Mit ‘Peter Hyams’ getaggte Beiträge

Was man hatte, weiß man erst, wenn man es nicht mehr hat. Das trifft auch auf die spezielle Spielart des actionlastigen Hochglanz-Thrillers zu, die Hollywood bis in die frühen Neunzigerjahre produzierte, bis diese dann schließlich aus der Mode kamen. THE PRESIDIO vom hier vielfach gepriesenen Peter Hyams, einem der Spezialisten der Form, ist einer der Vertreter und buhlte im Jahr 1988 um die Gunst der Kinozuschauer. Verglichen mit den heutigen Eventmovies wirkt THE PRESIDIO geradezu klein und unspektakulär, aber vor 30 Jahren wurde er tatsächlich mit einigem Nachdruck beworben. Er war nicht unbedingt eine große Sache, aber doch ein Titel, von dem sich Paramount einiges versprach: Sean Connery war einer der größten Filmstars überhaupt, von Mark Harmon erhoffte man sich immer noch, er könne vielleicht ein zweiter Tom Cruise werden und Meg Ryan stieg in jener Zeit zu einer der gefragtesten weiblichen Darstellerinnen auf. Das Drehbuch stammte von Jay Ferguson, der die Scripts zu HIGHLANDER und BEVERLY HILLS COP II auf dem Kerbholz hatte. Der Aufwand zahlte sich dann leider nicht so aus wie erhofft, auch wenn THE PRESIDIO nicht unbedingt als „Flop“ zu bezeichnen ist.

Die Geschichte ist angenehm unaufdringlich: Auf dem Armeestützpunkt Presidio in San Francisco wird eine Militärpolizistin erschossen, die einen Einbrecher auf frischer Tat ertappt hatte. Zur Ermittlung wird der Cop Jay Austin (Mark Harmon) abgestellt, der den Militärdienst vor einigen Jahren nach einem Zwischenfall quittiert hatte. Er nimmt Kontakt zu Lieutenant Colonel Alan Caldwell (Sean Connery) auf, der damals maßgeblich zu Austins Entscheidung beitrug, als er ihn nach einem Disziplinarverfahren degradierte. Dass der Cop eine Liebesbeziehung mit Donna (Meg Ryan), der Tochter Caldwells anfängt, verkompliziert die Beziehung der beiden Männer, die sich dann aber zusammenraufen, um den Mordfall zu klären.

Fergusons Script ist eine einzige Ansammlung von Klischees, denen Hyams leider kein Leben einflößen kann: Die Freundschaft zwischen den ungleichen Männern, hier der aufbrausende, undiszplinierte Cop, da der konservative, im Krieg gestählte alte Hund, die ihre Antipathie überwinden müssen und schließlich zu Freunden werden. Die zwischen beiden stehende Frau, die in der Rebellion gegen das rigide System des Vaters über die Stränge schlägt. Es gibt die Nebenrolle des väterlichen Freundes, die zu namhaft besetzt ist, weshalb man weiß, dass er Bestandteil einer großen Überraschung im dritten Akt ist. Gewürzt wird das alles mit Verfolgungsjagden und Schießereien, bis der Täter aus dem Hut gezaubert wird. Das alles kennt man, meist aus besseren Filmen, auch wenn die vielleicht nicht immer so makellos aussahen wie THE PRESIDIO. Man merkt Hyams‘ Filmen immer an, dass er von der Kamera kam – und das ist es auch, was diesen schwächeren Film von ihm noch sehenswert macht. Die nächtliche Auftaktsequenz ist ein Augenschmaus mit ihren satten Farben und der spannungsreichen Ausleuchtung, überhaupt trägt die Kulisse San Franciscos viel dazu bei, dass man sich THE PRESIDIO gut anschauen kann und sich nicht langweilt, selbst wenn man jederzeit genau weiß, was als nächstes passieren wird. Aber speziell der ganze Beziehungskram sorgt für einiges Augenrollen: Mark Harmon ist definitv kein zweiter Tom Cruise und für die Rolle des toughen Street Cops zu langweilig und irgendwie auch zu spießig – als berechnender Jurist/Serienmörder Ted Bundy in Marvin Chomskys TV-Film THE DELIBERATE STRANGER war er ungleich besser besetzt. Meg Ryans Rolle ist viel zu unterentwickelt, um über die peinliche Männerfantasie hinauszukommen: Die Sequenz, in der sie sich mit Jay eine wilde Verfolgungsjagd durch die Küstenstadt liefert, um ihn dann auf der Motorhaube ihres Sportflitzers zu verführen, wirkt 30 Jahre später nur noch peinlich. Und Caldwells abschließende, tränenreiche Rede am Grab des toten Freundes hebelt fast den ganzen Film aus.

Aber wie weiter oben gesagt: Ich vermisse diese von echten Routiniers gefertigten Unterhaltungsmaschinen, die im Wesentlichen noch durch ehrliches Handwerk bestachen. Insofern betrachte ich auch die knapp 100 Minuten, die ich mit THE PRESIDIO verbracht habe, nicht als verschwendet.

Wer es immer noch nicht weiß: Unsung hero Peter Hyams bewies auch mit diesem Film, dass er einer der großen Stilisten des USA-amerikanischen Actionfilms und Thrillers war – und den meisten seiner Konkurrenten in punkto Geschmack und Stil meilenweit voraus. Sich Fleischers meisterlich minimalistischen Zug-Noir von 1952 für ein Remake rauszupicken, zeugte nicht nur von einem großen Bewusstsein fürs amerikanische Genrekino, sondern war auch insofern eine kluge Idee, weil sich dessen B-Produktion für ein Re-Imagining im Stile des Blockbusterkinos wirklich eignete. Eine hilflose Zeugin, ein für Außendiensteinsätze nur mäßig begabter Staatsanwalt, zwei skrupellose Killer, ein Zug und Hunderte von Meilen menschenleerer Wildnis: Das sind die Rahmenbedingungen für Hyams Hochspannungs-Thriller, der auch gut 30 Jahre nach seiner Premiere noch als Lehrstunde fungiert. Schade, dass diesen Kurs keiner mehr besuchen mag, weil das Kino längst nach anderen Gesetzen funktioniert, die aber leider selten besseren Filme abwerfen.

NARROW MARGIN stammt aus dieser kurzen Zeit, in der solche perfekten, im positiven Sinne auf Hochglanz polierten, aber im positiven Sinne klassischen Thriller in schöner Regelmäßigkeit auf die große Leinwand gewuchtet wurden. Filme wie STAKEOUT, SHOOT TO KILL, MIDNIGHT RUN oder NO WAY OUT, die keine abgefahrene Prämisse und kein High Concept brauchten, keine Serie, kein Spielzeug, kein Videogame, auf das sie sich berufen konnten, mit Schauspielern, die einfach nur ihren Job machten, ohne sich dafür Kilos anzufressen, runterzuhungern oder sonstigen selbstverliebten Method-Firlefanz abzuziehen, und von Regisseuren, denen es genügte, Filme zu drehen, die die Menschen sich anschauen wollten, anstatt mit großen Tönen Aufmerksamkeit auf ihre gepeinigte Künstlerseele zu ziehen. Ein Peter Hyams kann als Person hinter seinem Film zurücktreten, weil er Taten sprechen lässt: NARROW MARGIN ist „nur“ ein Thriller, aber er sieht von vorn bis hinten fantastisch aus, ist mit voller Konzentration inszeniert und so scharf geschnitten, dass man aufpassen muss, sich nicht zu verletzen. 90 Minuten können verdammt schnell vorbeigehen – und trotzdem satt machen. Eine erfrischende Erkenntnis nach ca. 25 130-minütigen Marvelfilmen, die sich immer mehr wie ein zunehmend witzloser Teaser für etwas anfühlen, was nie kommen wird.

Man kann durchaus eine Träne verdrücken, wenn man bedenkt, dass es zu dieser Sorte Kino kein Zurück mehr gibt. Nicht nur, weil es zwischen den ganzen 200-Millionen-Dollar-Produktionen keinen Platz mehr für solche eher kleinen Mittelklasse-Filme gibt. Man vermisst ja auch den Look, der einem hier geboten wird und der mit den zweifelhaften Errungenschaften des digitalen Films leider der Vergangenheit angehört: diese wunderbaren Zwielichtszenen zu Beginn, wenn Anne Archer dem ebenfalls wunderbaren J. T. Walsh begegnet (noch so ein Verblichener, schnüff), und die Luft um die beiden herum zu atmen scheint, diese milchige Verrauchtheit im Speisewagen des Zuges, das Licht der kleinen Telefonzelle in der Schwärze eines kanadischen Prvinzbahnhofs. Und dann Gene Hackman: Man konnte ja in den vergangenen Jahren oft darüber lesen, dass er ein totales Arschloch ist, aber wenn er dem arroganten Killer hier mit einem unschlagbaren Lächeln sagt, welche Freude es ihm bereitet, Dreckskerle wie ihn in den Bau zu schicken, möchte man ihm einfach nur ein Bier ausgeben. Es ist kein cooles Haifischlächeln, das sich auf seinem Gesicht abzeichnet, es ist das Lächeln des Bürohengstes, der den Moment, in dem auch er einmal ein Actionheld sein darf, voller Genugtuung auskostet. Und Gene Hackman bekommt hier reichlich Gelegenheit, sich zu beweisen. Das Finale, mit halsbrecherischer Kraxelei auf dem Dach eines fahrenden Zuges, ist noch einmal der Stoff, aus dem die abgekauten Fingernägel sind. Auch ohne Greenscreen, Motion Capturing, CG-Explosionen und sonstigen Schnickschnack. Einfach nur. Großes. Kino.

 

Für THE STAR CHAMBER verquickt Peter Hyams den zu Beginn der Achtzigerjahre und angesichts steigender Kriminalitätsraten immer noch nicht aus der Mode gekommenen Selbstjustizfilm mit dem Polit- und Verschwörungsthriller der Siebzigerjahre. Wie das bei Hyams meistens so ist, hat man am Ende zwar das Gefühl, dass man aus dem Stoff inhaltlich noch eine ganze Menge mehr hätte herausziehen können, dafür bekommt man aber ein Werk, das absolut fantastisch aussieht und so rund läuft wie eine gut geölte, schnurrende Maschine.

Der Richter Steven Hardin (Michael Douglas) ist verzweifelt: Wegen Formfehlern muss er zunächst einen mehrfachen Raubmörder, dann schließlich zwei Päderasten und Kindermörder ziehen lassen. Wo ist nur die Unfehlbarkeit des Rechts, in die er sich während seines Studiums so verliebt hatte? Sein Mentor Benjamin Caulfield (Hal Holbrook) kennt die Lösung: Er ist Angehöriger einer Gruppe von Richtern, die all die Fälle nicht verurteilter Krimineller neu verhandelt, zum Schuldspruch kommt und die Strafe auf dem Fuße nachreicht – in Form eines Killers. Auch Hardin wird in den Kreis eingeführt und darf die beiden Kindermörder nachträglich zum Tode verurteilen. Doch dann stellt sich heraus, dass die beiden die Tat nicht begangen haben können …

Hyams hat in THE STAR CHAMBER viel zu erzählen: Er führt seinen Protagonisten geduldig auf den Moment hin, in dem Caulfield ihn für die Aufnahme in seinen Vigilantenbund geeignet hält. In der ersten Hälfte geht es also um die Fehlbarkeit der Rechtssprechung, die Formfehler, die die Polizei bei der Beweiserhebung macht und die Hardin keine andere Wahl lassen, als die Verbrecher – teilweise trotz vorliegender Geständnisse – auf freien Fuß zu setzen. Ironischerweise eine Situation, mit der außer den überraschen Freigesprochenen keiner glücklich ist, nicht einmal deren Verteidiger, die ja auch nicht blind sind. Aber das Gesetz fordert absolute Regeltreue. Die zunehmende Frustration Hardins, der öffentlich als verantwortlich dafür gesehen wird, gewissenlose Killer auf freien Fuß zu setzen, kulminiert, als der Vater des ermordeten Jungens im Gerichtssaal zur Waffe greift, um die Mörder selbst zu richten. Wo eigentlich Ordnung und Gerechtigkeit herrschen sollten, ist das absolute Chaos ausgebrochen.

Die „Star Chamber“ (im Film fällt dieser Begriff kein einziges Mal) verspricht Abhilfe, aber der Zuschauer weiß natürlich sofort, was er von dem geheimniskrämerischen Treiben zu halten hat – genauso wie Hardin übrigens, dessen Teilnahme eigentlich von Anfang an ein Eingeständnis seiner Hilflosigkeit ist. Die echte Überzeugung will sich bei ihm nicht einstellen. Zu Recht: Wenn sich da die Richter – allesamt dem gehobenen Mittelstand angehörige, distinguierte ältere Damen und Herren – in einem mondän eingerichteten Kaminzimmer versammeln, um Todesurteile zu verhängen, hat das nicht nur etwas Geheimbündlerisch-Verschwörerisches: Hier wird Rechtstaatlichkeit nicht gerettet, sondern aus dem Weg geräumt. Es ist schon bezeichnend, dass die Rache der Richter ausschließlich Menschen aus den unteren Schichten trifft. Der Umschwung lässt dann auch nicht allzu lang auf sich warten und stellt keinen echten Sinneswandel dar: Natürlich kommt Hardin mit seinem Appell an die Menschlichkeit bei den Überzeugungstätern nicht weiter. Der Stein, der einmal ins Rollen gebracht wurde, lässt sich nicht aufhalten und wo gehobelt wird, fallen bekanntlich Späne. Besser einen Unschuldigen über die Klinge springen lassen, als zehn Schuldigen aufgrund von Formfehlern die Freiheit zu gewähren. Für die Dramaturgie von THE STAR CHAMBER ist Hardins Humanismus und der Glaube an eine Rechtstaatlichkeit, die diesen Begriff wirklich verdient, ein Problem: Die Freude an der einfachen Lösung, die andere Vigilanten antreibt, kennt er nicht. Der Richter sieht nicht rot, wie es der deutsche Titel suggeriert, sein Blick ist nur kurzzeitig etwas eingetrübt.

Hyams selbst löst das Problem, indem er den Film in einen Showdown münden lässt, der die Ambivalenz des Selbstjustizfilms bewahrt, welche ihm sein Protagonist verweigert. Die beiden „Unschuldigen“, die Hardin vor dem Killer bewahren will, sind beileibe keine Unschuldslämmer. Man kann nicht behaupten, dass die Rache der „Star Chamber“ wirklich die Falschen getroffen hätte. Aber bei der Rechtsprechung, die Hardin vertritt, geht es eben nicht um eine alttestamentarische Strafe, mit der Amoral sanktioniert werden soll. Es geht um die Frage nach Täterschaft in ganz konkreten Fällen. Auch das größte Dreckschwein muss den Freispruch bekommen, wenn es einer Tat bezichtigt wird, die es nicht begangen hat. Am Ende führt Hardin den Cop Lowes (Yaphet Kotto) zum Gerichtssaal der Star Chamber: Er wird wohl die richtige Entscheidung treffen.

outland_poster_ukOUTLAND wird gemeinhin als Hyams Ode an den Western und vor allem an Fred Zinnemanns Megaklassiker HIGH NOON beschrieben. Die Parallelen sind deutlich, aber zu sagen, OUTLAND sei lediglich ein modernisiertes Remake, ginge zu weit. Hyams Film ist nicht in Echtzeit erzählt, der berühmte „Countdown“, der bis zur Ankunft der Schurken vergeht, mit denen sich der Held herumschlagen muss, nimmt nur ca. das letzte Drittel des Films in Anspruch und wird eher sporadisch eingesetzt. Klar, die Story um den Gesetzeshüter, der in einer auf einem fernen Jupitermond installierten Mine seine Arbeit tut, einem Verbrechen auf die Spur kommt und plötzlich ganz allein auf weiter Flur, (fast) ohne Hilfe gegen ein paar Killer antreten muss, ist unschwer als Westernparaphrase zu erkennen: Aber überlagert wird das meiner Meinung nach durch die überdeutlichen Anleihen bei einem anderen Klassiker, der 1981 gerade drei Jahre alt war, aber bereits immensen Einfluss ausübte. Die Rede ist natürlich von Ridley Scotts ALIEN.

Die alt und rostig aussehende Industriearchitektur der Station, die dunklen, dann wieder mit grellem Neonlicht beleuchteten Gänge, die Müdigkeit und Depression der Arbeiter, die mit grauen, eingefallenen Gesichtern und ungepflegten Bärten trüb in die Gegend gucken, die ungemütlich aussehenden Kabinen, in denen man sich mit Huren vergnügen kann, die Abwesenheit jeden Sonnenlichts oder überhaupt eines Draußens, das nicht tödlich ist: Das alles ist offenkundig von Scotts Film beeinflusst. Auch hinsichtlich des Plots: Die Ausbeutung der Arbeiter durch die Wirtschaft, die in ALIEN noch eher im Hintergrund läuft, wird in OUTLAND deutlich in den Vordergrund geschoben. Überhaupt spricht einiges dafür, Hyams Film als eine Art Spin-off zu beschreiben. Die Welt, in der das alles spielt, könnte dieselbe zu sein, und was bei Scott eher zwischen den Zeilen zum Vorschein kam, wird hier nun an der Oberfläche verhandelt. Die Geschichte wird dann auch nicht so sehr durch die illegal eingeschmuggelten Drogen angestoßen, die die Arbeiter erst in eine Psychose und dann in den Selbstmord stürzen, sondern durch deren Depression, die der Zustand der Isolation und das Dasein in einer vollkommen lebensfeindlichen Umgebung hervorruft und das Bedürfnis nach Flucht weckt. Connerys Marshall McNiel muss trotz des Verlusts seiner Familie triumphieren, weil er die Abberufung in den Weltraum als Aufgabe begreift, die er bewältigen muss, bevor er zurück auf die Erde kann. Er hat keine Flucht im Sinn, sondern die volle Konfrontation mit dem Grauen. Aber er hat eben auch eine Wahl, anders als die armen Teufel, die ihren Lebensunterhalt in der Mine erschuften müssen.

OUTLAND ist ein schöner Film, auch wenn sein Krimiplot fast pflichtschuldig abgewickelt wird. Aber Hyams gelingt es wieder einmal, eine ausgesprochen dichte Atmosphäre zu schaffen, die sich hinter jener von ALIEN nicht verstecken muss. Dann und wann erreicht sein Film eine hypnotische, tranceartige Qualität, auch weil es – anders als im Western etwa – meist aufreizend langsam zugeht, die Soundeffekte die alles erstickende Stille nie ganz zu übertönen in der Lage sind. Die tollsten Szenen sind dann auch nicht die Showstopper mit den zerplatzenden Köpfen, sondern die Unterredungen zwischen McNiel und seiner einzigen verbündeten, der einem guten Schluck nie abgeneigten Ärztin Lazarus (Frances Sternhagen): zwei Außenseiter, die sich am ungemütlichsten aller Orte ihres gegenseitigen Respekts versichern. Da fiel mir dann auf, dass Lazarus nach der Astronautengattin aus CAPRICORN ONE schon die zweite starke Frauenfigur bei Hyams ist, die nicht gleichzeitig Love Interest ist. Mal drauf achten, ob sich dieser Trend fortsetzt.

capricorn-one-14889Endlich, endlich, endlich habe ich ihn gesehen. Hyams mag ich eh – einer der zu Unrecht vergessenen Professionals der Siebziger- und Achtzigerjahre, Vertreter einer Gattung von Filmemacher, die es heute nicht mehr gibt: versiert und ambitioniert, ohne sich selbst zu wichtig zu nehmen, immer nur dem gerade anstehenden Werk verpflichtet – und CAPRICORN ONE hatte ich seit mehr als 20 Jahren auf der Liste. Zum ersten Mal las ich von dem Film anlässlich seiner TV-Ausstrahlung und die Story fand ich sofort super. Aus welchem Grund es erst jetzt geklappt hat, weiß ich eigentlich nicht.Einzige Entschuldigung ist wohl, dass CAPRICORN ONE nicht gerade dr Riesen-Publikumsschlager ist, der ständig im Fernsehen liefe oder einem von den einschlägigen Versandhäusern entsprechend aufmerksamkeitsträchtig angedient würde. Ich habe ihn einfach immer wieder vergessen. Aber das lange Warten hat sich gelohnt, denn CAPRICORN ONE ist ziemlich genau so toll, wie ich es mir erhofft hatte.

Hyams inszenierte gegen Ende der Siebzigerjahre einen Nachzügler des paranoiden Politthrillers, der im Zuge von Watergate zu großer Popularität gelang. Auch bei ihm geht es um die finsteren Machenschaften der Politiker, die nicht davor zurückschrecken, Menschen zu opfern, wenn ihnen das hilft, die eigene Haut und das Budget für das nächste Jahr zu sichern, die in der Lage sind, Existenzen ganz einfach auszulöschen und Menschen buchstäblich vom Erdboden verschwinden zu lassen. Und die diese Skrupellosigkeit mit der Nüchternheit des Sachbeamten verargumentieren, über so etwas wie ein Gewissen, das ihnen in die Quere kommen könnte, gar nicht mehr zu verfügen scheinen (Hal Holbrook ist gleichermaßen furchteinflößend wie mitleiderregend als Richter im Namen der ökonomischen Ratio). Doch die bleiche Desillusioniertheit, die Filme wie THE PARALLAX VIEW oder ALL THE PRESIDENT’S MEN auszeichnete, ist in CAPRICORN ONE nicht mehr ganz so ausgeprägt: Weil Hyams weniger die bissige Kritik als vielmehr der Wunsch antreibt, sein Publikum zwei Stunden ordentlich durchzuwirbeln, gibt es am Ende zum Beispiel ein etwas kitschig geratenes Happy End – das etwa Alan J. Pakula so gewiss nicht inszeniert hätte.

Toll ist CAPRICORN ONE, weil er ganz unterschiedliche Elemente unter einen Hut bringt: den kalten Politthriller mit Private-Eye-Elementen – Elliott Gould ist der Verschwörung als Journalist Robert Caulfield dicht auf der Spur – aber auch den erhitzten Survival-Film vor unwirtlicher Wüstenkulisse. Wenn die flüchtigen Astronauten (James Brolin, O. J. Simpson und Sam Waterston) vor den Häschern im Staatsauftrag fliehen und sich durch die endlose Weite einer amerikanischen Felsenwüste schlagen müssen, ist das natürlich ein schöner Kontrapunkt zur im Fernsehstudio arrangierten Marskulisse – und eine unerwartete Überspitzung ihrer ursprünglichen Mission. Auf dem fremden Planeten wären sie ungleich sicherer gewesen, auf der Erde lauern waffenstarrende Helikopter mit schwarz getönten Scheiben wie motorisierte Riesenlibellen. Hyams schreckt nicht davor zurück, Bilder und Ruhemomente auch mal länger stehen zu lassen, anstatt immer bloß zur nächsten Attraktion zu hetzen, und schafft so mitunter eine eigentümliche Atmosphäre, die das Unfassliche der zugrundliegenden Geschichte erst richtig zur Geltung bringt. Die Schauspieler helfen ihm dabei: Hal Holbrook hatte ich schon erwähnt, grandios sind auch David Doyle in einem szenefressenden Kurzauftritt als Caulfields Chef, Brenda Vaccaro als trauernde Ehefrau sowie James Karen als Vizepräsident, David Huddleston als großkotziger Politiker und natürlich Telly Savalas als brummiger Pilot, der am Ende die Stimmung heben darf.

Manisches Herzstück von CAPRICORN ONE ist aber die Episode um die Auslöschung von Caulfields Bekanntem: Wie der innerhalb von wenigen Sekunden während Caulfields Gang zur Theke aus einer gut besuchten Bar verschwindet, in seiner Wohnung nichts mehr an ihn erinnert, vielmehr eine fremde Frau behauptet, schon immer dort gewohnt zu haben, ist auch deshalb so gruselig, weil Hyams es vergleichsweise unaufgeregt in Szene setzt und Elliott Gould das Ganze seinerseits nur mit einem belämmerten Gesichtsausdruck quittiert. Diese Beiläufigkeit ist eine Stärke des Films, dem man daher auch manchen kleineren Fehlgriff – wie das erwähnte Happy End – gern verzeiht.

Aaah. Das tat gut.

ENEMIES CLOSER ist der erste Film von Peter Hyams seit dem Thriller BEYOND A REASONABLE DOUBT von 2009 (den ich nicht gesehen habe) und macht wieder Lust auf weiteren neuen Stoff des auch schon 72-jährigen Veteranen. Vom Monsterflop mit A SOUND OF THUNDER, dessen Produktion von Flutkatastrophen und Konkursen gebeutelt wurde, und der seiner Karriere einen herben Schlag zu einem strategisch ungünstigen Zeitpunkt versetzt hatte, scheint er sich erholt zu haben. Vom Produktionsniveau der Achtziger- und Neunzigerjahre, als er wohl einer von Hollywoods verlässlichsten Auftragsregisseuren für actiongeladene Thriller war, ist er mit ENEMIES CLOSER zwar weit entfernt, aber man kann deutlich sehen, was einem in den vergangenen 15 Jahren gefehlt hat. Damals erlebte Hyams‘ Karriere beflügelt vom Überraschungshit mit THE RELIC einen zweiten Frühling – sein Spielfilmdebüt ist der großartige BUSTING von 1972 und es folgten bis in die Neunziger u. a. solche Filme wie CAPRICORN ONE, OUTLAND, THE STAR CHAMBER, RUNNING SCARED, PRESIDIO, NARROW MARGIN, TIMECOP und SUDDEN DEATH -, der immerhin zum Schwarzenegger-Vehikel END OF DAYS führte. Die 2000er hätten einen klassisch geschulten Routinier wie ihn ganz gut gebrauchen können, aber es hat nicht sollen sein.

Nun also ENEMIES CLOSER, ein Actionthriller in bescheidenem äußeren Rahmen und besetzt mit seinem alten Weggefährten Jean-Claude Van Damme, diesmal nicht als einsamer Held, sondern als durchgeknallter Anführer einer Bande von Drogenschmugglern. Schon von Beginn an merkt man, dass da jemand hinter der Kamera stand, der sein Handwerk nicht beim Drehen von Werbespots oder Videoclips gelernt hat: Ohne großes Heckmeck, sondern hochkonzentriert wird die Geschichte um einen überschaubaren Kreis von Figuren aufgebaut, visuelle Mätzchen, die vom Geschehen ablenken, sucht man vergebens. Anstatt also den lack of scope durch irgendwelches Effektbrimborium zu kaschieren, begreift Hyams ihn als Stärke: Die Prämisse ist nach kurzer Zeit klar und der sich anbahnende Konflikt wird über die restliche Laufzeit gnadenlos und unter Zuhilfenahme einiger effektiver Wendungen ausgespielt. Man fühlt sich unweigerlich an die Achtzigerjahre erinnert, als solche enorm zugespitzten, aber niemals überkonstruiert anmutenden Filme noch der goldene Standard waren (mich erinnerte er mit seiner Naturkulisse etwas an Spottiswoodes SHOOT TO KILL), bis sie dann irgendwann von immer weiter aufgeblasenen Eventfilmen abgelöst wurden, in denen der Handlungsort wichtiger schien als die Figuren, die ihn bevölkerten. Dabei verkommt ENEMIES CLOSER aber nie zur nervigen Retronummer, im Gegenteil: Mit seinem Ansatz, der allem, was heute so im Actionfilm vor sich geht, diametral entgegengesetzt ist, wirkt er frisch und originell. Selbst seine Schwächen weiß er für sich zu nutzen: Tom Everett Scott ist auch deshalb so effektiv als zurückgezogener Berufssoldat, weil er gar nicht wie einer aussieht, eigentlich eine Spur zu kuschelig scheint. Wenn er dann schließlich alle Hemmungen fallen lassen muss, wie einst John Rambo durch die Wälder zieht und seinen Verfolgern nette Booby Traps hinterlässt, ist die Überraschung umso größer. Eine zweite überlebensgroße Figur neben Xander hätte ENEMIES CLOSER auch nicht gut zu Gesicht gestanden: Van Damme liefert eine anbetungswürdige Darbietung und einen Schurken ab, die in der Ahnengalerie der Action Villains einen Ehrenplatz verdient hat. So bleibt unterm Strich ein packender, actiongeladener und äußerst kompetent inszenierter Thriller, der die teurere Konkurrenz keinesfalls zu scheuen braucht. Klasse!

Zum siebten und letzten Finalspiel um den Stanley Cup zwischen den Pittsburgh Penguins und den Chicago Blackhawks bringt der als Brandschutzbeauftragte dort tätige Ex-Feuerwehrmann Darren McCord (Jean-Claude Van Damme) seinen Sohn und seine Tochter mit. Er ahnt nicht, dass der abtrünnige Ex-CIA-Mann Joshua Foss (Powers Boothe) das Spiel, bei dem auch der Vizepräsident anwesend ist, zu einer Geiselname und Erpressung nutzen will. Zu diesem Zweck hat er die Arena mit Sprengsätzen bestücken lassen und mit einer Gruppe Terroristen besetzt. McCord kommt den Verbrechern auf die Spur, weil sie sich an seiner Tochter vergreifen. Er ist in der Halle der einzige, der weiß, was vorgeht. Und nimmt den Kampf auf …

Peter Hyams‘ zweiter Van-Damme-Film nach TIMECOP steht noch ganz in der Tradition von John McTierneys DIE HARD: ein Mann auf abgeschlossenem Terrain im einsamen Kampf gegen Bösewichter. SUDDEN DEATH ist Beleg dafür, was auch rund sieben Jahre nach dem Vorbild noch aus dieser Prämisse rauszuholen war, wenn denn ein fähiger Mann hinter der Kamera platziert wurde. Peter Hyams inszeniert temporeich, ohne die geradlinige Handlung unnötig zu verschleppen, bedient sich des immer effektiven dramaturgischen Kniffs, den Plot an einen Countdown zu knüpfen – hier eben die Länge des Eishockeyspiels –  und wartet mit einigen ruppigen Härten auf, die von der FSK merkwürdigerweise mit einer 16-Freigabe durchgewunken wurden. Neben den halsbrecherischen Stunts im spektakulären Showdown des Films ist vor allem sein Sadismus augenfällig: Viele, viele Unschuldige werden von Foss und seinen Leuten ermordet. In dem Bemühen, seine Schurken besonders schurkisch zu zeichnen, nimmt Hyams wahrlich keine Gefangenen. Und der zunächst unbewaffnete McCord entledigt sich seiner Gegner mit in den Hals gerammten Knochen oder Strangulation auch nicht gerade auf die sanfte Tour. Es ist nicht zuletzt diese extreme Körperlichkeit, die SUDDEN DEATH neben seinem schon erwähnten unaufhaltsamen Drive auszeichnet. Und dann diese Dynamik: Im Finale auf dem Dach der Eishockeyhalle gibt es eine atemberaubende Kamerafahrt vom Geschehen auf dem Eis bis zu den in schwindelerregender Höhe Kämpfenden. Es ist auch die Kontrastierung von sportlichem Ringen und dem Kampf um Leben und Tod, die den hoch pointierten Film so packend macht. Und natürlich vermischen sich beide Ebenen einmal, als McCord sich auf der Flucht vor den Killern plötzlich als Goalie im Tor der Penguins wiederfindet. SUDDEN DEATH erfindet das Rad nicht neu, aber das muss er angesichts solcher Einfälle und seiner zupackenden Inszenierung auch gar nicht: Er ist einfach gutes, fesselndes Actionkino. Sicher einer der besten Actioner seines Jahrzehnts – dumm eigentlich, dass ich ihn jetzt zum ersten Mal gesehen habe. Aber es ist ja auch immer ganz schön, wenn man sich Dinge für später aufgespart hat.

Als die Zeitreise 1994 perfektioniert wird, wird eine neue Polizeieinheit ins Leben gerufen, um verbrecherische Manipulationen der Zeit zu verhindern: die Time Enforcement Commission, TEC. Einer der ausgewählten Beamten ist Walker (Jean-Claude van Damme) und der muss noch vor Dienstantritt erleben, wie seine Frau Melissa (Mia Sara) bei einem Überfall ums Leben kommt. Zehn Jahre später kommt Walker den Machenschaften von Senator McComb (Ron Silver) auf die Schliche: Der macht sich die Zeitreise zunutze, um in der Vergangenheit Geld für seine Präsidentschaftskandidatur zu erbeuten. Die Ermittlungen gegen ihn führen Walker auch zurück in jene schicksalhafte Nacht, in der er seine Frau verlor …

Als TIMECOP damals im Kino lief, interessierte er mich schon wegen seiner 16er-Freigabe nicht: Ein Van-Damme-Film hatte gefälligst blutig zu sein, ein straighter Actioner statt irgendeines Science-Fiction-Hokuspokus mit Computereffekten. Heute besteht das Mainstream-Actionkino zu 99 % aus schwachsinnigen Ideen und Computerfirlefanz und ein Film wie TIMECOP lässt einen fast schon in Nostalgie schwelgen. Zumal da mit Peter Hyams ein Regisseur am Werk war, der das Handwerk (hier macht der Begriff noch Sinn) in den Siebzigern gelernt hatte und demzufolge wusste, wie man Action inszenieren muss, damit sie auch schön physisch rüberkommt. Bei den heute eher schmerzhaft aussehenden CGIs gilt es zwar, die Zähne zusammenzubeißen – schön ist definitiv anders –, aber dieser Mangel lässt sich verschmerzen, weil Hyams‘ das Optimum aus den immer interessantes Entertainment garantierenden Zeitreiseparadoxien herausholt. Die  Idee, einen Cop gegen Zeitreiseverbrecher antreten zu lassen, bürgt für sich genommen schon für campigen Spaß, aber sie erhält den finalen Kick dadurch, dass der Oberschurke in das Unternehmen „Zeitreisepolizei“ involviert ist. So ändert Walker mit seinen Ermittlungen gegen McComb auch stets die Bedingungen seines eigenen Auftrags. Wenn man zu lange über den Film nachdenkt, läuft man Gefahr, sich das Hirn zu verknoten, aber Hyams gelingt es mit seiner schnörkellosen Inszenierung, das alles glasklar erscheinen zu lassen. Wunderbar.

Außerdem ist das natürlich der Film, in dem Van Damme die zweitfurchtbarste Frisur seiner Karriere (nach HARD TARGET) trägt, gleich zweimal seinen Signature Move, den berühmten Spagat, ausführt (einmal davon nur mit Unterhose bekleidet) und man Mia Saras Brüste und Nippel bestaunen darf, was einem in FERRIS BUELLER’S DAY-OFF noch verwehrt geblieben war. TIMECOP ist bestimmt kein vergessener Klassiker oder so was, aber ein Film, dessen Wiederentdeckung einen mit ausnehmend guten Gefühlen erfüült. Ich verspreche gutes, reueloses Entertainment.

Michael Keneely (Elliott Gould) und Patrick Farrel (Robert Blake) sind Detectives im Dienste des Sittendezernats des LAPD und als solche meist damit beschäftigt, Prostituierte hochzunehmen oder Sexshops zu überprüfen. Über die Sinnlosigkeit ihres Unterfangens machen sich beide schon längst keine Illusionen mehr: Noch nicht einmal die von ihnen verhafteten Personen können das Mitleid mit den beiden gegen Windmühlen kämpfenden Cops verbergen, die selbst wissen, dass ihre Festnahmen keinerlei Konsequenzen nach sich ziehen. Doch als sich Keneely und Farrel eine Chance bietet, den Kopf hinter Drogenhandel und Prostitution dingfest zu machen, den fetten Carl Rizzo (Allen Garfield), sammeln sie noch einmal alle Energie …

Peter Hyams, bis in die späten Neunzigerjahre Garant für handwerklich makelloses Spannungskino (CAPRICORN ONE, OUTLAND, THE STAR CHAMBER, RUNNING SCARED, NARROW MARGIN, SUDDEN DEATH oder THE RELIC) lieferte gleich mit seinem Kinodebüt einen erstklassigen Beitrag zum Genre des authentischen Copfilms: Seine beiden Helden Keneely und Farrel sind keine fanatischen Weltverbesserer mit Messiaskomplex, sondern stinknormale Arbeiter. Wenn sie Nutten einkassieren, dann tun sie das nicht, weil sie wirklich meinen, dass sie damit etwas erreichen würden, sondern weil es in den Regeln des Spiels nun einmal so vorgesehen ist. Beide sind eher Streetworker: Keneely sieht mit seiner Wollmütze und dem ausgefransten Riesenschnauzbart schon so aus, als nehme er sich ein Vorbild am Alterna-Cop Serpico (oder an seinem Alter ego Elliott Gould), während Farrel „walks like a man who wants to be tall and knows he never will be“. Mit den „Dirty“ Harry Callahans dieser Welt teilen beide den Beruf und sonst nichts. Somit ist BUSTING dann auch nicht von Zorn und Verzweiflung geprägt. Seine Helden haben vielmehr Einsicht in das Camus’sche Absurde erhalten und können sich das Lachen über die zunehmend verzweifelteren Bemühungen, diesem Absurden irgendeinen Sinn abzuringen, kaum noch verkneifen. BUSTING eine Komödie zu nennen, ist vielleicht zu viel des Guten: Wenn Keneely nach einem harten Arbeistag in den frühen Morgenstunden nach Hause kommt, desorientiert in der Wohnung rumsteht und sich dann an seiner Couch zu schaffen macht, die sich nach ein paar Handgriffen als schäbiges Klappbett entpuppt, in das der Cop voll angezogen hineinfällt, dann ist das nicht bloß die Erfüllung des Klischees vom Bullen, der sein Privatleben nicht auf die Reihe bekommt, sondern Beleg für Hyams Humanismus und Empathie.

Was BUSTING neben seinem Humor und seiner resignativen, aber nicht depressiven Weltsicht auszeichnet, sind seine exzellenten Actionsequenzen und ein ungewöhnlicher Erzählrhythmus. Hyams etabliert keinen Plot, vielmehr ergibt der sich aus einer fast zufällig wirkenden Verkettung von einzelnen Episoden, die immer mehr Drive entwickeln, bis der Film kaum noch zu stoppen ist. BUSTING, obwohl rund 20 Jahre zu früh, ist im Grunde nur noch einen kleinen Schritt von Reality-TV-Shows wie „Cops“ entfernt: Auch er „hängt“ sich an seine Protagonisten dran, deren Engagement dann (zumindest im Idealfall) die Geschichte „macht“. Doch dem Stil jener Fernsehformate, der heute längst nicht mehr auf das Fernsehen beschränkt ist, setzt Hyams eine elegante Kameraarbeit, ein Raumverständnis und eine Raumkonstruktion entgegen, die nötig sind, um aus dem Chaos eine Actionszene entstehen zu lassen, die dem Zuschauer vor der Leinwand die Luft raubt. Es ist nur folgerichtig, dass Hyams bei der Inszenierung seiner Verfolgungsjagd nicht etwa BULLITT nacheifert: Keneely und Farrel sind keine coolen badasses wie McQueen, ein Auto ist nicht die natürliche Verlängerung ihrer Körper (wenn, dann wäre es wahrscheinlich fahruntüchtig) und die Welt, in der sie sich bewegen, ist viel zu banal, als dass sie eine High-Speed-Chase durch die Inner City verkraften könnte. Wenn Keneely und Farrel jemanden verfolgen, dann tun sie das zu Fuß: Dem Adrenalinschub tut das keinerlei Abbruch. Vielleicht das größte Kompliment, das man diesem wunderbar eigenwilligen Film machen kann, der dringend eine DVD-Veröffentlichung und dann die überfällige und verdiente Wertschätzung braucht.