Mit ‘Melissa McCarthy’ getaggte Beiträge

ghostbusters_ver6_xlg-1Der große Aufreger des vergangenen Kinojahres war nicht etwa ein tabubrechender Skandalfilm oder ein politisch unangenehme Wahrheiten aussprechendes Werk filmischen Protests, nein, es war das Remake eines geliebten Popkultur-Klassikers, dessen „echtes“ Sequel seit nunmehr 25 Jahren immer wieder in Aussicht gestellt worden war. Nicht nur, dass diese Nerd-Hoffnungen 2015 endgültig platzten, nein, die Produzenten entschlossen sich frevelhafterweise dazu, die im Original von Männern besetzten Rollen nun für weibliche Darsteller umzuinterpretieren. Infolgedessen zeigte das Internet sich wieder einmal von seiner hässlichsten, spießigsten, chauvinistischsten und abgrundtief dümmsten Seite. Und Feigs Film hatte schon verloren, noch bevor er überhaupt gezeigt worden war.

Nicht, dass dieser Zorn völlig unerwartet gewesen wäre: Wenn man sich an etwas vergreift, dass derart heiß und innig geliebt wird, muss man damit rechnen, Gegenwind zu bekommen. Und der neue GHOSTBUSTERS wurde nun nicht gerade heimlich, still und leise in die Lichtspielhäuser gebracht, sein Besetzungscoup im Gegenteil sehr offensiv vermarktet. Die vereinten Nerds und Geeks der Welt mussten sich fast zwangsläufig herausgefordert fühlen. Ob diese Provokation von vornherein geplant war? Es gibt einige Indizien, die dafür sprechen, denn auch innerhalb des Films wird der dem System inhärente Sexismus immer wieder thematisiert. Ein wütender User kommentiert ein Video der neuen Ghostbusters mit „Bitches ain’t huntin‘ no ghosts“ und mit dem Sekretär Kevin (Chris Hemsworth) gibt es eine Rolle, die standardmäßig für Frauen reserviert ist: die des dümmlichen eye candies, das keine weitere erzählerische Funktion erfüllt, als Klischees fortzuschreiben und gut auszusehen. Wie in Feigs vorangegangenen Filmen sind die Heldinnen Frauen, die sich nicht in für Frauen vorgefasste Schablonen pressen lassen – Wiigs Erin Gilbert verkörpert die klassische Karrierefrau, die sich trotz nachgewiesener Expertise ständig irgendwelchen Mänern gegenüber beweisen muss und dann als Geisterjägerin in einem Außenseiterjob zu sich finden darf -, sondern für sich das Recht in Anspruch nehmen, genauso dumm, hässlich, vulgär, schlagkräftig, laut, intelligent und entschlussfreudig zu sein wie die Exemplare des anderen Geschlechts. Davon muss sich der prototypische Geek geradezu angepisst fühlen.

Aber es gibt noch ein anderes Thema: Zwischen dem Orginalfilm von Ivan Reitman aus dem Jahr 1984 und Feigs 2016er-Remake liegen 32 Jahre, die am Schauplatz Manhattan nicht spurlos vorübergegangen sind. Das einst als Inbegriff des dem Verbrechen und Chaos anheimgefallenen geltende New York wurde in den späten Achtzigerjahren und während der Amtszeit Rudolph Giulianis in den Neunzigern konsequent aufgeräumt, aller schmuddeligen Ecken entledigt, auf Hochglanz poliert und als familienfreundliches Konsumparadies neu erschaffen. GHOSTBUSTERS lässt mit seiner Referenz an den alten Film (Bill Murray, Dan Aykroyd, Ernie Hudson und Sigourney Weaver absolvieren Cameos, der verstorbene Harold Ramis grüßt in Form einer Büste) auch jenes vergangene New York auferstehen. Im Finale bekämpfen die Ghostbuster die Geisterarmada auf dem Times Square, der von Marquees gesäumt ist, die Karloffs ISLE OF THE SNAKE PEOPLE, TAXI DRIVER, WILLARD oder FISTS OF FURY annoncieren. Auch sonst gibt es immer wieder kleine Hinweise auf die Immobiliensituation in Manhattan, auf das Aussterben des „alten“ New Yorks und den Verlust, der damit einhergeht.

Für Feig gehen beide Aspekte indessen Hand in Hand: Seine Ghostbusters, seine Interpretation des Stoffes sollen eben aus jenem „alten Holz“ geschnitzt sein, das man im heutigen New York vergeblich sucht. Aber es ist eigentlich klar, dass das so nicht aufgehen kann. Das Hollywood von heute hat mit dem von damals nichts mehr zu tun und auch sein Remake kann – aller sichtbar ernst gemeinten Bemühungen zum Trotz – die Anzeichen typischen Sudio-Bullshits nicht verbergen und noch weniger natürlich verhindern, dass er eben ein  Film aus dem Jahr 2016 ist. Die Effekte sind state of the art, bis auf ganz wenige Ausnahmen absolut beeindruckend, in dieser Perfektion in diesem Film aber auch irgendwie fehl am Platze, und die Idee, den berühmten Titelsong von Fall Out Boy und Missy Elliott covern zu lassen, muss einfach das Ergebnis einer dieser Sitzungen komplett ahnungsloser Teilnehmer gewesen sein. Vor allem aber gehen Feigs Stil und die Vorlage keine homogene Verbindung ein. GHOSTBUSTERS wirkt nicht wie ein neuer Ghostbusters-Film, sondern wie ein Feig’scher Kommentar zu Hollywood-Rollenpolitik, für das man aus unerfindlichen Gründen den alten Reitman-Klassiker als Schablone nutzte. Sein GHOSTBUSTERS ist kein Film, in dem man versinken kann wie im Original, sondern entschieden meta, ein Werk, dass dem Zuschauer immer wieder klar macht, was er da sieht. Vielleicht ist das sein größtes Verbrechen gewesen.

Wenn man sich hingegen die Fähigkeit bewahrt hat, auch zu seinen Heiligtümern auf kritische Distanz zu gehen, ist GHOSTBUSTERS durchaus sehenswert. Allerdings muss man einräumen, dass Feigs Masche bereits einige Abnutzungserscheinungen zeigt.

boss0005Melissa McCarthy ist von der Nebendarstellerin, die den Stars die Szenen stiehlt – siehe BRIDESMAIDS -, längst zum eigenen Comedystar geworden. In THE BOSS, finanziert von Adam McKays und Will Ferrells Produktionsfirma Gary Sanchez Productions, bekommt sie erneut Gelegenheit, ihre beachtlichen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.Leider muss dazu ein Film herhalten, der aus seiner Prämisse nicht das Optimum herausholt und sich am Ende ins breite Mittelfeld der vielen ähnlich mittelprächtigen Komödien einordnet. Aber der Reihe nach.

Michelle Darnell (Melissa McCarthy) musste schon früh lernen, dass sie sich nur auf sich verlassen kann. Aus dem mehrfach von ihren verschiedenen Pflegeeltern wieder abgelieferten Waisenkind wurde so über die Jahre eine megaerfolgreiche und megareiche, aber eben auch ziemlich unbeliebte Geschäftsfrau mit gering ausgeprägter Sozialkompetenz. Als ihr ein Insidergeschäft nachgewiesen wird, bringt ihr ehemaliger Partner Renault (Peter Dinklage) sie in den Knast, ihr gesamtes Vermögen wird gepfändet, Michelle sitzt auf der Straße. Unterschlupf findet sie bei ihrer ehemaligen Angestellten Claire (Kristen Bell), einer alleinerziehenden und in bescheidenen Verhältnissen lebenden Mutter. Es kommt zu den erwartbaren Konflikten und Michelle muss im Verlauf des Filmes viel über Vertrauen und Freundschaft dazulernen. Aber sie hat auch Claire etwas zu geben: Als sie deren phänomenale Brownies kostet, bringt sie die junge Frau dazu, ein Business zu gründen – und ihrer Tochter, dass es für junge Mädchen noch mehr gibt, als süß und brav zu sein …

Letztere Aspekt ist das schönste an THE BOSS, weil er damit immer noch Pionierarbeit leistet. McCarthy ist die ideale Fürsprecherin für ein neues oder zumindest vielseitigeres Frauenbild in Hollywood, weil sie selbst optisch nicht gerade Leading-Lady-Material ist. Die Karriere einer Angelina Jolie oder Julia Roberts wird ihr immer verwehrt bleiben: So wie es ihrer Michelle Darnell nicht in die Wiege gelegt wurde, eine gewinnende, liebenswerte Persönlichkeit zu werden. THE BOSS zeigt, dass auch unerträgliche Arschkrampen positive Eigenschaften haben können, sich hinter der Invektiven sprühenden Bulldogge ein weicher Kern, hinter der knallharten, materialistischen Geschäftsfrau durchaus eine Person versteckt, von der man etwas lernen kann. Man muss nicht aussehen wie aus dem Ei gepellt oder bloß die Erwartungen erfüllen, die die Gesellschaft an einen stellt, um ein guter Mensch zu sein. Es ist schön, dass in einem Film zu sehen.

Noch schöner wäre es aber, wenn eine solche Message nicht in einem Werk untergebracht worden wäre, dessen herausstechendste Eigenschaft unübersehbar gelangweilte Routine ist. Die Story um die menschliche Katastrophe, die durch christliche Nächstenliebe und den Segen familiärer Zuwendung auf den rechten Pfad geführt wird, und um die aufopferungsvoll kämpfende Mama, die endlich auch mal an sich selbst zu denken lernt – was natürlich bedeutet, dass sie sich verliebt -, bergen keinerlei Überraschungen und auch eigentlich keine echten Gags. Die gehen fast ausschließlich auf das Konto von McCarthy, die immer dann, wenn THE BOSS einen Arschtritt benötigt, von der Kette gelassen wird und eine besonders heftige Tirade an Schimpfwörtern ablässt. Da kann einem schon einmal schwindlig werden, zumal Falcone erheblichen Spaß daran hat, Geschmacksgrenzen mit Verve zu übertreten. Einer überehrgeizigen Spießermama vor den Latz zu knallen, dass ihre minderjährige Tochter gewiss eine Lesbe werde, ist da noch eine der harmloseren Entgleisungen. Es ist nicht so, dass ich nicht einige Male herzhaft gelacht hätte: THE BOSS hat schon seine Momente. Aber insgesamt hatte ich mir dann doch etwas mehr von ihm versprochen.

v1.bTsxMTE5MDkyNjtqOzE3MDE1OzIwNDg7MjAyNTszMDAwPaul Feig macht konsequent da weiter, wo er mit THE HEAT aufgehört hat: Bezog der seinen Witz in erster Linie daraus, typischerweise von Männern ausgefüllte Rollen – den linientreuen, karrieristischen FBI-Agenten im Anzug und den ausgebrannten, die Grenzen der Legalität bewusst übertretenden Bullen von der Straße – von Frauen interpretieren zu lassen, konfrontiert er seine Lieblingsschauspielerin Melissa McCarthy in SPY mit der glamourösen Welt der internationalen Spionage, wie sie sich in den Bond-Filmen darstellt und in der seine Heldin aufgrund ihres nur durchschnittlichen Aussehens mit aggressiver Herablassung behandelt wird.

McCarthy spielt die Agentin Susan Cooper, die den Einsatz im Feld gegen einen Job in der CIA-Zentrale eingetauscht hat. Sie ist der kongeniale Partner des weltgewandten, eleganten und selbstbewussten Superagenten Bradley Fine (Jude Law), den sie als Stimme im Ohr aus der Distanz durch die schwierigsten Situationen navigiert. Ihre heimliche Bewunderung für Fine fällt aber nicht auf fruchtbaren Boden, vielmehr behandelt er sie zwar wie einen guten Bekannten und geschätzten Kollegen, aber auch ein wie völlig asexuelles Wesen und eine wandelnde Slapstick-Einlage. Als Fine bei einem Einsatz der schurkischen Rayna Boyanov (Rose Byrne) zum Opfer fällt, wittert Susan ihre große Chance, sich endlich einmal in freier Wildbahn zu beweisen. Weil sie im Gegensatz zu ihren Kollegen völlig unbekannt ist, erhält sie den Zuschlag, sehr zum Missfallen ihres aufbrausenden – und etwas dümmlichen – Kollegen Rick Ford (Jason Statham), der sich sofort an ihre Fersen heftet …

Die Story von SPY ist nur mäßig interessant und der Film mit einer Laufzeit von zwei Stunde auch etwas zu lang geraten, aber wie in den Filmen zuvor gelingen Feig gerade in der Zeichnung und dem Miteinander seiner Charaktere immer wieder glorreiche Momente und Gags, die über manche Länge hinwegtragen. Die „Nettigkeiten“, die Susan aufgrund ihrer Figur und ihres nur wenig aparten Aussehens in einem Fort über sich ergehen lassen muss, sind ein Running Gag mit durchaus schmerzhafter Komponente, ahnt man doch, dass sie einen wahren Kern haben, mit dem Frauen in unserer oberflächenfixierten Welt täglich zu kämpfen haben. Wunderbar ist wieder einmal Rose Byrne als krasser Gegenpol zur Hauptfigur, eine attraktive, modebewusste und schlanke Dame, die ihre Überlegenheit und die von Susans Durchschnittlichkeit ausgelöste Langeweile offensiv heraushängen lässt. Allein ihr ständiges Augenrollen, das genervte Sich-Abwenden und ihre von Beleidigungen nicht zu unterscheidenden Komplimente lohnen die Sichtung des Films. Dann ist da natürlich noch Jason Statham, der seine Actionfilm-Persona mit Verve aufs Korn nimmt. Absolut göttlich ist sein langer Monolog, in dem er Susan aufzählt, was für selbstmörderische Aktionen und tödliche Verletzungen er bereits überstanden habe. Es ist die egomanischer Wendung des typischen „How bad is he?“-Monologs, eines Actionfilm-Standards, den herauszustreichen ein Verdienst des wunderbaren Vern ist. Die eigentliche Entdeckung von SPY ist aber Miranda Hart als Susans Freundin und Kollegin Nancy, eine lange, kaum weniger durchschnittliche Erscheinung, die sich am Ende mit dem Enthusiasmus des Amateurs in die Schlacht wirft, um Susan zur Seite zu stehen.

Leichte Abnutzungserscheinungen lassen sich nach BRIDESMAIDS und THE HEAT nicht ganz verhehlen, aber solange dabei trotzdem eine Komödie vom Format von SPY herauskommt, kann ich damit gut leben. Wer eine intelligente Verballhornung männlicher Actionfilme, neue kreative Flüche und Beleidigungen oder auch nur den neusten Schwanzwitz sucht (nur in der Extended Version) macht hier also definitiv nichts falsch.

heat_ver4THE HEAT ist gleich der zweite große Wurf von Paul Feig nach dem auch schon tollen BRIDESMAIDS, hat mir sogar noch besser gefallen, was nicht zuletzt an meiner großen Liebe für Cop- und Buddyfilme liegt. Feig nimmt dieses typischerweise von Männern dominierte Genre und überträgt seine Klischees (wie schon bei BRIDESMAIDS) auf Frauenfiguren, die sich im Rahmen des Films allerdings durchaus echt, eben nicht wie Pappkameraden anfühlen. Der Witz besteht nicht darin, dass sich Frauen bei ihm wie Männer benehmen, sondern entsteht aus den sehr eigenen Problemen und Situationen, auf die sie in einer genretypischen (sprich: auf männliche Protagonisten zugeschnittenen) Cop-Geschichte stoßen.

Sandra Bullock verkörpert FBI-Agentin Ashburn, den prototypischen Streber, der sich stets streng an die Regeln hält, keinerlei Humor besitzt und natürlich auch keine Freunde hat. Melissa McCarthy steht als Bostoner Hardass-Cop Mullins im Abseits, weil sie ordinär und dreckig ist, das Gesetz gern beugt und nicht viel von wohlklingenden Theorien von der Polizeischule hält. Natürlich müssen die beiden sich zusammenraufen und beide lernen dabei etwas vom anderen. Wobei: Eigentlich darf Mullins bleiben wie sie ist, lediglich Ashburn bekommt beigebracht, sich wie ein menschliches Wesen zu verhalten, was in THE HEAT damit einhergeht, dass das Bild der gutaussehenden Karrierefrau lustvoll zertrümmert wird.

Ich habe nicht vor, große Aufsätze über die emanzipatorische Kraft von Feigs Film zu schreiben (die er gewiss hat): Mich hat der Film nämlich schon auf sehr viel basalerer Ebene voll erwischt. Ohne eine empirische Studie angestellt zu haben, behaupte ich, dass ich bei keinem Film der letzten fünf Jahre annähernd so viel, laut und herzhaft gelacht habe wie bei diesem. Man merkt ihm die Apatow-Herkunft natürlich an, aber es macht einfach einen Unterschied, ob einem diese bekannten Vulgarismen von 40-jährigen männlichen Slackern um die Ohren gehauen werden, die sich seit der Pubertät jeder Weiterentwicklung versperrt haben, oder von einer 40-jährigen Frau mit der Statur eines Gefrierschranks und dem Gesicht einer Bulldogge. Melissa McCarthy ist großartig als bärbeißige Mullins, wird aber eben nicht einfach auf die hässliche und damit per se „witzige“ Schreckschraube festgenagelt, sondern darf durchaus Brüche zeigen, die einem die Figur menschlich näherbringen und ihr Ecken und Kanten verleihen. Genauso Agentin Ashburn, deren Spießigkeit natürlich auch nur ein Panzer ist, den sie aufgebaut hat, um sich zu schützen. Ja, das sind die Klischees des Buddyfilms, aber Feig versteht eben, sie mit Leben zu füllen. Die Chemie seiner beiden Hauptdarstellerinnen – auch Sandra Bullock ist famos – hilft ihm dabei.

Das soll an dieser Stelle reichen. Ich hoffe, meine Leena macht ihr Versprechen wahr, über THE HEAT zu schreiben, denn sie kann gewiss besser artikulieren, warum Feig nicht nur ein zum Brüllen komischer, sondern auch ein wichtiger und bewegender Film gelungen ist.