Mit ‘Kriegsfilm’ getaggte Beiträge

Ich schätze, die Generationen, die klassische Abenteuerromane wie James Fenimore Coopers „Der letzte Mohikaner“ noch unter der Bettdecke im Schein ihrer Taschenlampe verschlungen haben, sind nicht ganz meine Zielgruppe, deshalb fange ich mal konservativ mit einer Inhaltsangabe an: Während des siebenjährigen Krieges zwischen den Briten und den Invasoren aus Frankreich im Nordwesten der heutigen USA, geraten der Mohikaner Chingachgook (Russel Means), sein Sohn Uncas (Eric Schweig) und sein weißer Ziehsohn Hawkeye (Daniel Day-Lewis) zwischen die Fronten: Sie retten Cora (Madeleine Stowe) und ihre Schwester Alice (Jodhi May) sowie Major Duncan Heyward (Steven Waddington), als diese auf dem Weg nach Fort William Henry, wo der Vater der Schwestern, Colonel Edmund Munro (Maurice Roëves), das Kommando innehat, von mit den Franzosen verbündeten Huronen unter Führung des rachsüchtigen Magua (Wes Studi) überfallen werden. Cora verliebt sich in Hawkeye, der als Kind von Chingachgook in Obhut genommen wurde, sehr zum Missfallen von Heyward, der selbst um die Hand der Frau angehalten hatte, aber abgelehnt worden war. Im belagerten Fort Henry wird Hawkeye wegen Hochverrats zum Tode verurteilt, als er einigen Siedlern zur Flucht verhilft: Entgegen dem Gesetz verweigert Colonel Munro ihnen die Rückkehr zu ihren Häusern, die von umherziehenden Huronen attackiert werden. Bei einem anschließenden Scharmützel mit den Huronen, bei dem Colonel Munro ermordet wird, können die beiden Mohikaner, Hawkeye, Cora, Alice und Heyward entkommen. Doch Magua ist ihnen dicht auf den Fersen.

THE LAST OF THE MOHICANS, wahrscheinlich die elfte filmische Adaption des Stoffes (darunter eine deutsche Stummfilmversion mit Bela Lugosi als Chingachgook, ein Serial, eine Italowestern-Variante und eine Verfilmung von Harald Reinl im Karl-May-Stil) war für Mann der erste richtig große Erfolg als Regisseur, findet heute aber kaum noch Erwähnung, wenn es um sein Werk geht – wahrscheinlich auch, weil man ihn mittlerweile ehesten mit noiresk-melancholischen Großstadtthrillern in Verbindung bringt. Sein Werk weist einige Querschläger auf – THE KEEP oder auch ALI fallen ein -, aber THE LAST OF THE MOHICANS ist als Literaturverfilmung und bildgewaltiges Historienepos noch einmal ein Sonderfall. Dennoch erkennt man in Daniel Day-Lewis wortkargem, stolzem Helden, in seiner Beziehung zu Cora, in den perfekten, crispen Bildkompositionen und dem Zusammenspiel mit dem erhabenen Score von Randy Edelman und Trevor Jones typische Merkmale von Manns Filmen wieder, die hier lediglich durch das Sujet etwas überdeckt werden. Mann bleibt der Vorlage bis auf einige Änderungen treu und man hat nicht das Gefühl, dass sich der Regisseur Cooper „zurechtbiegt“, sondern sich vor allem darum bemüht, den Stoff einerseits für Zuschauer der frühen Neunzigerjahre aufzubereiten, ohne ihn aber andererseits zu etwas völlig anderem zu machen.

Ich hatte THE LAST OF THE MOHICANS zuletzt vor bestimmt 20 Jahren gesehen und kaum noch Erinnerungen an ihn. Das liegt auch daran, dass der Handlungszeitraum des Films enorm komprimiert ist und sich der Plot letztlich als Reise und oder Flucht zusammenfassen lässt, mit lediglich wenigen Pausen. In der Erinnerung bleiben vor allem Bilder von Hawkeye und Chingachgook, die mit wehenden Haaren durch den Wald rennen und sich ihnen entgegenstellende oder vor ihnen wegrennende Feinde mit Schüssen aus ihren gewaltigen Flinten oder Würfe mit Tomahawk und Gewehrschaft-Keule niederstrecken. Die zeitgenössische Kritik beschrieb Manns Film als Actionspektakel, RTL kürzte den Film bei seiner Fernsehauswertung angeblich gar um gesalzene 17 Minuten und vergleicht man seinen MOHICAN mit den oft gemütlich-behäbigen Abenteuerfilmen aus den Dreißger-, Fünfziger- oder Sechzigerjahren, wird die Differenz sehr augenfällig. Trotzdem bleibt Mann dem Spirit dieser Vorbilder meiner Meinung nach treu: Die Kamera von Dante Spinotti fängt die ungezähmte, raue, aber auch überwältigend schöne Natur der Adirondacks ein (gedreht wurde tatsächlich weiter südlich in North Carolina), und in der Kontrastierung der „edlen Wilden“ mit den vollkommen hirnrissigen Werten nacheifernden, verlogenen Briten folgt er der Strategie, die oftmals kolonialistisch-rassistische Haltung der Vorlagen zu negieren und gerade vom Verlust der Unschuld zu erzählen, mit dem der Prozess der Zivilisation einherging. Manns THE LAST OF THE MOHICANS tut sich dadurch hervor, dass er der Falle der Verkitschung, die so oft lauert, wenn Ureinwohner als die besseren Menschen dargestellt werden, durch die Ruppigkeit des Films und das betont unterkühlte Spiel DDLs entgeht. Ich gebe zu, dass THE LAST OF THE MOHICANS nicht unbedingt ein Film ist, der mich nach der Sichtung noch wahnsinnig beschäftigt hätte. Man muss nicht lang über ihn nachdenken, er lädt nicht unbedingt dazu ein, lang über ihn zu diskutieren und dabei unterschiedliche Meinungen zu diskutieren. Er wirft keine Fragen auf und fordert auch nicht unbedingt den Intellekt heraus. Aber verdammt, er hat etwas, was ich nur schwer benennen kann. Ich mag ihn. Mehr, als ich vo dem Wiedersehen erwartet hatte.

Der Bürgerkrieg von El Salvador, einem mittelamerikanischen Kleinstaat mit einer Einwohnerzahl von rund 7,5 Millionen Menschen, dauerte von 1979 bis 1992 und kostete schätzungsweise 75.000 Menschen das Leben. Der Konflikt zwischen der Militärjunta und der linken Farabundo Martin National Liberation Front bedeutete die Eskalation eines krassen sozioökonomischen Missverhältnisses innerhalb der Bevölkerung, das bereits in den Dreißigerjahren zu einem Blutbad geführt hatte: Als sich die Bauern und Arbeiter 1932 erhoben, um gegen die Ungleichheit zu demonstrieren, die zwei Prozent der Bevölkerung mit 95 Prozent der finanziellen Mittel ausstattete, wurden sie in einer Schlacht, die als „La matanza“ – „das Massaker“ – in die Geschichtsbücher einging, umgebracht. Zwischen 10.000 und 40.000 Menschen, die Berichte variieren, verloren ihr Leben. Das Ereignis vergrößerte die eh schon bestehende Kluft zwischen den Herrschenden und dem einfachen Volk und führte zu Spannungen, die sich schließlich, knapp 50 Jahre später, im Bürgerkrieg entluden. Zusätzliches Feuer erhielt der Konflikt durch die Tatsache, dass die Regierungsmächte El Salvadors aufgrund ihrer antikommunistischen Haltung Unterstützung durch die USA erhielten, die in dem Kleinstaat einen Verbündeten im Kampf gegen den sowjetfreundlichen Fidel Castro sahen. Sie ließen der Regierung nicht nur finanzielle Mittel und Waffen zukommen, sie trainierten auch das Militär. Die Verbindung ging so weit, dass US-amerikanische Offiziere hohe Posten in der salvadorianischen Armee bekleideten. Mittendrin im Konflikt war der Journalist Richard Boyle, ein Kriegsreporter, mehr noch aber ein Draufgänger und Abenteurer, den die finanzielle Not, aber auch das Bedürfnis, dran zu sein am Puls der Geschichte, in das Land geführt hatten.

In einem Nachruf auf den 2016 verstorbenen Boyle, den Stone über den Vietnamveteran Ron Kovic (über den Stone später BORN ON THE 4TH OF JULY drehen sollte) kennengelernt und mit dem zusammen er das Drehbuch zu SALVADOR auf Basis von dessen Aufzeichnungen geschrieben hatte, beschreibt Stone Boyle als Getriebenen, Rastlosen, dessen Hang zum Chaos und zum Exzess James Woods, der ihn verkörpern sollte, geradezu abstieß:

„Jimmy Woods, who adores order and cleanliness in his otherwise chaotic mind, abhorred Richard and didn’t want him anywhere next to him, as Richard would miss a shower or two and his one set of clothes would generally stink. But when Richard, who was by my side throughout the shoot, would comment on his performance, Jimmy’d freak out.“

Und Kovic sagte über den Mann:

„He was one of a kind, larger than life, a true original, so complex, a consummate hustler, brave war correspondent, gifted author, rebel, lover, deviant, so many memories. […] He was fascinating, amazing, impatient, terribly driven. He made me feel anything was possible. Even your wildest dreams were possible. He bet his life on it constantly in a thousand crazy adventures and dangerous assignments abroad. We all thought he would outlive us all. We were sure of it. Even in his often reckless and deadbeat later years he reeked of royalty. He had dignity. He loved life and taught me and so many others that we could always do more, accomplish more, be more than we thought possible.“

Diese Beschreibungen lassen erahnen, was Stone an Boyle faszinierte und warum er mit ihm zusammen an einer Verfilmung seiner Erlebnisse arbeitete. Tatsächlich liefern die Figur und seine Geschichte – ob sie im Film wirklich wahrheitsgetreu wiedergegeben wird, sei mal dahingestellt – Stoff für einen faszinierenden Film, der rückblickend als einer der Höhepunkte von Stones Filmografie gelten darf. Aber die Figur selbst und die Faszination, die in den Zitaten oben und in SALVADOR zum Ausdruck kommen, sind auch ziemlich problematisch. Gerade vor dem Hintergrund von Stones politisch fragwürdigen Äußerungen und Aktionen in den letzten Jahren wirkt SALVADOR in gewisser Hinsicht prophetisch. Das wertet die heutige Sichtungserfahrung noch zusätzlich auf, führte bei mir aber auch dazu, dass ich emotional auf Distanz zum Gezeigten ging. Der Film ist in gewisser Weise „nachbelastet“ durch die Autorschaft Stones, der heute mit Putin sympathisiert, Castro hofierte und mit seiner generellen Begeisterung für einen bestimmten Typus Mann heute schrecklich gestrig rüberkommt.

SALVADOR beginnt mit dem in seiner abgeranzten Wohnung von einem Streit aufgeweckten Boyle (James Woods): Der Vermieter liegt im Clinch mit Boyles Partnerin, streitet mit ihr lautstark um die ausstehende Miete, das gemeinsame Baby schreit. Boyle versucht im Anschluss verzweifelt Kohle aufzutreiben, indem er alte Pressekontakte abtelefoniert: Sein Thema ist der Konflikt in Salvador, er könne dort hinfahren und eine spektakuläre Story liefern, denn der Staat droht zu implodieren und Boyle hat aus der Vergangenheit gute Beziehungen. Aber keiner ist interessiert und man entnimmt Boyles Reaktionen, dass das zu einem guten Teil daran liegt, dass sie mit ihm nicht zusammenarbeiten wollen, weil er notorisch undiszipliniert ist. Der Beweis dafür folgt auf dem Fuße, als er von einem Streifenpolizisten aufgrund seines kaputten Wagens und einer Vielzahl nicht beglichener Strafzettel inhaftiert wird. Sein Kumpel, der Radio-DJ „Dr. Rock“ (James Belushi) zahlt seine Kaution und lässt sich von Boyle dazu überreden, mit ihm zusammen nach El Salvador zu fahren, nachdem der in seiner leeren Wohnung ein schriftliches „Fuck you!“ von seiner Freundin vorgefunden hat. In El Salvador könne man für 300 Dollar im Jahr leben, das Gras sei großartig und für sieben Mäuse setzen sich einem die schönsten Frauen der Welt aufs Gesicht, für fünf mehr geselle sich sogar deren beste Freundin noch dazu. Die Schwierigkeiten fangen aber schon kurz hinter der Grenze an, als die beiden vom Militär gefangen genommen und erst nach Stunden des bangen Wartens freigelassen werden. Im Folgenden taumelt Boyle durch das in Aufruhr befindliche Land, immer in dem Bemühen, möglichst nah ran zu kommen ans Geschehen, ohne sich dabei jedoch die Finger zu verbrennen. Seine Liebschaft zur armen Maria (Elpidia Carrillo), die mit ihrer Familie den regierungsfeindlichen Rebellen nahesteht, bringt ihn immer wieder in Gefahr, und irgendwann, nach der (auf realen Ereignissen fußenden) Erschießung des Erzbischofs Romero und der brutalen Ermordung und Vergewaltigung von drei amerikanischen Nonnen und einer Entwicklungshelferin bleibt Boyle nichts anderes übrig, als das Land mit Maria fluchtartig zu verlassen.

SALVADOR ist ein eindringlicher Film von fiebriger Intensität, der das Gefühl, in der Fremde nur einen Schritt vom bodenlosen Abgrund entfernt zu sein, sehr greifbar macht. Und James Woods, der für einen Academy Award nominiert wurde, ist brillant als „Zocker“ Boyle, ein Mann, der dahin geht, wo es wehtut, weil er die Langeweile nicht aushält und weiß, dass sich humanitäre Katastrophen gut verkaufen – der aber auch nicht ohne Idealismus ist. Stone zeichnet Boyle als unbequemen, unbestechlichen Widerständler, der auch vor den Mächtigen kein Blatt vor den Mund nimmt – und damit seine Reputation, aber auch sein Leben riskiert. Er ist ein Wahnsinniger, davon besessen, die Wahrheit in die Welt zu tragen, und mehr als einmal schockiert davon, wie weit ihn diese Obsession treibt. Lange scheint es so, als könne ihm nichts etwas anhaben, als habe er einen zuverlässigen Schutzengel oder auch nur jenes Quäntchen Glück, dass ihn unbeschadet aus jeder Gefahrensituation hervorgehen lässt: Wohl nicht zuletzt deshalb, weil er selber an dieses Glück glaubt. Erst sehr spät schleicht sich da die Angst in seinen Blick, das Wissen, dass er es nicht überstrapazieren sollte und die Situation in seiner Wahlheimat zu weit eskaliert ist, als dass sie noch berechenbar wäre.

Stones Porträt Boyles zeigt ohne Zweifel eine spannende Figur vor dem Hintergrund eines grausamen Konfliktes, dessen politischen Mechanismen leider immer noch nicht passé sind, aber Stones Faszination für und Zeichnung dieser Figur wirft auch einige Fragen auf: Ist dieser männliche Omnipotenzwahn, der jemanden wie Boyle mit der Pulle Fusel am Hals, den Gedanken an preisgünstige, willige Nutten im Kopf und dem Ziel, ein paar Bucks zu machen, in ein Entwicklungsland treibt, nicht auch nur eine Ausprägung derselben Haltung, die US-Militärs ihre Stützpunkte bei „Verbündeten“ errichten lässt? Ist Boyle mit seinem Goldgräberethos nicht eigentlich ein ziemlich ätzendes Arschloch, dem man für die unter normal denkenden Menschen reichlich selbstverständliche Haltung, das Abschlachten von wehrlosen Bauern verachtenswert zu finden, nicht unbedingt ein Denkmal bauen sollte? Sind diese Leute, die mit der Kamera um den Hals und einem Vorrat an Billiguhren als Bestechungsmittel im Handschuhfach in Bananenrepubliken reisen, um dann Massengräber und Gemetzel zu fotografieren, wirklich Aufklärer oder gar Märtyrer oder nicht doch nur Söldner, die sich mit dem Leid anderer, von dem sie profitieren, gemein machen, aber dann, wenn es ihnen zu heiß wird, einfach wieder abreisen können? Ich weiß es nicht genau, aber mich hat Stones Heldenverehrung für diesen hypernervös-dauerrauchenden Kokser schon auch ein wenig abgestoßen. Vielleicht liegt das aber auch, wie gesagt, daran, dass Stone es anscheinend nicht für einen Widerspruch hält, hier für die salvadoranischen Bauern einzuspringen und heute Putin die Hand zu schütteln. Andererseits gibt es an SALVADOR rein handwerklich mal gar nichts auszusetzen, vielmehr fesselt der Film über die volle Laufzeit. Trotz oder wegen dieser Fragestellungen.

 

 

 

 

 

Fiktion, ganz gleich, ob sie sich nun des Mediums des Films oder der Literatur bedient, ermöglicht es dem Rezipienten, fremde Perspektiven einzunehmen, die Welt durch die Augen eines anderen Menschen zu sehen. Im Idealfall erweitern wir damit unseren eigenen Horizont, machen die sogenannte Kontingenzerfahrung: Wir verstehen, dass unsere Sichtweise nur eine von unzähligen gleichberechtigten ist. Als Leser oder Filmseher stellt man aber auch immer wieder fest, dass uns Menschen anderer geografischer, gesellschaftlicher, kultureller oder historischer Herkunft bei allen uns voneinander trennenden Eigenschaften in vielen Dingen auch sehr ähnlich sind: Auch wenn wir in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland geboren wurden, fällt es uns nicht besonders schwer, uns mit einem altgriechischen Feldherr zu identifizieren – was natürlich auch daran liegt, dass dieser in der Regel der Feder eines unserer Zeitgenossen entsprang. Es passiert sehr selten, dass wir in eine Figur schlüpfen müssen, deren Anschauungen und Motivationen uns völlig fremd sind. Für mich war HACKSAW RIDGE zumindest in Teilen ein solches Werk und die Sichtung auch, aber nicht nur deshalb ein enorm erkenntnisreiches Erlebnis.

Mel Gibsons Film erzählt die Geschichte von Desmond Doss, gläubiger Christ und hochdekorierter Kriegsheld – der erste seiner Art, denn Doss erhielt seine Auszeichnung für seinen Einsatz im Zweiten Weltkrieg, ohne je eine Waffe angefasst zu haben. Als „conscientious objector“, übersetzt „Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen“, verteidigte er sein Recht, mit der Armee in den Krieg ziehen zu dürfen, ohne dabei eine Waffe tragen zu müssen. Als Sanitäter rettete er während der Schlacht um Okinawa mehrere Dutzend verwundeter Kameraden und erhielt dafür nach Kriegsende die „Medal of Honor“, die höchste militärische Auszeichnung der USA. Nach dem Vorbild von Kubricks FULL METAL JACKET teilt Gibson seinen Film in zwei Hälften: Die erste widmet sich Doss‘ biografischem Hintergrund, seiner Grundausbildung, den Anfeindungen von Vorgesetzten und Rekruten, die in ihm einen Feigling sehen, der ihnen im Ernstfall nicht zur Seite stehen kann, und schließlich seinem Sieg vor dem Militärgericht; die zweite wirft uns mit den Soldaten in das Gemetzel der Schlacht um das Hacksaw Ridge, einer postapokalyptisch anmutenden Wüstenei oberhalb einer gewaltigen Klippe. Wie es mit Spielbergs SAVING PRIVATE RYAN zum Standard des Kriegsfilms wurde, malt Gibson die Kampfhandlungen in schlammigen Grau- und Brauntönen und gesprenkelt mit heftigen Splatterschüben: Da fliegen die Gliedmaßen und Eingeweide nur so durch die Gegend, Köpfe werden von Kugeln durchlagen und Soldaten gehen kreischend in Flammen auf. Der liebe Gott, an den Doss so unerschütterlich glaubt, er scheint weit, weit weg, ist aber in Gestalt des Sanitäters doch mittendrin im Inferno, wo er sich vollkommen unbewaffnet der Gefahr stellt, um die vereinzelten Verwundeten aufzusammeln und sie in Sicherheit zu bringen.

Es fällt zunächst sehr, sehr schwer, mit diesem Protagonisten mitzugehen, sein unbedingtes Bedürfnis zu verstehen, an einem Krieg teilzunehmen, wenn er es seinem Glauben entsprechend doch für eine Sünde hält, einem anderen Menschen das Leben zu nehmen. Als er sich während seiner Ausbildung erklären soll, wird er unter anderem mit der Aussage konfrontiert, dass der Feind der Teufel höchstpersönlich sei und der bewaffnete Widerstand demnach gottgewollt. Doss widerspricht dem nicht, er teilt diese Ansicht sogar. Es ist der Grund, warum auch er sich berufen fühlt seinen – wenn auch unbewaffneten – Beitrag zu leisten. Doss‘ Weigerung, eine Waffe zu tragen, wird im Film auch aus seiner Biografie heraus erklärt: Der Film beginnt mit einem Rückblick in die Kindheit des Protagonisten, in der er seinen Bruder bei einem Streit so heftig mit einem Stein schlug, dass es kurz so aussah, als müsse dieser den Angriff mit seinem Leben bezahlen. Während die Eltern (Rachel Phillips und Hugo Weaving) verzweifelt versuchen, den bewusstlosen Sohn aufzuwecken, fällt Desmonds Blick auf ein Bildnis von Kain und Abel und die dieses erklärenden Worte des fünften Gebots. Später dann berichtet er einem seiner Kameraden von einem anderen Erlebnis: Als sein Vater, ein Veteran des Ersten Weltkriegs, der über die traumatischen Erfahrungen zum Säufer geworden war, wieder einmal seine Ehefrau attackierte, griff Desmond zur Pistole und drohte dem Vater, ihn zu erschießen. Dieses Ereignis habe ihn dazu gebracht, vor Gott das Versprechen abzulegen, nie wieder eine Waffe in die Hand zu nehmen. Aber wie kann man mit der Überzeugung, dass die Tötung eines anderen Menschen gegen Gottes Gebote verstoße, an einem Krieg nicht nur teilnehmen, sondern ihn in einem größeren Kontext für „richtig“ halten?

Es ist wahrscheinlich nicht möglich, diesen Widerspruch auch nur annähernd befriedigend aufzulösen, schon gar nicht für einen nichtgläubigen Menschen. Ich halt es durchaus für möglich, dass Gibson, der – das legen zahlreiche aus den letzten Jahren über ihn kursierenden Geschichten durchaus nah – vielleicht tatsächlich ein wirrköpfiger religiöser Fanatiker ist, diesen Widerspruch vielleicht gar nicht sieht und Doss‘ Handeln für nachvollziehbar hält: Aber es spielt eigentlich auch keine Rolle, weil es in HACKSAW RIDGE letztlich um etwas anderes geht. Mir scheint gerade genau diese geschilderte Hermetik wichtig, die Tatsache dass wir Doss nicht verstehen. Am Ende ist da ein Mann, der von seinen eigenen Überzeugungen abstrahiert, weil er begreift, dass er Teil einer Sache ist, die größer ist als er. Er nimmt für sich nicht in Anspruch, sich da raushalten zu dürfen, weil er es vielleicht besser weiß, weil der Krieg nicht in sein Weltbild passt. Er glaubt vielmehr daran, dass er im Falschen noch etwas Gutes tun, inmitten des Wahnsinns als kleiner Funken der Hoffnung wirken kann. Und er tut es. Das wirft Fragen auf.

Man muss vor allem gegen Ende des Films einige vor Pathos triefende Szenen über sich ergehen lassen, in dem die sakralen Hengste mit Gibson durchgehen, etwa wenn der verwundete Doss auf einer an einem Seil hängenden Bahre von der titelgebenden Klippe heruntergelassen wird und es aus der Untersicht so aussieht, als ob er im gleißenden Licht der Sonne direkt zum Himmel führe. Übel stößt auch die Zeichnung der Japaner als tierhafte Horde kreischender Bestien auf, vor allem weil der Film eben nicht explizit die Perspektive der amerikanischen GIs einnimmt (wie etwa Scotts BLACK HAWK DOWN, den ich gegen ähnliche Vorwürfe verteidigt habe), sondern ja ein sehr viel universelleres Thema behandelt. Vielleicht liege ich auch komplett daneben und HACKSAW RIDGE ist das von vielen Teilen der Filmkritik konstatierte reaktionär-christofaschoide Spektakel eines Antisemiten, eine Apologie der Kriegstreiberei und eine Anklage all jener Menschen, die nicht daran glauben, dass man mit den Mitteln der Gewalt irgendetwas erreicht. Aber zum jetzigen Zeitpunkt muss ich sagen, dass mich Gibsons Film sehr beeindruckt hat.

 

 

 

Es war mal wieder an der Zeit, eine filmische Bildungslücke zu schließen: David Leans Klassiker wurde mit insgesamt sieben Oscars ausgezeichnet, der prominent zum Einsatz kommende „Colonel Bogey March“ – ein alter Militärmarsch – wurde dank des Soundtracks zum Welthit. Wie es sich für ein solches Werk gehört, umranken zahlreiche Anekdoten seine Produktion und Rezeption: Laut Berichten beharkten sich der Regisseur und sein Star, weil letzterer den Film für „antibritisch“ hielt, es gab die solche Monumentalepen meist heimsuchenden Set-Katastrophen und der Drehbuch-Oscar wurde Pierre Boulle, dem Autor der Vorlage verliehen (der gar kein Englisch konnte), weil die echten Autoren, Michael Wilson und Carl Foreman, in Hollywood als vermeintliche Kommunisten geblacklistet waren – die ihnen gebührende Auszeichnung wurden ihnen erst 1984 posthum zugesprochen. Diese Geschichten – und die Tatsache, dass sie für die Nachwelt festgehalten wurden – mögen auch als Beleg für den Status des Filmes gelten, der nach wie vor zu den großen Antikriegsfilmen zählt und darüber hinaus eine Spielart des bildgewaltigen, klassischen Monumentalkinos repräsentiert, wie es sie heute nicht mehr gibt – und für die Lean ein besonderes Händchen hatte, wie sich in den kommenden Jahren noch zeigen sollte.

Im Mittelpunkt von THE BRIDGE ON THE RIVER KWAI steht die Konfrontation des britischen Offiziers Nicholson (Alec Guinness), der mit seinen Leuten in einem japanischen Kriegsgefangenenlager in Burma interniert wird, mit dessen Leiter, dem Japaner Colonel Saito (Sessue Hayakawa), der den Gefangenen den Auftrag gibt, eine Eisenbahnbrücke zu errichten, die Bangkok mit Rangoon verbinden soll. Mit den beiden Kontrahenten treffen zwei „Wahnsinnige“ aufeinander, wie es der Militärarzt Major Clinton (James Donald) formuliert: Saitos Handeln ist deutlich von der Angst geprägt, den Befehlen seiner Vorgesetzten nicht nachkommen zu können und das Gesicht zu verlieren, weshalb er seine Forderungen mit äußerster Härte durchzusetzen versucht. Doch bei seinem britischen Gegenüber beißt er damit auf Granit: Nicholsons englischer Stolz verbietet es ihm, von seinen ehernen Prinzipien auch nur ein Iota abzurücken. Eher riskiert er die eigene Gesundheit und die seiner Männer. Der Konflikt entzündet sich an Saitos Weigerung, die Regelung der Genfer Konvention zu respektieren, die es verbietet, gefangene Offiziere zu körperlicher Arbeit zu verpflichten. Als der Brite sich mit seiner Standhaftigkeit auch unter Folter durchsetzt, gewinnt er die Oberhand: Und als er merkt, dass Saito mit dem Projekt des Brückenbaus hoffnungslos überfordert ist, genießt er es, diesem die Überlegenheit des Empires zu demonstrieren. Es ist eine Möglichkeit, aus einer eigentlich verlorenen Schlacht als der moralische Sieger hervorzugehen. Gegen die Einwände seiner Leute, die den Brückenbau als Kollaboration und damit als Verrat betrachten, fordert er sie zur Höchstleistung auf: Für ihn wird das Projekt zu einer Frage der Ehre, die Brücke zu einem Monument des Triumphs im Zeichen der Unterdrückung. Als er seinen Fehler einsieht, ist es bereits zu spät.

Den Moment, in dem Nicholson aus dem „Ofen“ befreit wird, einem Wellblechverschlag in der prallen Sonne, und seinen Sieg über Saito feiert, bezeichnete Guinness einmal selbst als seinen „finest moment“: Den unsicheren Gang, in dem sich die erlittenen Strapazen spiegeln, hatte er sich angeblich von seinem Sohn abgeschaut, der an Polio erkrankt war. Es ist auch der Moment, in dem sich der krankhafte militärische Stolz, um den es in Leans Film geht, am deutlichsten entbirgt: Schwäche zu zeigen, ist nicht gestattet, lieber hält man eine Fassade aufrecht, die für jeden sichtbar bereits deutlich Risse aufweist. Der Wahnsinn Nicholsons und die an Selbstaufgabe grenzende Autoritätshörigkeit des britischen Militärs kommt aber auch in der Geschichte des Amerikaners Shears (William Holden) zum Vorschein: Die Bereitschaft seiner europäischen Mitstreiter, sich für abstrakte Ideen wie Vaterland, Ehre und Freiheit am anderen Ende der Welt in einen jämmerlichen Tod zu stürzen, lässt ihn mehr als einmal wie den einzig Normalen in einem Irrenhaus erscheinen – und malt ihm ein gequält-verzweifeltes Grinsen ins Gesicht. Ihm gelingt die Flucht aus dem Gefangenenlager, doch als er glaubt, sich als Kriegsversehrter in einem Stützpunkt an einem tropischen Strand auskurieren zu können, kommen die Briten auf die Idee, ihn mit auf eine Mission zu nehmen, die das Ziel hat, die Brücke am Kwai zu zerstören. Er ist wenig begeistert, noch weniger, als er hört, dass er dafür mit einem Fallschirm abspringen muss. In einer humorvollen Szene offenbart man ihm dann kurz darauf, dass ein Trainings-Fallschirmsprung nicht nötig sei, weil die Wahrscheinlichkeit, dass er bei diesem ums Leben kommt, größer sei als der vermeintliche Nutzen. Aber hinter diesem Gag steckt natürlich die bittere Erkenntnis, dass ein einzelnes Menschenleben in den Augen der Kriegsmaschinerie nicht mehr ist als eine Zahl und die Frage nach Leben und Tod letztlich nur ein Rechenspiel. Der Subplot um Shears und die Mission, auf die er mitgenommen wird, lässt die Briten noch wahnsinniger erscheinen: Hier der Ami, der am Leben hängt und sich freut, als er mit einem kühlen Drink und einer hübschen Blondine am Strand rumlungern kann, froh ist, die Hölle der Gefangenschaft hinter sich gelassen zu haben, da die Tommys, die geradezu versessen darauf scheinen, sich im Kampfeinsatz beweisen zu können. Wenn diese absurde Kriegsgeilheit der Briten Shears am Ende das Leben kostet, kann er angesichts dieser Absurdität nur genervt das Gesicht verziehen.

Der Erfolg des Films wird meines Erachtens geringfügig durch die Tatsache getrübt, dass Nicholson – bei aller von Lean geübten Kritik – dann doch ein Stück besser wegkommt als sein japanischer Rivale. Klar, Nicholson ist irre, ein von sich selbst überzeugter Pfau, aber Saito ist demgegenüber einfach nur inkompetent. Nicht nur unterliegt er im Schwanzvergleich mit dem Briten, er ist auch völlig unfähig, das ihm überantwortete Projekt zu überwachen, und diese Unfähigkeit versucht er durch irrationale Grausamkeit zu verdecken. Dass er seinen Auftrag schließlich erfolgreich abschließt, zementiert nur seine Schande, denn Nicholson hat ihm die Verantwortung für den Bau vollkommen aus den Händen genommen. Saito gibt ein Bild des Jammers ab, schon bevor die Brücke dann nur wenige Stunden nach ihrer feierlichen Einweihung gesprengt wird. Aber ich glaube, es ging nicht so sehr darum, die Japaner als unfähiger darzustellen: Der Fokus lag ganz einfach auf der Darstellung des britischen Militärs, als rigidem, unmenschlichem System. Nicholsons Figur ist fast zwangsläufig facettenreicher und interessanter. Unmittelbar nach der Sichtung war ich mir außerdem sicher, dass der Handlungsstrang um die Rettungsmission der Briten den Film unnötig verwässert. Der Bau der Brücke, der ein monumentaler Akt sein sollte, nimmt im Film nur wenige Szenen ein, stattdessen wendet sich Lean den Strapazen der anderen Briten zu, die sich zu Fuß durch den undurchdringlichen Urwald kämpfen müssen, um die Brücke zu erreichen, bevor der erste Zug sie passieren kann. Vielleicht wäre THE BRIDGE ON THE RIVER KWAI noch stärker, wenn er sich ganz auf die Gefangenen und Nicholsons Wahnsinn konzentriert hätte. Mit ein paar Tagen Abstand bin ich mir da aber nicht mehr so sicher: Gerade im Kontrast zum sympathischen Shears gewinnt dieser Wahnsinn Kontur, zeigt sich wie irre das ganze kriegerische Unterfangen eigentlich ist. Und er ermöglicht wenigstens zeitweise einen Blickpunkt einzunehmen, der nicht durch den Hass verzerrt ist.

THEY WERE EXPENDABLE ist John Fords erster Spielfilm seit HOW GREEN WAS MY VALLEY von 1941 und er folgte einer Zeit, in der der Regisseur selbst im Zweiten Weltkrieg aktiv war. Als Filmemacher war er auch in dieser Phase natürlich nicht ganz untätig gewesen: So hattte er während des Krieges unter anderem die beiden Oscar-prämierten Dokumentationen THE BATTLE OF MIDWAY (1942) und DECEMBER 7TH (1943) gedreht. Als Navy-Soldat war er mit den in THEY WERE EXPENDABLE dargestellten Vorgängen vertraut: Der zugrunde liegende Bestseller von William Lindsay White basierte seinerseits auf den Erlebnissen des hochdekorierten Marine-Offiziers John D. Bulkeley (im Film „John Brickley“), den Ford während seiner Zeit bei der Navy selbst kennengelernt hatte, und so war es keine große Überraschung, dass MGM ihn als Regisseur haben wollte. Auf dem Papier ist THEY WERE EXPENDABLE ein typischer Vertreter seiner Zunft: Man könnte ihn als Propaganda, als Mutmach- und Durchhaltefilm bezeichnen, wie sie in der letzten Phase des Weltkrieges entstanden, um die letzten Reserven zu mobilisieren. Im Kontrast zu den realen Vorgängen, bei denen sich das Blatt trotz der verheerenden Niederlage im Pazifik längst zugunsten der Alliierten gewendet hatte, sind die Filme dieser Zeit aber nicht etwa ein Spiegel des greifbaren Triumphes, vielmehr zeichnen sie sich durch eine melancholische, resignative Weltsicht aus. Sie sind bereits durchzogen von der Gewissheit, dass dem „Sieg“ eine lange Leere, geprägt von der Trauer um die Gefallenen und der schweren – vielleicht unmöglichen? – Rückkehr in den Alltag, folgen wird. Fords THEY WERE EXPENDABLE entspricht diesen Charakteristika, verstärkt diesen melancholisch-resignativen Zug aber noch und thematisiert nicht etwa den Sieg, sondern handelt eben von einer der vielen Niederlagen, die dorthin führten. Zwischen den aufwändigen Schlachtszenen zeichnet er sich vor allem durch einen warmen, intimen und aufrichtigen Blick auf seine Protagonisten aus, die er nicht in Momenten des Heldentums einfängt, sondern eben als ganz normale Menschen in einer Extremsituation. Mein erster Eindruck während und nach der Sichtung war eher der eines technisch und logistisch beeindruckenden, inhaltlich aber „leeren“ Kriegsfilms: ein Urteil, das man auf zahlreiche dieser „Propagandafilme“ anwenden kann. Erst im Nachgang und nachdem ich einige Texte gelesen hatte, wurde mir klar, dass diese Einschätzung dem Film nicht gerecht wird. Ganz überraschend ist der Fehlschluss nicht: Das Herz von THEY WERE EXPENDABLE liegt nicht in seiner Story oder in seinen großen Set-Pieces, sondern in den flüchtigen Blicken, die Ford auf Nebenfiguren und Statisten wirft, im kameradschaftlichen Miteinander der porträtierten Marine-Soldaten, in den Gefühlen, die sie in ihrem Mienenspiel, in ihren Gesten und Dialogzeilen offenbaren. Glaubt man einigen Berichten, war Ford ein noch deutlich leiserer Film vorgeschwebt, aber das passte seinen Geldgebern nicht in den Kram: Vor allem mithilfe der pathetischen Musikuntermalung und der finalen Texteinblendung „They shall return!“ betonte das Studio den Heroismus der amerikanischen Soldaten, sehr zum Missfallen des Regisseurs, der sich wohl auch entsprechend äußerte. Auch John Wayne hatte es dem Vernehmen nach nicht einfach am Set und wurde von seinem Regisseur besonders harsch behandelt: Der Star war einer der wenigen am Set, die über keinerlei Armee-Erfahrung verfügten. Ausnahmslos gute Erinnerungen dürfte indessen Robert Montgomery mit THEY WERE EXPENDABLE verbunden haben, der Ford hinter der Kamera ersetzte, als dieser wegen eines Beinbruchs ausfiel, und dabei einigen Gefallen an dieser Tätigkeit fand: Zwischen 1945 und 1960 drehte er fünf Filme, darunter die Noirs LADY IN THE LAKE und RIDE THE PINK HORSE.

THEY WERE EXPENDABLE handelt von einer auf den Philippinen stationierten, von Lieutenant John „Brick“ Brickley (Robert Montgomery) kommandierten Schnellboot-Flotte. Brickleys Männer, darunter seine rechte Hand Lieutenant „Rusty“ Ryan (John Wayne), müssen mit den Vorurteilen der Generäle kämpfen, die die neuen schnellen, wendigen, aber nur wenig widerstandsfähigen Boote konsequent unterschätzen, lieber auf die Feuerkraft von Zerstörern setzen und Brick und Konsorten mit läppischen Botenaufträgen abspeisen. Vor allem Rusty ist genervt und hat sein Abberufungsgesuch schon in der Schublade. Nach dem Angriff auf Pearl Harbor wendet sich das Blatt: Die Schnellboote können sich im Kampfeinsatz beweisen, allerdings ohne Zutun von Rusty, der wegen einer Blutvergiftung im Lazarett weilt, wo er die Krankenschwester Sandy Davyss (Donna Reed) kennen und lieben lernt. Doch die Freude ist nur von kurzer Dauer: Unter den Angriffen der Japaner wird der Rückzug angeordnet. Brick und Rusty erhalten den Befehl, den „General“ – hinter dem sich unverkennbar der Kriegsheld General Douglas MacArthur verbirgt – und seine Familie in Sicherheit zu bringen. Nach erfolgreicher Mission werden die beiden in die Heimat zurückbeordert, wo sie als Ausbilder die Schlagkraft einer neuen Schnellboot-Flotte sicherstellen sollen, während viele ihrer Kameraden vor Ort einer ungewissen Zukunft – Tod, Gefangenschaft – entgegensehen …

Wie der schöne und umfangreiche Eintrag zum Film auf der Seite TV Tropes zeigt und wie ich oben schon angedeutet habe, ist THEY WERE EXPENDABLE in vielerlei Hinsicht ein „typischer“ Film seiner Gattung: Ford greift auf zahlreiche damals bereits bestehende und zum Teil bis heute gültige dramaturgische und inszenatorische Kniffe und Klischees zurück, die man als Zuschauer kennt, sofern man mehr als einen Kriegsfilm gesehen hat: Da gibt es den verschworenen Soldaten-Haufen, der wie die US-Bevölkerung einen bunten Querschnitt durch unterschiedliche Ethnien darstellt (ein Schwarzer fehlt allerdings), gibt es etwa den nie um einen Spruch verlegenen Koch, eine schwarze Katze, die als Glücksbringer fungiert, ausgelassene Saufgelage, gemeinsam intonierte Seemannslieder, von Sterbenden oder Zurückbleibenden weitergegebene Briefe für die Angehörigen zu Hause, den Konflikt zwischen den realitätsfernen Generälen und den Frontkämpfern, eine romantische Liebesgeschichte, ernüchtert gesprochene Abschiedsworte, den alten Zausel, der sich weigert, vor dem Feind zu fliehen, die Jungspunde, die manchen groben Scherz über sich ergehen lassen müssen, aber sich auch auf die väterliche Unterstützung der alten Hasen verlassen können, und natürlich die ausufernden Szenen, in denen die Überlegenheit der Kriegstechnik in dynamische, explosive Bilder verpackt wird. Es sind bezeichnenderweise letztere, bei denen mein Interesse immer wieder erlahmte, auch wenn der betriebene Aufwand immens gewesen sein dürfte und Ford tatsächlich den Eindruck vermittelt, „mittendrin“ zu sein, wenn da Torpedos durchs Wasser schießen, Explosionen die Luft zerreißen oder das Wasser hochspritzen lassen, japanische Kampfflieger vom Himmel stürzen und Schiffe in gewaltigen Feuerbällen und Rauchsäulen aufgehen. Immer, wenn das menschliche Element aus dem Fokus gerät, wird THEY WERE EXPENDABLE etwas austauschbar und beliebig, was nicht zuletzt daran liegt, dass Ford „den Feind“ komplett ausblendet. Der Zuschauer bekommt keinen einzigen Japaner zu Gesicht, es gibt keine einzige direkte Konfrontation zwischen einem Amerikaner und einem Japaner, es wird noch nicht einmal über ihn geredet. Das Augenmerk liegt ganz auf den amerikanischen Marinesoldaten, gleichwohl geht damit nicht der Vorwurf einher, Ford entindividualisiere den Gegner. Es ist vielmehr völlig klar, dass der Krieg als Gesamtunternehmung ein grausames Spiel ist, mit Opfern und Tätern auf beiden Seiten und den gleichen tragischen Geschichten hier wie dort.

Es sind dann eben auch vor allem die kleinen, intimeren Momente, in denen das deutlich wird: Etwa in dem ängstlich-schockierten Blick einer philippinischen Sängerin, als diese erfährt, dass Amerikaner und Japaner nun offiziell im Kriegszustand sind. In Bricks Erklärung, dass es nicht die Aufgabe ihrer Flotte sei, einen „Homerun“ zu schlagen, sondern durch ihr eigenes Opfer einem „Teamkameraden“ zum Punkt zu verhelfen. In Rustys Telefonat mit seiner Geliebten, der er vor seiner letzten Mission nur mitteilt, dass er nicht weiß, ob sie sich jemals wiedersehen werden, bevor die Verbindung unterbrochen wird. Im Schicksal zweier Offiziere, die das Glück haben, via Warteliste einen Platz im Flieger gen Heimat zu erhalten, nur um dann doch zwei gerade noch rechtzeitig ankommenden Nachzüglern weichen zu müssen und schnell noch Briefe an ihre Familien abgeben. In dem Gesicht des jungen Rekruten, der bei einem zünftigen Gelage aufgrund seines Alters nur mit Milch anstoßen darf. In den kurzen Verabschiedungsritualen der Männer, die entweder nach Hause fahren dürfen oder aber zurückbleiben müssen. In dem munteren, verspielten und vertrauten Miteinander der Männer zwischen den Einsätzen. Besonders rührend ist die Szene, in der Sandy ihren Rusty besucht und mit seinen engsten Vertrauten ein Abendessen einnimmt, bevor sich die Männer zurückziehen und dem Pärchen einen Moment der Zweisamkeit gönnen. Da sieht man den Figuren in jeder Faser an, wie kostbar diese Momente des Friedens und des unbeschwerten Zusammenseins sind, was es auch bedeutet, eine Frau in der Mitte zu haben. Nur mit viel Boshaftigkeit könnte man den Vorwurf erheben, dass Ford den Militärdienst verharmlose und glorifiziere: Immer wieder ist von den übermenschlichen Entbehrungen die Rede, von der Aufopferung für das Heimatland und die damit verbundenen Werte. Er hinterfragt die Richtigkeit dieser Überzeugung nicht, aber er zeigt, dass da Menschen ihr Leben für etwas aufs Spiel setzten, was sie für größer als sich selbst halten, ohne wirklich zu wissen, worauf sie sich einließen. Auffällig ist auch, dass nie gejammert oder geklagt wird: Das eigene Schicksal wird mit großer Tapferkeit, Verantwortungsbewusstsein und einem gesunden Maß an Galgenhumor getragen. So gelingt es Ford auf eindrucksvolle Art und Weise, ein Denkmal für die Menschlichkeit zu errichten, ohne jemals explizit Partei zu ergreifen. Es gibt keine erklärenden Monologe oder mit Inbrunst vorgetragene Reden. Selbst das kurze Gedicht, das Rusty für zwei gefallene Kameraden hält, zeichnet sich durch seine emotionale Zurückhaltung aus. „Würdevoll“ ist wahrscheinlich der richtige Ausdruck dafür. Der Krieg erscheint bei Ford als großer Gleichmacher: Nichts zeigt das deutlicher als die Degradierung Waynes, schon damals ein strahlender Leinwandheld, Fleisch gewordener Mythos, der ins zweite Glied hinter dem optisch durchschnittlichen Montgomery zurücktritt und noch nicht einmal die Frau bekommt. Im Krieg wird auch der größte Held auf Maß gestutzt.

 

 

 

… habe ich mich gemeinsam mit dem unzerstörbaren Pelle Felsch als Kriegsberichterstatter verdingt. Dabei standen wir aber nicht auf einem Hochhausdach in Bagdad, während um uns herum die Scud-Missiles wie grüne Blitze vom Nachthimmel einschlugen, sondern begaben uns mitten ins Krisengebiet Hagen, da wo sich noch nicht einmal der Taliban hintraut.

Da es bei mir an der Filmprotokollisten-Front derzeit eher mau aussieht (ich schaue ausschließlich DERRICK), mich aktuelle Aufreger wie MANDY oder SUSPIRIA-Remakes so gar nicht locken, bin ich froh, wenigstens das Erscheinen der Blu-ray von JÄGER DER APOKALYPSE vermelden zu können, zu der ich mit oben genannter Sumpfdotterblume einen Audiokommentar aufgenommen habe.

Ob das jetzt ein zusätzlicher Kaufanreiz ist, sei mal dahingestellt, der Film allein und die Tatsache, dass er mit dieser VÖ zum ersten Mal in Deutschland ungeschnitten auf einem HD-Medium vorliegt, sollte euch die Investition aber eigentlich allein schon wert sein. Und Andreas Bethmann freut sch bestimmt auch!

Danke für eure Aufmerksamkeit!

Sirks vorletzter Spielfilm ist einer der bittersten, desillusioniertesten Kriegsfilme, die ich kenne – und zudem eine deutliche Abrechnung des Regisseurs mit seiner Heimat, der er aufgrund der drohenden Gefahr 1937 den Rücken kehrte und in die USA emigrierte. Sirk bzw Sierck hatte 1934 die jüdische Schauspielerin Hilde Jary geehelicht. Seine Ex-Frau Lydia Brinken Sierck hingegen trat der NSDAP bei und verbat dem Gatten, den gemeinsamen Sohn Klaus Detlef zu sehen. Sirk traf seinen Sohn, der eine Karriere als Kinderdarsteller bei der UFA einschlug, nie wieder: Er starb kurz vor Kriegsende an der Ostfront im Alter von nur 18 Jahren.

Sirks erster Film in den USA war – angesichts seiner Herkunft wahrscheinlich wenig überraschend – HITLER’S MADMAN, ein lupenreiner Propagandafilm, der die „Operation Anthropoid“, den Mordanschlag auf SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich (gespielt von John Carradine), sowie den anschließenden Vergeltungsschlag der Nazis gegen das kleine tschechische Dörfchen Lidice zum Thema hat. Seiner Zielsetzung entsprechend zeichnet der Film Heydrich als grausame Bestie, die Partisanen aus Lidice als glutäugige Idealisten, und die Zerstörung des Dörfchens, bei der auch auf Frauen und Kinder keinerlei Rücksicht genommen wurde, als Akt amoklaufender Unmenschlichkeit. A TIME TO LOVE AND A TIME TO DIE zeichnet ein deutlich differenzierteres Bild sowohl der Kriegsgräuel als auch der Ereignisse in Deutschland, was seiner Wirkung aber keinen Abbruch tut. Sirk lässt an den Verbrechen und der Dekadenz der Nazis keinen Zweifel, aber er begeht nicht den Fehler, sie mit der Gesamtheit der deutschen Bevölkerung gleichzusetzen. Es geht ihm hier also nicht um Revanchismus oder Schuldzuweisungen, wobei seine Haltung in jeder Sekunde erkennbar bleibt. Die Erkenntnis, die man aus seinem Film mitnehmen kann, ist größer, universeller: Es kann keine Gewinner geben im Krieg, der ein einziges Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist – und gegen Gott, so man denn an ihn glaubt – und meist auf dem Rücken derer ausgetragen wird, die mit irgendwelchen machtpolitischen Ambitionen nicht das Geringste zu tun haben.

A TIME TO LOVE AND A TIME TO DIE beginnt im Jahr 1944 an der Ostfront: Die deutsche Armee bestreitet ein aussichtsloses Rückzugsgefecht, nur die verblendetsten Hardliner glauben noch an einen triumphalen „Endsieg“, die meisten wollen nur noch nach Hause. Der junge Soldat Ernst Graeber (John Gavin) hat Glück: Er darf für drei Wochen in die Heimat, doch dort angekommen, findet er nur noch Trümmer vor. Das Haus seiner Eltern wurde zerbombt, von seinen Angehörigen fehlt jede Spur. Auf der Suche nach Hinweisen über ihren Aufenthalt trifft er Elisabeth (Lieselotte Pulver), die Tochter seines alten Hausarztes, der eines Tages abtransportiert wurde. Ernst und Elisabeth verlieben sich, beschließen zu heiraten und versuchen, die verbleibenden Tage seines Urlaubs möglichst gut zu füllen. Dann erhält er den Marschbefehl …

Einen jungen deutschen Wehrmachtssoldaten zum Sympathieträger eines Kriegsfilmes zu machen, war 1958 sicherlich noch ein Wagnis, zudem in einer amerikanischen Großproduktion. Es ist schon sehr auffällig, dass Sirk in A TIME TO LOVE AND A TIME TO DIE eine ausschließlich deutsche Perspektive einnimmt; will sagen: Es gibt ein paar russische Figuren im Film, aber keinerlei US-Amerikaner oder sonstige Angehörige der Alliierten. Der Zuschauer marschiert zunächst mit den Soldaten durch den sibirischen Schneematsch, mischt sich dann unter die ausgebombte Zivilbevölkerung, die sich mit der Situation arrangieren muss – und gleichzeitig aufpassen, dass sie niemandem einen Grund bieten, sie bei der Obrigkeit anzuschwärzen -, bevor er für das niederschmetternde Finale an die Front zurück muss. Filme wie PLATOON, FULL METAL JACKET, SAVING PRIVATE RYAN oder HACKSAW RIDGE haben die Grenzen des Zeigbaren kontinuierlich Richtung Splatter verschoben und erwartungsgemäß hat Sirk mit dieser Zeigefreude nichts zu tun. Aber trotzdem schlägt er mitunter einen Ton an, dessen Schonungslosigkeit überrascht. Gleich zu Beginn stolpern die deutschen Landser über die Hand eines Toten, die aus der Schneedecke herausragt. Einer der Soldaten freut sich, ist die Sichtbarkeit dieser Hand doch ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Schnee schmilzt und der Frühling kommt. Als der Tote ausgegraben und als Deutscher identifiziert wurde, äußert sich ein anderer erschrocken darüber, dass der Tote weine: Nein, das seien nur die gefrorenen Augen, die jetzt langsam wieder auftauen … A TIME TO LOVE AND A TIME TO DIE hat keinen elaborierten Plot, aber er steckt voller solcher makabrer, erschreckender, gut beobachteter Details, die den Film lebendig machen und einem einen Schauer über den Rücken jagen. David Thayer hat einen Sahnepart als Nazioberst abbekommen, der in seiner Villa allen Luxus genießt, während draußen die Menschen verhungern: Mit einem schadenfrohen Grinsen berichtet er davon, wie er den alten Lehrer, der ihn einst hatte durchfallen lassen, ins KZ geschickt habe, nur für ein paar Monate, um ihm „einen Schrecken einzujagen“. Und wenn Klaus Kinski in einer anderen Nazirolle den Protagonisten Graeber um eine Unterschrift bittet, verwandelt Sirk das in einen Suspense-Moment von fast Hitchcock’scher Intensität.

Zum großen Erfolg tragen auch die Settings bei: Gedreht wurde überwiegend in Berlin und die Trümmerlandschaften, in denen sich ein Großteil des Films abspielt, verleihen dem Ganzen eine surreale oder eher parabelhafte Qualität (die kafkaesk-beckett’sche Suche nach den Eltern unterstreicht diesen Aspekt). Im Hintergrund sowohl der Szenen in Russland wie auch jener in Deutschland sieht man einen gleichgültigen, blassblauen Himmel, als spiele sich das alles vor einem riesigen Bluescreen ab. Auch wenn Sirk seinen Film in Deutschland ansiedelt: Er könnte nahezu überall spielen. Das Spiel der Akteure hingegen ist so konkret und so wenig abstrakt wie möglich: Mit John Gavin und Lieselotte Pulver wählte man zwei unbeschriebene Blätter aus, die die nötige Unbekümmertheit und Natürlichkeit mitbringen. Der deutsche Zuschauer freut sich über ein Wiedersehen mit vielen bekannten Gesichtern des Nachkriegskinos: Dieter Borsche, Barbara Rütting, Charles Regnier, Alice Treff, Kurt Meisel, Ralf Wolter sowie der Autor Remarque und andere treten in kleinen und großen Nebenrollen auf und erfüllen auch noch den unbedeutendsten Part mit Leben.

Ich halte A TIME TO LOVE AND A TIME TO DIE auf Anhieb nicht nur für einen der stärksten Sirks und einen der besten Antikriegsfilme überhaupt, sondern gerade für Deutsche eigentlich für Pflichtprogramm. Natürlich habe ich bereits viel über das Leben im und nach dem Zweiten Weltkrieg gehört und gelesen, aber Sirks Film gibt dennoch einen sehr guten bildlichen Eindruck, wie das gewesen sein könnte, und hilft dabei, das Unbegreifliche zu verstehen. Der ganze Wahnsinn kommt in einer Szene kurz vor Schluss zum Ausdruck: Die Männer werden an die Front abkommandiert, stehen zitternd an den Fenstern des Zuges, auf dem Bahnsteig verabschieden sich Frauen und Kinder von ihnen, wissend, dass sie ihre Väter, Ehemänner und Söhne vielleicht nie wiedersehen werden. Es entbrennt ein kleiner Streit zwischen einem Mann und seiner Frau: Er will, dass sie mit dem frierenden Sohn nach Hause gehe, sie antwortet nur barsch: „Nein, er kann warten.“ Es ist eine Situation, die niemand erleben müssen sollte.

Ein Schiff liegt still in der Abenddämmerung vor der Küste einer Karibikinsel. Ein warmer, schwüler Wind geht. Die Matrosen stehen an der Reling, gelangweilt und geil, lauschen den verführerischen Gesängen der einheimischen Schönheiten, die am Strand nur darauf warten, endlich diese fremden Männer besuchen zu können, die vom anderen Ende der Welt kommen. Doch bevor sie an Bord klettern, in ihren üppig gefüllten Obstkörben ist natürlich auch etwas Rum versteckt, müssen sie noch etwas warten. Und mit ihnen die Männer, von denen viele längst auf diesem Schiff zu Hause sind. Für ein Leben an Land und die menschliche Gesellschaft sind sie nicht mehr zu haben: Sie treiben von einem Hafen zum nächsten, ständig in Bewegung, doch darum, ein „Ziel“ zu erreichen, geht es längst nicht mehr. Eine Ausnahme ist der Schwede Olsen (John Wayne), ein junger, gutaussehender Mann, der ein Zuhause, ein Mädchen, eine Familie und Hoffnung auf eine Zukunft jenseits trauriger Seelenverkäufer hat. THE LONG VOYAGE HOME erzählt viele kleine Geschichten, aber im Mittelpunkt steht die Mission von Olsens Kameraden, sicherzustellen, dass er dieses Schiff nach Hause nimmt, nicht wie sie direkt auf dem nächsten Kahn anheuert.

John Fords Film beginnt wie ein feuchter Traum: Das ganze Karibik-Szenario ist entweder als unwirklich oder aber als hyperreal zu bezeichnen. Die Luft ist elektrisch aufgeladen, man spürt die Lust der Seeleute und die Freude der Frauen daran, einmal so begehrt zu sein wie Filmstars. Die Langeweile liegt Zentnerschwer auf den Schultern der Seemänner, die die ganze Welt bereisen, aber doch immer nur dieselben schäbigen Pinten sehen, von ihren Vorgesetzten an der kurzen Leine gehalten werden und am Ende mit einem traurigen Hungerlohn für die Knochenarbeit bedacht werden, der ihnen keine andere Perspektive offenbart, als gleich den nächsten Auftrag anzunehmen.

Der Beginn des Zweiten Weltkriegs und der bevorstehende Auftrag, eine ganze Schiffsladung von TNT sprichwörtlich unter dem eigenen Hintern nach Großbritannien zu transportieren, verursacht eine gewisse Nervosität, aber unter den Belastungen des Alltags, der Enge in den winzigen Kojen und dem Mangel an Zerstreuung liegen die Nerven eh schon blank. Yank (Ward Bond), einer der Veteranen unter den Matrosen, erliegt einer Verletzung, die er sich bei dem Versuch zuzieht, das Schiff während eines Sturms vor dem Kentern zu bewahren, danach versteigen sich die überspannten Männer in den Verdacht, der eigenbrötlerische Alkoholiker Smitty (Ian Davis) sei ein Spion in Diensten der Nazis. Besonders die Zeitungsmeldung, deutsche Spione nutzten harmlose Liebesbriefe als Geheimnachrichten, regt die Fantasie der Matrosen an: In einer schmerzhaften Szene halten sie Smitty fest und verlesen in seiner Gegenwart laut seine privaten Briefe, die er in einem kleinen Kästchen aufbewahrt. Erst nach einigen Minuten geht ihnen auf, wie schäbig und idiotisch ihre Verdächtigungen sind. Der Schaden ist da aber bereits nicht mehr rückgängig zu machen. Wie geprügelte Hunde wenden sie sich ab, beschämt über ihre Niedertracht.

THE LONG VOYAGE HOME endet in einem britischen Hafen: Bevor sie Olsen auf sein Schiff nach Hause schicken, gehen die Männer noch einmal gemeinsam einen draufmachen, doch plötzlich ist der Kumpel weg, entführt von niederträchtigen Gesellen, die Betrunkene in den Kneipen aufgreifen, um sie dann auf ihre Schiffe verschleppen und zur Arbeit als Besatzungsmitglieder zu verdonnern. In einer finalen Keilerei gelingt es ihnen, ihren Freund zu befreien und ihre Mission zu erfüllen, doch zu spät bemerken sie, dass der alte Driscoll (Thomas Mitchell) dabei zurückgeblieben ist. Das Bedauern weicht einem schadenfrohen Lachen: Drisk hat schon so viele Schiffe gesehen, er wird es schon überstehen. Nur einer lacht nicht: Er lässt die Zeitung, die davon berichtet, dass Drisks Schiff im Ärmelkanal von den Deutschen torpediert wurde, ins Wasser gleiten …

Strukturell unterscheidet sich THE LONG VOYAGE HOME nicht so sehr von dem zur selben Zeit entstandenen THE GRAPES OF WRATH: Beide Filme sind „Reisefilme“, deren Narration durch die chronologische Abfolge von Episoden bestimmt wird. Doch THE LONG VOYAGE HOME wirkt noch deutlich loser und „entspannter“: Das liegt wohl auch daran, dass er sich trotz seiner Verortung im Zweiten Weltkrieg nicht in erster Linie mit historischen Fakten beschäftigt. Ja, es geht auch darum, was die Kriegserfahrung mit den Männern macht, wie sie sich auf ihr Denken und Handeln auswirkt, aber um welchen Krieg es sich dabei handelt, ist zweitrangig. Das ist gewissermaßen der Punkt: Ford erklärt gleich zu Beginn auf einer Texttafel, dass sein Film von Menschen handelt, die aufgrund ihrer Arbeit vom weltlichen Geschehen gewissermaßen entkoppelt existieren. Auf hoher See spielt das, was die „Landmenschen“ beschäftigt, eine nur sehr untergeordnete Rolle. THE LONG VOYAGE HOME entwickelt einen sehr eigenartigen Rhythmus und folgt einer fremdartigen Erzähllogik, in der die Ereignisse keine echten Konsequenzen haben. Der Tod fährt immer mit, das Risiko ist bekannt, für Trauer bleibt keine Zeit. Alle haben sich damit arrangiert, dass es sie schon bei der nächsten Fahrt genauso treffen könnte und nicht wenige von ihnen würden den Tod sogar als Erlösung ansehen. Der Film ist traurig und deprimierend, aber nicht wehleidig oder selbstmitleidig: Er erinnert darin etwas an die existenzialistischen Filme Jean-Pierre Melvilles, dessen Helden den eingeschlagenen Weg, den sie als den ihren erkannt haben, unbeirrbar verfolgen, auch wenn sie wissen, dass er sie nirgends hinführen wird. Dieses Wissen ist aber auch der Ursprung einer Kameradschaft, die die Männer zusammenschweißt und sie manche Härte überwinden lässt – und natürlich die ausgelassene Freude in den wenigen Stunden, in denen sie ihre Freiheit umso mehr genießen.

John Wayne spielt die nominelle Hauptrolle, aber er ist eigentlich nur eine Projektionsfläche, sowohl für seine Kumpels als auch für den Zuschauer: Er tut wenig mehr, als groß und gutaussehend im Wind zu stehen, all das zu verkörpern, was die anderen längst aufgegeben haben. Seine Dialogzeilen sind rar und selten gewichtig. Er ist ein Außenseiter an Bord, aber nicht im negativen Wortsinn: Alle schauen zu ihm auf, weil sie in ihm all das eigene ungehobene Potenzial sehen. Ihm den Abgang zu ermöglichen, wird ihre Lebensmission: Olsen soll das erreichen, was sie nicht geschafft haben und für sie das Leben führen, das ihnen nicht vergönnt war. Es gibt aber keinen tränenreichen Abschied, keine großen Reden und Freundschaftsbekenntnisse: Ein Film, der es mit seinem Altruismus ernst meint, muss seine Wohltäter nicht in strahlendem Licht erscheinen lassen. Sie tun einfach das, was sie für richtig halten, für ihren Freund. Ob der ihnen dafür dankbar ist und ihre Opferbereitschaft anerkennt, spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass er sein Schiff erreicht. Das reicht als Lohn.

Ich habe eben gelernt, dass der vom großen Gregg Toland fotografierte Film filmhistorisch für seinen Einsatz von Rückprojektionen bedeutsam war, mit denen der Kameramann seine später in CITIZEN KANE perfektionierten Tiefenschärfeaufnahmen verwirklichte. Tatsächlich ist THE LONG VOYAGE HOME visuell ein Gedicht, ganz gleich, ob er die sirenenhaft singenden Karibikschönheiten am Strand einfängt, die Rauchkringel, die Yank in die schwüle Seebrise bläst, oder die klaustrophobische Enge unter Deck der Glencairn. Aber am Ende summiert sich das alles zu dieser großen, versöhnlichen und hoffnungsvoll stimmenden Erkenntnis, dass auch der ärmste Tropf im Leben die Gelegenheit bekommt, etwas zu tun, das größer ist als er.

Wenn man Texte über das sogenannte Exploitationkino (von vielen auch gern als „Trash“ bezeichnet) liest, geht es dort oft um die Frage, was vom Filmemacher „beabsichtigt“ war. Ein „guter“ Film, so die zugrundeliegende These, folgt einem von Regisseur und Drehbuchator akribisch ausgearbeiteten Plan, dessen lückenlos erfolgreicher Entfaltung man als Zuschauer beiwohnen darf. Im Exploitationfilm hingegen, an dem sich bekanntermaßen nur Geschäftsmänner, Gescheiterte, Dilettanten und sonstige zwielichtige Gestalten tummeln, erfreut man sich an der Ästhetik der Unabsichtlichkeit. Was gut war, war unmöglich „gewollt“, im Unzulänglichen zeigt sich hingegen dieWahrheit. Zum Teil ist das natürlich nachvollziehbar: Von klammen Budgets gebeutelt und mit drittklassigen Akteuren geschlagen, sind der Vision des B-Filme-Machers (um mal einen weiteren unscharfen Begriff zu verwenden) meist engere Grenzen gesetzt, als dem Studiodarling, das für seine Produktion aus dem Vollen schöpfen kann. Aber wenn ein Film gut ist, ist es ja völlig gleichgültig, ob das so gewollt war oder eine glücklichen Fügung des Schicksals zu verdanken ist. Manche Filme sind scheiße, völlig unabhängig von production values, möglicherweise großen Ambitionen und eingesetzter Kompetenz. Andere gelingen gegen jede Wahrscheinlichkeit, profitieren von Hingeworfen- und Ungeschliffenheit. Wieder andere sind so perfekt, dass man vor Langweile einschläft. Und manche erreichen gerade in ihrem Misslingen eine Brillanz, die sie unverwechselbar macht. Das wirft die Frage auf, was diese objektive Qualität der Wohlgeformtheit eigentlich wert ist und welche Rolle der Intention, die man ja nie mit Gewissheit belegen, bestenfalls unterstellen kann, überhaupt zugemessen werden muss.

PLATOON LEADER wirkt gnadenlos überambitioniert – das ist ja schon einmal ungewöhnlich für einen Dudikoff-Film – und verfehlt sein angepeiltes Ziel auf den ersten Blick um mehrere Längen. Was ich wollte, war ein feister Actioner, wie ihn das geile Videocover mit seinen öligen Muskeln, geschwollenen Adern und im Sonnenlicht glänzenden Monsterknarren verspricht: Einen Film, der reinläuft, nicht wehtut, höchstens Ärsche tritt. Einen Gebrauchsfilm hal. Das ist PLATOON LEADER nicht. Stattdessen habe ich mich mitunter vor dem Bildschirm gewunden angesichts der ungeschickt dargebotenen Klischees, mich gefragt, ob man das wirklich nicht hätte besser hinbekommen können, mich gefragt, wann Dudikoff denn endlich den American Fighter des Vietnamkriegs gibt und die gesichtslosen Widersache plattmacht. Gut, Aaron Norris wird gewiss nicht als großer vergessener Künstler in die Annalen eingehen, wahrscheinlich noch nicht einmal als großer Action-Regisseur (er inszeniert immer etwas sediert, fängt seinen berühmteren Bruder in DELTA FORCE 2 in endlosen, völlig unspektakulären Zeitluopnstudien ein, die fast schon avantgardistisch sind in ihrer Ereignislosigkeit), und so ist es nicht so verwunderlich, dass er auch hier, in dem verzweifelten Versuch, Stones PLATOON und Kubricks FULL METAL JACKET nachzueifern, hart an seine Grenzen stößt. Aber gerade in seinem Scheitern, einen mitreißenden, von seinen Charakteren getragenen Vietnamfilm zu machen, erreicht er manchmal eine transzendente Wahrhaftigkeit, die den objektiv betrachtet „besseren“ Werken verschlossen bleibt. Dass das seine Absicht war, wage ich zu bezweifeln. Aber das ändert ja nichts an der Tatsache.

Es gibt nur wenig Grund anzunehmen, dass PLATOON LEADER mehr sein sollte, als ein an Stones supererfolgreiches Vorbild angelehntes Vehikel für die Videotheken-Klientel (auch wenn er in den USA einen Kinostart hatte). Drehbuchautor Andrew Deutschs Filmografie umfasst u. a. den unfassbaren MERCENARY FIGHTERS mit Reb Brown und Peter Fonda, den Dudikoff-Film RIVER OF DEATH und DELTA FORCE 3: THE KILLING GAME, von seinem Kollegen Rick Marx stammen solche Perlen wie NASTY GIRLS, DADDY’S LITTLE GIRL, SEX SPA U.S.A. oder BROOKE DOES COLLEGE. Ihr Script basiert auf dem Erlebnisbericht des Veteranen James R. McDonough, dessen kommerzielles Potenzial dann niemand geringeres als Harry Alan Towers erkannte, einer der „Großen Alten“ des europäischen Exploitationkinos. PLATOON LEADER verfügt dann auch über Towers-übliche respektable Schauwerte – besonders die Kameraarbeit von Arthur Wooster (Second Unit Photographer u. a. bei allen Bond-Filmen von FOR YOUR EYES ONLY bis DIE ANOTHER DAY) ist erwähnenswert -, aber es gelingt nicht recht – ebenfalls ein untrügliches Towers-Merkmal – die einzelnen Zutaten zu einem homogenen Ganzen zusammenzufügen. Es fehlt ein durchgehaltener dramaturgischer Spannungsbogen, der Film bewegt sich sprunghaft und elliptisch, die Charaktere bleiben schablonenhaft und ihre Motivationen undurchsichtig. Dudikoff ist als Protagonist eine Leerstelle, eine Nebenfigur mutiert inneralb weniger Szenen vom gut gelaunten Kiffer zum depressiven Stoner zum Selbstmörder durch goldenen Schuss. Die emotionalen Ausbrüche der Figuren, die Aaron Norris immer wieder einfängt, wirken auf den Zuschauer angesichts solcher Lücken aufgesetzt und nur wenig nachvollziehbar. PLATOON LEADER erinnert mitunter an ein Malen nach Zahlen, ein Abpausen vorgegebener Formen. Das Ergebnis ist eckig und nachrangig.

Dann gibt es aber wieder sehr gelungene Momente wie jene Szene, in der das Platoon bei einem Erkundungsgang plötzlich von heranstürmenden Vietcong überrascht wird, sich eilig zwischen dem hüfthohen Farn am Boden versteckt und nur atemlos darauf warten kann, dass der Feind vorüberzieht, ohne etwas zu bemerken. Als das tatsächlich geschieht, stehen sie nur verdutzt da, können ihr Glück kaum fassen. Die Bedrohung ist so schnell verschwunden wie sie auftauchte – wie ein Albtraum, der einem den Schweiß auf die Strn treibt, an den man sich nach dem Aufwachen aber kaum noch erinnern kann. Manch vermeintlicher Makel erscheint angesichts solcher Szenen in einem anderen Licht: Ist es nicht so, dass Krieg für den Soldaten an der Front einfach nur eine Abfolge unverbundener Einelereignisse ist, die es zu überleben gilt? Dass die Kameraden kommen und gehen, sich ihre Geschichten unweigerlich gleichen? Wie es ein Soldat zu Beginn beschreibt: „You go out on patrol, and you kill a few of them. Then they kill a few of yours. Then you go back to base. Eat. Sleep. Next day, same thing. Before you know it, you’re either dead, or you’re going home.“ Wie das Grauen ermüdende Routine wird, selbst die evozierten Emotionen nur noch Reflexe sind, das fängt PLATOON LEADER vielleicht sogar auf ehrlichere Weise ein als die „großen“ Vietnamkriegsfilme, die ja trotzdem noch eine Spannungsdramaturgie brauchen, eine Entwicklung, eine Perspektive. Ganz kann sich PLATOON LEADER nicht davon trennen. Man merkt, er möchte ein emotionaler Film über Menschen sein, wichtige Erkenntnisse über sie vermitteln und über ihren Drang, sich immer wieder gegenseitig umzubringen, aber weil Norris das Rüstzeug dafür fehlt, ist er dann doch nur einer über entkernte Wesen, die mit dem Sein ringen und daran scheitern, Individuen zu sein. Das ist aber ja auch etwas, Absicht oder nicht. Das feiste Geballer hat mir aber trotzdem gefehlt.

 

Und noch ein Meilenstein: John Fords erster Farbfilm erzählt von den Geburtswehen der USA und setzt den Siedlern, die das neue Land mit großen Träumen erschließen wollten, dabei große Entbehrungen auf sich nahmen und im Unabhängigkeitskrieg aufgerieben wurden, ein Denkmal. Historische Genauigkeit genießt dabei nicht oberste Priorität: Die im Film dargestellten Ereignisse basieren zwar auf realen Ereignissen – der Kampf um das Mohawk-Tal spielte eine wichtige Rolle im Unabhängigkeitskrieg -, haben aber nicht immer ein direktes Vorbild. Es spielt keine Rolle, denn es wird klar, worum es Ford geht: eine Art amerikanischen Schöpfungsmythos zu schaffen, mit archetypischen, aber niemals zu idealisierten Figuren und einer Storyline, die vom leichtfüßigen, unbeschwerten Humor bis zur Tragödie alle menschlichen Emotionen abdeckt.

Lana (Claudette Colbert) weiß nicht genau, worauf sie sich einlässt, als sie sich am Tage der Hochzeit von ihrem Mann Gilbert (Henry Fonda) ins Mohawk-Tal mitnehmen lässt. Am Ziel angekommen, einer bescheidenen Blockhütte im Wald, erleidet sie, aus gutem, wohlhabenden Hause stammend, fast einen Nervenzusammenbruch. Nach einiger Zeit hat sich das Paar eingelebt und plant für die Zukunft, doch just, als sie gemeinsam mit den benachbarten deutschen Siedlern eine Scheune errichten, werden sie zum ersten Mal von Torys und Indianern überfallen. Zwar kommen sie mit dem Leben davon, doch sie verlieren ihren Besitz – und ihr ungeborenes Kind. Im Haus der Witwe McKlennar (Edna May Oliver) finden sie ein neues Zuhause, doch dann erreicht die Nachricht vorrückender Briten das Dorf. Gilbert rückt mit der von den Siedlern gebildeten Miliz aus und kehrt später verwundet und traumatisiert zurück. Er erholt sich rechtzeitig, um eine wichtige Rolle während des letzten Angriffs der Torys und der Indianer zu spielen …

DRUMS ALONG THE MOHAWK ist ganz anders strukturiert als der Vorgänger STAGECOACH: Die Geschichte erstreckt sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren, es gibt kein klar vorgegebenes Ziel, der Plot entfaltet sich eher episodisch, als dass er auf den einen, großen Höhepunkt zuliefe. Es gibt auch keine Heldenfigur wie John Waynes Ringo. Zwar hat auch Gilbert seinen heroischen Moment, aber gemeinsam mit seiner Frau und den anderen Siedlern nimmt er bei den historischen Verwerfungen nur teil. Ja, er nimmt am Ende in einem heldenhaften Akt Einfluss auf den Ausgang zumindest einer kleinen Episode, aber die beiden sind damit ja nur repräsentativ für viele tausend andere, die in jener Epoche Vergleichbares leisten mussten. Der Unterschied zu STAGECOACH wird schon mit Blick auf die Besetzung klar: dort John Wayne, stets über den Dingen stehend, pure Souveränität und Kontrolle ausstrahlend, hier Henry Fonda, ein schlaksiger, unsicherer und empfindsamer Mann, der nicht unbedingt zu Hause ist, wenn er die Axt schwingen muss. Er muss im Finale über sich hinauswachsen, für John Wayne rreichte es immer aus, John Wayne zu sein. Was beide Filme gemein haben ist der Detailreichtum in der Zeichnung ihres Figureninventars und die Feinheiten, mit der Ford hier Szenen inszeniert, die später hundertfach kopiert wurden. Man nehme etwa die Darstellung der feindlichen Indianer.

Als eine Handvoll der von den Torys mit Schnaps und Geld gekauften Seneca-Indianer das Haus von Witwe McKlennar überfällt, mutet deren Zerstörungswut wie das Werk übermütiger Kinder an, nicht wie das blutrünstiger Wilder. Auf Geheiß der Witwe, die sich weigert, ihren Besitz kampflos aufzugeben, tragen sie sogar ihr Bett aus dem brennenden Schlafzimmer. Für sie ist das alles ein großer Spaß und es wird sehr klar, dass die ungebildeten Männer von den Torys gnadenlos missbraucht werden. Die eigentlichen „Schurken“, die Torys und die Briten, spielen im Film hingegen kaum eine Rolle. Sie werden vertreten vom diabolischen Augenklappenträger Caldwell (John Carradine), der ein wenig wie ein Zugeständnis an die Masse wirkt, das eine Projektionsfigur braucht. Ford ist an Schuldzuweisungen nicht besonders interessiert, Revanchismus ist seine Sache nicht. Der Unabhängigkeitskrieg ist für ihn einfach ein Faktum, eine Etappe, die die USA auf ihrem Weg überstehen musste.Es führt zunichts, heute noch Groll zu hegen und zu ermitteln, wer damals „angefangen“ hat. Es ist, wie es ist. DRUMS ALONG THE MOHAWK – der Titel ist ein schöner Kniff, weil er eben nicht Indianertrommeln meint, sondern die der amerikanischen Milizen und so impliziert, dass die Weißen durchaus als Eindringlinge gesehen werden konnten – ist in seinen zwei großen Actionszenen auch heute noch von immenser Durchschlagskraft, unheimlich reich und eine unverzichtbar Geschichtsstunde, wenn man die USA verstehen will.