Mit ‘PM Entertainment’ getaggte Beiträge

In den späten Achtzigern und frühen Neunzigern war Wings Hauser ein treuer Weggefährte der jungen Produktionsschmiede namens PM Entertainment. Für Richard Pepin und Joseph Merhi durfte er auch seine ersten Regiearbeiten absolvieren. COLDFIRE war sein Debüt, ihm folgten wenig später LIVING TO DIE und THE ART OF DYING. Wings Hauser agierte als Schauspieler immer an der Klippe zum Overacting, aber er beherrschte die Gratwanderung perfekt, verlieh auch generischen Produktionen stets einen Hauch von Unvorhersehbarkeit, Extravaganz und Klasse. In COLDFIRE spielt er nur eine Nebenrolle: Er fungiert als eine Art Mentor für die beiden Protagonisten, zwei heißspornige Jungcops, die für ihre unbekümmerte Art einen Einlauf nach dem anderen bekommen, und er agiert, wie es die Rolle erfordert, sehr zurückgenommen. Es scheint so, als habe er seine sonstige Manie ganz in die Regie gelegt: Mit COLDFIRE peilt er brodelnde Intensität an, aber aufgrund des mickrigen Budgets und des beknackten Drehbuchs wirkt das alles lediglich hoffnungslos überdreht und albern. Was ja auch nicht so schlecht ist.

Der Drogenmarkt von L.A. soll mit einer neuen Designerdroge namens „Coldfire“ geflutet werden: Sie verspricht ihren Nutzern ein unbeschreibliches High, nachdem sie dann wieder völlig klar sind. Die Wahrheit sieht anders aus: Wer die Droge genommen hat, kann bei Nervosität, Aufregung oder Angst noch Wochen später zum Amokläufer werden. Die beiden Freunde und Jungcops Jake (Michael Easton) und Nick (Kamar de los Reyes) werden auf den Fall angesetzt und finden heraus, dass hinter Coldfire ein Exilrusse steckt, der die USA mithilfe der Droge von innen heraus zersetzen will …

Wie so viele der frühen PM-Filme will auch COLDFIRE alles auf einmal sein. Die Handlung macht so viele Twists und Turns, dass man Schwierigkeiten hat, zu bestimmen, wer denn nun eigentlich die Hauptfigur ist, geschweige denn sagen zu können, was das eigentlich für ein Film sein soll. Zunächst scheinen Jake und Nick lediglich zwei Nebenfiguren, bevor Jake dann zum Zentrum avanciert, nur um zum Schluss wieder ins zweite Glied zurückzutreten und Nick den Vortritt zu überlassen. Auf dem Weg dahin werden bisweilen melodramatische Töne angeschlagen, Charaktere und Beziehungen eingeführt, die dann überhaupt keine Rolle mehr spielen. Allein das Hin und Her zwischen den beiden Bösewichten, dem Russen Groska (Albert Cutt) und dem amerikanischen Drogenzar Sheldon (Addison Randall), ist ein Faszinosum, das zu durchschauen nahezu unmöglich ist. Nur um mal einen Überblick zu geben, womit sich COLDFIRE neben seiner eigentlichen Geschichte befasst: Zu Beginn diskutieren zwei Cops ausführlich über eine Quotenregelung im Polizeidienst, dann hat Jake eine traurige Auseinandersetzung mit seinem inhaftierten Vater. Nick indessen streitet sich mit seiner schwangeren Frau, weil er fürchtet, dass die Freundschaft zu Jake ihm die Karriere kostet. Lars (Wings Hauser) flirtet mit der Wissenschaftlerin Dr. Tate, Jake hingegen mit der hübschen Ellen (J. Cynthia Brooks), die in der Umkleide Stepptanz übt und unter Ohnmachtsanfällen leidet, seitdem ihr Partner in einem Hinterhalt erschossen wurde. Ein wichtiger Teil des Plots befasst sich mit der draufgängerischen Art Jakes, der sich in einer Ermittlungsszene auch noch als chamäleonartiger Akzentimitator und Schauspieler erweist. Ein kleiner, eigentlich völlig unwichtiger Drogenverkäufer taucht am Ende noch einmal auf und soll dann für tragische Untertöne sorgen.

Ein einziges Kuddelmuddel zwar, aber immerhin kann man COLDFIRE nicht vorwerfen, er sei langweilig. Es passiert immer irgendwas und dass die ganze Porduktion gnadenlos unterfinanziert ist, trägt zu ihrem unbeholfenen Charme bei. Herrlich etwa das Luxusdinner, dass sich die bösen Big Shots da gönnen, zu viert an einen Tisch für maximal zwei gequetscht. Später gibt es noch eine geile Szene, bei der sie sich mit ihren versammelten henchmen treffen und einige aufgrund akuten Platzmangels auf dem Kaminsims platznehmen müssen wie Schulkinder. Eine echte Schau ist auch Getz (Robert Viharo), der Vorgesetzte der Cops, der einmal einen absolut Oscar-verdächtigen Tobsuchtsanfall bekommt, dabei fast an seinem Zigarrillo erstickt und den verhassten Jake einfach so aus dem Auto schmeißt. Kamar de los Reyes hingegen hat eine Megaszene, als er im nächtlichen Garten mit gut eingeöltem Oberkörper Martial-Art-Posen einnimmt. Fighten darf er aber den ganzen Film nicht, was nur ein weiteres Beispiel für die erfrischende Impulsivität des Vehikels ist, das im Showdown nochmal vom Leder zieht und mit zwei obdachlosen Frauen, die „Amazing Grace“ singen, sogar eine richtig schöne Idee hat. Für Fans.

Percy Robert Miller, geboren 1967 in den Calliope Projects von New Orleans, stieg in den Neunzigerjahren zu einem der erfolgreichsten Hip-Hop-Unternehmer überhaupt auf. Ihm gelang das mit seinem kleinen Indielabel No Limit, das er 1991 gründete und das von 1995 bis 1999 ungeahnten Erfolg hatte. Die CDs zeichneten sich durch bonbonbunte trays, die genial absurden Artworks von Pen & Pixel sowie Booklets aus, in denen schon die nächsten x Releases angekündigt wurden, die Musik – eine Kreuzung der in New Orleans angesagten Bounce Music und dem West Coast G-Funk, den Miller während seiner Zeit in Kalifornien aufgeschnappt hatte – immens catchy und verspielt sowie von den Hausproduzenten Beats by the Pound am Fließband produziert. 1998 erlebte das Label mit sage und schreibe 23 Releases seinen Gipfelpunkt: Millers unter seinem Rapnamen Master P veröffentlichtes Doppelalbum „MP tha Last Don“ verkaufte sich satte 5 Millionen Mal, andere No Limit-Rapper wie Millers Brüder Silkk the Shocker und C-Murder, Mystikal, Young Bleed, Mia X und der vor Death Row-Impresario Suge Knight geflohene Snoop Dogg konnten ähnlich große Hits landen. Miller, findiger Geschäftsmann, der das Geschäft im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße gelernt hatte, begnügte sich aber nicht mit Musik: Er entwarf No Limit-Klamotten, Spielzeug, versuchte sich im Sportmarketing … und er produzierte und inszenierte eigene Filme, in denen er seine Stars besetzte und zu denen er natürlich die passenden Hitsoundtracks herausgab. Das Geschäft funktionierte eine Weile, dann war der Sättigungspunkt erreicht und No Limit ging den Weg alles Irdischen. HOT BOYZ, frecherweise nach der Supergroup des ebenfalls in New Orleans beheimateten Konkurrenzlabels Cash Money benannt, ist filmisch betrachtet wohl der größte Wurf Millers und deutet an, wo es hätte hingehen können, wenn nicht kurze Zeit später die große Talfahrt begonnen hätte.

Inhaltlich ist HOT BOYZ derivative Exploitation, das aus zahlreichen Versatzstücken zusammengeklaubte Drehbuch vor allem ein Hinweis darauf, was sich so in Master P’s Videosammlung befindet: Die Geschichte des aufstrebenden Gangster-Rappers Kool (Silkk the Shocker), der seine Freundin an einen crooked cop verliert und daraufhin zum Kingpin aufsteigt, worauf natürlich unweigerlich der tiefe Fall kommen muss, ist unverkennbar von GOOD FELLAS, SCARFACE, BOYZ N THE HOOD, MENACE II SOCIETY und natürlich NEW JACK CITY beeinflusst, freilich ohne deren Klasse auch nur annähernd zu erreichen. Das Drehbuch reiht die abzuhakenden Plot Points schematisch aneinander und was bei den Vorbildern funktioniert, scheitert zum einen daran, das da nichts wirklich Leben über das Klischee hinaus entwickelt, zum anderen an den Darstellern, die nun einmal keine Schauspieler sind und die Defizite mit ihrem vorhandenen Charisma nicht ausgleichen können. Dann verhebt sich Master P auch noch bei dem Versuch der Epik: Weil HOT BOYZ nur schlanke 90 Minuten lang ist, werden Aufstieg und Fall von Kools Gangster-Empire in den letzten 20 Minuten untergebracht, was die Wirkung, die die Erzählung im Idealfall entfalten könnte, von vornherein minimiert.

Glücklicherweise übergab Master P die Verantwortung für die zahlreichen Actionsequenzen in die kompetenten Hände von Spiros Razatos, der nie weit weg ist, wenn an irgendeinem US-amerikanischen Filmset etwas effektvoll in die Luft fliegen soll. Dass überdies PM Entertainment seine Finger mit im Spiel hatte, macht HOT BOYZ daher vor allem für die Actionliebhaber interessant: Die zahlreichen Verfolgungsjagden und Shootouts sind überdurchschnittlich gut gelungen – ein irrwitziger Autostunt hat den Machern so gut gefallen, dass sie ihn gleich fünfmal aus verschiedenen Blickwinkeln wiederholen – und versöhnen mit dem Film, der kaum verhehlen kann, dass er in erster Linie ein Marketingtool ist. Der Soundtrack platzt aus allen Nähten, alle zwei Minuten erklingt da ein neuer Track aus dem unüberschaubaren Oeuvre No Limits, und die Charaktere tragen schließlich auch allesamt die neuesten Shirts der labeleigenen Modekollektion. Allzu ernst sollte man die ganze Chose nicht nehmen. HOT BOYZ ist, passend zu seinem Ursprung, ein greller Cartoon, der vergeblich auf seriös macht. Das geht nicht ganz auf, ist aber einigermaßen kurzweilig.

Langsam, aber sicher nähern wir uns mit C.I.A. – CODE NAME: ALEXA den All-out-Actionvehikeln, die PM Entertainment zur Mitte der Neunzigerjahre perfektionierte. Merhis 21. Regiearbeit in gerade einmal sechs Jahren zeigt zwar noch alle Merkmale der preisgünstigen DTV-Ästhetik, die er mit seinem Partner Richard Pepin etabliert hatte – stahlblaue Ausleuchtung, viele Szenen in halbdunklen Heizungskellern und Lagerhallen, hämmernde Synthiescores, viel zerbrechendes Glas, brennende Menschen, Explosionen und die Kombination der drei –, aber dafür wird jeder erzählerische Ballast konsequent über Bord geworfen. In der ersten halben Stunde geht es eigentlich ohne größere Unterbrechungen zur Sache, erst dann gönnt sich C.I.A. – CODE NAME: ALEXA eine kleine Ruhepause.

Worum geht’s? Der CIA-Agent Mark Graver (Lorenzo Lamas) kann mit einem Alleingang einen Geiselnehmer stoppen, der sich Zugang zu einem Regierungsgebäude verschafft hatte. Bei der Beerdigung des Übeltäters dringen einige maskierte Terroristen, darunter Alexa (Kathleen Kinmont), in die Kirche ein und entwenden die Leiche. Sie arbeiten im Auftrag des schurkischen Mahler (Alex Cord), der es auf einen Mikrochip abgesehen hat, welcher sich im Inneren des Leichnams verbirgt. Detective Nick Murphy (O. J. Simspson) gelingt es, Alexa festzunehmen, doch dann schaltet sich Graver ein und nimmt ihm die Terroristin ab. In einem CIA-Bunker zieht er sie mit ihrer Tochter als Druckmittel auf seine Seite, um Mahler das Handwerk zu legen …

C.I.A. – CODE NAME: ALEXA (der Titel ist furchtbar zu tippen) liefert einen bunten Strauß wilder Schießereien, Keilereien sowie selbstzweckhafter Auto- und Feuerstunts und gehört damit per se schon einmal zu den besten Filmen der Welt. Dass er außerdem eine CIA-Zentrale aufbietet, in der Karateka und Schwertkämpfer zwischen dampfenden Heizungsrohren ausgebildet werden, Parabolantennen herumstehen und alle in putzigen Miniautos herumfahren, wenn sie nicht gerade in dem eigens für Geschäftsessen eingerichteten Luxusrestaurant dinieren, ist darüber hinaus Zeichen für seine Kreativität und seinen Humor. Wie alle Filme von PM Entertainment ist auch dieser Vertreter aber nicht etwa mit ironischem Augenzwinkern inszeniert, sondern todernst gemeint. Das ist auch das Tolle daran, wie da nämlich Jungsfantasien umgesetzt werden, ohne sie gleichzeitig der Lächerlichkeit preiszugeben. In dieser Welt ist es völlig normal, dass ein CIA-Agent aussieht wie Lorenzo Lamas – mit Viertagbart, zurückgeschleimtem Haar, Minipferdeschwanz und Lederblouson – und die weitgereiste 24-jährige Superterroristin mit dem Modelkörper und der zuckersüßen Tochter von diesem erst einmal in das kleine Schwarze mit den Nuttenpumps gesteckt wird. Vielleicht soll das alles ein bisschen an Bessons LA FEMME NIKITA erinnern (dessen Remake, Badhams POINT OF NO RETURN, wenig später erschien), aber was hier völlig fehlt, ist dieser existenzialistisch-humanistische Überbau, der das Treiben der Geheimdienste als pervers, das Schicksal der unfreiwilligen Agentin als tragisch begreift. In Merhis Film ist das alles einfach nur geil, denn was könnte es Schöneres geben, als vom Staat dafür bezahlt zu werden, Bad Guys umzunieten? Dass Graver, Alexa und Töchterchen dem CIA am Ende eine Absage erteilen, um eine gutaussehende Familie zu gründen, wirkt daher arg aufgesetzt, aber irgendwie auch schön. Zumal dieHelden nur ein Jahr später in C.I.A. II – TARGET: ALEXA zurückkehrten. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.

Street_crimesNach seiner Co-Regie bei FINAL IMPACT ist STREET CRIMES Stephen Smokes zweiter und – auch insgesamt – letzter Film. Er bringt Michael Worth mit, der ebenfalls mit FINAL IMPACT sein Debüt gefeiert hatte, und zaubert als Clou Dennis Farina aus dem Hut, den man aus Nebenrollen (meist als Cop oder Mafiosi) in zahlreichen größeren Produktionen – z. B. THIEF, CUSACK, MANHUNTER, MIDNIGHT RUN, ANOTHER STAKEOUT, ROMEO IS BLEEDING, GET SHORTY oder OUT OF SIGHT – und als Star der von Michael Mann produzierten Serie CRIME STORY kennt. Der Charakterdarsteller mit dem markanten New Yorker Akzent verleiht STREET CRIMES dann auch einen ordentlichen Qualitätsschub. Figuren und Handlung sind klischiert bis ins Mark, Smoke zeigt erneut einen Hang zum seifenoperesken Drama und entwickelt keinen richtigen „Zugriff“ auf seine Geschichte, aber diese eigenwillige Mischung aus Copdrama, Streetgang- und Kickboxfilm hat mich dann doch bis zum Ende bei der Stange gehalten.

Michael Worth ist Tony, ein junger, unerfahrener Cop mit streitbarem Klamottengeschmack (Lieblingsstück: eine wie eine Jogginghose geschnittene Stonewashed-Jeans mit Gummizug, aber manchmal trägt er auch schwarze Hosenträger zu ockerfarbenen Plusterhemden), der den Spott seiner Kollegen erntet, als das Autohaus, in dem er den Kauf eines neuen Wagens erwägt, überfallen wird und der Täter mit Tonys Wunschauto entkommt, weil der statt der Waffe lieber seine Kickboxkünste einsetzt. Nur der erfahrene Brian (Dennis Farina) nimmt sich des Jungen an und ihn vor den Kollegen in Schutz. Es entwickelt sich eine enge Freundschaft zwischen den beiden, in deren Verlauf Tony auch Susan (Patricia Zehentmayer), die blinde, herzensgute Tochter des verwitweten Veterans kennen und lieben lernt. Das gefällt dem Papa nur bedingt, denn die Prinzessin soll ja etwas besseres bekommen als einen Bullen, der womöglich eines Tages mit einer Kugel im Kopf endet. Außerdem sind ihm Tonys ständige Mahnungen wegen seines ungesunden Lebenswandels zuwider: Tony ist ein Gesundheitsfanatiker und Brian vermutet – natürlich zu Recht –, dass sich dahinter schwere Komplexe verbergen. Der Hauptplot, wenn man ihn denn so nennen will, denn Smoke lässt alles relativ gleichberechtigt nebeneinander stehen, kreist aber um eine Reihe von Kickboxfights zwischen Cops und Gangmitgliedern, die Tony eines Tages eher unabsichtlich initiiert und damit einen Waffenstillstand auf den einst so gefährlichen Straßen schafft. In den sportlichen Auseinandersetzungen lernen sich Kriminelle und Cops als „Seelenverwandte“ kennen und respektieren. Eine wunderschöne Vision, geprägt vom amerikanischen Sportsgeist und dem Wissen, dass nichts so sehr verbindet, wie eine zünftige Keilerei. Es könnte alles gut sein, doch der neue Frieden auf den Straßen ist dem Kingpin Gerardo (James T. Morris) ein Dorn im Auge. Niemand will mehr seine Drogen verhökern oder sich prostituieren, also gilt es, dem albernen Treiben ein Ende zu setzen. Er killt den kriminellen Asiaten Jimmy (Ron Yuan), mit dem Tony den neuen Trend losgetreten hatte, entführt Susan und beschwört so den Zorn der Cops und der Stadtbewohner herauf, die Tony am Ende symbolträchtig beim Marsch auf das Jugendzentrum, wo der Finalkampf zwischen den beiden Rivalen stattfinden soll, begleiten.

STREET CRIMES scheint von den damals reüssierenden Hood-Filmen – und möglicherweise auch von den L.A. Riots, die wenige Monate vor Erscheinen des Films ausgebrochen waren – inspiriert. Kameramann Richard Pepin fängt immer wieder ausladende Murals oder Graffitis ein, Karo-Flanellhemden sind unter den hispanischen Nebendarstellern de rigueur, es gibt eine Szene, in der Tony einem kleinen Mädchen Crack abnimmt, und es dann mit Schmackes gegen eine Wand wirft (das Crack, nicht das Mädchen), und eine andere, in der der Cop Flannigan (Max Gail) einer Gruppe von gelangweilten Gangmitgliedern während eines Kurses eine Karriere als Cops nahelegen möchte. Das ganze endet im Streit, weil das von Flannigan genannte Jahresgehalt angeblich dem entspricht, was ein Crackdealer im Monat verdient. Das hitzige Wortgefecht wird von Tony und Brian nur mit amüsiertem Schmunzeln betrachtet. Während Filme wie COLORS, BOYZ N THE HOOD, MENACE II SOCIETY oder auch BLOOD IN BLOOD OUT ungefähr zur selben Zeit eine finstere Zukunftsvision von in kriegsähnlichen Zuständen versinkenden Innenstädten zeichneten, geht STREET CRIMES geradezu entspannt damit um. L. A. wird zum Dorf, auf dessen Straßen die Menschen sich kabbeln, aber im Grunde müssten alle nur mal miteinander reden (oder sich im Ring die Fresse polieren), um zu erkennen, dass sie alle aus demselben Holz geschnitzt sind. Tony und Brian sind dann auch eher Sozialarbeiter als Kriminalbeamte und sie freuen sich ehrlich, wenn ein Gangmitglied ihnen sagt, dass sie für Cops eigentlich ganz OK sind.

Diese Art von mit Actionversatzstücken für den Videomarkt aufgepeppten Dramen verschwand bald gänzlich aus der Produktpalette von PM Entertainment, was durchaus ein bisschen schade ist. Es macht Freude, zu sehen, wie sich PM an einem „ernsten“ Thema versuchen, es dabei aber mit der gleichen Spontaneität und Naivität behandeln wie ihre reinen Actionvehikel. STREET CRIMES raubt gewiss niemandem dem Atem, aber er ist kurzweilig, sieht gut aus und bietet Attraktionen in schneller Folge. Eine Rezension auf der IMDb leiert die üblichen „so bad it’s good“- und „unintentional humor“-Phrasen herunter: Sicherlich ist der Film ein bisschen albern und unbeholfen, aber eigentlich habe ich ihn als sehr heartfelt und ehrlich empfunden.

MAXIMUM FORCE ist ein Film zum Träumen und Liebhaben. Er hat drei „coole“ Protagonisten, einen extrafiesen Schurken und eine gerechte Mission. Er hat eine Storyline, die Achtjährige sich beim Räuber-und-Gendarm-Spiel kaum besser hätten ausdenken können, ist voller markiger Klischees, expressiv ausgeleuchteter Bilder sowie geiler Momente und One-Liner. Man möchte während der Sichtung fortwährend niederknien und dem lieben Gott dafür danken, dass er den DTV-Actionfilm erfunden hat. Alle Ärgernisse der Welt – Neonazis mit ihren hässlichen Hackfressen und verkümmerte Gehirnen, feige, rückgratlose Politiker, unfähige Arbeitgeber, der Verbleib des HSV in der ersten Bundesliga – treten für 90 scheißegeile Minuten in den Hintergrund.

Merhis Film beginnt mit dem Cop Rick Carver (Jason Lively, Sohnemann Rusty aus EUROPEAN VACATION), der von einer Brücke aus mit einem ganzen Arsenal von Hightech-Gerätschaften einen Waffendeal finsterer Anzugtypen beobachtet. Als ein Landstreicher ihn in ein Gespräch verwickelt, wird er entdeckt und mit einem Hubschrauber verfolgt, den er jedoch mit seinem Maschinengewehr vom Himmel pustet. Als nächstes sehen wir den Cop Michael Crews (Sam Jones), Typ: Lederjacke, Wifebeater-Unterhemd, Dreitagebart und große Klappe, der sich Zugang zu einem dubiosen Nachtklub verschaffen will, vom Türsteher jedoch erkannt und aufgefordert wird, seine Waffe abzugeben. Crews gibt als faulen Kompromiss sein Magazin ab (er hat noch ein Ersatzmagazin in der Tennissocke) und verursacht drinnen, wo illegale Kickboxkämpfe ausgetragen werden, direkt eine Keilerei. Die nächste Person, die in den Fokus rückt, ist Cody Randal (Sherrie Rose), die als Prostituierte getarnt als Undercover-Ermittlerin unterwegs ist. Bei einer Auseinandersetzung mit einem fiesen Zuhälter (Sonny Landham) zückt sie kurzentschlossen die Waffe und ballert den Finsterling über den Haufen. Diese drei Episoden werden immer wieder unterbrochen von der Rede des schurkischen Geschäftsmannes Tanabe (Richard Lynch), dessen kriminellen Unternehmungen den Bullen ein Dorn im Auge sind. In seinem durch die Jalousien in ein noireskes Licht getauchten Konferenzraum gibt er sein Verständnis des amerikanischen Traums zum besten und sich als Brutalkapitalisten zu erkennen, der alles verkauft, wonach eine Nachfrage besteht: Droge, Waffen, Nutten, Kickboxfights (für die Yuppies in Beverly Hills, wie er behauptet). Am Ende seiner Rede muss natürlich einer der Zuhörer dran glauben, damit auch der Letzte, dem der diabolische europäische Fantasieakzent und das vernarbte Gesicht noch nicht reichen, begreift, dass mit diesem Mann nicht zu spaßen ist.

Die drei Cops bekommen schließlich einen geheimnisvollen Brief, dessen Absender sie in ein finsteres Lagerhaus bestellt. Er entpuppt sich als Captain Fuller (John Saxon) und weiß über seine Gäste genauestens Bescheid. Sie alle haben persönliche Gründe, aus denen sie Tanabe zur Strecke bringen wollen, doch bislang waren sie damit erfolglos (siehe Intro). Fuller will ihre Kräfte bündeln und ein schlagfertiges Team aus ihnen machen, das mit vereinten Kräften gegen den Bösewicht in die Schlacht zieht. Dass ausgerechnet ein abgerissenes, wenig einladendes, mies beleuchtetes und wahrscheinlich hochgradig asbestverseuchtes Lagerhaus als ihre Einsatzzentrale dienen soll, schreckt die Kämpfer für Gerechtigkeit nur kurz ab. Zu überzeugt sind sie davon, als neu formierte Strike Force endlich ihr Ziel erreichen zu können. Doch zunächst gilt es zu trainieren. Es folgt eine wahrhaft herz- und hirnerweichende Sequenz, in der man die von Fuller vollmundig als die „Besten“ ihres jeweiligen Fachs Bezeichneten beim sinn- und  planlosen Verdaddeln ihrer Zeit beobachtet. Rick, seines Zeichens „Technik- und Waffenexperte“, hat einen Computer, schraubt in seinem schimmligen Kabuff an irgendwelchen selbst gebauten Bomben rum, ballert wild durch die Gegend oder spielt mit ferngesteuerten Autos und Flugzeugen. Dieser „Kinderkram“ weckt erwartungsgemäß die Bully-Qualitäten von Crews, der stets einen Kippenstummel im Maul hat und viel lieber auf seinen Sandsack einprügelt oder Liegestützen auf den Fingerknöcheln macht. Und was treibt Cody, während die Männer „arbeiten“? Sie sitzt im Schneidersitz auf einer Yogamatte und meditiert. Zu guter letzt erhebt aber auch sie sich und tritt dann einige Bretter durch. Done! Zur Belohnung darf sie sich fortan mit den schmierigen Anmachen der beiden Kollegen herumschlagen, die beide Morgenluft wittern, denn so nah sind sie schon lang keiner Frau mehr gekommen. Ihre Denke erinnert mich an die Grundschulzeit, wo die bloße Gegenwart eines Mädchens in Rufweite Anlass genug war, sie zu fragen, ob sie mit einem „gehen“ wollte. Und Rick und Crews wirken trotz ihrer coolen Männernamen und ihrem Gehabe wie große Jungs, die am liebsten noch Spielzeugsoldaten im Sandkasten hochjagen würden. Man versteht die Genervtheit Codys nur zu gut, weil sie eigentlich nur einer von den „Jungs“ sein will. Nach einem lustigen Kinderstreich der Drei unterbricht plötzlich Tanner das ausgelassene Gelächter, um zu fragen, welche Fortschritte die Spezialeinheit mit ihrer Ausbildung gemacht habe. Von ihren Fähigkeiten absolut überzeugt, entgegnen sie ihm, dass sie die absolut Besten seien, vom Herumsitzen langsam die Schnauze voll haben und es kaum erwarten können, Tanabe ein neues Arschloch zu reißen. Daraufhin knipst Tanner das Licht aus und hetzt drei Ninjas auf die Supercops, die in der folgenden Keilerei schmerzhaft erkennen müssen, dass zur „Bündelung der Kräfte“ etwas mehr gehört, als im selben abbruchreifen Haus zu wohnen. Um Tanabe zu besiegen, müssten sie agieren wie „one body“ und denken wie „one mind“, weiß Tanner. Sie setzen das dann auch sofort um, stellen sich Rücken an Rücken und siehe da: Sie schlagen die Angriffe der Ninjas mit dieser Strategie nieder. Tanner ist zufrieden: Sie sind bereit zum Einsatz!

MAXIMUM FORCE ist auch deshalb so geil, weil er eine sattsam bekannte Formel verfolgt, die für seine Storyline typischen Plotpoints sklavisch abhakt, ohne sie jedoch wirklich jemals richtig auszufüllen. Wie oben skizziert, bleibt alles Behauptung. Warum die stulligen Übungen aus den Einzelkämpfern Rick, Michael und Cody ein Team gemacht haben, bleibt genauso unklar, wie der plötzliche Erfolg, den sie nach ein paar Festnahmen kleiner Dealer und Prostituierten feiern. Tanabe sieht sein Geschäft wegen dieser Lappalien bedroht und beschließt die Plagegeister mit Maßnahmen zu belegen. Die Erwähnung von Crews‘ Exfrau und Kind führt zu einer Exekutionsszene, die sich aber als Albtraum von Crews entpuppt. Geistesgegenwärtig ruft er seine Frau an, um ihr zu befehlen, wegzufahren. Man sieht sie danach tatsächlich nie wieder, aber das eindringliche Telefonat voller vielsagender Pausen, dass er mit ihr führt, zieht ein ebenso eindringliches und vielsagendes Zwiegespräch mit Cody nach sich, das in der obligatorischen Sexszene resultiert. Rick, der plötzlich hineinplatzt, ist aber nicht eifersüchtig, vielmehr gönnt er Crews den Erfolg. Tanabe setzt als nächstes den korrupten Polizeichef (Mickey Rooney in einem dieser typischen DTV-Auftritte: Er ist in zwei Szenen zu sehen, in denen er auf dem Rücksitz einer Stretchlimo sitzt) auf Tanner an, weil Plan Nummer 1 nicht funktioniert hat. Doch der lässt sich nicht kaufen. Bei der folgenden Ballerei im Lagerhaus sterben daher sowohl Tanner als auch Rick. Crews und Cody hatten zuvor kugelsichere Westen von ihrem Kumpel erhalten. Als Cody den sterbenden Rick fragt, warum er keine getragen habe, antwortet der nur: „Ich hatte nur zwei. Und ich wollte, dass ihr sie habt.“ Die Szene ist auch deshalb so rührend, weil die tiefe Freundschaft, die angeblich zwischen den drei Cops entstanden sein soll, buchstäblich aus dem Nichts kommt. Anstatt das jedoch schadenfroh als Versäumnis des Films zu betrachten, sehe ich es eher als Aussage über die Charaktere: Die sind so ausgehöhlt und einsam, dass schon die bloße Gegenwart anderer Menschen eine Seelenverwandtschaft konstituiert.

Der Tod der beiden Vertrauten ist natürlich der letzte Schritt, der zum unweigerlichen Showdown nötig ist, und weil ich bis hierhin schon genug gespoilert habe, hülle ich mich über den Ausgang desselben in Schweigen und komme zum Fazit. Als Actionfilm ist MAXIMUM FORCE sehr durchschnittlich: Es gibt ein paar Explosionen samt durch die Luft fliegender Menschen, ein paar Autostunts und Schießereien, aber noch nichts von der durchdrehenden Lebensmüdigkeit und Größe späterer PM-Exzesse. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, dass MAXIMUM FORCE damals auf Video keinerlei Eindruck außer Enttäuschung bei mir hinterlassen hat. Es hat bei dieser Sichtung Ewigkeiten gedauert, bis mir wieder eingefallen ist, dass ich ihn tatsächlich schon einmal gesehen habe. Die Kunst besteht wohl darin, ihn nicht als knalligen Actioner, sondern als naives Nachahmen der großen Vorbilder zu schauen, als Direct-to-Video-Neo-Noir, der bis unter die Hutkrempe mit artifziellen Bildern von trockeneisnebligen Straßenecken oder stahlblauer Räumlichkeiten vollgestopft ist oder als prall gefüllte Wundertüte putziger Einfälle. MAXIMUM FORCE ist einer jener Filme, die förmlich überlaufen vor Spinnereien, bizarrer Eingebungen und niedlicher Details, dass sie darüber ganz vergessen, eine Geschichte zu erzählen. Merhi hat einen immens kurzweiligen, aber niemals auch nur annähernd spannenden Filme gedreht, der nebenbei eine totale Augenweide ist. Auf den Trichter mit dem Orange and Teal sind die Filmemacher erst 20 Jahre später gekommen. Dabei hatte MAXIMUM FORCE schon alles zum Thema gesagt.

Deadly-Bet-dvdcoverIch meine, einen Trend in den während der frühen Neunzigerjahre enstandenen Filmen von PM Entertainment ausgemacht zu haben: Es handelt sich oft um lupenreine Dramen, die lediglich mit einigen lose eingestreuten Beigaben um die Gunst der die Videotheken nach neuer Ware durchforstenden Actionfans buhlen. NIGHT OF THE WILDING war ein Gerichtsfilm, THE LAST RIDERS ein tragischer, RING OF FIRE ein romantischer Liebesfilm, FINAL IMPACT ein Sportlermelodram und DEADLY BET ist ein lupenreiner Film Noir, dessen Protagonist jedoch nicht nur ein krankhafter Zocker ist, sondern auch noch ein ziemlich guter KIckboxer.

Angelo (Jeff Wincott) verspricht seiner Freundin Isabella (Charlene Tilton) hoch und heilig, mit ihr aus Las Vegas abzuhauen, wo er mehrere Vermögen gewonnen und gleich wieder verballert hat. Dummerweise kommt ihm Rico (Steven Vincent Leigh) in die Quere, der ihm eine letzte Wette anbietet, der Angelo nicht widerstehen kann. Weil ihm 1.000 Dollar Einsatz fehlen, bietet Angelo dem Kontrahenten kurzerhand die Freundin an, und guckt dumm aus der Wäsche, als er im Fight kurz darauf gnadenlos unterliegt. Der anschließende Versuch, frisches Geld einzunehmen, scheitert kläglich und nun steht er auch noch beim Griechen (Michael DeLano) in der Kreide. Angelo fasst den Entschluss, mit der Zockerei endgültig aufzuhören. Damit er seine Schulden begleichen kann, bietet der Grieche ihm die Teilnahme an einem Kickbox-Turnier an, bei dem auch Rico antritt …

Wenn Lorenzo Lamas FINAL IMPACT getragen hat, gehört dieser Film Jeff Wincott: Sein whiskeygegerbter New Yorker Akzent ist ideal für den idealtypischen Spieler, der auf dem Strip zu Hause ist und keine Wette ausschlagen kann, sofern sie genug Gewinn verspricht. Er ist eine tragische Figur, denn es ist keine Charakterschwäche, die ihn immer wieder in Schwierigkeiten bringt, sondern sein ihm ureigenes Wesen. Das Zocken gehört gewissermaßen zu ihm wie die Kartoffelnase zu Gary Daniels, der hier wieder einmal einen Kurzauftritt absolviert. DEADLY BET folgt Angelos Irrwegen durch die glitzernde Wüstenstadt, beobachtet ihn dabei, wie er NIederlage um Niederlage einsteckt, Prügel um Prügel, und doch immer wieder nur die nächste Wette im Blick hat, mit der sich das Schicksal auf wundersame Weise ändern soll. Erst als er mit dem Killer vom Griechen auf Mordtour geht und sieht, was den Leuten blüht, die ihre Schulden nicht bezahlen können, dämmert ihm, was auch ihm bevorsteht. Es folgt eine der typischen, rührend-naiven Montagen, die die PM-Filme jener Zeit sehr oft aufweisen. Zu einem dylanesken Folksong schwingt sich Angelo morgens um halb sechs aus dem Bett, bereitet sich einen gesunden Drink (rohes Ei) zu, den er direkt aus dem Mixer schlürft, putzt seine Küche und geht dann joggen. Vor einem Casino harrt er kurz aus, weil er einen Chip auf der Straße findet. Er überlegt kurz, doch dann besinnt er sich auf seine guten Vorsätze und schenkt den Chip … dem Sänger des Folksongs, der plötzlich mit seiner Klampfe auf dem Boden sitzt. Diese Sequenz ist so wunderbar, dass man es fast bedauert, dass dann doch noch ein Kickboxturnier in die letzten 20 Minuten Film gequetscht werden muss. Natürlich nur fast, denn das einzige, womit sich ein Film noch besser füllen lässt als mit Fresseklopperei, ist Sex und dafür fehlen hier die attraktiven Darstellerinnen.

DEADLY BET ist wahrscheinlich der objektiv betrachtet beste Film, den PM Entertainment bis zu jenem Zeitpunkt vorgelegt hatten (ich kenne noch nicht alle). Er verfügt über eine schöne Fotografie, die das verführerische Zwielicht von Las Vegas sehr effektiv einfängt (das Youtube-Video präsentiert den Film dann auch im Widescreen-Format statt des üblichen Vollbilds) und eine passende, schwül-schwere Noir-Atmosphäre, die die schicksalhafte Latenz in griffigen Bildern einfängt. Jeff Wincott gegenüber muss Schurke Steven Vincent Leigh natürlich verblassen, aber seine (wahrscheinlich mit der in RING OF FIRE verdienten Prämie) neu gekaufte Zahnreihe präsentiert er so stolz wie der GTI-Fahrer seinen Spoiler. Sein selbstverliebtes Grinsen und der ölige Zuhältercharme machen ihn zu dem Schurken, den man zu hassen liebt, und den es braucht, um den Film abzurunden. Nach Munchkins krampfigem Vorgänger hatte ich die Entspanntheit, die hier zum Ausdruck kommt, gewiss nicht erwartet. Sogar der Schlussgag funktioniert! Ohne weitere Worte daher mein Fazit: Rundum empfehlenswert.

1317873755Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, ein Loblied auf Lorenzo Lamas zu singen, einen Schauspieler, den zu verlachen leicht fällt, den man noch nie wirklich Ernst geommen hat, dessen Karriereverlauf ihn aber für mich zu einem echten Sympathen macht – mal ganz davon abgesehen, dass er als (Action-)Schauspieler viel besser ist, als man es ihm für gewöhnlich zugesteht.

Wer wie ich in den Achtzigerjahren aufgewachsen ist (oder wer sich sonst an dieses Jahrzehnt erinnert), der hat Lamas wahrscheinlich als „Lance Cumson“ in der Serie FALCON CREST kennen gelernt. Als Leser der Jugendpostille „Bravo“, die dem dunkelhaarigen Beau mit dem permanenten Dreitagebart seitenweise erlegen war, musste ich mich damals schon mit dem ernüchternden Gedanken arrangieren, den vorherrschenden weiblichen Männergeschmack mit meinem Aussehen meilenweit zu verfehlen. Lamas war, so schien es mir, zu Großem berufen, ein geborener Star. Doch seine Versuche, auf der großen Leinwand Fuß zu fassen, schlugen fehl (für seine Leistung im Breakdance-Film BODY ROCK wurde er für die berüchtigte Goldene Himbeere nominiert), und mit dem Ende der Achtzigerjahre, von FALCON CREST und des in diesem Jahrzehnt von der Gillettwerbung geprägten Männlichkeitsideals ging es auch für Lamas bergab. An die Stelle der beliebten Seifenoper traten die ersten Auftritte in kleineren Actionfilmen wie SNAKE EATER und dann schließlich das Engagement für die Serie RENEGADE, in der er einen zu Unrecht verdächtigten Polizisten auf der Flucht spielte und in den postmodernen Neunzigern mit langen Haaren, Motorrad, Jeans, Cowboystiefeln und Totenkopfringen an den Händen wie ein aus der Zeit gefallenes Relikt wirkte. Ein solches verkörpert Lamas auch in den Dutzenden von DTV-Actionern, die er im weiteren Verlauf des Jahrzehnts drehte. Er repräsentiert längst überkommene Rollenbilder und eine untergegangene Ära, in der sich der Grad der Virilität noch an der Ausgeprägtheit von Bart- und Brusthaarwuchs, an der Zahl sexuell höriger Verehrerinnen und überstandener Kneipenschlägereien, dem Pensum an Whiskey, das man wegkippen und trotzdem noch gerade auf der Harley sitzen konnte, und an der zur Schau gestellten Scheißegal-Haltung sowie der Beharrlichkeit der Weigerung, Haushaltstätigkeiten zu verrichten, messen ließ. In allen diesen „Disziplinen“ erreichte Lamas mit Leichtigkeit Spitzenresultate, was ihn auch zum Actionhelden prädestinierte. Wie es aber genau dazu kam, dass er plötzlich als Kickboxer reüssierte, weiß ich nicht: Sein immenser Bekanntheitsgrad machte ihn für die Produzenten der damals populären Filme interessant, mangelnde Filmreferenzen gleichzeitig erschwinglich, aber er verfügte über keinerlei Martial-Arts-Ausbildung. (EDIT: Das ist so nicht ganz richtig, Lamas betrieb wohl Kickboxen.)

Das erklärt auch, warum er als ehemaliger Kickboxchampion Nick Taylor in FINAL IMPACT kaum selbst aktiv wird. Stattdessen hat er sich nach einer schweren, körperlich wie seelisch traumatischen Niederlage gegen den eklen Jake Gerrard (Jeff Langton), der ihm auch noch die Frau ausspannte, hinter den Schreibtisch eines fragwürdigen Clubs zurückgezogen, der ölige Frauenringkämpfe und Kickboxfights veranstaltet. Seinen Frust über die vergeigte Karriere und die erfahrene Schmach ertränkt er Tag für Tag im Schnaps, außerdem laboriert er an einer äußerst hartnäckigen Oberbekleidungs-Allergie, die ihn dazu zwingt, ständig mit freiem Oberkörper unter Weste oder Jeansjacke herumzulaufen. Als ihn aber der junge Kämpfer Danny (Michael Worth) aufsucht, ein absoluter Bewunderer von Nicks einstiger Kampfkunst, und sich als Supertalent erweist, das unter anderem den bepferdeschwanzten Gary Daniels wegboxt, sieht Nick seine Chance auf eine verspätete Revanche. Er erklärt sich bereit, Danny auf die in Kürze in Las Vegas ausgetragenen Meisterschaften vorzubereiten, bei denen Jake der erklärte Favorit ist. Nicks Freundin Maggie (Kathleen Kinmont) beäugt Nicks Enthusiasmus hingegen mit Argwohn: Sie ist besorgt darüber, dass ihr Partner seine einstige Niederlage immer noch nicht überwunden hat, und fürchtet, dass er seinen Schützling ins Unglück treibt.

Ich habe mich gestern irgendwann gefragt, warum ich FINAL IMPACT eigentlich so verflucht unterhaltsam finde. Nämlich just in dem Moment, in dem mir auffiel, dass dieser vermeintliche Kickboxfilm als Kickboxfilm nicht besonders viel hermacht. Die Fight sind alle sehr ordentlich, wenn auch nicht übermäßig spektakulär in Szene gesetzt, und mit Leuten besetzt, die Hand- und Fußwerk offensichtlich verstehen, aber sie laden nicht gerade zum Mitfiebern ein, wie das bei Turnierfilmen – man denke an BLOODSPORT und Konsorten – idealerweise der Fall ist. Das ganze Turnier läuft so im Hintergrund ab und außer dem Schurken Jake lernt man keinen der Teilnehmer kennen, es dient eher als Auflockerung für die dramatische Geschichte Nicks, der an seiner Vergangenheit zu zerbrechen droht. Irgendwann kommt es natürlich zur Begegnung mit Jake, Nick nennt seine gehässige Ex eine „Hure“ und wird von dem Rivalen zu einer Schlägerei herausgefordert. Maggie ist verzweifelt, es kommt zum Streit, bei dem das leidige Thema „Alkohol“ zur Sprache kommt und Nick landet aus Trotz mit einer anderen Frau im Bett. Maggie zieht die Konsequenzen und verlässt ihn, er hat nun nichts mehr und naürlich auch keine Chance gegen Jake. Yaddayaddayadda, man kennt das aus Dutzenden Filmen, nichts davon ist neu. Es ist Lorenzo Lamas, der FINAL IMPACT trägt und ihn für mich gestern zum Quell der Freude machte.
Schon der Auftakt, wie er da mit dem Whiskey-Tumbler in den totenkopfberingten Fingern, der Weste über dem gutgeölten, üppig behaarten Körper, den zurückgeschmierten Haaren und dem Dreitagebart in seinem Schreibtischstuhl hängt, er die Avancen seines Bewunderers mit aufreizender Arroganz an sich abprallen lässt, ist göttlich. Der Weg ist geebnet und Lamas beschreitet ihn im Folgenden mit einer beeindrucken Sammlung redneckiger Rockeroutfits, cooler Sprüche im Mundwinkel und nie versiegenden Schnapsreserven. Er hat etwas entschieden Aufmüpfiges, Emporkömmlerisches an sich, er ist der Asi, dessen Sieg man anerkennen muss, weil er so gut ist. Das Tolle an ihm ist, dass man ihm seine Arroganz und Selbstverliebheit zugesteht, auch wenn sie eigentlich durch nichts untermauert wird. Allein, weil er diese leere Autorität zu verkaufen weiß. Besser jedenfalls, als seine Kickboxbemühungen, die immer etwas auswendig gelernt anmuten. Lamas ist so etwas wie der negative Seagal: Man verzeiht ihm, dass er sich mit Dingen brüstet, die er nicht kann, weil er so verflucht charmant in seiner Attitüde ist. Seagal hingegen kann Vieles von dem, was er behauptet, aber man vermutet Hochstaplerei, weil er damit stets so unsympathisch hausieren geht. Wie Seagal spielt auch Lamas immer nur eine Variation desselben Typen, eines großmäuligen Proleten mit dem Herzen aus Gold. Man will, dass er gewinnt, allein deshalb, damit der Nachschub an Wet-Gel, Cowboystiefeln und protzigem Herren-Modeschmuck nie versiegen mag und er sich seine arrogante Selbstverliebtheit bewahrt.

Erinnert sich noch jemand an den großartigen STONE COLD vom leider vergessenen Craig R. Baxley, der 1991 noch einmal zeigte, wie man im Jahrzehnt zuvor Actionfilme gedreht hatte und zudem die Klasse besaß, Lance Henriksen und William Forsythe als Köpfe einer verbrecherischen Bikergang zu besetzen? Kann sich noch jemand außer mir ein DTV-Rip-off dieses Kleinods vorstellen, vielleicht gar aus dem Hause PM Entertainment, der Heimat filmisch aufbereiteter Automobilverschrottung? Geht noch jemandem bei der Vorstellung die Hose auf? Dann träumt weiter, denn THE LAST RIDERS ist nicht dieser Film, auch wenn er ohne Frage an den Erfolg von STONE COLD anknüpfen will. Erik Estrada ist kein Brian Bosworth, was immer das heißen mag.

Der ehemalige Star aus der Fernsehserie CHiPS ist Johnny, Mitglied der Bikergang „The Slavers“ und neben Anführer Rico (Angelo Tiffe) der Veteran der Truppe. Als er nach einem fehlgeschlagenen Drogendeal bei einem Vergeltungschlag eingesetzt wird und einen Mann umbringt, der sich kurz darauf als dreckiger Cop herausstellt, verkündet er seinen Ausstieg („Take my colors. Burn ‚em and piss on the ashes.“), um die Kameraden zu schützen, und begibt sich auf den Weg gen Norden. Dort stattet er seinem alten Kumpel „Hammer“ (William Smith), der eine Werkstatt an der Autobahn sein eigen nennt, einen Besuch ab und lässt sich überreden, bei ihm unterzukommen und zu arbeiten. Wenig später entflammt gar die große Liebe, als die Reisende Anna (Kathrin Middleton) mit ihrer Tochter wegen einer Panne gezwungen ist, bei Johnny zu übernachten. Doch natürlich holt die Vergangenheit Johnny ein …

THE LAST RIDERS ist nach NIGHT OF THE WILDING und RING OF FIRE ein neues Beispiel dafür, was für bizarre Filme dabei herauskommen, wenn man versucht, die Formeln Hollywoods zu adaptieren, ohne die Ressourcen dafür zu haben. Das, was in einem herkömmlichen Actioner in der Exposition abgefrühstückt würde, dehnt Joseph Merhi auf über eine Stunde aus und quetscht den eigentlich interessanten Teil der Story in einen kurzen Showdown, der kaum der Rede wert ist, ja, eigentlich noch nicht einmal diese Bezeichnung verdient. Als Action- oder Rachefilm ist THE LAST RIDERS ein ziemlicher Rohrkrepierer, aber wie er die altbewährte Formel beugt und zum Ausgangspunkt eines schmonzettenhaften Melodrams macht, ist nicht ohne bizarren abseitigen Reiz. Merhi verwendet wie erwähnt viel Zeit darauf, die Liebesbeziehung zwischen Johnny und Anna anzubahnen und macht dabei vor keinem Klischee halt. Anna ist zunächst natürlich eine eingebildete Schlampe, die Johnny der schlechten Arbeit bezichtigt und seine Hilfsbereitschaft nur mit Unverschämtheiten zu kontern weiß. Schließlich bleibt ihr aber doch keine Wahl, als auf sein Angebot, bei ihm im Trailer zu wohnen, einzugehen. Kaum dass sie einen Fuß in die Tür gesetzt hat, geht die geborene Hausfrau mit ihr durch, sie putzt, räumt auf und schickt den im Weg rumstehenden Mann zum Einkaufen, weil der nur Bier im Kühlschrank hat. Das Fleisch, das er mitbringt, schaut sie an wie ein gebrauchtes Kondom: Sie kocht natürlich vegetarisch, japanisch, um genau zu sein, und zwingt ihn dann sogar dazu, mit Stäbchen zu essen, wobei er sich extradumm anstellt und keinen einzigen Bissen in den Mund bekommt. Nicht mit Johnny, den es nach Burger, Fritten und Milchshake gelüstet und der Annas hässliches Kind dabei sofort auf seiner Seite weiß. Doch das sind natürlich nur die obligatorischen Anlaufschwierigkeiten, die eine umso harmonischere Beziehung nach sich ziehen. Aber was heißt hier „Beziehung“? Seinen romantisch-kuriosen Gipfel erklimmt der Film, als Johnny und Anna während eines Ausflugs nach Las Vegas spontan HEIRATEN! Nachdem er vor kurzem noch als Polizistenmörder nach Kanada auswandern und sie eigentlich nur mal eben ihr Auto reparieren lassen wollte, eine überaus unerwartete Entwicklung, die man durchaus als „Kurzschluss“ bezeichnen könnte. Die beiden leben in einem verschissenen Wohnwagen irgendwo im Nichts, for Christ’s sake! Geht das Blag eigentlich irgendwo zur Schule?

Es ist klar, dass das fragwürdige Glück nicht lange anhalten kann und deshalb wird Johnny auch von den Bullen ausfindig gemacht und Rico als angeblicher Verräter präsentiert. Der schickt seine Killer, die statt seiner aber „nur“ Anna und das kleine Mädchen mit ihren Schrotflinten wegpusten. Johnny kann nichts mehr tun, außer den Trailer – der ja eigentlich seinem Kumpel Hammer gehört – anzuzünden und bedröppelt in die Flammen zu schauen. Was er an seinem Freund hat, der die mutwillige Zerstörung seines Eigentums ganz entspannt hinnimmt, bemerkt er hoffentlich später. Der Zuschauer darf frohlocken, denn nun gibt es zum ersten Mal seit dem Auftakt des Films wieder Action: Zum Frauen-AOR-Sound der „Sheilas“, die auch schon zu Beginn einen ausgedehnten Auftritt hatten und unter anderem eine Querflötistin in ihren Reihen wissen, gibt es eine Montagesequenz, in der Johnny einige seiner alten Kumpels murkst. Er wird dabei aber verwundet und schleppt sich in seine alte Stammkneipe, wo ihn die Bedienstete Feather (Mimi Lesseos) aufnimmt und gesund pflegt. Merkt jemand was? Bevor sich das Szenario, das Johnny überhaupt zu ihr führte, aber noch einmal wiederholt (Feather gesteht Johnny ihre Liebe, aber der braucht wahrscheinlich noch ein bis zwei Tage Trauerarbeit), bricht er auf, um mit seinem best buddy Rico anzurechnen. In einer dunkeln Gasse stehen sich dei beiden schließlich zwischen zwei brennenden Mülltonnen gegenüber. Sie schauen sich grimmig an, nicken ,,, und fahren dann in entgegengesetzte Richtungen davon. Ende.

For real, ich habe mir das nicht ausgedacht. THE LAST RIDERS müsste man als Publikumsverarsche bezeichnen, wenn das, was man da 90 Minuten lang geboten bekommt, nicht so durch und durch faszinierend in seiner Spießigkeit wäre. Wer immer schon der Meinung war, dass noch unter der speckigsten Rockerjoppe ein sentimentales Muttersöhnchen steckt, der wird sich hier bestätigt sehen. Und wer immer schon einen Rockerfilm gesucht hat, für den sich auch die Oma begeistern kann, der ist mit THE LAST RIDERS endlich am Ziel angekommen. Halleluja!

A priori richtige Aussagen: Regisseure, deren Nachnamen klingen wie der Titel eines drittklassigen GREMLINS-Rip-offs, sollten keine Martial-Arts-Filme machen. Wahrscheinlich wusste Richard W. Munchkin das sogar selbst, denn mit RING OF FIRE tut er sein Menschenmöglichstes, der ungeliebten Schublade zu entkommen. Bei einer Laufzeit von 97 Minuten widmet er sich vielleicht in kargen 10 der handfesten körperlichen Auseinandersetzung die für sein Genre eigentlich konstituierend ist.

Viel mehr interessiert ihn die Rassengrenzen transzendierende Liebe zwischen dem charmanten chinesischen Arzt Johnny Woo (Don „The Dragon“ Wilson) und der Bimbo-Blondine Julie (Maria Ford). Letztere ist eigentlich mit dem öligen Vokuhila-Proleten Chuck (Vince Murdocco) verlobt, doch es kriselt, weil der nur seine illegalen Arena-Fights im Sinn hat, die er mit seinen Kumpels  Brad (Dale Jacoby) – einer gelungenen Kreuzung aus Tim Wiese und Vanilla Ice – und Bud (Gary Daniels) bestreitet. Bei diesen Fights nimmt auch Johnnys Cousin Terry (Steven Vincent Leigh) teil und der gerät bald in einen erbitterten Streit mit den Konkurrenten, der sich zu einem Krieg zwischen Weißen und Asiaten ausweitet. Wobei „Krieg“ hier bedeutet, dass es einmal eine ca. dreiminütige Massenkeilerei gibt, die von dem immer zu spät auftauchenden Polizisten Lopez (Michael DeLano) aufgelöst wird. Dieser „Krieg“ führt schließlich zu einem Zweikampf zwischen Terry und Brad, den Julie unbedingt verhindern will, weil sie Gewalt verabscheut. Johnny hat eine Superidee: Er schlägt Terry vor, Brad das Angebot zu unterbreiten, den Kampf nach thailändischer Art mit Glassplitter-gespickten Handschuhen zu bestreiten. Das lehnt Brad bestimmt ab und Terry verliert sein Gesicht nicht! Doch er hat die Rechnung ohne Brad gemacht. Lebensmüde wie er ist, willigt er nämlich ein (Terrys Blick ist Gold wert) und bringt Terry im Kampf um. Es kommt zum Showdown zwischen Johnny und Brad.

So könnte eine Inhaltsangabe des Films lauten, die dann jedoch die Realität verkennen oder zumindest reichlich schönfärben würde. Meist wohnt der Zuschauer nämlich dem ritualisierten Dating Game von Julie und Johnny bei. Sie trifft ihn zum ersten Mal im Chinarestaurant seiner Tante, wo er sie mit einer poetischen Glückskeks-Botschaft überrascht. Dann begegnen sie sich bei einem Maskenball wieder, und er bittet sie als mysteriöses Phantom zum Tanz. Der Maskenball ist übrigens höchst seltsam, denn zur Kleidervorschrift scheint nicht nur die Kostümierung, sondern auch ein Schuhverbot zu gehören. Alle tanzen barfuß, wahrscheinlich, weil die Veranstaltung in einer Turnhalle stattfindet. Johnny ist nach diesem Erlebnis genauso hin und weg wie Julie. Er sucht sie bei ihrer Arbeit in einer Boutique auf, wo sie gerade ein Kleid anprobiert, doch seine Liebeserklärung hält er vor der falschen Umkleidekabine: Peinlich berührt eilt er von dannen, als eine über beide Ohren strahlende Oma ihm einen Kuss auf die Backe drückt. Doch Julie hat alles gehört und weiß: Johnny ist der Richtige. Fortan treffen sie sich zum vergnüglichen Bummeln und er überzeugt sie mit weiteren Glückskeks-Weisheiten von der spirituellen Überlegenheit des Chinesen gegenüber dem weißen Kickbox-Proleten US-amerikanischer Provenienz. Eine ausgedehnte Folklore-Einlage gibt dann sogar Aufschluss über die Bräuche des Neujahrsfestes und die Tante Johnnys klärt die beiden darüber auf, dass sie nach dem chinesischen Horoskop super zusammenpassen. Dem Glück scheint also kaum etwas im Wege zu stehen. Außer seiner Hautfarbe, denn wir schreiben ja erst das Jahr 1991. Als Brad und Chuck Johnny und Terry beim Maskenball begegnen, fragen sie, ob das hier Pearl Harbor sei, und als Julie ihrer Oma ein Foto von ihrer großen Liebe zeigt, sagt die, das könne sie ihrem in Vietnam gefallenen Vater nicht antun. „Gelbe Sippenhaft“ heißt das Phänomen wahrscheinlich. All diese Vorurteile begünstigen die in jedem Film nötige Komplikation im dritten Akt, als Julie plötzlich reichlich unmotiviert kalte Füße bekommt und Johnny gegenüber behauptet, ihm alles nur vorgespielt zu haben. Während des Finalfights bekennt sie sich dann jedoch zu ihrer großen Liebe und springt just in dem Moment in den Ring, als der feige Brad mit einem Samuraischwert zuschlagen will. Wie weiland Winnetou fängt sie den ihrem Liebhaber zugedachten Hieb ab, doch es wird natürlich alles gut werden. Fin.

RING OF FIRE ist der pure Wahnsinn wie man meinem Text hoffentlich entnehmen kann. Er bietet nicht nur einen Einblick in die schlimmsten Geschmacksentgleisungen, die sich die Mode zu Beginn der Neunzigerjahre erlaubte, sondern auch hölzernes Schauspiel, bizarre Bildkompositionen, billige Settings und allerlei unerklärliche Details. Einmal stellt die Tante etwa Johnny und Terry eine Frau vor, die ihr nun beim Wäscheaufhängen helfen werde. Man sieht sie dann in der folgenden Szene gemeinsam am Wäscheständer stehen und danach verschwindet die freundliche Haushaltshilfe wieder. Warum? Musste da vielleicht wirklich gerade Wäsche aufgehangen werden am Set und man dachte sich, das kann man auch einfach mit einbauen? Man weiß es nicht. Das größte, weiterhin andauernde Rätsel ist für mich aber die Karriere von Don „The Dragon“ Wilson. Ich warte noch auf den ersten Film mit ihm, den ich gut finde und nicht einfach nur schrecklich farblos und unansprechend. Gut, warum er Actiondarsteller wurde, erklärt ein Blick in seine Biografie. Als mehrfacher Kickbox-Champion war er natürlich prädestiniert für eine Karriere in DTV-Filmen, aber ich frage mich trotzdem: Gibt es da draußen wirklich Leute, die ihn gut finden? Die, wenn sie ein DVD-Cover in der Hand halten, auf dem sein Name prangt, sagen: „Geil, der neue Wilson!“ Und wenn ja: Was müssen das für traurige Zeitgenossen sein? Aber ich will nicht gemein sein. In RING OF FIRE ist Wilson durchaus ganz adäquat besetzt, wahrscheinlich, weil er als romantischer Lover einer unterbelichteten Blondine glaubwürdiger ist als als schweigsamer Actionheld. RING OF FIRE geht in die Geschichte ein als der erste Kickbox-Film von PM Entertainment. Es sollten einige weitere folgen, aber in diesem Subgenre waren Pepin und Merhi ganz offensichtlich nicht zu Hause. Wer nur die Perlen aus ihrem Oeuvre herauspicken möchte, sollte sich eher an ihre Cop- und Gangsterfilme halten. Wobei einem dann natürlich Kuriositäten wie diese hier entgehen, in der Gary Daniels (in seinem erst driten Film) von einem besoffenen Chinesen angepisst wird.

night-of-the-wilding-movie-poster-1990-1010503906Wer sich schon mal gefragt hat, warum es zwar DTV-Action-, -Kickbox- und
-Cyborgfilme, aber kaum DTV-Gerichtsfilme gibt, der sollte sich NIGHT OF THE WILDING anschauen, Joseph Merhis Versuch, in diesem „seriösen“ Genre Fuß zu fassen. Der Gerichtsfilm fußt auf einem sehr engen Regelwerk, das nur wenig Spielraum lässt und strenge Anforderungen an die Macher stellt. Sicherlich ist es ein Trugschluss, zu glauben, dass Gerichtsfilme die Realität nicht zugunsten der Dramatik beugen, dennoch wird meist ein großer Aufwand betrieben, alles möglichst realistisch wirken zu lassen. Das Gesetz ist kompliziert, mithin erfordert ein Gerichtsfilm ein akribisch recherchiertes Drehbuch, das den Zuschauer glauben lässt, dass es sich so in einem echten Gerichtsraum abspielen könnte. Und genau dies hatte NIGHT OF THE WILDING nicht. Merhi übertrug vielmehr die kontrastreiche Schwarzweißmalerei und grobe Affektsteuerung des DTV-Actioners nahezu verlustfrei auf den Gerichtsfilm und schuf so ein haarsträubend naives Werk, dessen Vorstellung von Moral, Recht, Gerechtigkeit und Rechtsprechung von geradezu berückender Infantilität ist.

Joseph Fainer (Erik Estrada) ist ein erfolgreicher Anwalt, der sich nicht scheut, auch die miesesten Typen zu verteidigen. Zum Dank erhält er vom lokalen Mafiaboss schon einmal einen mit Banknoten prall gefüllten Schuhkarton. Seine Ex-Frau und Kollegin Marion (Kathrin Middleton) hingegen ist eine Idealistin, der der große finanzielle Ruhm genau aus diesem Grund bislang verwehrt blieb. Beide stehen sich nun in einem Fall gegenüber, bei dem drei Jugendliche wegen Körperverletzung und zweifacher Vergewaltigung angeklagt sind: Nachdem ihr Anführer Carl (Isaac Allan) sich in einem Supermarkt zu bezahlen weigerte, schlug er mit seinen Freunden erst den heraneilenden Security-Mann brutal nieder, verschaffte sich dann Eingang in das Haus der Kassiererin, vergewaltigte sie und ihre Mitbewohnerin. Für Marion ist der Fall ganz klar, doch Joseph erklärt sich bereit die – natürlich aus reichem Hause stammenden Jungs – zu verteidigen. Es sei immerhin möglich, dass sie unschuldig sind.

Bis hierhin ist noch alles in Ordnung, sieht man einmal davon ab, dass die drei Täter geradezu grotesk eindimensionale Arschgeigen sind, an deren Unschuld niemand wirklich glauben kann. Aber auch solche haben natürlich das Recht auf einen Anwalt. Es gibt für Fainer tatsächlich einen einigermaßen brauchbaren Ansatz für die Verteidigung: Die Jungs brachen nämlich nicht in das Haus der Kassiererin ein, sondern wurden eingelassen. Somit könnte Fainer vielleicht darauf abzielen, dass die „Vergewaltigung“ gar keine war, sondern es eine Einwilligung zum Sex gegeben hatte. Das ist immer noch problematisch, weil es ja auch noch einen männlichen Gast gab, der niedergeschlagen wurde, aber gut, wir wollen Nachsicht walten lassen. (Sonst wäre der Film schließlich schon bei de Besetzung Erik Estradas als Superanwalt gescheitert.) Fainer begnügt sich aber nicht damit, lediglich mildernde Umstände für seine Jungs herauszuholen, nein, er will den Spieß umdrehen. Er zeichnet das Haus der Kassiererin in seinem Plädoyer als „House of Sin“, als Ort, an dem regelmäßig wüste Sexorgien abgehalten werden und in das die arglosen Buben von ihren hexengleichen Bewohnerinnen hereingelockt wurden. Das ist schon perfide, wie er die Opfer im Folgenden traktiert und vor den Geschworenen diffamiert. Es fällt schwer, ihn als lediglich von den Bösewichten getäuschten zu akzeptieren. Da ist jemand, dessen Moralvorstellungen nicht nur ins Wanken geraten sind, sondern total auf dem Kopf stehen. Bemerkenswert ist übrigens auch, dass es in der Verhandlung nie um die Beinahe-Ermordung des Sicherheitsmannes geht, bei der die Täter gesehen wurden. Das wird einfach unter den Tisch fallen gelassen, wahrscheinlich, weil man ahnte, dass kein noch so hirnrissiger Drehbuchkniff hier einen Freispruch herbeiargumentieren könnte. Das zieht sich durch den ganzen Film: Das Naheliegende wird von allen übersehen, damit der Film nicht vorzeitig beendet ist.

Marion ist verständlicherweise entsetzt über das Verhalten ihres Ex-Gatten und konfrontiert ihn, erinnert ihn an den Abend vor seinem ersten großen Fall, als er weinend in ihren Armen lag, wissend, dass der Mann, den er verteidigen sollte, schuldig war. NIGHT OF THE WILDING scheint hier den Gewissenswandel seines Protagonisten vorzubereiten, doch der kommt nicht. Die bipolare Marion ist daran nicht ganz unschuldig: Als Joseph am Tag nach ihrem intimen Gespräch einen Zeugen nicht hart genug rannimmt, beschwert sie sich bei ihm darüber, dass er es ihr zu leicht mache. Weiber! So setzt bei ihm auch kein Gesinnungswandel ein, als die Kassiererin am Tag vor ihrer Aussage ermordet wird (natürlich vom teuflischen Carl mit seiner Vokuhila-Frisur). Überhaupt wird das von allen so hingenommen, niemand zieht in Erwägung, dass ihr Tod direkt mit der Verhandlung in Verbindung stehen könnte. Stattdessen nur so: Och, das arme Mädchen, so ein Pech aber auch … Wenig später dieselbe Reaktion als Carls Kumpels tot aufgefunden werden: Tja, dann gibt es also nur noch einen Angeklagten. Marion, mit allen Wassern gewaschen, zieht ein Trumpf-As aus dem Ärmel, wissend, dass Carl ungestraft davonzukommen droht: eine neue Augenzeugin. Die gibt es aber gar nicht, stattdessen steht auf dem Zettel, den sie dem Richter gegeben hat, ein falscher Name und ihre eigene Adresse! Sie will Carl damit in eine Falle locken! Und der lässt sich auch nicht lang bitten. Zum Glück kommt Joseph vorbei und kann seine Ex in letzter Sekunde retten. Nach einer Verfolgungsjagd zu Fuß, bei der es dann auch den einen haarsträubenden, in diesem Kontext noch selbstzweckhafter als ohnehin schon daherkommenden Autostunt gibt, der anscheinend in keinem PM-Film fehlen darf, ermordet Joseph Carl durch Ersäufen – und steht nun selbst vor Gericht, wo ihn Marion verteidigt. Argument: Notwehr.

Nun ist Selbstjustiz bekanntermaßen ein schwieriges Thema. Und weil viele Menschen in erster Linie mit dem Bauch, statt mit dem Kopf denken, kommen sie oft auf die Idee, dass die Ermordung eines Mörders ja irgendwie gerechtfertigt und damit kein Mord sei. Aber wenn man einen Unbewaffneten erst durch die halbe Stadt hetzt und dann so lange unter Wasser drückt, bis dieser tot ist, dann kann das nun einmal keine Selbstverteidigung mehr sein. Das ist Mord. Und so setzt es der Bizarrheit von NIGHT OF THE WILDING endgültig die Krone auf, wenn Joseph am Ende freigesprochen wird und erleichtert durchatmet. Merhis ganzer Film ist von einem so frappierenden Nicht-Verstehen nicht nur noch der einfachsten Rechtsgrundsätze, sondern auch der Regeln von Narration und Zuschauerbindung geprägt, dass man nur noch staunen kann.

Der Begriff „Wilding“ beschreibt übrigens aus Langeweile oder „Spaß“ von Jugendlichen verübte Gewaltverbrechen, ein Jugendphänomen, das Ende der Achtziger-/Anfang der Neunzigerjahre anscheinend in aller Munde war. Im selben Jahr wie NIGHT OF THE WILDING erschien jedenfalls auch noch der Wings-Hauser-Film WILDING, der sich ebenfalls um jugendliche Gewalttäter dreht und den ich anhand meiner allerdings schon gut 20 Jahre zurückliegenden Sichtung mal vorsichtig in die Kategorie „geil langweilig“ einordnen würde.