Welche Rückschläge kann ein Film verkraften? Wann ist es sinnvoll, die Reißleine zu ziehen? Fragen, die sich – neben einigen anderen – bei der Betrachtung von WILD GEESE II aufdrängen, der sieben Jahre nach dem überaus erfolgreichen Vorgänger erschien. Richard Burton, der eigentlich für eine Reprise seiner Rolle als Allen Faulkner vorgesehen war, starb kurz vor Drehbeginn, woraufhin eilends Edward Fox als Ersatz verpflichtet wurde. Zeit, das Drehbuch umzuschreiben, gab es indes nicht mehr, und so musste Fox – als Faulkners Bruder Alex – Dialogzeilen sprechen, die eigentlich für Burton geschrieben worden waren. Fox bleibt den ganzen Film ein einziges Irritationsmoment, verfällt immer wieder in eine komische Quäkstimme, die nahelegt, dass er den ganzen Film für eine Komödie hielt, und chargiert, bis der Arzt kommt. Diese Haltung kollidiert nicht nur heftig mit dem Ton des Films, der als eisiger Kalter-Kriegs-Thriller angelegt ist, sondern auch mit dem Spiel von Scott Glenn, der immer noch im unterkühlten, ja geradezu abwesenden Modus „überirdisches Halbgottwesen“ aus Michael Manns THE KEEP agiert und damit jede Form der Identifikation zunichte macht. Diese Atonalität und Taubheit kennzeichnet WILD GEESE II insgesamt und macht aus einem auf dem Papier durchaus interessanten Thriller ein vollkommen unerklärliches Etwas. Peter Hunt kann sich rühmen, mit ON HER MAJESTY’S SECRET SERVICE den vielleicht besten Bond-Film überhaupt gedreht zu haben, aber hier ist ihm wirklich alles entglitten, was einem Regisseur nur entgleiten kann.
Die Story ist an sich schon ein Problem: Ein amerikanischer Medienmann (Robert Webber) engagiert den Söldner John Haddad (Scott Glenn), um den 90-jährigen Nazi Rudolf Hess (Laurence Olivier) aus seinem Gefängnis in Spandau zu befreien, weil er sich von einem Interview Einschaltquotenrekorde verspricht. In Berlin gerät Haddad in den Fokus der dort agierenden Geheimdienste und muss sich gleich an mehreren Fronten verteidigen, bevor er schließlich den großen Coup durchführen kann. Mal ganz davon abgesehen, dass es geschlagene 90 Minuten dauert, bevor die Befreiungsaktion (die zwar recht spannend inszeniert, aber eigentlich kaum der Rede wert ist) endlich losgeht, und man in dem ganzen Spionage- und Konterspionage-Hickhack recht schnell den Überblick verliert, ist ja schon die Hauptmotivation ein echtes Problem. Es wird als geradezu humanistischer Akt dargestellt, den altersschwachen Hess rauszuhauen, dabei taugt er zum einen kaum als ein Opfer, mit dem man mitleiden könnte oder wollte, steht zum anderen keine andere Motivation hinter der Aktion als Profitgeilheit. Die Söldnereinheit um Allen Faulkner mag in THE WILD GEESE naiv gewesen sein, aber Haddad und seine Männer scheinen von der Welt um sie herum rein gar nichts mitzubekommen. Am Ende können sie nur verdutzt aus der Wäsche schauen, wenn Hess ihnen offenbart, dass er nichts anderes wolle, als zurück nach Hause: seine Zelle in Spandau, die er nun seit 40 Jahren bewohnt. Das ist definitiv der beste Moment des Films.
Bis dahin muss man sich wie schon gesagt durch einen mit quälender Geduld erzählten Agententhriller quälen, der nie die anvisierte Wirkung entfaltet. Alle Schauspieler agieren, als seien sie zu Tode gelangweilt, schlecht gelaunt, auf Drogen oder aber als wüssten sie gar nicht, in was für einem Film sie mitspielen. Edward Fox an eine Parodie grenzendes Overacting erwähnte ich schon, genauso wie Glenns Underacting, gegen das Steve McQueen als heißblütiger Italiener durchgeht, aber Barbara Carrera steht den beiden in nichts nach. Die Liebesgeschichte, die sich zwischen ihr und Haddad anbahnt, braucht kein Mensch, vor allem nicht, wenn sie in einer Liebesszene kulminiert, in der sie ein Laken um ihren Körper geschlungen hat. Sehr bizarr ist auch ein Subplot um einen IRA-Terroristen (Derek Thompson), der aus völlig unerfindlichen Gründen in das Kommando von Haddad aufgenommen wird und als Rassist eine ähnliche Rolle wie Hardy Krüger im Vorgänger einnehmen soll. In einer sadistischen Szene verabreicht dieses Arschloch, mit dem wirklich niemand zusammenarbeiten will – ideale Voraussetzungen für eine High-Risk-Operation –, dem unter einem Malaria-Anfall leidenden Faulkner Drogen und ergötzt sich dann an dessen Fieberwahn. Später beleidigt er den britischen Ausbilder, wofür der ihm kurzerhand in die Kniescheiben und dann in den Kopf schießt. Diese krasse Überreaktion wird von den anderen noch nicht einmal mit einem Schulterzucken quittiert, man geht einfach zur Tagesordnung über. Wie soll man als Zuschauer irgendwas empfinden, wenn schon den Charakteren alles scheißegal ist?
Als filmischer Gruß aus einer fremden Dimension, einer, in der Menschen keine Gefühle haben und sich komplett widersinnig verhalten, ist WILD GEESE II zwar irgendwie sehenswert, leider macht ihn das aber kaum weniger langweilig. Es ist so schade um die vergeudeten Ressourcen: Das Lokalkolorit des Achtzigerjahre-Westberlins ist mit Gold kaum aufzuwiegen, die Prämisse ist wunderbar grell und abseitig, die Besetzung zumindest nominell gut (Ingrid Pitt agiert wie Patrick Stewart in einer Nebenrolle). Wollte man seine Ehre retten, könnte man diese eisige, misanthropische, fast schon tote Atmosphäre, die von dem Film ausgeht, als charakteristisch für seine Zeit bewerten, aber ich fürchte, man erwiese WILD GEESE II damit zu viel der Ehre. Was immer den Verantwortlichen hier vorschwebte: Es hat nicht funktioniert.