus zum Sympathieträger machte, von seiner körperlichen Präsenz mal ganz abgesehen. Ähnliches lässt sich auch über De Martinos Regie sagen: Die wenigen Filme, die ich von ihm kenne (L’ANTICRISTO und HOLOCAUST 2000), unterscheiden sich von den Werken seiner italienischen Kollegen durch eine gewisse Ruhe und Sachlichkeit, die er dem Griff in den Schweinetrog vorzieht. Was im Falle seines THE EXORCIST-Rip-offs zu einem Werk unerwarteter Klasse führt, macht seinen DER MANN MIT DEN TAUSEND MASKEN aber zu einer zwar professionell gefertigten, aber dabei irgendwie freudlosen Angelegenheit, für die lediglich ein paar stullige Drehbucheinfälle und eine auffallende Ruppigkeit sprechen.

Gleich zu Beginn bringt Supersieben einen kleinen Kasten an einem Wagen an, der sich jedoch mitnichten als Peilsender erweist: Stattdessen tropft daraus eine fluoreszierende Flüssigkeit, die eine Spur hinterlässt, der der Agent dann auch in der tiefsten Nacht zu folgen in der Lage ist. Seine Verwandlungsfähigkeit demonstriert er wenig später einem Multimillionär (Paul Hubschmid), den er vor dessen eigenen Angestellten imitiert und sie sogar dazu bewegen kann, ihm die geheimen Geschäftsbücher zu zeigen. Er präsentiert dem staunenden Mann diese Stippvisite als Super-8-Film, der die Frage nach dem Kameramann aufwirft, der das alles unbemerkt mitfilmen konnte. Als hinterhältiges Supersieben-Girl findet Rosalba Neri ein mitleidloses Ende. Zwar becirct sie den Agenten mit einem hübschen Liedchen, doch lässt der sich von ihr nicht täuschen. Er prügelt sie ohne jede Vorwarnung mit dem Handrücken durchs Schlafgemach und stößt sie dann kurzerhand und voller Abischt in die Schusslinie des eigentlich für ihn bereitstehenden Killers. He’s got 99 problems but a bitch ain’t one. Die eigentliche USP dieses Agenten, seine schon im Titel gepriesene Verwandlungsfähigkeit, ist auch eher ein müder Vorwand. Erst ganz am Ende kommen zwei Gummimasken (= Doubles) im besten MISSION: IMPOSSIBLE-Stil zu Einsatz, vorher begnügt sich Supersieben mit Klebeschnurrbärten aus dem Karnevalsbedarf, die seine markanten Gesichtszüge nur vor vollkommen Merkbefreiten verbergen können.

Bleibt unter’m Strich also ein Eurospy-Film, der handwerklich vielleicht ein Stück besser ist als der Durchschnitt, gerade dadurch aber einen Gutteil des Charmes, der dem Genre eigentlich innewohnt, einbüßt. Für einen „richtigen“ Agentenfilm ist DER MANN MIT DEN TAUSEND MASKEN einfach nicht spannend genug, für bonbonbunte Psychotronik zu seriös. Eher langweilig also.