Mit ‘Liebesfilm’ getaggte Beiträge

Etwa zur Halbzeit von Guillermo del Toros Oscar-prämiertem THE SHAPE OF WATER gibt es eine eigentlich wenig spektakuläre Szene in der Giles (Richard Jenkins), der väterliche Freund der stummen Protagonistin Elisa (Sally Hawkins), während eines Gesprächs zärtlich die Hand des Inhabers des Franchise-Cafés berührt, in dem er täglich seinen Key Lime Pie zu sich nimmt. Die sexuelle Orientierung Giles‘ war bis zu diesem Zeitpunkt kein Thema gewesen, aber plötzlich wird klar, warum der tagtäglich dieses Geschäft aufsucht, dessen Kuchen doch von eher zweifelhafter Qualität ist. Der bis dahin freundliche Inhaber weist Giles Avance daraufhin barsch zurück, erteilt dem freundlichen älteren Herrn zu allem Überfluss auch noch Hausverbot. „So jemanden bedienen wir hier nicht!“, schimpft er. Als wäre das noch nicht genug, wagt ein schwarzes Ehepaar im selben Moment, sich an der Theke des Etablissements niederzulassen. „Die Theke ist nicht für euch“, blafft der Mann sie an. Auch wenn diese Szene etwas überdeutlich sein mag: Es war für mich der Moment, in dem mir klar wurde, worauf del Toro mit seiner fantastischen Liebesgeschichte hinauswill, die für mich bis dahin zwar anmutig, aber auch etwas ziellos im luftleeren Raum schwebte.

THE SHAPE OF WATER hat eine recht wechselhafte Rezeptionsgeschichte hinter sich, zumindest, wenn ich meine eigene Social-Media-Filterbubble als Indiz nehmen kann: Die Vorfreude über einen neuen, fantastischen del Toro, der zudem deutlich vom HELLBOY-Fischmenschen Abe Sapien inspiriert war, wich nach dessen Start einem doch eher verhaltenen „okay“ und dann der Verwunderung darüber, dass ausgerechnet dieser Film des Mexikaners mit einem Oscar bedacht worden war. Klar, wie fast immer bei del Toro sei auch THE SHAPE OF WATER wieder sehr schön und geschmackvoll, aber irgendwie setzte sich die Ansicht durch, dass es gern etwas weniger Hollywood-Kitsch hätte sein dürfen. Tatsächlich bestätigte der Film zunächst meine entsprechenden Befürchtungen, wobei ich die Hauptschuld hier vor allem dem Komponisten Alexandre Desplat in die Schuhe schieben möchte, dessen Akkordeon-unterstützter Score in Verbindung mit der dunklen, in Gold und Grüntönen gehaltenen musealen Bilderwelt des Films und seiner stummen, elfenhaften Hauptfigur schlimmste Assoziationen zum Ausstattungskino von Jeunet und hier natürlich vor allem LE FABULEUX DESTIN D’AMÉLIE POULAIN hervorrief (einen Film, den ich seinerzeit großartig fand, aber heute meide wie der Teufel das Weihwasser). Die ganze Exposition ist eine Nummer zu schön und lieblich, zu gediegen und selbstverliebt und der Film scheint weniger in einer konkreten Zeit verortet als in einer Kunstwelt, die aussieht, als hätten sich Art Déco, Steampunk und Gothik mit Blattgold bestäubt, umarmt und es sich an Weihnachten unter einer Kuscheldecke vor dem Kamin gemütlich gemacht. Die Protagonistin kompensiert ihre Stummheit durch extraweit aufgerissene dunkle Kulleraugen, ihr Freund malt nostalgische Werbeanzeigen, die von den Bossen als „nicht zeitgemäß“ abgelehnt werden, ihre Appartements sind so dekorativ-liebenswert unaufgeräumt und heruntergekommen, wie es nur ein Innenarchitekt mit der Hilfe eines ausgewachsenen Stylistin-Teams hinbekommt, und der Bösewicht (Michael Shannon) schwitzt evilness und Niedertracht aus jeder Pore. Märchen sind gewiss nicht für ihre Subtilität bekannt, aber del Toro trägt wirklich extrem dick auf. Und dazu orgelt Desplats Akkordeon seine verträumte Melodie …

Aber wie ich schon sagte, findet THE SHAPE OF WATER zu sich, nachdem del Toro seine Exposition abgewickelt hat: Es wird etwa ziemlich deutlich, dass der Film nicht in einer aus hübschen Versatzstücken zusammengesetzten Pastiche-Welt spielt, sondern in einer sehr konkreten Zeit, an einem sehr konkreten Ort, nämlich in den USA der frühen Sechzigerjahre. Dass er außerdem mit seiner Fischmenschen-Liebesgeschichte sehr deutlich Bezug nimmt auf THE CREATURE FROM THE BLACK LAGOON und den Fünfzigerjahre-Monsterfilm, dessen Fortschritts- und Wissenschaftsskepsis er zugunsten einer universalen Toleranz-Geschichte verwirft, die ihre historisch-soziale Spiegelung in dem oben beschriebenen homophob-rassistischen Ausbruch des Kuchenverkäufers findet. Dass THE SHAPE OF WATER zwar nicht den Anspruch erhebt, ein Historienfilm zu sein, ihm die Spannungen des damals noch tobenden Kalten Krieges aber trotzdem nicht bloß als austauschbare Kulisse dienen. Vielleicht sage ich kurz zwei Takte zum Inhalt. für die, die den Film noch nicht gesehen haben: In einer militärischen Forschungsstation – in der die Protagonistin Elisa als Putzfrau arbeitet – wird ein in Südamerika gefangener Fischmensch untersucht. Der Wissenschaftler Hoffstetler (Michael Stuhlbarg), eigentlich ein russischer Spion, leitet die Forschungsarbeiten unter dem brutalen Richard Strickland (Michael Shannon), der keinerlei Mitgefühl für oder auch nur Interesse an der mysteriösen Kreatur hat, sondern nur seinen Auftrag zu Ende bringen will: Das US-Militär hofft nämlich darauf, dass sich das Wesen für seine Zwecke ausschlachten ließe. Und die Russen wollen das Gleiche: Oder aber wenigstens den Tod des Fischmannes sicherstellen, damit der Feind nicht von Wissen profitiert, dass die Russen selbst nicht erlangen können. Dem machtpolitischen Schwanzvergleich kommt Elisa in die Quere, als sie in dem Fischmann erst einen Freund und Seelenverwandten, dann sogar einen Geliebten findet und beschließt, ihn zu befreien, um ihn vor Schlimmerem zu bewahren.

Die Liebesgeschichte nimmt einen überraschend bizarren Verlauf, als del Toro – zwar nicht explizit, aber doch unmissverständlich – Rassengrenzen überschreitenden Sex inkludiert, anstatt die Liebe seiner beiden Protagonisten ganz auf der platonischen Ebene verharren zu lassen. Aber es ist eben auch diese Konsequenz, die den Film von jenen Wischiwaschi-Feelgood-Date-Movies abhebt, denen er in der ersten halben Stunde noch recht nahezustehen scheint: Toleranz und Empathie sind in THE SHAPE OF WATER nicht kompromissfähig: Sie sind oder sie sind nicht. Das ist auch die Bedeutung des Titels: So wie Wasser eben keine feste Form hat, sondern jeden Raum ausfüllt, der ihm gegeben wird, verhält es sich auch mit der Liebe Elisas, die auch vor einem Fischmenschen nicht halt macht, ihn als absolut gleichwertig und gleichberechtigt betrachtet. Seinen Tod hinzunehmen, nicht einmal zu versuchen, ihn zu verhindern, ist für sie gleichbedeutend mit Selbstmord. Ihr stehen die Militärs gegenüber, Menschen, die nur in ihren eigenen, engen Begriffen denken können, alles der Frage nach Nutzbarkeit und Effizienz unterwerfen, ohne Blick für Schönheit, Spiritualität oder Transzendenz. Und del Toro findet dafür immer wieder schöne Bilder: wie Strickland etwa den durchschaubaren Heilsversprechen eines Autoverkäufers erliegt, nur ein Cadillac sei einem Mann seiner Statur und seines gesellschaftlichen Rangs angemessen (auf der Jungfernfahrt wird er dann von ein paar Teenies überholt, die den gleichen Wagen fahren); in seinem todernsten, fast heiligen Bekenntnis zu Lutschbonbons, die zwar nicht so aufregend wie andere Süßigkeiten seien, aber ihm dennoch am besten schmeckten; darin, wie er freihändig pisst und seine Philosophie formuliert, dass ein echter Mann die Hände entweder vorher oder nachher wasche aber nie davor und danach, weil das ein Zeichen von Schwäche sei (er wäscht sie davor); wie er über den Verlust und den Rückgewinn zweier Finger spricht – und wie er Elisa und ihre Kollegin Zelda (Octavia Spencer) schließlich als „pisswipers“ beleidigt. Strickland ist ein Mann unverrückbarer Prinzipien, ein Mann, der es zu einer Kunstform erhoben hat, überall Grenzen und Wände zu errichten, Taxonomien zu erheben und Regeln aufzustellen, die es nahezu unmöglich machen, ihnen annähernd gerecht zu werden: Jeder, der nicht in dieses rigide System passt, ist ein Schwächling. Aber obwohl dieser Strickland ein Kotzbrocken ist, wie er im Buche steht, bekommt auch er das Mitgefühl del Toros: Sein Vorgesetzter (Nick Searcy) zerstört ihn förmlich, als der Fischmensch aus seiner Obhut verschwindet. Er setzt ihm unmissverständlich auseinander, dass er ein Versager und seine militärische Laufbahn mithin zu Ende sei, dass dieses Ende außerdem gleichbedeutend mit der Auslöschung jeder Aussicht auf eine bedeutsame Existenz ist. Jenseits des Militärs sind alle Menschen nur noch Mikroben, unwertes Ungeziefer, das nur aufgrund von Mitleid oder aber Gleichgültigkeit lebt. Als Zuschauer ahnt man, was dieses Urteil für einen Mann wie Strickland bedeuten muss: Es gleicht seiner Kastration, ihm wird alles genommen, worüber er sich definierte, ohne dass ihm auch nur eine zweite Chance zuteil würde. Das ist natürlich nur gerecht, weil auch Strickland niemals Gnade walten ließ, aber in einem Film über Toleranz und Nächstenliebe ist Schadenfreude nun einmal fehl am Platze.

 

 

Ich bin über Nathan Rabins Website auf diesen Film gestoßen, sonst hätte ich ihn mir wahrscheinlich niemals angesehen – auch wenn die Anwesenheit von Amy Poehler und solcher begnadeter Komiker wie Bill Hader sowie die Namen von David Wain und Michael Showalter (WET HOT AMERICAN SUMMER) auf einen Blick hätten klar machen sollen, dass es sich hier eben nicht um die typische, austauschbare RomCom handelt, die das Poster suggeriert. Der Film lässt sich, wie Rabin richtig schreibt, tatsächlich als Parodie auf ebensolche RomComs und ihr heteronormatives Weltbild sowie als späten Nachfahren der Ein-Gag-pro-Minute-Filmen sehen, mit denen das Zucker-Abrahams-Zucker-Team einst berühmt wurde. Wie bei diesen sitzt hier nicht jede Pointe, aber man muss die Chuzpe, mit der auch noch der blödeste Witz eiskalt durchgezogen wird, einfach liebenswert finden. Zumal THEY CAME TOGETHER nebenbei auch noch etwas gelingt, was viele der neumodischeren Parodien, die sich in einem langweiligen und unkreativen Nachmachen und Durch-den-Kakao-Ziehen begnügen, eben nicht hinbekommen: nämlich in der Form der Parodie zu jener Form der Wahrheit zu gelangen, an denen die „echten“ Vorbilder leider abprallen.

THEY CAME TOGETHER legt seinen Metacharakter schon zu Beginn bloß, wenn er seine beiden Titelhelden gleich mehrfach sagen lässt, dass ihre Geschichte „wie aus einem Film“ ist: Joel (Paul Rudd) und Molly (Amy Poehler) sitzen mit dem befreundeten Ehepaar Kyle (Bill Hader) und Karen (Ellie Kemper) in einem Restaurant und erzählen, wie sie einst zusammenkamen: Er, aufstrebender Mitarbeiter eines bösen Süßigkeiten-Konzerns, wird von seiner heißen Freundin Tiffany (Cobie Smulders) mit dem intriganten Job-Konkurrenten betrogen, sie ist Single und glückliche Inhaberin eines kleinen, niedlichen Candyshops, der leider keinerlei Gewinne abwirft, weil sie in ihrem Enthusiasmus alles verschenkt. Natürlich will sein Konzern ihren kleinen Laden plattmachen, natürlich wollen ihre gemeinsamen Freunde sie bei einer Party verkuppeln, natürlich hassen sie sich zunächst – und natürlich kommen sie dann doch zusammen. Es folgen die genreüblichen Krisen und Versöhnungen und dann das große Happy End mit Hochzeit. Aber ist es wirklich ein Happy End?

Die Strategie, haarsträubend albernen Klamauk mit Metahumor und Gross-out-Witzen zu verbinden, zeigt sich schon im Titel, der nicht nur doppel-, sondern dreifachbödig ist: THEY CAME TOGETHER bedeutet nämlich nicht nur, dass die beiden Protagonisten „zusammenkommen“ und dann sogar „zusammen kommen“, er bezieht sich auch auf die Äußerung ihrer gemeinsamen Freunde, als die die beiden unabhängig voneinander eingeladenen und zu verkuppelnden Bekannten tatsächlich gemeinsam auf der Party auftauchen – „they came together!“ eben, eine eher unspektakuläre „Auflösung“. Wain, Showalter und ihr gesamter Cast haben große Freude daran, die dämlichsten Inszenierungs- und Dramaturgieklischees der RomCom bloß- und damit auf den Kopf zu stellen und ihre gnadenlose Spießigkeit zu entlarven. Es gibt die immer hilfsbereite Freundin, die Aussprache der beiden Brüder, nach der beide sich besser verstehen und eine nicht enden wollende Lawine ergriffener „Thanks“ über ihr Gegenüber losschicken, die Kumpels auf dem urbanen Basketballcourt, die zwar keinen einzigen Korb treffen, aber dafür abwechselnd kluge Ratschläge erteilen, die dämlichen Bekenntnisse noch nicht bereit zu sein, die wilden Sexattacken, bei denen die gesamte Wohnungseinrichtung zerlegt wird, die geile Freundin, mit der man den wildesten Atomsex hat und die Schwiegereltern in spe mit der seltsamen Marotte: Hier sind es White Supremacists, die sich beim Abendessen im freundlichsten Plauderton über die „Mongrelisation“ der amerikanischen Gesellschaft ereifern.

Das humoristische Spektrum reicht dabei von Fäkalhumor, wie dem Gag um Joels Chef, der sich bei einer Halloween-Party ins Kostüm scheißt und dann alle Vorwürfe trotz klarster Beweislage brüsk von sich weist, Sight Gags, wie dem Kellner, der laut Joel „einen Stock im Arsch hat“ und mit eben diesem dann ständig das Geschirr von den Tischen räumt, wenn er sich umdreht, aber auch bizarre Ausflüge nach Absurdistan, wie in der an den berühmten Rechen-Witz aus THE SIMPSONS erinnernden Szene, in der Joel nach der Trennung von seiner Freundin in eine Bar kommt und mit dem Wirt in einen Konversationsloop gerät, in dem wieder und wieder dieselben beiden Sätze gesprochen werden. In einer anderen Szene hat Joel eine Aussprache mit seiner geliebten Oma, mit der es dann fast zum Sex kommt – die Reaktionen von Hader und Kemper, die sich das ja alles anhören müssen, sind mit Gold nicht aufzuwiegen. Wie erwähnt, zündet längst nicht jede Pointe, mancher Versuch ist arg bemüht, anderes schlicht zu albern oder auch vorhersehbar, aber es gereicht THEY CAME TOGETHER nicht zum Nachteil: Auch dank der gut aufgelegten Darsteller fängt der Esprit viele missglückte Versuche auf, macht diese kleinen Fehltritte sogar sympathisch. Sie konnten halt einfach nicht anders, als diesen auf der Straße liegenden Witz auch noch mitzunehmen. Es ist vor allem diese Unbekümmertheit, die an die Zeiten von ZAZ oder an die hierzulande erfolgreichen SUPERNASEN-Filme erinnert und von der sich heutige Komödien gern eine Scheibe abschneiden dürften.

 

THE SLUGGER’S WIFE ist Hal Ashbys vorletzter Film. Beschäftigt man sich nur oberflächlich mit seiner Vor. und Entstehungsgeschichte, seiner kritischen Rezeption und dem miserablen Einspielergebnis ist es fast ein Wunder, dass Ashby – einst als Wunderkind gefeiert und mit einem unfassbaren Run in den Siebzigerjahren – danach noch einmal an einen Set gelassen wurde. (Zumindest, was das Einspielergebnis anging, dürften die Produzenten von 8 MILLION WAYS TO DIE diese Entscheidung bereut haben.)

Ashbys Komödie um den Baseballprofi Darryl Palmer (Michael O’Keefe), der sich in die Nachtclubsängerin Debby Huston (Rebecca De Mornay) verliebt, sie nach hartnäckigen Eroberungsversuchen heiratet und beflügelt von den amourösen Gefühlen zum Homerun-König der Liga avanciert, basiert auf einem Buch des Starautoren Neil Simon, der seinerseits für Broadway- und Filmklassiker wie THE ODD COUPLE, BAREFOOT IN THE PARK, SWEET CHARITY, THE HEARTBREAK KID, MURDER BY DEATH oder BILOXI BLUES verantwortlich zeichnete. Glaubt man den Berichten, war der Autor entsetzt, als er Ashbys Rohschnit der ersten 30 Minuten zu Gesicht bekam, der aus seiner Komödie ein nahezu dialogloses mood piece gemacht hatte. Es war nur der Anfang einer schwierigen Zusammenarbeit, an deren Ende der Regisseur die Brocken hinwarf. Seinem Wunsch, seinen Namen aus dem Film zu tilgen, kam Stark nicht nach. Das Ergebnis war verheerend: Die Kritik hatte kein gutes Wort für THE SLUGGER’S WIFE, das Einspielergebnis belief sich auf nicht einmal 2 Millionen Dollar, weniger als zehn Prozent seines Budgets. Der Film war kein Flop, sondern ein Desaster. Aber das war nicht allein Ashbys Schuld.

Die Verbindung von Ashby und Simon war über Umwege zustande gekommen, genauer über den Produzenten Ray Stark, der ein Fan von Ashby war und ein ehemaliger Geschäftspartner von Simon, der wiederum zu Beginn der Achtziger nach einigen missratenen Projekten dringend einen Karriereschub benötigte – genauso wie Stark. Es gelang dem Produzenten jedoch weder seine erste Wahl für den Hauptdarsteller (Warren Beatty), dessen Partnerin (Darryl Hannah) noch für den Regisseur (Martin Ritt) für das Projekt zu begeistern: Beide hatten ernste Zweifel an der Qualität des Drehbuchs und so kamen O’Keefe und Ashby an Bord, der zu jener Zeit alles andere als einen guten Ruf in Hollywood hatte, als unzuverlässig, aufmüpfig und drogenabhängig galt. Es schien eine Win-win-Situation: Ashby bekam einen neuen Job, Stark und Simon einen Regisseur, den sie in der Hand hatten. Dass Ashby für den Stoff nicht der geeignete Mann war, kam anscheinend niemanden in den Sinn. Zitat von Kameramann Caleb Deschanel: „Stark hired him because he was down-and-out, and they thought they could push him around. I was too embarassed to ask Hal why the fuck he did it.“ Die Dreharbeiten wurden schnell zum Albtraum: Ashby bekam relativ früh aufgezeigt, dass er nicht als auteur, sondern lediglich als williger Handwerker angeheuert worden war, Rebecca De Mornay hatte große Schwierigkeiten mit ihrem Part, und das eh schon wenig komische Drehbuch, von Simon während seiner Scheidung verfasst, wurde nahezu täglich umgeschrieben. Hinzu kamen die privaten Probleme Ashbys, die in einer Zunahme seines Drogenkonsum resultierten. Das Scheitern war im Grunde vorprogrammiert – und überraschte niemanden der Beteiligten. Dennoch kam es beim Schnitt zur Explosion. Stark und Simon waren unzufrieden, sahen alle Verantwortung bei Ashby, obwohl der beim Dreh kaum EInfluss hatte ausüben dürfen.  Er zog schließlich die Reißleine: „I stepped out of the picture so they could continue on to meet the Xmas date. All I asked was to view the film, when they felt it was ready, to see if I wanted my name on it. They said I could look on it right away. So I looked, thought it was dreadful, and asked to have my name taken off.“ Doch ihn aus der Verantwortung zu lassen, kam für Stark und Simon offensichtlich auch nicht in Frage. Als Ashby in einer zweiten Schnittfassung die meisten Probleme des Films gelöst hatte, schien der Weg für die Veröffentlichung frei, doch wieder meldete sich Simon zu Wort und schlug vor, Ashbys Fassung von einer neu angeheuerten Kraft überarbeiten zu lassen. Ashby stieg wieder aus, diesmal endgültig, doch sein Name blieb mit dem Film verbunden und brachte ihm harsche Worte der Kritik ein. Wie viel von THE SLUGGER’S WIFE noch von ihm ist, ist ungewiss.

Angesichts dieser Genesis verwundert es tatsächlich nicht, dass THE SLUGGER’S WIFE ein furchtbar zielloser, unentschlossener, unwitziger und steifer Film geworden ist. Anders als andere Filme, die durch Zwistigkeiten am Set sabotiert wurden, ist er aber auch nicht so durch und durch chaotisch, dass daraus eine eigene Qualität entstünde. Der Film findet weder einen eigenen Rhythmus, einen durchgehaltenen Ton noch überhaupt eine Beziehung zu seinen Charakteren. Darryl Palmer wandelt sich vom trottelig-unbedarften Depp zum idiot savant zum arroganten Kotzbrocken ohne dass eine dieser Züge sich echt anfühlte, Rebecca De Mornay scheitert sowohl daran, die Anziehungskraft ihres Gegenübers zu rechtfertigen noch ihre Liebe zu ihm glaubhaft darzustellen. Vollkommen idiotische Szenen wie jene, in der Darryls verzweifelter Trainer (Martin Ritt) ein Double einstellt, das dem kurzfristig erblindeten Sportler gegenüber als seine reuige Ehefrau auftritt, ohne das dieser den Betrug bemerkt, wären auch mit meisterhafter Regie und Top-Darstellern problematisch gewesen, in der hier vorliegenden Gemengelage sind sie geradezu selbstmörderisch. Es ist einfach rätselhaft, was den Köpfen hinter dem Film vorschwebte. Für eine Komödie ist der Film einfach nicht lustig genug, für ein Drama zu albern, als Sportfilm zu langweilig, für eine Romanze zu bitter. Er beginnt als Film über einen liebenswerten Trottel, geht weiter als Eloge über die Kräfte, die die Liebe zu entfesseln imstande ist, wird dann zum Drama über das im Käfig der Ehe gefangene Singvögelchen und endet wie ein europäisches Ehedrama. Dass man mit dem Pop-Soundtrack (u. a. sind Coverversionen von „LIttle Red Corvette“, „Hungry Heart“, „Hey hey my my“ und „Summer in the City“ zu hören) auch noch die Jugend zu ködern versuchte, unterstreicht die Orientierungslosigkeit, mit der man an allen möglichen Zielgruppen vorbeischoss, mitten hinein in den Ofen, der danach für Stark, Ashby und Simon gleichermaßen aus war.

foersterchristel-dieEntgegen der Vermarktung des DVD-Labels Filmjuwelen, die DIE FÖRSTERCHRISTEL in ihrer Heimatfilm-Schiene veröffentlichten, handelt es sich bei Rabenalts Adaption der Operette von Georg Jarno und Bernhard Buchbinder aus dem Jahr 1907 um eine romantische Verwechslungskomödie, die im Ungarn der k.u.k-Zeit, genauer im Jahr 1849, angesiedelt ist. (Der Stoff war bereits 1926 und 1931 verfilmt worden, beide male von Frederic Zelnik, 1962 besorgte Franz Josef Gottlieb dann ein weiteres Update.) Im Mittelpunkt der Handlung steht, wenig überraschend, das liebreizende Förstertöchterchen Christel (Johanna Matz), um das sich im Verlauf der Handlung gleich drei Männer balgen. Da ist zum einen der etwas aufgeblasene Simmerl (Ulrich Beiger), der sich überall als kaiserlicher Hofbeamter ausgibt, wie sich später herausstellt aber nur ein einfacher Schneider ist. Für größere Gefühlswallungen sorgt indes der feurige Ungar Földessy (Will Quadflieg), der mit schwarzen Augen seine Geige malträtiert und ihr beinahe dämonische Klänge entlockt: Bei ihm handelt es sich eigentlich um den ehemaligen Rebellenhauptmann Koltai, der auf eine Begnadigung durch Kaiser Franz Joseph (Karl Schönböck) hofft, der sich für einen Jagdbesuch angekündigt hat. Beim Spaziergang durch die Wälder begegnet eben jener Kaiser der Christel, die ihn für einen Jäger hält und für unbefugtes Betreten fremden Jagdgebiets festsetzt. Der Kaiser ist entzückt von der forschen, ehrlichen und auch naiven Art des Mädchens und macht das Spielchen mit. Christel hat keine Ahnung, wen sie da tatsächlich vor sich hat, und nimmt deshalb kein Blatt vor den Mund. Das Verwirrspiel löst sich bei einem großen Fest im Schloss des Kaisers auf, bei dem Christel die ehrlichen Avancen des Kaisers ablehnt und auch ein gutes Wort für Koltai ablegt, der daraufhin pardoniert wird. Seine große Achtung für Christel drückt der Kaiser am Ende dadurch aus, dass er Koltai auffordert, sie zu heiraten, bevor er die Heimreise antritt.

Die schlimmen Erwartungen, die der fürchterlich staubige Titel evoziert, haben sich glücklicherweise nicht bewahrheitet. Rabenalts Film bleibt erwartungsgemäß dem Eskapismus verpflichtet, bedient vor 60 Jahren ebenso wie heute gepflegte Fantasien vom höfischen Leben und dem Edelmut des Adels sowie natürlich den Traum vom sozialen Aufstieg und der Klassengrenzen überschreitenden und der jeder Verlockung widerstehenden, wahren Liebe, ist dabei aber immerhin recht schwungvoll und amüsant. Zumindest dann, wenn man es schafft, sich auf den speziellen, ähem, „Charme“ solcher hinsichtlich ihrer sozialen Vorstellungen vollkommen überholten Werke einzulassen. Gleich zu Beginn wird das Klischee vom „halbwilden“ Ungar bedient und Will Quadflieg darf als stolzer Soldat Koltai stets mit aufmüpfiger schwarzer Locke, tollkühn geschwungener Augenbraue und stechend herausforderndem Blick durchs Bild stolzieren. Kein Wunder, dass die biedere Christel es bei soviel nassforscher Virilität mit der Angst zu tun bekommt. Das weibliche Pendant Koltais ist die wilde Bardame Ilona (Angelika Hauff), die die männlichen Besucher ihrer Gaststätte schier um den Verstand bringt, wie sie da ihre wohlgeformten Schenkel bis an die Decke wirft und ihren wollüstigen Körper im Rhythmus der Musik umherwirft (überhaupt ist der Film stellenweise erstaunlich freizügig). Demgegenüber verkörpert die Christel biederes und zudem reichlich fantasieloses Untertanentum: Die Naivität, die der Kaiser so entzückend findet, kann man auch weniger nachsichtig als bloße Dummheit bezeichnen, die gar nicht mehr so süß ist, wenn sie mit dem vorauseilenden Gehorsam und der Blockwartmentalität des herrschaftstreuen Bürgers gepaart wird, dem das Förstermädel idealtypisch entspricht. Christel vergeht fast vor Ehrfurcht, als sie dem Kaiser gegenübersteht und für einen Abend in seinem Schloss herumtollen darf. Frauenrechtlerinnen reißen sich wahrscheinlich die Haare aus angesichts des in diesem Film propagierten Frauenbilds, aber wenn man weniger ideologisch an ihn herangeht, muss man zugeben, dass Christel mit der Erkenntnis, doch nur eine dumme Landpomeranze zu sein, die besser in ihrem Wald bleibt und ihrem Mann das Gulasch kocht, anstatt ihre bornierte Mentalität in alle Welt hianszutragen, eindeutig Sympathiepunkte einheimst.

Regisseur Arthur Maria Rabenalt war 1952 bereits ein Veteran mit rund 20-jähriger Erfahrung. Dass er sich mit den Nazis arrangiert hatte, wurde ihm später oft vorgeworfen, auch wenn er immer etwas zahnlos betonte, in jener Zeit nur „unpolitische“ Filme gedreht zu haben. Er inszenierte in den Fünfzigerjahren zahlreiche leichte Lustspiele sowie den Quasi-Horrorfilm ALRAUNE mit Hildegard Knef und Erich von Stroheim, bevor es ihn in den Sechzigerjahren zum Fernsehen verschlug, DIE FÖRSTERCHRISTEL ist auch dank seiner temporeichen Inszenierung recht wohl geraten, wirkt im Vergleich mit anderen Filmen seiner Zeit geradezu frisch. Großen Anteil daran hat Kameramann Friedl Behn-Grund, der die Geschichte in kontrastreichen Bildern und mit bisweilen beeindruckenden Natur- und Landschaftsaufnahmen einfängt. Auch er hatte eine bewegte Geschichte, fotografierte seinen ersten Film bereits 1924 und später dann unter der Regie von Wolfgang Liebeneiner den Euthanasie-Propagandafilm ICH KLAGE AN. Nach dem Krieg arbeitete er dann für die DEFA und fotografierte u. a. Staudtes DIE MÖRDER SIND UNTER UNS, den ersten deutschen Nachkriegsfilm. Weitere berühmte Titel aus seiner Filmografie sind BEKENNTNISSE DES HOCHSTAPLERS FELIX KRULL, DIE BUDDENBROOKS, ES MUSS NICHT IMMER KAVIAR SEIN, EIN ALIBI ZERBRICHT sowie SCHWEJKS FLEGELJAHRE mit Peter Alexander und wieder unter Liebeneiner.

A priori richtige Aussagen: Regisseure, deren Nachnamen klingen wie der Titel eines drittklassigen GREMLINS-Rip-offs, sollten keine Martial-Arts-Filme machen. Wahrscheinlich wusste Richard W. Munchkin das sogar selbst, denn mit RING OF FIRE tut er sein Menschenmöglichstes, der ungeliebten Schublade zu entkommen. Bei einer Laufzeit von 97 Minuten widmet er sich vielleicht in kargen 10 der handfesten körperlichen Auseinandersetzung die für sein Genre eigentlich konstituierend ist.

Viel mehr interessiert ihn die Rassengrenzen transzendierende Liebe zwischen dem charmanten chinesischen Arzt Johnny Woo (Don „The Dragon“ Wilson) und der Bimbo-Blondine Julie (Maria Ford). Letztere ist eigentlich mit dem öligen Vokuhila-Proleten Chuck (Vince Murdocco) verlobt, doch es kriselt, weil der nur seine illegalen Arena-Fights im Sinn hat, die er mit seinen Kumpels  Brad (Dale Jacoby) – einer gelungenen Kreuzung aus Tim Wiese und Vanilla Ice – und Bud (Gary Daniels) bestreitet. Bei diesen Fights nimmt auch Johnnys Cousin Terry (Steven Vincent Leigh) teil und der gerät bald in einen erbitterten Streit mit den Konkurrenten, der sich zu einem Krieg zwischen Weißen und Asiaten ausweitet. Wobei „Krieg“ hier bedeutet, dass es einmal eine ca. dreiminütige Massenkeilerei gibt, die von dem immer zu spät auftauchenden Polizisten Lopez (Michael DeLano) aufgelöst wird. Dieser „Krieg“ führt schließlich zu einem Zweikampf zwischen Terry und Brad, den Julie unbedingt verhindern will, weil sie Gewalt verabscheut. Johnny hat eine Superidee: Er schlägt Terry vor, Brad das Angebot zu unterbreiten, den Kampf nach thailändischer Art mit Glassplitter-gespickten Handschuhen zu bestreiten. Das lehnt Brad bestimmt ab und Terry verliert sein Gesicht nicht! Doch er hat die Rechnung ohne Brad gemacht. Lebensmüde wie er ist, willigt er nämlich ein (Terrys Blick ist Gold wert) und bringt Terry im Kampf um. Es kommt zum Showdown zwischen Johnny und Brad.

So könnte eine Inhaltsangabe des Films lauten, die dann jedoch die Realität verkennen oder zumindest reichlich schönfärben würde. Meist wohnt der Zuschauer nämlich dem ritualisierten Dating Game von Julie und Johnny bei. Sie trifft ihn zum ersten Mal im Chinarestaurant seiner Tante, wo er sie mit einer poetischen Glückskeks-Botschaft überrascht. Dann begegnen sie sich bei einem Maskenball wieder, und er bittet sie als mysteriöses Phantom zum Tanz. Der Maskenball ist übrigens höchst seltsam, denn zur Kleidervorschrift scheint nicht nur die Kostümierung, sondern auch ein Schuhverbot zu gehören. Alle tanzen barfuß, wahrscheinlich, weil die Veranstaltung in einer Turnhalle stattfindet. Johnny ist nach diesem Erlebnis genauso hin und weg wie Julie. Er sucht sie bei ihrer Arbeit in einer Boutique auf, wo sie gerade ein Kleid anprobiert, doch seine Liebeserklärung hält er vor der falschen Umkleidekabine: Peinlich berührt eilt er von dannen, als eine über beide Ohren strahlende Oma ihm einen Kuss auf die Backe drückt. Doch Julie hat alles gehört und weiß: Johnny ist der Richtige. Fortan treffen sie sich zum vergnüglichen Bummeln und er überzeugt sie mit weiteren Glückskeks-Weisheiten von der spirituellen Überlegenheit des Chinesen gegenüber dem weißen Kickbox-Proleten US-amerikanischer Provenienz. Eine ausgedehnte Folklore-Einlage gibt dann sogar Aufschluss über die Bräuche des Neujahrsfestes und die Tante Johnnys klärt die beiden darüber auf, dass sie nach dem chinesischen Horoskop super zusammenpassen. Dem Glück scheint also kaum etwas im Wege zu stehen. Außer seiner Hautfarbe, denn wir schreiben ja erst das Jahr 1991. Als Brad und Chuck Johnny und Terry beim Maskenball begegnen, fragen sie, ob das hier Pearl Harbor sei, und als Julie ihrer Oma ein Foto von ihrer großen Liebe zeigt, sagt die, das könne sie ihrem in Vietnam gefallenen Vater nicht antun. „Gelbe Sippenhaft“ heißt das Phänomen wahrscheinlich. All diese Vorurteile begünstigen die in jedem Film nötige Komplikation im dritten Akt, als Julie plötzlich reichlich unmotiviert kalte Füße bekommt und Johnny gegenüber behauptet, ihm alles nur vorgespielt zu haben. Während des Finalfights bekennt sie sich dann jedoch zu ihrer großen Liebe und springt just in dem Moment in den Ring, als der feige Brad mit einem Samuraischwert zuschlagen will. Wie weiland Winnetou fängt sie den ihrem Liebhaber zugedachten Hieb ab, doch es wird natürlich alles gut werden. Fin.

RING OF FIRE ist der pure Wahnsinn wie man meinem Text hoffentlich entnehmen kann. Er bietet nicht nur einen Einblick in die schlimmsten Geschmacksentgleisungen, die sich die Mode zu Beginn der Neunzigerjahre erlaubte, sondern auch hölzernes Schauspiel, bizarre Bildkompositionen, billige Settings und allerlei unerklärliche Details. Einmal stellt die Tante etwa Johnny und Terry eine Frau vor, die ihr nun beim Wäscheaufhängen helfen werde. Man sieht sie dann in der folgenden Szene gemeinsam am Wäscheständer stehen und danach verschwindet die freundliche Haushaltshilfe wieder. Warum? Musste da vielleicht wirklich gerade Wäsche aufgehangen werden am Set und man dachte sich, das kann man auch einfach mit einbauen? Man weiß es nicht. Das größte, weiterhin andauernde Rätsel ist für mich aber die Karriere von Don „The Dragon“ Wilson. Ich warte noch auf den ersten Film mit ihm, den ich gut finde und nicht einfach nur schrecklich farblos und unansprechend. Gut, warum er Actiondarsteller wurde, erklärt ein Blick in seine Biografie. Als mehrfacher Kickbox-Champion war er natürlich prädestiniert für eine Karriere in DTV-Filmen, aber ich frage mich trotzdem: Gibt es da draußen wirklich Leute, die ihn gut finden? Die, wenn sie ein DVD-Cover in der Hand halten, auf dem sein Name prangt, sagen: „Geil, der neue Wilson!“ Und wenn ja: Was müssen das für traurige Zeitgenossen sein? Aber ich will nicht gemein sein. In RING OF FIRE ist Wilson durchaus ganz adäquat besetzt, wahrscheinlich, weil er als romantischer Lover einer unterbelichteten Blondine glaubwürdiger ist als als schweigsamer Actionheld. RING OF FIRE geht in die Geschichte ein als der erste Kickbox-Film von PM Entertainment. Es sollten einige weitere folgen, aber in diesem Subgenre waren Pepin und Merhi ganz offensichtlich nicht zu Hause. Wer nur die Perlen aus ihrem Oeuvre herauspicken möchte, sollte sich eher an ihre Cop- und Gangsterfilme halten. Wobei einem dann natürlich Kuriositäten wie diese hier entgehen, in der Gary Daniels (in seinem erst driten Film) von einem besoffenen Chinesen angepisst wird.

Breathless_(1983)Ein neuer Instant-10-Punkte-Lieblingsfilm! Bei seiner Erstausstrahlung im Fernsehen irgendwann in den späten Achtzigerjahren war ich noch ein bisschen zu klein, um ihn schätzen zu können (an Valérie Kapriskys Brüsten war ich außerdem noch nicht wirklich interessiert, was eine denkbar schlechte Voraussetzung ist), später verteufelte ich seine bloße Existenz als US-amerikanischen Affront gegen das Godard’sche Vorbild À BOUT DE SOUFFLE. Vielleicht hätte ich mir BREATHLESS vorher lieber noch einmal angeschaut, anstatt ihn voreilig abzuwatschen. Zumal mit einem so dermaßen unhaltbaren und unoriginellen Vorwurf. Nicht nur hat McBrides „Remake“ mit der Vorlage genauso viel oder wenig zu tun wie zahlreiche andere heißblütige Gangster- und Loser-Romanzen auch (eine originelle Geschichte erzählt Godard ja nun wirklich nicht), er stellt dieses mit seiner Energie, seinem Stilbewusstsein, seinem visuellen Reichtum, seinen wunderbaren Ideen und natürlich mit der entfesselten Darbeitung Geres meines Erachtens sogar in den Schatten (zugegeben, Godards Film ist historisch betrachtet bedeutungsvoller).

BREATHLESS ist ein Märchen im Overdrive-Modus der Achtzigerjahre, ein hyperventilierender Sinnesrausch wie nach zwei Kannen Kaffee, das filmische Äquivalent zum Gefühl des Frischverliebtseins, wenn man glaubt, man sei das Zentrum der Welt oder aber ein Gott in Menschengestalt. Jesse Lujacks (Richard Gere) Energie und sein unverschämtes Selbstbewusstsein sind so enervierend wie ansteckend. Er will dieses eine Mädchen, die französische Studentin Monica (Valérie Kaprisky), also nimmt er sie sich, geht ihr auf die Nerven, bis sie nicht mehr anders kann, als sich von seinen Avancen geschmeichelt zu fühlen und ihm zu erliegen. Dass er noch dazu so verteufelt gut aussieht, schadet gewiss nicht. Er ist ein kleiner Verlierer, ein Gauner, dessen Schicksal schon in den ersten Minuten des Films besiegelt wird – dieser blutrote Himmel ist ein Zeichen, das er wie so vieles nicht versteht –, aber nach seinem Selbstverständnis ist er ein Held, ein Ritter, der ausgeritten ist, die Prinzessin zu befreien und mit in sein Reich zu nehmen. Man müsste Mitleid mit diesem Verblendeten haben, wenn er nicht diese überbordende Lebensfreude ausstrahlte und diesen aufreizenden Sex Appeal: Jesse geht durch die Welt wie durch einen Selbstbedienungsladen, der nur für ihn geöffnet hat. Voll kindlicher Begeisterung und Verzauberung saugt er die Pathos-getränkten Comics um den Silver Surfer in sich auf, identifiziert sich ganz und gar mit dessen unendlicher, wortreich artikulierter Einsamkeit. Es ist ein Schock für ihn, als ihn ein Schuljunge damit konfrontiert, dass der Silver Surfer ein jerk sei, ein in seinem Selbstmitleid gefangener Trottel. Warum er nicht einfach in die Tiefen des Alls fliehe, anstatt sich mit den Sorgen der Menschen herumzuschlagen, schließlich habe er die „power cosmic“. Auch hier gelingt Jesse die Übertragungsleistung nicht, er rennt weiter hinter seiner Monica her, während die Polizei ein immer dichteres Netz um ihn schließt. Seine „power cosmic“ ist diese Energie eines Duracell-Hasen, das Talent, immer wieder auf die Füße zu fallen, dieses Gewinnerlächeln, mit dem er Zeit und Raum nach Belieben manipulieren kann, die Fähigkeit, das Glas immer halbvoll zu sehen. Aber Monica ist sein Kryptonit. Weil er von ihr nicht lassen kann, muss er untergehen. Aber auch das tut er mit einem Lächeln und Jerry Lee Lewis‘ titelgebendem Song auf den Lippen.

BREATHLESS wäre ohne Richard Gere als Jesse Lujack gar nicht denkbar. Der Rockabilly verehrende, Pomade in den Haaren und Karottenhosen tragende, Silver Surfer lesende, Autos klauende, ungehemmt liebende, wildromantische Jesse wird in Geres Darbeitung von der Comic-Karikatur zum dreidimensionalen Charakter, zum unwiderstehlichen Gravitationsfeld, um das sich der ganze Film formiert. Zu leicht hätte diese Figur zur affektierten Witzfigur geraten können, aber Gere macht sie glaubwürdig, verleiht ihr tragikomische Tiefe. Wer ist dieser Typ, der keine Regeln außer den seinen anzuerkennen scheint, wie wurde er der, der er ist? BREATHLESS ist auch deshalb so faszinierend, weil er die Antworten darauf nicht nur verweigert, er sucht sie noch nicht einmal, bewegt sich mit ähnlicher Leichtfüßigkeit auf das Ende zu wie sein Protagonist. Als Zuschauer bin ich dem Charme Jesses fast genauso hilflos erlegen wie Monica: Eben noch hat seine Hyperaktivität mich fürchterlich genervt, im nächsten Moment bin ich schon süchtig nach ihr gewesen, wollte eine Elvistolle, Comics lesen wie die Bibel und Cadillacs klauen. Jesse lebt das Leben wie ein Märchen, aber er hat das Pech, dass es keines ist. Die Außenwelt hält McBride den ganzen Film über auf Distanz, man steckt mit Jesse in der Wahrnehmunsgblase, die alles rosarot aber eben nicht schönfärbt: Es ist eine ausgesprochene Qualität von BREATHLESS, dass er sich den Drall Richtung kitschiger Verklärung verkneift. Die Romanze von Jesse und Monica bleibt immer Fiebertraum, hitziger Flirt, nie wird – wie etwa in einem vergleichbaren Film wie TRUE ROMANCE – suggeriert, dass hier etwas wirklich Tragfähiges entstanden ist. Die Beziehung der beiden funktioniert nur deshalb, weil sie von Anfang an begrenzt ist auf den Rausch von Jesses Flucht. Sie hält an, bis die Wirklichkeit anklopft und alle Fluchtwege versperrt sind, es für Monica Zeit wird, eine Entscheidung zu treffen. Aber auch im Angesicht des Todes bewahrt sich Jesse das cool, sich mit einer Geste der Unbeugsamkeit und diesem entwaffnenden Gewinnerlächeln zu verabschieden. Er hat genau das Leben gelebt, das er wollte, und er bekommt den Showdown, den er verdient hat. Monica wird ihn nie vergessen. Wie könnte sie auch?

Thomas Crown (Steve McQueen), ein erfolgreicher Unternehmer mit Geschmack und Stil, intelligent, scharfsinnig und selbstbewusst, der sich alles kaufen kann, was er will. Aber das reicht ihm nicht, also plant er einen Banküberfall. Rund drei Millionen Dollar erbeutet er und das FBI hat nicht den Hauch eines Hinweises. Thomas Crown gibt seinem Butler frei, zündet sich eine Zigarre an, lässt sich in seine mondäne Ledercouch fallen und lacht, lacht vor Freude. Vicki Anderson (Faye Dunaway), hinterlistige Versicherungsdetektivin, entschlossen und kreativ, darüber hinaus attraktiv und verführerisch, kommt ins Spiel, um an den Ermittlungen der Kriminalisten teilzunehmen und ihm nach kurzer Zeit auf die Spur. Gemeinsam spielen die beiden ein erotisches Katz-und-Maus-Spiel mit offenliegenden Karten. Sie weiß, dass er das Geld gestohlen hat, er weiß, dass sie ihn festnageln will. Einfach nur ans Ziel zu kommen, ist beiden zu wenig: Sie wollen den Nervenkitzel und den totalen Triumph – und ein Maximum an Vergnügen, solange es dauert. Aber ein Vergnügen, das sie beide nach ihren Regeln gestalten.

THE THOMAS CROWN AFFAIR kulminiert in einer Schachpartie der beiden Kontrahenten und damit in einer der vielleicht erotischsten Sequenzen der Filmgeschichte. Erotisch gerade weil es nie explizit wird. Vollkommen wortlos belauern sich die beiden, beobachten sich und ihre Züge, wobei Vicki langsam aber sicher die Kontrolle übernimmt. Ein sanftes Streicheln ihrer eigenen Arme und Schultern, das – möglicherweise unbewusste? – Liebkosen der Schachfiguren, das kurze Saugen am Finger, schließlich ein zwischen die Beine ihres Kontrahenten geschobenes Knie. Thomas Crown, sonst Ausbund der Souveränität und Coolness, gerät ins Schwitzen. „Schach“ sagt Vicki, das Spiel scheint beendet. Was dann passiert, ist Beleg für die Gerissenheit sowohl Crowns als auch Jewisons, dem es mit Bravour gelingt, das Gleichgewicht der Geschlechter zu halten: Thomas Crown steht auf, wendet sich ab, überlegt, schaut auf das Schachbrett, dreht sich dann zu ihr und fragt, ob sie nicht etwas anderes spielen wollen. Es folgt einer der leidenschaftlichsten Küsse, die je auf Leinwand gebannt wurden. Das Ende dieser Szene ist deshalb so bemerkenswert, weil es zum einen die Frage aufwirft, wer der „Gewinner“ des Schachspiels ist. Ist Crowns Reaktion eine Kapitulation? Oder ist es nicht viel eher eine Strategie, die Oberhand zurückzugewinnen? Vicki hat geschafft, was sie wollte, aber die Initiative liegt am Schluss bei ihm. Oder gewährt sie ihm diese nur?

Jewisons Film ist vordergründig ein Heist Movie, die Inszenierung des Überfalls mit dem sich in viele verschiedene Frames aufsplittenden Bild legendär (es war die erste Verwendung der Split-Screen-Technik in einem Spielfilm), aber der Großteil des Films widmet sich dem anschließenden Flirt seiner beiden Hauptfiguren. Und es ist bemerkenswert, wie modern THE THOMAS CROWN AFFAIR dabei auch heute noch ist. Hier wird nicht das Loblied auf die Reinheit der Liebe gesungen, darauf wie Männlein und Weiblein zusammengehören und erst in der totalen Symbiose die Vervollkommnung finden. Nein, beide Figuren bleiben den ganzen Film über Einzelgänger, deren Liebe gerade darin besteht, die Autonomie des anderen nicht nur anzuerkennen, sondern zu bewahren. Wollte man dem Film Böses, könnte man sagen, dass Thomas und Vicki beziehungsunfähig sind, Egoisten, die nicht in der Lage sind, Kompromisse einzugehen, sich bedingungslos zu öffnen. Zum Teil stimmt das auch. Aber so formuliert, verkennt es das Glück, das die beiden ohne Zweifel erleben. Die gemeinsamen Szenen der beiden sind von einer Selbstverständlichkeit im Umgang miteinander geprägt, die nur ganz, ganz wenige romantische Filme hinbekommen. Es muss nicht viel geredet werden, es gibt keine aufbrausenden Liebesgeständnisse: Die sind nicht nötig, weil alles offen daliegt. Die tiefe Faszination für den anderen ist greifbar: Aber sie resultiert eben auch in dem Bedürfnis, ihn zu lassen wie er ist, sein Geheimnis nicht zu enthüllen. Deshalb müssen beide am Ende auch getrennte Wege gehen. Die Anziehungskraft, die sie aufeinander ausüben, hat Grenzen. Thomas wird für die Liebe nicht ins Gefängnis gehen. Und Vicki wird ihr Leben, ihre Karriere nicht für das Dasein als Anhängsel eines Superreichen aufgeben. Er lächelt, aber er weiß, dass er wahrscheinlich für immer allein bleiben, keine zweite Vicki finden wird, sie weint, weil sie über diese eine Grenze nicht hinauskommt. Beide sind Sieger und Verlierer zugleich.

Jewisons Film, die Prämisse um den Überfall und die Ermittlungen, ist nur eine Analogie für die Magie der Erotik, die gerade darin besteht, nicht alles bloßzulegen. So wird jede Interaktion der beiden Protagonisten zum sexuellen Akt, jedes Gespräch, jeder Blick ist nur ein Vorspiel, das aber des anschließenden körperlichen Vollzugs gar nicht mehr zwingend bedarf. Interessant und überaus vielsagend: Jewison zeigt den Akt nicht, es gibt keine schwüle Sexszene auf den Höhepunkt des Films. Er braucht sie nicht, weil die Leinwand auch ohne das Aneinanderreiben nackter Körper schon glüht. Und weil wir ahnen, wie es unter den Laken zur Sache geht, nachdem wir die Blicke gesehen haben, die die beiden unterienander ausgetauscht haben. THE THOMAS CROWN AFFAIR ist ein unglaublicher Film, beinahe schon avantgardistisch in seiner Abstraktion und Pointierung, die aber nie auf Kosten der Charaktere geht. Es ist einer der erotischsten und elegantesten Filme, die je gedreht wurden und wirkt auch heute noch, annähernd 50 Jahre nach seiner Veröffentlichung, absolut zeitgemäß, mutig und radikal (das FBI, bei dem man um Dreherlaubnis angefragt hatte, lehnte entrüstet ab, weil es einer Demütigung gleichkam, dass eine Frau ihren Agenten überlegen sein sollte. Noch dazu eine, die offensiv ihre körperlichen Reize einsetzt).

Für Steve McQueen war THE THOMAS CROWN AFFAIR der vierte Superhit in Folge (nach THE CINCINNATI KID, NEVADA SMITH und THE SAND PEBBLES), aber ein besonders wichtiger und eine Art Wendepunkt in seiner Karriere. Das Drehbuch von Alan Trustman – eigentlich ein Anwalt – galt damals in Hollywood als ganz heißes Eisen und Steve McQueen wollte unbedingt die Hauptrolle haben. Trustman und Jewison schwebten jedoch eher Sean Connery oder Rock Hudson vor: McQueen war zwar ein Star, aber seine Persona passte nicht zur sophistication von Thomas Crown, er war eher der hemdsärmelige T-Shirt-und-Jeans-Typ und seine eigene Biografie konnte von der des eleganten Bänkers kaum weiter entfernt sein. Jewison, der bei THE CINCINNATI KID noch von McQueen misstrauisch beäugt worden war, war nun selbst derjenige, der McQueen für den falschen hielt. Er wollte den Star nicht, obwohl dieser sich auf dem Silbertablett anbot. Das stachelte McQueens Ehrgeiz nur umso mehr an: Es gehörte zu seiner Persönlichkeitsstruktur eines von der Mutter verstoßenen Problemkinds, sich gegen den Glauben der Mehrheit durchzusetzen, und die Ablehnung, die er erfuhr, steigerte nur das Bedürfnis, die Rolle zu bekommen und es allen zu beweisen. Weil sich schließlich keiner der anvisierten Stars dazu durchringen konnte, den Vertrag zu unterschreiben, gab Jewison schließlich klein bei. (Angeblich soll Connery, der heftig umworben worden war, später eingeräumt haben, dass es ein Fehler war, das Angebot nicht angenommen zu haben. Als Bond-Darsteller festgelegt, hätte THE THOMAS CROWN AFFAIR – der ein großer Erfolg wurde – seiner Karriere möglicherweise einen entscheidenden Schub gegeben.) Was zunächst wie die Mutter aller Fehlbesetzungen aussah, entpuppte sich als schicksalhafter Glücksgriff: Steve McQueen dominierte den Film mit seiner Form des underactings, das man ab diesem Zeitpunkt endgültig als Technik bezeichnen musste, anstatt es bloß als Limitierung zu empfinden, fast nach Belieben und mit geradezu unverschämter Leichtigkeit. Der Wandel vom einfachen, körperlichen Helden zum stilsicheren, wohlhabenden und -erzogenen Mastermind gelang ihm ohne Abstriche und er war so überzeugend, dass der Erfolg auch auf seine Filmpersona zurückwirkte. Ab sofort war er nicht mehr nur der ungehobelte ruffian, sondern ein unantastbarer Gigant, ein ungerührt in der Brandung stehender Felsen, ein Mahnmal viriler Souveränität und eisiger Coolness. Ohne THE THOMAS CROWN AFFAIR wäre BULLITT niemals möglich gewesen. Es ist der Moment, in dem McQueen den Schritt vom Schauspielstar zur Ikone und Marke machte.

2011060120494385274_supersizeSieh an, eine Simmel-Verfilmung, bei der man sich nicht fühlt wie beim Versuch, einen Falk-Plan auseinanderzufalten. Trotzdem weiß man auch hier sofort, wo man ist. LIEBE IST NUR EIN WORT handelt von dem 21-jährigen Oliver Mansfeld (Malte Thorsten), seines Zeichens aufmüpfiger Sohn eines deutschen Wirtschaftskriminellen, der auf einem Internat im Taunus die letzte Chance auf das Abitur bekommt. Schon auf dem Weg dorthin lernt er die 30-jährige Verena (Judy Winter) kennen und verguckt sich sofort in sie. Sie entpuppt sich zwar als Ehefrau von Manfred Angenfort (Herbert Fleischmann), wohlhabender Unternehmer und Geschäftspartner von Olivers Papa, doch das stellt für ihn kein Hindernis dar. Tatsächlich gelingt es ihm, das Herz der attraktiven Frau zu gewinnen. Doch Angenfort kommt hinter die Affäre …

Trotz des banalen Plots – den obligatorischen Abstecher in die Vergangenheit, in der Angenfort irgendeine Schuld auf sich geladen hat, konnte sich Simmel dennoch nicht verkneifen – ist LIEBE IST NUR EIN WORT von den anderen, inhaltlich deutlich komplexeren Simmel-Filmen, die unter Vohrers Regie entstanden, nicht zu unterscheiden. Es regieren große Gefühle und großes Drama, doch bleibt dieser Überschwang reine Drehbuchbehauptung, für die es auf Charakterebene keinerlei Entsprechung gibt. Merke: Simmel-Filme sind Melodramen mit Zombie-Protagonisten. LIEBE IST NUR EIN WORT beginnt bei grauem Regenwetter, bleibt auch in der Folgezeit immer seltsam trüb, hängt sich an seine überwiegend wohlhabenden Milieus entstammenden Protagonisten, die nie menschlich werden, sondern bloß als gutaussehende Narrationsvehikel auf dem Schachbrett des Autoren herumgeschoben werden, und deren tiefes Seelenleid einen völlig kalt lässt. Visuell ist LIEBE IST NUR EIN WORT durchaus ansprechend, erneut markant besetzt und von Komponist Erich Ferstl mit bedeutungsschwerer, todtrauriger und ungemein tragischer Musik unterlegt, die die Tränendrüsen fast allein zum Bersten bringt. Aber nicht nur, dass das menschliche Zentrum des Films schlicht leer ist, auch das Deutschland, in dem er spielt, scheint, als habe man sämtliche Luft aus ihm heraugesogen. Es gibt überhaupt keine normalen Menschen in LIEBE IST NUR EIN WORT: Allesamt sind sie mindestens eitle Schaumschläger, oft sogar noch Schlimmeres, reden furchtbar geschwollenes Zeug daher, gefallen sich in ihrem ekelhaften Wohlstand, ihrer Gesinnung und ihrer vermeintlichen geistigen Überlegenheit, ohne die eigene Beschränktheit zu bemerken.

Oliver ist ein absoluter Kotzbrocken: Simmels/Vohrers Rechnung, dass sich der Zuschauer ihm schon allein deshalb verbunden fühlt, weil er Autoritäten mit seinem Ungehorsam konfrontiert und seinen reichen Vater verachtet, geht nicht auf, weil dieser Schnösel dadurch nur noch elitärer und eingebildeter wirkt. Wer will sich schon mit einem blonden Schönling identifizieren, der im vom ach so verhassten Papa gekauften Mercedes Cabrio herumfährt? Was Verena, selbst nicht gerade vor Frohsinn, Intelligenz und Kreativität übersprudelnd, sondern recht typischer Vertreter des Typus „junge von ihrem reichen, älteren Gatten zu Tode gelangweilte Frau“, an diesem Jungspund findet, bleibt rätselhaft. Spätestens als sie Oliver gesteht, dass sie sich in ihn verliebt habe und er dann, ganz entgegen seines sonstigen Habitus, wie ein unbeholfener 15-Jähriger jauchzend herumhüpft, müsste sie ihren Fehler eigentlich schamvoll erkennen. Aber nein, die beiden meinen es tatsächlich ernst mit ihren Heiratsplänen. Und dass Oliver tatsächlich bereit ist, seine Bonzenkarre zu versetzen, um seine Affäre geheimzuhalten, gilt am Ende als der Beweis für die Echtheit seiner Gefühle. Ja, so einfach kann das sein. Wie dumm, dass er nicht bloß einen Käfer fährt, Angenfort wäre ihm nie auf die Schliche gekommen.

Die Menschen in Simmel-Filmen sind fast immer vermögend, aber aufgrund dieses Reichtums auch die ärmsten Schweine der Welt. Es ist aber auch schon hart, wenn man in der ständigen Angst leben muss, die Hausbar könne am nächsten Abend nicht mehr optimal gefüllt sein. Das zeichnet die Vohrer-Verfilmungen ganz wesentlich aus: diese ekelhafte, völlig stillose, neureiche Dekadenz gepaart mit Selbstmitleid und Ennui. Man fühlt sich als Zuschauer wie der zunehmend hilflose Gast einer verbrauchten älteren, noch dazu betrunkenen und übergewichtigen Gesellschaftsdame, die einen unter Tränen dazu zwingt, das Ergebnis ihrer Mastektomie zu betrachten, während man ohne jede Hoffnung auf Flucht in einem geschmacklosen Plüschsofa versunken ist. Man schaut sich das Treiben irgendwie fasziniert, aber auch angewidert an, während ein Stück der eigenen Seele unwiederbringlich verkarstet. Es ist heute völlig unvorstellbar, dass diese Filme irgendwann einmal als authentisches Abbild bundesdeutscher Realitäten gelten konnten, dass Simmel mit seinen Büchern einen Nerv beim Volk traf, aber es war wohl wirklich so. Den Rest besorgt die überspannte Fantasie des Autors, die die Filme mehr als einmal in Richtung Delirium taumeln lässt: Eine Szene spielt in einem Sanatorium, in dem Olivers geistig zerrüttete Mutter lebt. Sie verteilt im akkurat gepflegten Anstaltsgarten imaginäres Vogelfutter an imaginäre Vögel, während eine gestrenge Schwester (mit Kittel und Häubchen) auf einem dieser geschmiedeten Gartenstühle in Sichtweite sitzt. Im Gespräch mit dem Sohn ist die fliederfarbene, wahrscheinlich nach Veilchen und Lavendel duftende Dame dann aber erstaunlich normal, auch wenn der feine Gatte sich gezwungen sah, sie zu entmündigen. Auch wieder so eine unangenehme Angewohnheit der gehobenen Gesellschaft, dieses Entmündigen. Zwischendurch gibt es noch ein wenig Gesellschaftskritik, wenn ein dem Islam angehörender Internatsschüler von den „Kameraden“ für seine Religion gepeinigt wird, und dann ein reichlich übersteuertes Finale im strömenden Regen, bei dem die junge Liebe an einem Strick endet. In einer Pfütze schwimmt ein kleines Zettelchen, auf dem steht: „Liebe ist nur ein Wort“. Die Simmel-Filme sind so dreist manipulativ, dass der Brechreiz fast zur Droge wird.

Auch wenn ich es erst nach einiger Zeit gerafft habe: GHOSTS OF GIRLFRIENDS PAST macht natürlich schon im Titel keinen Hehl daraus, lediglich eine Paraphrase von Dickens‘ berühmter Weihnachtsgeschichte zu sein, die hier statt eines geizigen Misanthropen einen sexistischen Womanizer durch Geisterheimsuchung zur Läuterung treibt. Matthew McConaughey ist Connor Mead, erfolgreicher Celebrity- und Mode-Fotograf und notorisch polygam, seitdem er von seinem Onkel Wayne (Michael Douglas), einem hoffnungslosen Lebemann, in die Geheimnisse der Verführung eingeführt wurde und gelernt hatte, dass Liebe nur etwas für Schwächlinge und Träumer ist. Auf der Hochzeit seines Bruders Paul (Breckin Meyer) lässt Connor keinen Zweifel an seiner Verachtung für die Institution Ehe und die, die darauf hereinfallen, trifft aber auch Jenny Perrotti (Jennifer Garner) wieder, seine alte Sandkasten- und Jugendliebe, seine erste große Liebesenttäuschung und die einzige Frau, mit der er jemals eine feste Beziehung erwogen hatte. Nachdem er bei der künftigen Schwiegermutter (Anne Archer) seines Bruders abgeblitzt ist und eine der Brautjungfern klargemacht hat, erscheint ihm der Geist seines toten Onkels und offenbart ihm, dass ihm in der kommenden Nacht drei Geister erscheinen werden.

Der Weg ist von da an natürlich klar: Connor erkennt durch das Werk der Geister, die ihm einen Blick in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ermöglichen, dass es allein die Angst vor dem Verlassenwerden war, die ihn zum Womanizer machte, er in Wahrheit nie über die schöne Jenny hinweggekommen ist, und nur durch die Betten pflügte, um die Leere zu übertönen, die die Trennung von ihr hinterlassen hatte. Der Blick in die Zukunft, zeigt seinen Bruder als unverheirateten Mann – Connor hatte die Braut Sandra (Lacey Chabert) kurz zuvor durch die Offenbarung, dass sein Bruder vor Jahren mal etwas mit einer ihrer Brautjungfern gehabt hatte, in die Flucht getrieben – und als einzigen Gast auf Connors Beerdigung. Das ist der Moment, in dem er umdenkt, die Ehe seines Bruders durch vollen Körpereinsatz und eine flammende Rede rettet, einen zu Herzen gehenden Toast auf den Triumph der Liebe spricht und Jenny die ewige Treue schwört.

Ein Kommentar erübrigt sich anhand dieser Zusammenfassung eigentlich schon: GHOSTS OF GIRLFRIENDS PAST ist abwechselnd zahme Komödie mit klarer Sympathieverteilung, tränentreibender Schmachtfetzen und spießiges Erbauungskino vom Fließband, das durch seine Darsteller hier und da den dringend benötigten Qualitätsschub erhält. McConaughey ist als selbstzufriedenes Arschloch die Idealbesetzung und dabei so gut, dass die Freilegung eines weichen Kerns von Grund auf unglaubwürdig bleibt, Jennifer Garner hebt sich wohltuend von den sonst üblichen stromlinienförmigen oder bloß niedlichen Love Interests dieser Filme ab. Aber es sind vor allem die Szenen mit Michael Douglas als Womanizer alter Schule, komplett mit Siebzigerjahre-Hornbrille, die aus dem RomCom-Einerlei herausstechen. Da kann mit Robert Forster erwartungsgemäß lediglich ein anderer Veteran in der Rolle des Vaters der Braut (oder, wie ich aus THE WEDDING PLANNER gelernt habe, des „FOB“) mithalten: Die Hochzeitsrede des Koreaveterans, der das Zurückstopfen der Eingeweide in den Leib seines angeschosenen Kameraden als Gleichnis für das Wesen der Liebe verwendet, markiert einen späten Höhepunkt in dem zunehmend anästhesierend wirkenden Film, dem es noch nicht einmal gelingt, das mit der Reise in die Vergangenheit verbundene Nostalgiepotenzial zu heben. Wirklich ärgerlich ist indessen wieder einmal, wie jemand, der einem anderen Lebensentwurf als dem traditionellen Eheideal folgt, mit allen Mitteln zum Arschloch verzerrt wird, dem zum großen Glück nur die eigene Schwäche im Weg steht. Dabei sieht doch jeder Blinde, dass die Ehe der beiden Langweiler Paul und Sandra genau das Albtraumbündnis ist, dass Connor so markig zu beschreiben weiß. Der an Fanatismus grenzende Perfektionismus, mit dem da die Hochzeitszeremonie tagelang minutiös geprobt wird, lässt an die Organisation von Gefangenenlagern denken, und einer Frau, die über der Zerstörung einer Torte einen Nervenzusammenbruch erleidet, wünsche ich instinktiv Henry Silvas Handrücken als Therapie ins Zickengesicht. Aber wahrscheinlich muss das in diesem Filmgenre so sein, dass es keinerlei Zwischentöne gibt, ein Womanizer eben ein Traumapatient im Gewand eines Sexisten ist, und die Magie der wahren Liebe ein porentief reines Herz erfordert, das sich dann meist in kompletter blandness entäußert.

failure-to-launch-movie-poster-2006-1020340533Das Paradoxon der RomCom: Um den unschätzbaren Wert der romantischen Liebe zu proklamieren, muss sie das Beziehungs- und Liebesleben als tückisches gesellschaftliches Spiel voller Fallstricke und -gruben, schwachsinniger Konventionen, ernüchternder Erfahrungen, vergeudeter Zeit, emotionaler Narben und zu erleidender Demütigungen zeichnen. Meist sind ihre Helden/Heldinnen für die Romantik verloren, desillusioniert, gezeichnet und bereit für die auf rationalen Erwägungen basierende Vernunftheirat, bis dann der Prinz/die Prinzessin vorbeikommt und sie vor einem voller Tristesse rettet. Die RomCom ist ein Genre voller Soziopathen, psychisch zerrütteter Egoisten und Autisten, deren „liebenswerten“ Marotten ihnen im echten Leben die berechtigte gesellschaftliche Geißelung, Unverständnis und die ein oder andere Ohrfeige einbrächten, im Film aber Ausdruck einer originellen, spritzigen Persönlichkeit sein sollen und nur etwas Liebe bedürfen, um abgestellt zu werden. Oft genug sind die Liebesbeziehung, die da zum Happy End eingegangen werden, Bündnisse des Schreckens, Verbindungen von Monstren, deren schlimmsten Charakterzüge sich zur potenziellen Gefährdung all ihrer Mitmenschen potenzieren werden. Man muss sich nur das Poster zu FAILURE TO LAUNCH anschauen, um zu wissen, dass das zweifellos ein solcher Film ist: McConaughey voll cooler Selbstgefälligkeit, wissend, dass er sich in jeder Situation auf seinen ihm angeborenen Charme verlassen kann, die Parker weibgewordener Enthusiasmus im Stechschritt auf die Züchtigung des Unbeugsamen zumarschierend.

Der Film beginnt mit einer von Grund auf fragwürdigen Prämisse: Tripp (Matthew McConaughey), ist 35, gut aussehend und durchaus erfolgreicher Bootsverkäufer. Er hat immensen Schneid bei den Frauen, landet Nacht für Nacht mit einer anderen in der Koje, die er, wenn er keine Lust mehr hat, nur mit der Tatsache konfrontieren muss, dass er noch bei seinen Eltern (Terry Bradshaw und Kathy Bates) lebt. Genauso halten es seine beiden Freunde Ace (Justin Bartha) und Demo (Bradley Cooper), mit denen Tripp seine Freizeit in einem Zustand der verlängerten Jugend verbringt. Kurz: Tripps Leben ist der Himmel auf Erden. Auftritt Paula (Sarah Jessica Parker), die ihr Geld damit verdient, Nesthocker wie ihn durch Vorgaukeln einer Liebesbeziehung zur Selbstständigkeit zu „erziehen“. Sie wird von Tripps Eltern engagiert, den Sohn zu verführen und somit flügge zu machen. Ihre Strategie erinnert frappierend an das Drehbuchschema, auf das nahezu jede RomCom aufbaut, doch die Chance eine Meta-RomCom wird natürlich fahrlässig liegen gelassen. Es kommt, wie es kommen muss: Tripp verliebt sich in Paula und kommt just in dem Moment hinter ihre wahren Motive, als sie ihrerseits Gefühle für den unwissenden Klienten entwickelt. Dem Zerwürfnis folgt die Intervention der Freunde und Eltern, die die beiden zur Vernunft bringen und also verkuppeln wollen. Und wie gelänge das besser, als ihn gefesselt und in geknebelt in einen Schrank zu sperren und sie mit ihm einzuschließen?

Das Problem des ganzen Konstrukts liegt natürlich auf der Hand. Zuerst ist die Figur, die McConaughey da verkörpert, total unglaubwürdig, aber das ist noch nicht einmal das schlimmste Vergehen des Film: Warum sollte Tripp sein wunderbares Leben gegen eine Beziehung mit einer Schreckschraube wie Paula eintauschen wollen? Mit einer intriganten, manipulativen Lügnerin, die nichts ahnenden Männern Liebesbeziehungen vorspielt, wo ausschließlich finanzielles Interesse ist? Einer verabscheuungswürdigen Kreatur also, die noch dazu wie Sarah Jessica Parker und mithin wie der Welt hässlichste Transe aussieht? Aber er ist ja nicht der einzige, der auf sie hereinfällt. Paula lebt in einer WG mit Kit (Zooey Deschanel), einer misanthropischen Eigenbrötlerin, die den ganzen Film über mit einem Singvogel kämpft, der sie mit seinem ständigen Gezwitscher in den Wahnsinn treibt. Eine Person wie Kit würde jemanden wie Paula verachten und die „Freundschaft“, die die beiden da unterhalten, kann nur in einem idiotischen RomCom-Drehbuch aus Hollywood existieren. Genauso wie die Beziehung, die Kit dem netten, aber auch etwas dämlichen Ace eingeht, einem gutmütigen Tölpel, dem der Konvention solcher Filme entsprechend maximal eine kurzsichtige Schreckschraube, gewiss aber kein It-Girl wie Zooey Deschanel verfallen dürfte. Die eigentliche „Romanze“, also der zentrale Teil des Films, funktioniert überhaupt nicht, aber was FAILURE TO LAUNCH gegenüber einer Totgeburt wie THE WEDDING PLANNER wenigstens halbwegs erträglich macht, sind das Zusammenspiel der drei männlichen Hauptdarsteller, die sonnige Urlaubskulisse und der genervte Zynismus der Deschanel, den man auch als Reaktion auf die Spießigkeit des Endprodukt und die Ernsthaftigkeit, mit der sich Sarah JessicaParker in ihre Rolle wirft, werten kann. Ach ja Kathy Bates und Terry Bradshaw sind als alterndes, kernentspanntes Ehepaar ebenfalls ein Lichtblick in diesem Film, den ich mir noch um einiges schlimmer vorgestellt hatte.