„The Origin Story of THE TEXAS CHAIN SAW MASSACRE“: Wie einem LEATHERFACE am Ende gefällt, hängt ganz entschieden davon ab, wie dringend man wissen wollte, warum Leatherface zu dem wurde, der er in Tobe Hoopers Klassiker ist – und wie sehr man auch eine unbefriedigende Erklärung zu akzeptieren bereit ist. Ich will nicht ausschließen, dass da eine erzählenswerte Geschichte lauert, aber Bustillo und Maury erzählen sie genauso wenig wie Jonathan Liebesman im mittlerweile auch schon wieder 12 Jahre alten TEXAS CHAINSAW MASSACRE: THE BEGINNING. Die Ursache, die der damals für Kettensägenfetisch und Maskenwahn lieferte – schlimmer Hautausschlag und Hänseleien der Klassenkameraden – war zwar ungleich bescheuerter als das, was LEATHERFACE auftischt, aber wirklich zufriedenstellend ist auch der neueste Anlauf, dem Franchise Leben einzuhauchen, nicht geworden. Die Kritik sah das ganz ähnlich: Um Bustillo und Maury, ohne Zweifel Filmemacher, denen Großes zuzutrauen ist, tut es mir Leid. Dass sie etwas können, haben Sie ja bereits bewiesen, aber das Drehbuch, mit dem sie arbeiten müssen, gibt leider nicht viel her.
LEATHERFACE beginnt in den Dreißigerjahren mit einem Blick auf die vielköpfige Familie Sawyer, Schweinefarmern, die – angeführt von der strengen Mama Verna (Lily Taylor) – jeden umbringen, der ihnen in die Quere kommt oder über den Weg läuft, und dann an die Schweine verfüttern. Sheriff Hartman (Stephen Dorff) hat sie schon länger im Visier und schreitet zur Tat, als seine Tochter tot auf dem Anwesen der Sawyers gefunden wird: Er nimmt Verna alle Kinder weg und lässt sie im Sanatorium einknasten, definitiv kein Ort, an dem man sich gern aufhalten möchte. Hier kommt es zur Revolte, bei der dem Bonnie-&-Clyde-mäßigen Sadistenpärchen Ike (James Bloor) und Clarice (Jessica Madsen) die Flucht gelingt. Als Geiseln nehmen sie die Krankenschwester Lizzy (Vanessa Grasse) sowie die Insassen Jackson (Sam Strike) und Bud (Sam Coleman) mit. Einer der beiden letzteren ist Jed Sawyer, der angehende Kettensägenmörder.
Eines vorweg: Wem es bei einem TCM-Sequel vorwiegend um Gore und Splatter geht, der wird von Bustillo und Maury gut bedient. In den Gewaltszenen wird ein beachtliches Maß an Detailfreude und Chuzpe an den Tag gelegt, spätestens wenn Sheriff Hartman die Kettensäge zu spüren bekommt, bleibt kein Gorebauern-Auge trocken. Visuell ordnet sich LEATHERFACE zwar den derzeitigen Trends unter, aber er sieht das entscheidende Quäntchen besser aus als das, was man von den üblichen Vollstreckungsgehilfen geliefert bekommt, die von den Produzenten so gern auf dem Regiestuhl platziert werden. Beim Rest hapert es leider entschieden, auch wenn LEATHERFACE ganz gut reinläuft. Es wird nicht viel Zeit verplempert und ein erstaunliches Tempo vorgelegt: Wenn der Film zu Ende ist, blickt man etwas verwundert auf die Uhr. Das war’s schon? Was aber auch – und jetzt kommen wir zur Kritik – daran liegt, dass das, was da erzählt wird, den Erwartungen, die man an die Origin-Story einer Ikone wie Leatherface stellt, nicht im Geringsten gerecht wird. Und wenn man einen Film wie LEATHERFACE mit einem Schulterzucken quittiert, ist definitiv etwas schief gegangen.
Das Hauptproblem des Films – und der größte Fehler des Drehbuchs – ist es, die Frage nach der „wahren“ Identität des Killers in den Mittelpunkt zu rücken. Man könnte sagen, LEATHERFACE ist kein Whodunit, sondern ein Whowilldoit und er stellt sich somit vor die große – vielleicht zu große – Aufgabe, einerseits eine rückblickend glaubwürdige Genese für die Titelfigur zu liefern, andererseits aber auch nicht zu deutlich zu werden und alles vorzeitig zu verraten. LEATHERFACE löst das, indem er konsequent eine falsche Fährte legt, den Verdacht auf eine Figur lenkt, die es dann doch nicht ist, und die Ledermaske am Ende einem Charakter zuspielt, den man bis dahin nicht unbedingt auf dem Schirm hatte. Den mit dieser Strategie einhergehenden Zwang, eine Überraschung aus dem Hut zaubern zu müssen, raubt der Geschichte leider aber auch ein Stück Glaubwürdig- bzw. Nachvollziehbarkeit: Die vom Drehbuch als Leatherface auserkorene Figur muss einen Riesensprung vollziehen, um sich für die Titelrolle zu qualifizieren, der durch die Vorgänge nur unzureichend motiviert ist. Letztlich unterminiert LEATHERFACE so seinen eigenen Anspruch: Er will auf der einen Seite zeigen, wie das menschliche Monster Leatherface entstand, was sich für ein Mensch hinter Maske und Kettensäge verbirgt, liefert dann aber noch nicht einmal in sich eine schlüssige Erklärung dafür. Im Grunde genommen verwundert mich dieses Scheitern nicht: Ich halte es für unmöglich, einen Menschen in dieser Form auf vergangene Erlebnisse herunterzubrechen, ihn quasi als Summe seiner Erfahrungen zu begreifen (genau darum ging es meines Erachtens in Rob Zombies HALLOWEEN) und in gewisser Hinsicht untermauert das Versagen von LEATHERFACE meine These. Er liefert eben keine letzten Antworten, sondern nur wieder neuen Prequelstoff: So müsste man etwa als nächstes die Frage stellen, warum Verna Sawyer ihre Kinder eigentlich zu solch grausamen Sadisten erzog. Zwar ist es dem Geschichtenerzähler natürlich inhärent, dass sich unendliche Anknüpfungspunkte bilden, nur hätte man es dann ja eigentlich auch beim Urfilm belassen können. Seien wir ehrlich: LEATHERFACE ist ausschließlich für Leute interessant, die Hoopers THE TEXAS CHAIN SAW MASSACRE lieben, doch genau diese Menschen, durch deren Albträume Leatherface seit der Erstsichtung des Filmes tobt wie durch das Gestrüpp des texanischen Buschs, werden am Ende maßlos enttäuscht von ihm sein. LEATHERFACE ist wie so viele Fortsetzungen, Remakes und Prequel vor ihm für sich genommen kein schlechter Film: Aber er steht nun einmal nicht für sich. Und gemessen an seinem Erbe ist das hier nicht mehr als ein Parasit, der sich vom nährstoffreichen Blut des Originals ernährt, ohne ihm etwas zurückzugeben.