Mit ‘Pam Grier’ getaggte Beiträge

large_edjzjali1v5ps7dcmylt8cpf3dgDamals im Kino hatte Snake Plisskens gehauchtes „Nennen Sie mich Snake!“ schon für Begeisterungsstürme gereicht. Es war für mich, der altersbedingt nicht das Glück hatte, ESCAPE FROM NEW YORK im Kino sehen zu können, eines der schönsten Kinoerlebnisse überhaupt: Die damalige Kritik an ESCAPE FROM L.A. konnte ich zwar irgendwie nachvollziehen, aber gefühlt habe ich etwas anderes. Die gestrige Sichtung des Films auf Blu-ray, auf der er in den schönsten Farben erstrahlt, die famose Kameraarbeit von Gary B. Kibbe und die tolle Setdesigns zum Leuchten bringt, schloss direkt an die Kinoerfahrung von einst an und machte mir schlagartig wieder klar, wie toll dieses Sequel tatsächlich ist. John Carpenter ist damit meines Erachtens etwas ganz Besonderes gelungen: Er hat eine Fortsetzung geschaffen, die der seit dem Original vergangenen Zeit unverkennbar Rechnung trägt, ein Update, das der neuen Epoche angemessen und kein schnödes Retrogedöns ist, aber dabei dennoch vom selben Schrot und Korn. ESCAPE FROM L.A. ist bunter, witziger, bescheuerter und überdrehter als der Vorgänger, aber darunter schlägt immer noch das Herz des liberalen Zynikers, der mit Western aufgewachsen ist und das Genrekino liebt, der Autoritäten gegenüber skeptisch ist und mit dem Underdog mitfiebert.

ESCAPE FROM L.A. stellt inhaltlich eher eine Variation des Vorgängers dar als eine Fortsetzung, aber das Gefühl des „Been there, done that“, das damit einhergeht, unterstreicht noch einmal Carpenters Skeptizismus und Snakes Müdigkeit. Der Antiheld hat einfach nur die Schnauze voll von den immer gleichen Täuschungsmanövern und leeren Politikervrsprechungen. Der angry young man aus dem ersten Teil ist nun ein mit allen Abwassern gewaschener Veteran, seine Mission ein going through the motions. Was ihn am Laufen hält, ist sein Überlebenswille, insofern haben ihn seine Auftraggeber – Stacey Keach in der Lee-van-Cleef-, Cliff Robertson in der Donald-Pleasence-Rolle – genau richtig eingeschätzt, als sie ihm ein tödliche Injektion als Druckmittel verpasst haben. Plissken macht mit, aber eigentlich nur, um zu überleben, und seinen Peinigern am Ende vielleicht doch gepflegt in den Arsch treten zu können. Das Kriegsgebiet ist kein düsteres Loch mehr, sondern ein durch ein Erdbeben vom Rest der USA abgekoppeltes L.A., das nun als Exil für all jene fungiert, die gegen die Moral der neuen Spießernation verstoßen. Was man schon zwischen den Zeilen von ESCAPE FROM NEW YORK herauslesen konnte, das es Drinnen nämlich vielleicht besser ist als Draußen, wird hier zur Gewissheit und von einer Figur, der unglücksseligen Taslima (Valeria Golino), sogar expliziert – kurz bevor sie in der bittersten Szene des Films – einer Schlüsselszene – wie aus dem Nichts erschossen wird. Das L.A. aus Carpenters Film setzt dem spießigen Gottesstaat zwar eine kunterbunte Utopie voller durchgeknallter Individualisten entgegen, unter denen sich auch Hippie-Gottvater Peter Fonda als Surfer auf der Suche nach der ultimativen Welle wohl fühlt, aber die Kehrseite ist eine anarchische Gesellschaft, in der es keinerlei Rücksichtnahme mehr gibt und jedem Impuls nachgegeben wird – zum Beispiel jenem sich chrirgisch bsi zur Unkenttlichkeit zu verstümmeln. Am Ende kommt Plissken zum einzig logischen Schluss, nämlich dem, dass die Menschheit insgesamt keine Rettung verdient hat. Nach den Ereignissen der letzten Monate und Wochen muss man anerkennen, dass Carpenters Film 20 Jahre nach seinem Erscheinen erstaunlich zeitgemäß anmutet. Und dass, wo man ihn damals eigentlich schon zum Start als instantly dated diffamiert hat.

Grund waren nicht zuletzt die mäßig überzeugenden CGI und der Rückgriff Carpenters auf Mittel, die er schon zwanzig Jahre zuvor für sich genutzt hatte. ESCAPE FROM L.A. hat eine geradezu unverschämt dilettantisch animierte U-Boot-Fahrt komplett mit hektisch ins Bild schnappenden Riesenhaien zu bieten, dazu die schon im Original erprobte Ausleuchtung, die jeden Originalschauplatz in eine wunderbar künstlich aussehende Theaterkulisse verwandelt, herrlich übertriebene Matte Paintings und einen Actionshowdown, in dem die Helden an Seilen ins Bild geschwebt kommen und Rabatz machen. Schon erstaunlich dass man das in den Neunzigern, dem Jahrzehnt der Ironie und der bequemen Flucht auf sichere Metaebenen, nicht verstand, dem Film einen billigen Look unterstellte und Carpenters künstlerische Instinkte in Zweifel zog. Natürlich passt das alles wie Arsch auf Eimer und unterscheidet sich vom weithin geliebten Vorgänger nur oberflächlich. Klar, der war das logische Resultat einer Zeit gewesen, in der man sich vor dem Dritte Weltkrieg fürchtete, das unaufhaltsame Ansteigen urbanen Verbrechens beklagte und „No Future“ deklamierte, und dementsprechend düster. Bei ESCAPE FROM L.A. amüsiert man sich hingegen zu Tode: Das sieht etwas bunter aus, aber das Resultat ist dasselbe. Meiner bescheidenen Meinung nach ist dies Carpenters bester Film seit THEY LIVE und damit noch deutlich stärker als der gemeinhin überschätzte IN THE MOUTH OF MADNESS.

 

Jackie Brown (Pam Grier), eine 44-jährige Stewardess einer kleinen mexikanischen Airline, verdient sich etwas als Geldkurier des Waffen- und Drogenhändlers Ordell Robbie (Samuel L. Jackson) dazu. Weil sie schon einmal in einer Drogensache auffällig geworden ist, lauert ihr der Kriminalbeamte Ray Nicolette (Michael Keaton) auf, der es auf Robbie abgesehen hat, und zwingt sie zur Mitarbeit: Sie soll ihn bei der Übergabe von 500.000 Dollar in die Falle locken. Doch Jackie hat eine bessere Idee: Gemeinsam mit dem Kautionsagenten Max Cherry (Robert Forster) schmiedet sie einen Plan, mit dem sie Nicolette und Robbie hereinlegen und das Geld dabei für sich einstreichen kann …

In PULP FICTION ging es nach Thomas Elsaesser nicht zuletzt um „love and theft“, darum, wie Weiße schwarze Kultur (die sie lieben) für sich vereinnahmen (also stehlen). Mit JACKIE BROWN holt Tarantino diesen Subtext nun gewissermaßen auf die strukturalistische Ebene, indem er selbst als weißer Filmemacher einen Film macht, der nach dem Vorbild der Blaxploiter der Siebzigerjahre gefertigt ist. Mit Pam Grier übernimmt ein ehemaliger Star des Genres die Hauptrolle und der Soundtrack wird überwiegend von Größen der Soul- und Funk Music bestritten. Das dem Blaxploitation-Film inhärente Thema des Kampfes der Unterdrückten um Selbstbestimmung und Gleichberechtigung holt Tarantino aber auf eine realistische, soziale Ebene zurück, indem er seine schwarze Heldin auch noch zu einer mittelalten Geringverdienerin macht, die sich ernste Gedanken um ihre Zukunft machen muss, und ihr einen 56-Jährigen zur Seite stellt, der sich in sie verliebt und durch diese Liebe beginnt, sein eigenes Dasein zu hinterfragen. Den ewigen, nicht erwachsen werden wollenden und in ödipalem Ringen begriffenen Jungspunden aus PULP FICTION setzt er mit Jackie Brown und Max Cherry zwei Charaktere entgegen, die ihre Sturm- und Drangzeit längst hinter sich haben und die sich vielmehr damit beschäftigen, wie sie ihr Leben ausklingen lassen wollen.

Soweit ich mich erinnere, bedeutete JACKIE BROWN das Ende der nach PULP FICTION grassierenden Tarantino-Verehrung. Viele, die jenen Film für all jene Oberflächenmerkmale so liebten, die man damals mit dem Regisseur verband, kehrten ihm nach diesem mit Spannung erwarteten Drittwerk enttäuscht den Rücken. Sie vermissten wahrscheinlich die ausgestellte Coolness von Auftragskillern in schwarzen Anzügen und Bonnie-und-Clyde-Pärchen, die Dialoge über unterschiedliche Hamburger-Benennungen, die heftigen Gewaltausbrüche, die verschachtelte Narration. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass JACKIE BROWN einen sehr viel ruhigeren, gemächlicheren Rhythmus anschlägt. Ganz im Stile des Heist Movies spielen Langsamkeit und Geduld eine sehr wichtige Rolle. Ein großer Coup will sorgfältig geplant statt überstürzt werden und wer wüsste das besser, als Jackie und Max, zwei Menschen, die sich im Leben eingerichtet haben wie auf einer gut eingesessenen Couch? Ein Fauxpas wie Vincent Vega, dem Killer aus PULP FICTION, der auf der Toilette seiner Zielperson erschossen wurde, soll ihnen nicht passieren. Das, was ihnen an Skrupellosigkeit und Abgebrühtheit fehlt, machen sie durch Routine, Menschenkenntnis und Umsicht wett. Sie müssen gar keine Gewalt anwenden, weil sie die Situationen, die auf sie zukommen, antizipiert haben wie Schachspieler.

Die Jugend zieht in JACKIE BROWN konsequent den Kürzeren – wobei „Jugend“ hier durchaus relativ zu verstehen ist. Das Surfergirl Mel (Bridget Fonda), notgeile Gespielin von Robbie, glaubt, sich alles erlauben zu können, und endet mit zwei Kugeln im Leib. Beaumont (Chris Tucker) ist ganz einfach zu dumm, um zu begreifen, warum er nicht bei Robbie in den Kofferraum steigen sollte. Und Nicolette ist viel zu ehrgeizig, viel zu heiß auf den Ruhm, den ihm die Verhaftung des Waffenhändlers einbringen wird, um die Gefahr zu bemerken, in die er sich begibt. Man muss nur die Ruhe und Würde erkennen, mit der sich Jackie bewegt (bzw. die Tarantino ihr mit seiner Inszenierung zuweist), und sie mit der Selbstverliebtheit ihrer Kontrahenten vergleichen, um zu wissen, dass sie am Ende triumphieren wird. Schon wie sie in der Creditsequenz an dieser blauen Mosaikwand entlangschreitet, den Blick immer geradeaus gerichtet, totale körperliche Souveränität ausstrahlend, ist klar, dass sie sich auf ihrem Weg nicht aufhalten lassen wird. Pam Grier ist grandios in JACKIE BROWN, eine bessere Besetzung kaum denkbar. Sie verkörperte schon in den Siebzigern eine Art weiblicher Urgewalt, mit der Mann sich besser nicht anlegte, aber verfügte in ihrer Jugend über einen noch sehr ungeschliffenen Charme. Es war eher Trotzigkeit, die sie antrieb und sie manchmal auch über das Ziel hinausschießen ließ. Hier verpulvert sie keine unnötige Energie, geht höchst ökonomisch mit ihren Reserven um. Körpereinsatz muss sie fast nie zeigen, weil sie in der Lage ist, die anderen in ihrem Sinne zu lenken. Man sieht ihr eine gewisse Müdigkeit an. Nicht die körperliche Erschöpfung nach einer vollbrachten Anstrengung, sondern jene, die der jahrelange Alltag, der daily grind bei ihr hinterlassen hat. Aber diese Müdigkeit schärft auch noch einmal ihre Sinne, weil sie den Fokus auf ihre eigene Verletzbarkeit lenkt, während Robbie, Nicolette und Konsorten sich in ihrer virilen Kraft für unbesiegbar halten. Pam Griers Gesicht spiegelt diese Ruhe und Konzentration, den Willen, sich nicht mit den Verhältnissen abzufinden. Es ist kein Wunder, dass sich Max Cherry sofort in sie verliebt, wie sie da als reine weibliche Präsenz auf ihn zuläuft und noch in der Bewegung zu einem Denkmal weiblicher Selbstbehauptung kristallisiert (ich meine, damals wurde in der Rezension in der Splatting Image ausgeführt, wie Jackie durch die Montage immer ein Stück zurückversetzt wird, so als dehne sich der Weg, den sie zurücklegen muss, für Max Cherry ins Endlose). Sein Blick der Verzauberung wiederholt sich am Ende noch einmal, wenn Jackie nach gemeinsam überstandenem Abenteuer und einem innigen Kuss in ein anderes, neues Leben entschwindet und ihn, der ihre Kraft nicht hat, in seinem zurücklässt. Er muss sein Telefonat beenden, und sein Blick erinnert an den Killer Jules aus PULP FICTION, der eigentlich tot sein müsste, den aber alle Kugel auf wundersame Weise verfehlt haben. Als sei ein Tornado über ihn hinweggerauscht, ohne eine Spur zu hinterlassen. Auch Max ist Zeuge göttlicher Einmischung geworden.

Der Texaner Art Long (Dennis Quaid) träumt von einer Karriere als Country/Western-Sänger, doch bislang blieben alle seine dahingehenden Bemühungen ohne Erfolg. Seine Frau Caroline (Carlene Watkins) mahnt ihn dazu, sich auf etwas zu konzentrieren, was Geld nach Hause bringt, doch Art will seinen Traum noch nicht aufgeben. Als ein mit 5.000 Dollar dotierter Toughman-Contest – ein Amateur-Boxwettbewerb – lockt, ergreift Art die Gelegenheit zunächst nur, um sich etwas Luft zu verschaffen. Doch als er den Wettbewerb tatsächlich gewinnt und der Veranstalter James Neese (Warren Oates) ihm einen Auftritt im Fernsehen verspricht, wenn er auch bei der nationalen Ausgabe des Wettkampfes antritt, wittert Art die große Gelegenheit zum Durchbruch. Und außerdem ist da ja noch das Preisgeld von 100.000 Dollar …

Anlässlich der Reinfälle Fleischers mit DOCTOR DOLITTLE und THE PRINCE AND THE PAUPER hatte ich gemutmaßt, der Regisseur sei vielleicht nicht der geeignete Mann für locker-flockige, humoristisch-vergnügte Filme gewesen: TOUGH ENOUGH fungiert als Gegenbeweis zu dieser These. Sein überdeutlich von Stallones ROCKY-Reihe inspirierter Film über einen sympathischen Underdog, der einen Triumph gegen jede Wahrscheinlichkeit erringt, ist geprägt von Leichtigkeit, Beiläufigkeit und Flüchtigkeit; Eigenschaften, die fast neu in seinem Schaffen sind. Neigte er sonst – nicht immer zu seinem Vorteil – zu einer gewissen Themenschwere, die seine Filme insgesamt runterzog, so werden die wenigen „gewichtigeren“ Aspekte von TOUGH ENOUGH, vor allem eine leise Kapitalismuskritik, hier in kurzen Dialogen lediglich angerissen und dann so stehengelassen. So dreht sich dieser Film fast ausschließlich um die ruppigen Boxkämpfe, die einen Großteil der Spielzeit ausmachen und adäquat eingefangen sind: immer dynamisch, aber nie zu filigran. Wer die Armdrück-Szenen aus OVER THE TOP in sein Herz geschlossen und sich daher immer gefragt hat, wie jener Film wohl ohne das rührselige Melodrama aussähe (für das ich in diesem speziellen Fall übrigens durchaus empfänglich bin), der kann sich diese Frage mit einer Sichtung von TOUGH ENOUGH beantworten. Auch hier gibt es skurrile Charaktere wie etwa eine albanische Kampfsau mit Vollbart und Glatze namens Tigran Baldasarian (Steve Miller), den eindeutig benannten „Gay Bob“, der seinem Gegner vor jedem Kampf eine Rose überreicht, den obligatorischen afroamerikanischen Totschläger, diverse andere Kuriositäten, wie zum Beispiel einen schwer kurzsichtigen Boxer oder diverse Fettsäcke, und natürlich den zu Arts bestem Freund und Trainer avancierenden P. T. Coolidge (Stan Shaw). In Verbindung mit der schönen Besetzung – in Nebenrollen sind u. a. Pam Grier, Wilford Brimley und Bruce McGill zu sehen – ist diese bunte und uramerikanische Balgerei so unterhaltsam, dass man auch gern über kleinere Schwächen hinwegsieht. Der Sieg Arts ist am Ende vielleicht doch etwas zu viel des Guten und mit etwas mehr Substanz und dafür einem Hauch weniger Konvention hätte TOUGH ENOUGH sogar richtig klasse werden können. So ist es immerhin ein schöner Unterhaltungsfilm und außerdem Fleischers bester seit MANDINGO.

1999: Jugendgangs haben die US-amerikanischen Metropolen in bürgerkriegsartige Zustände gestürzt. Die Ordnung wurde wieder hergestellt, indem man bestimmte Stadtgebiete einfach aufgab: die so genannten Free-Fire-Zones, in denen nun Anarchie herrscht. Die Kennedy High School in Seattle liegt in einer solchen Free-Fire-Zone und soll wieder geöffnet werden. Dazu installiert das „Ministry of Educational Defense“ gemeinsam mit dem Waffenhersteller Megatech drei Cyborgs als Lehrkräfte (John P. Ryan, Pam Grier und Patrick Kilpatrick), die den aufmüpfigen Schülern notfalls mit Gewalt Manieren beibringen sollen. Was niemand weiß: Die Cyborgs sind der Prototyp für eine neue Waffenserie und ihr Einsatz an der Schule nur ein Testlauf. Bald sind die ersten toten Schüler zu beklagen. Der Anführer der Jugendgang „Blackhearts“, Cody Culp (Bradley Gregg), stellt sich den Kampfmaschinen entgegen …

Wieder mal so eine Filmsichtung aus der Kategorie „Wiedersehen mit alten Freunden“. Die deutsche Leihvideo-Veröffentlichung von CLASS OF 1999 war massiv geschnitten, die Kopie des niederländischen Tapes avancierte somit zum gefragten Kulturgut und zum essenziellen Bestandteil der Sammlung. Ja, seinerzeit war CLASS OF 1999 ein Renner, vollgestopft mit schöner Gewalt, geilen MAD MAX-Outfits, kreativen Latex- und Prosthetics-Splattereien und Darstellern, von denen man zwar wusste, dass man sie irgendwie cool finden sollte (neben den oben genannten etwa Stacy Keach mit herrlich gebleichter Endachtziger-Rattenschwanz-Frisur und gruseligen Reptilienaugen-Kontaktlinsen und natürlich Malcolm McDowell), aber noch nicht so recht, warum bzw. wofür. Untermalt wurde das Spektakel von in höchstem Maße testikelvergrößerndem,  prolligem und – da Nirvana ja noch in weiter Ferne lagen (zwei Jahre fühlten sich damals noch wie eine Ewigkeit an) – von der eigenen Dominanz besoffenem Schwanzrock, der die Bilder einer nahen, von coolen Jugendlichen in noch cooleren Postpunk-, New-Barbarian- und New-Wave-Klamotten dominierten urbanen Apokalypse treffend kommentierte. Der Zahn der Zeit hat also naturgemäß seine Spuren an Mark L. Lesters Film hinterlassen, aber das macht nichts, ist schließlich Teil des Spiels, wenn man solche mit einem selbst verwachsene Schätze aus der Versenkung hebt. Und mit den aktuellen Genrevertretern vorm geistigen Auge, die Vision, Commitment und Einfallsreichtum oft durch vordergründige Perfektion ersetzen, kickt CLASS OF 1999 doppelt so hart: Was hier an Stunts, Explosionen und Zerstörung aufgefahren wird, spottet jeder Beschreibung. Heutzutage lassen Filmemacher die Festplatten und Prozessoren ihrer Rechner rauchen, früher haben Leute wie Lester Autos angezündet und Häuser gesprengt, wenn sie Qualm haben wollten. Recht so!

So ist CLASS OF 1999 dann auch nicht unbedingt ein Film für Feingeister – noch weniger als der nominelle Vorgänger, Lesters visionärer CLASS OF 1984, der sich des Themas „Gewalt an Schulen“ angenommen und es mit dem seit Winners DEATH WISH etablierten Selbstjustizfilm kurzgeschlossen hatte und selbst schon nichts für zarte Gemüter gewesen war. Der Realitätsbezug, den jener noch hatte, wird hier weitestgehend zugunsten eines wilden, deutlich an Verhoevens ROBOCOP angelehnten Science-Fiction-Szenarios verworfen, das zwar dystopische und also halbwegs auf realen Verhältnissen gründende Züge trägt, aber in erster Linie Anlass für krachendes Spektakel bietet. Vor allem am Schluss, wenn die Cyborglehrer ihre fleischlichen Hüllen fallen lassen und sich ganz unverhohlen als Mordmaschinen mit individueller Bewaffnung (Flammenwerfer, Raketenwerfer, Stahlkralle und Schlagbohrer) präsentieren, schlägt das Herz des Exploitationfreundes einen Salto in der Brust. Doch die schönste und hintersinnigste Szene des Films ist ohne Zweifel die, in der John P. Ryans gestrenger Geschichtslehrer (immer stilecht in Sakko und Cordhose) zwei Bandenmitglieder zur Räson bringt, indem er sie vor versammelter Klasse kurzentschlossen über Knie legt und ihnen ordentlich den Arsch versohlt. Das ist so wunderbar oldschool wie Lesters Film im Jahre des Herrn 2011.

In einem südamerikanischen Frauengefängnis regieren die Wärterin Lucian (Kathryn Loder) und der mysteriöse Mendoza, dessen Gesicht noch niemand lebend gesehen hat, mit eiserner Hand. Fünf Insassinnen – die lesbische Grear (Pam Grier), die toughe Alcott (Roberta Collins), Bodine (Pat Woodell), die Geliebte eines Revoluzzers, die drogenabhängige Harrad (Brooke Mills) sowie die „Neue“, Collier (Judy Brown) – planen schließlich die Flucht. Die beiden Dienstboten Harry (Sid Haig) und Fred (Jerry Franks) kommen ihnen dabei eher unfreiwillig zur Hilfe …

Um das zunächst mal klarzustellen: THE BIG DOLL HOUSE ist der Auftakt für die WiP-Reihe von New World Pictures, dem dann die von mir bereits besprochenen THE BIG BIRD CAGE und WOMEN IN CAGES nachfolgten (die ich nur aus Versehen zuerst geschaut habe), und dementsprechend längst nicht so aufwändig und ausufernd wie das nominelle Sequel.  THE BIG DOLL HOUSE liegt stimmungsmäig genau zwischen den beiden genannten Nachfolgern: Relativ ernst und reduziert, ist er noch kein Comicspektakel wie THE BIG BIRD CAGE, aber auch bei Weitem nicht so düster und deprimierend wie WOMEN IN CAGES (dessen Knastsetting hier zum ersten Mal Verwendung findet). Das Drehbuch konzentriert sich in erster Linie auf die Beziehung zwischen den fünf Inhaftierten, ohne dabei eine wirklich klare Plotline herauszuarbeiten. Erst spät kommt die Idee auf, zu fliehen, und die Enttarnung Mendozas ist kaum überraschend, weil einem nur wenige mögliche Kandidaten vorgeführt wurden. Auch der Subplot um Harry und Fred, die natürlich davon träumen, sich an den hübschen Damen zu verlustieren, wirkt eher hingeworfen, als schlüssig mit der Geschichte verbunden. Zwar glingt es Hill die Episoden am Ende zufriedenstellend zusammenzuführen, doch bis dahin mäandert THE BIG DOLL HOUSE durchaus unterhaltsam, aber eben auch ein wenig unentschlossen vor sich hin.

So sind es eher kleinere Details und einzelne Szenen, die herausstechen: Sehr putzig fand ich etwa die Untersuchung Colliers zu Beginn, bei der natürlich jede Körperöffnung einer genauen Prüfung unterzogen wird. Die Wärterin wischt sich danach einfach lapidar die Finger an ihrem Hemd ab und ruft „Next!“. Hygiene ist wahrlich ein Luxusproblem. Natürlich gibt es auch wieder eine Partie dekorativen Schlammcatchens und deutlich mehr übergriffigen Sex als im BIRD CAGE, aber im Vordergrund stehen eindeutig die Performances des fünf Hauptdarstellerinnen. Die besten Parts haben Pam Grier und Brooke Mills abbekommen, weil sie am ehesten so etwas wie Tiefe vorweisen: Ihre gemeinsame Szene kurz vor Schluss ist die stärkste des Films. Collins, Brown und Woodell sehen vor allem gut aus und dürfen am Schluss schön pulpig mit Maschinengwehren rumballern. Es liegt auch an ihnen, dass dieser Film kaum ernstzunehmen ist: Selbst nach der schlimmsten Folter sitzen Frisur und Schminke noch perfekt und alle strotzen nur so vor Unbeugsamkeit, dass selbst ein getsandener Kerl wie Sid Haig vor ihnen nur in die Knie gehen kann. „Realistischer“ ist da schon die Besetzung der irgendwie gruseligen Kathryn Loder als Folterknecht: Ihr war leider nur eine sehr kurze Karriere vergönnt, bevor sie mit nur 38 Jahren verstarb; zu ihren wenigen Filmen zählt etwa der Hill-Film FOXY BROWN. Sid Haig ist wie immer liebenswert und die deutsche Christiane Schmidmer spielt die Gefängnisdirektorin, die sich am Schluss … aber das verrate ich jetzt nicht. Ihr merkt, allzu viel weiß ich zu diesem Film, der einfach nur leicht überdurchschnittliche, kompetent gefertigte Exploitation darstellt, nicht zu sagen. Muss ja auch nicht sein.

„Jeff“ (Jennifer Gan) wird von ihrem drogendealenden Freund Rudy (Charlie Davao) – nebenbei unterhält er einen Vergnügungsdampfer, auf dem reiche Männer dem Glücksspiel nachgehen und sich an Prostituierten vergehen können – hintergangen und landet im Gefängnis. Dort führt die amerikanische Wärterin Alabama (Pam Grier) ein hartes Regiment, hält sich die Frauen wahlweise als Liebesspielzeug oder steckt sie in den „Playpen“ – eine Folterkammer. Jeff freundet sich mit ihren Zellengenossinnen an, doch hat sie bald noch ganz andere Sorgen als Alabama: Denn ihr Rudy fürchtet eine belastende Aussage und weil er gute Kontakte in den Knast hat, beauftragt er Stoke (Roberta Collins), seine Freundin umzubringen …

Pam Grier, die Philippinen und das Genre selbst verbinden WOMEN IN CAGES mit dem Vorgänger THE BIG BIRD CAGE, der aber kaum weiter entfernt sein könnte von diesem Runterzieher. Bot jener farbenfrohen Eskapismus, deutet in De Leons Film schon die monochromatische Farbpalette aus Schwarz, Grau und dunklen Blautönen an, woher hier der Wind weht. Nicht ein Sonnenstrahl verirrt sich in den Film und analog zu den berühmten Day-for-Night-Aufnahmen – also Nachtszenen, die bei Tage gedreht und dann nachträglich abgedunkelt wurden – muss man hier von Night-for-Day sprechen: Selbst über Szenen, die bei Tag spielen, hat sich schon eine unfreundliche Dämmerung gelegt. Auch der Titel ist durchaus paradigmatisch zu verstehen, weist nicht nur auf das Frauenknast-Setting, sondern allgemeiner auf die Lebenssituation der Frauen hin, von denen im Gegensatz zu Jack Hills THE BIG BIRD CAGE keine einzige Souveränität erlangt, jede einzelne vielmehr „gefangen“ ist – und dies auch bleibt. Jeff hofft auch dann noch auf Rettung von ihrem Rudy, wenn ihr doch längst klar geworden sein müsste, dass der ein übles Spiel mit ihr getrieben hat; die drogenabhängige Stoke verkauft sich Rudy, weil sie sich erhofft, von ihm befreit zu werden, und bekommt am Schluss die Quittung: Sie ist die eigentliche tragische Heldin des Films. Aber selbst die schurkische Alabama ist von den ursachlos bösen Sadisten des WiP-Genres weit entfernt, eigentlich auch nur ein Opfer der Umstände. In Harlem aufgewachsen, Opfer des Rassismus und „strung out on crack at the age of ten“ ist ihre Gewalt nur ein fehlgeleiteter Versuch, ihre Traumata zu verarbeiten. Als ihre Macht am Ende dahin ist, fallen die Banditen, die sie engagiert hat, um die Flüchtlinge einzufangen, gnadenlos über sie her. Der Kreis hat sich geschlossen.

Pam Grier ist brillant in der Rolle der Alabama, gerade weil ihr Schauspiel zu jener Zeit am Anfang ihrer Karriere jede Geschliffenheit und Souveränität noch vermissen ließ. Sie hat kaum mehr als ihre Respekt einflößende Physis und jede Menge attitude, wirft sich voller unkontrollierter Inbrunst in ihre Rolle, kommt dabei weniger wie ein totalitärer, unterkühlter Herrscher, sondern eher wie ein amoklaufender Bully rüber, dem die Macht zu Kopf gestiegen ist und der nun die Gelegenheit hat, alle inneren Frustrationen und Ängste nach außen zu richten, anstatt sie verarbeiten zu müssen. Dank dieser Darstellung und der ruppigen, ungeschliffenen Inszenierung vermittelt WOMEN IN CAGES eine Ahnung davon, was Rassismus mit seinen Opfern anrichtet. Will man De Leons Film kritisieren, dann könnte man ihm vorwerfen, dass er in seiner ausnahmslos düsteren Weltsicht über 80 Minuten ganz schön ermüdend ist. Aber Spaß, Kurzweil und leichtes Entertainment wären hier auch kaum angemessen.

Bei einem Überfall nehmen die beiden Revoluzzer Django (Sid Haig) und seine Geliebte Blossom (Pam Grier) das Jetset-Girl Terry (Anitra Ford) als Geisel. Als sie sie schließlich zurücklassen, wird sie verhaftet und in ein Frauenlager im Urwald gesteckt, dessen Leiter Hunderte von Frauen im „Bird Cage“, einer riesigen Zuckerrohrmühle aus Bambus, arbeiten lässt. Während die Frauen dort gequält, gedemütigt und ermordet werden, kommen Blossom und Django auf die Idee, das Lager zu infiltrieren und die Gefangenen zu befreien. Blossom lässt sich gefangen nehmen und Django dient sich als homosexueller Wärter an …

Für mich verkörpert dieser Film alles das, was das Exploitation-Kino Roger Cormans so liebenswert macht: schöne Frauen, greller Humor, bunte Farben und (nie zu schmerzhafte) Gewalt in einer kompetenten Darbietung. THE BIG BIRD CAGE hat dann auch mit den schmuddelig-niederträchtigen Frauenknast- und Frauenlagerfilmen, wie man sie aus Europa oder auch Asien kennt, nicht viel zu tun. Zwar werden dieselben Zutaten verwendet und man kann – anders als beim zuletzt besprochenen CAGED HEAT – beim besten Willen nicht von einem kritischen Gestus oder einer reflektierten Haltung sprechen, aber die schwungvolle Regie und das clevere, humorvolle Drehbuch des freundlichen Jack Hill betonen eher den pulpigen Comicbook-Charakter und damit die Fiktionalität des Ganzen, anstatt den Zuschauer gewissermaßen durch den Schmutz zu ziehen. Wer seine Blaxploiter COFFY oder FOXY BROWN kennt, der weiß, was ihn erwartet.

Was THE BIG BIRD CAGE aber auch für empfindsame Gemüter so goutierbar macht, ist die Zeichnung seiner weiblichen Charaktere: Die Frauen sind eindeutig die Identifikationsfiguren des Films, nicht bloß schön anzusehende Objekte, an denen sich der männliche Blick und die Schurken reiben können, sondern mit Herz und Seele, Bedürfnissen und Gefühlen ausgestattet, die THE BIG BIRD CAGE zwar nicht gerade in den Rang des authentischen Psychodramas erheben, ihn aber trotzdem von quasipornografischen Werken des Genres abheben. Schon die Thematisierung von Sex verdeutlicht das: Da die Wärter allesamt homosexuell sind, brodelt es unter den Gefangenen gewaltig. Doch anstatt nun in Ermangelung verfügbarer Männer übereinander herzufallen, wie das im Frauenknastfilm ja nicht unüblich ist, staut sich die sexuelle Spannung bis zum Finale an, in dem – man höre und staune – der dicke, schwule Wärter Rocco (Vic Diaz) einem Gang Rape, der einzigen Vergewaltigung des Films, unterzogen wird. Na klar, auch solche Szenarien bedienen natürlich männliche Fantasien, aber diesem Zweck wird eben nicht alles unterworfen, die weiblichen Häftlinge dürfen ihre Würde behalten. Ein Satz von Terry, nur eine von vielen starken, sexuell selbstbestimmten Frauenfiguren des Films, verdeutlicht ganz gut, was ich meine. Als ihr Django am Anfang – eher scherzhaft, auch er ist ein guter Kerl – damit droht, über sie herzufallen, sagt sie ganz trocken: „You can’t rape me, I like sex.“ Das Mittel, das die Wärter anwenden, um die Frauen unter Kontrolle zu halten, ist mithin nicht die sexuelle Unterwerfung und Ausbeutung, sondern der Sexentzug. Ein Plan, der nach hinten losgeht. Und wenn sich die Frauen am Ende gegen ihre Unterdrücker vereinen, ihre kleinen Rivalitäten vergessen, dann weht schon ein Hauch vom Empowerment durch den Film.

THE BIG BIRD CAGE ist wahrlich eine Wolke, über die ich noch länger schwärmen könnte: Der Film sieht super aus, bietet vom Schlammcatchen über die obligatorische Folterszene – Terry wird an ihrem Haarzopf aufgehangen – alles, was das Exploitationherz begehrt, ohne dem Betrachter dabei ins Gesicht zu rotzen. Das Drehbuch hat trotz kleinerer Plotholes – warum sich die Revoluzzerfreunde von Blossom und Django so lange bitten lassen, anstatt das Lager einfach zu stürmen, bleibt ein Rätsel – viele kleine Subplots und Wendungen zu bieten, die das Geschehen interessant halten. Und obendrauf gibt es dann noch die göttliche Pam Grier und den von mir immer gern gesehen Sid Haig. Wie der die beiden schwulen Wärter um den Finger wickelt, ist einfach nur herrlich. Und die Szene, in der er beim Pinkeln vom verzückten Rocco beäugt wird, der humoristische, ähem, Höhepunkt des Films. Ein Film zum Glücklichwerden und -sein.