Eine Antwort auf Frage, die immer wieder gestellt wird, wenn man mit „normalen“ Filmsehern darüber spricht, warum man sich solche merkwürdigen Sachen wie ein thailändisches JAWS-Ripoff um eine riesenhaftes Killerkrokodil anschaut, lautet: Weil man am besten begreift, was einen Film „gut“ macht, wenn man sich mit jenen Fällen auseinandersetzt, in denen so ziemlich nichts funktioniert. Gerade in seinem letzten Drittel, wenn seine drei Helden an Bord eines Schiffes Jagd auf das gefräßige Ungetüm machen, versteigt sich Sompote Sands zu einer 1:1-Kopie des großen Klassikers, ohne auch nur annähernd dessen Klasse zu erreichen. Natürlich liegt das auch daran, dass er mit einem Bruchteil des Budgets auskommen musste, keine geschulten Weltklasse-Darsteller zur Verfügung hatte, keinen Spitzenscore von John Williams, keinen „Bruce“ und keinen Bill Butler an der Kamera. Aber mehr noch daran, dass es ihm einfach nicht gelingt, das Material sinnhaft zu organisieren. Der ganze Film ist ein einziges Chaos aus halb durchdachten Ideen, ohne Sinn und Verstand zusammengeschmissener Szenen, einer konfusen Dramaturgie, eines nicht vorhandenes Gefühls für Zeit und Raum und in ihrer Qualität drastisch variierender Spezialeffekte, in denen das Krokodil von Szene zu Szene seine Größe verändert: In manchen Szenen nimmt es die Dimensionen seines geschuppten Kollegen Godzilla an, dann ist es so groß wie ein Boot, dann wieder scheint es sich um einen lediglich etwas größeren Vertreter seiner Gattung zu handeln. Der Schnitt tut sein Bestes, die Desorientierung zu verstärken und die Kamera hält gnadenlos aufs Nichts, als gäbe es dort etwas zu entdecken.
Die Story geht irgendwie so: Durch die Umweltverschmutzung entsteht ein Riesenkrokodil, das nicht nur die Binnengewässer Bangkoks, sondern auch das Meer unsicher macht. Einer Attacke fallen unter anderem Frau und Tochter des viel beschäftigten Arztes Dr. Akom (Naart Poowanai) zum Opfer, der sich daraufhin gemeinsam einem Freund und dem Krokodiljäger Tanaka (Bill Warren) auf die Jagd nach dem Monstrum begibt. Was eigentlich eine in hunderten von Tierhorrorfilmen erprobte Geschichte mit klar etabliertem Regelwerk ist, die zahllose Regisseure trotz oft begrenzter Möglichkeiten mit einigem Erfolg in Zelluloid hüllten, stellte Sands vor unlösbare Aufgaben. Das geht schon gleich am Anfang los, wenn ein Voice-over-Erzähler zu Bildern eines tosenden Tsunamis, der Hütten niederreißt sowie Menschen und Krokodile hinfortspült, von der Rache der gebeutelten Natur schwadroniert, die sich gegen den Menschen erheben werde. Später ist immer wieder von der Legende um ein dämonisches Riesenkrokodil die Rede, ganz am Schluss wird radioaktive Verseuchung als Ursache für die Mutation herangezogen, ohne dass diese These irgendwann mal entsprechend unterfüttert worden wäre. Diese Orientierungslosigkeit wird gewissermaßen paradigmatisch für den ganzen Film, der arhythmisch auf sein Finale zuhoppelt, unspektakuläre Dialogszenen immer wieder mit aus dem Nichts hereinplatzende Krokoszenen unterbricht, in denen anonyme Statisten ihr Ende finden und die deshalb spannungslos an einem vorüberrauschen. Steven Spielbergs JAWS war ja auch deshalb so nervenzerrend, weil er seinen Handlungsort ganz klar umriss und jedem klar machte, wann mit der Bedrohung zu rechnen war und woher sie kommen würde. In CHORAKHE ist jederzeit alles möglich: Das Krokodil schlägt mal im Meer zu, dann wieder an einem innerstädtischen Kanal, ohne dass sein Erscheinen jemals wirklich angebahnt werden würde. Oft wird da einfach ins leere Wasser oder bedeutungsschwanger auf dessen Oberfläche gehalten, wie etwa in der ebenfalls aus dem Vorbild entlehnten Attacke auf die Ehefrau. Die keift panisch herum wie weiland ihre blonde Kollegin in der Auftaktszene des Klassikers, doch wenn die Kamera dann den Blick unters Wasser wirft, sieht man: nichts. Auch solche Kniffe wie die Hai-Subjektiven, die in JAWS das Auftauchen des Monstrums ankündigten, fehlen hier. Und wenn das Monster zuschlägt, geht alles in einem Wirrwarr von nicht zueinander passenden Einstellungen unter.
Der Geniestreich eines Films wie JAWS (und vergleichbar gelungener Werke) war es, die Präsenz des Monsters auch in solchen Szenen zu suggerieren, in denen es nicht da war. Wenn Brody, Hooper und Quint an Bord der Orca angestrengt auf das sie umgebende Wasser blickten, dann glaubte man als Zuschauer, dass der Hai irgendwo da draußen herumschwamm und jederzeit auftauchen könnte. Das gelang durch den Einsatz der Musik, von Totalen, in denen man tatsächlich die Rückenflosse in Relation zum Boot sah und schließlich durch Effektszenen, in denen die Darsteller wirklich mit dem Prop interagierten. Nichts davon gibt es in CHORAKHE: Das Krokodil ist vom filmischen Rest völlig isoliert, seine Auftritte beschränken sich auf Großaufnahmen eines echten Krokodils und kurze Shots, in denen sich ein ebensolches an Miniaturmodellen vergeht. Manchmal kommt auch ein Pappmaul zum Einsatz, in dem ein unglückseliges Opfer sein Leben aushaucht. Aber nie hat man das Gefühl, das Biest agiert in der selben Sphäre wie seine menschlichen Konterparts. Was genau im Showdown passiert, kann man bestenfalls erahnen. Auf jeden Fall fliegt alles in die Luft.
Zugegeben, niemand erwartet von einem thailändischen JAWS-Ripoff um ein Riesenkrokodil filmische Meisterleistungen. Ein paar Szenen sind durchaus putzig – etwa die Vorstellung Tanakas, der über sein riesiges Adlertattoo auf der Brust sagt, er habe es sich als Kind machen lassen und dass es „die Überlegenheit gegenüber niederen Reptilien“ ausdrücke, die haarsträubenden Effektszenen, in denen das luxusdampfergroße Biest wahre Flutwellen auslöst oder natürlich die drolligen Dialoge, die diesen Unfug mit der Bemühung größten Ernstes verkaufen – und generell muss man sich vor der Chuzpe der Macher verneigen, sich an einem Film wie JAWS zu vergehen, ohne auch nur den geringsten Plan zu haben. Aber der Charme völligen Unvermögens und totaler Absurdität trägt in diesem Fall nicht über 80 bis 90 Minuten. Ich habe mich schon ein bisschen gelangweilt.
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