Martin Compart, deutscher Crime-Experte und bekennender Bronson-Fan, hat mich zu einem generationsübergreifenden Bronson-Special eingeladen. Bei Interesse hier entlang.
Mit ‘Richard Fleischer’ getaggte Beiträge
das charles-bronson-special
Veröffentlicht: März 23, 2016 in Film, Zum LesenSchlagwörter:Charles Bronson, J. Lee Thompson, John Sturges, Michael Winner, René Clément, Richard Fleischer, Robert Aldrich, Walter Hill
die richard-fleischer-werkschau: ein fazit
Veröffentlicht: Dezember 28, 2011 in FilmSchlagwörter:Richard Fleischer
Am 24. August – also vor ziemlich genau vier Monaten – begann ich meine mehrfach angekündigte Fleischer-Werkschau mit der Sichtung seines vierten Spielfilms BODYGUARD. Seitdem habe ich 36 weitere seiner Filme geschaut (Texte zu zwei weiteren, die ich diesmal ausgespart habe, SEE NO EVIL und CONAN THE DESTROYER, finden sich an anderer Stelle im Blog), damit rund vierzig Jahre Hollywood-Filmgeschichte abgedeckt – von 1948 bis 1987 – und sein Gesamtwerk bis auf acht Titel (Dokumentationen, Kurz- und Fernsehfilme nicht mit eingerechnet) komplett durchgeackert. Was mich an ihm und also an einer Retrospektive vor allem interessierte – abgesehen davon, dass ich viele seiner Filme schon vorher mochte, andere endlich einmal (wieder) sehen wollte –, war die Tatsache, dass er eben gerade kein Autorenfilmer ist, sondern als Prototyp des Auftragsarbeiters gilt. Er arbeitete für etliche verschiedene Produzenten und Studios, in allen möglichen Genres und erzielte dabei beachtliche Erfolge. Inspiriert durch eine Reihe von Essays auf der Seite „The Film Journal“ kam ich zu dem Schluss, dass diese Ausdauer und Vielseitigkeit das Vorhandensein von Persönlichkeit und künstlerischer Integrität zwingend erforderte; obwohl oder gerade weil er lediglich Stoffe verfilmte, die an ihn herangetragen wurden, anstatt eigene Projekte zu forcieren. Es erscheint mir einfach undenkbar, dass jemand vierzig Jahre lang ausschließlich fremdbestimmt Filme dreht und dabei erfolgreich ist, ohne dass er dabei das Bedürfnis entwickelt, sich selbst auszudrücken. Und wenn er entgegen meiner Erwartungen doch einfach nur so extrem flexibel und kompromissbereit war: Ist es möglich, diese Abwesenheit von Egoismus als herausstechende quasi auteuristische Eigenschaft zu betrachten? Die Frage, die eine Karriere wie die von Fleischer aufwirft, lautet: Wie viel Auteurismus steckt in der Auftragsarbeit? Wie gelingt der Spagat zwischen der Selbstverwirklichung und Auftragserfüllung?
Das Problem einer solchen Werkschau ist, dass sie als eine Art self-fulfilling prophecy funktioniert: In dem Moment, in dem man sich das Werk eines Regisseurs vorknöpft, egal ob Autor oder Auftragsfilmer, ist er automatisch der kleinste gemeinsame Nenner, die Instanz, die den Korpus zusammenhält. Ich sah mich während meiner Retrospektive immer der Frage ausgesetzt, wo in diesem oder jenem Film denn nun das spezifisch Fleischerische steckte, auch wenn es sich eigentlich von vornherein verbat, überhaupt danach zu suchen. Man nimmt auch Filme ernst, die das vielleicht nicht unbedingt verdient haben. Und man unterstellt einen schöpferische Kraft, wo vielleicht nur das Zusammenspiel günstiger Umstände seine Wirkung tat. Letztlich funktioniert das aber auch bei den großen Autoren nicht anders: Auch ihnen wird meist nur rückblickend unterstellt, ihre Filme seien ganz und gar Ausdruck ihrer selbst. Lückenlos beweisen lässt sich das im Nachhinein nie.
Fleischer wurde engagiert. Aber das heißt ja nicht, dass er alles gemacht hätte. Oder dass er seine Integrität mit Vertragsunterzeichnung aufgegeben hätte. Glaubt man seinen Memoiren, dann gab es immer etwas jenseits des Geldes, das ihn dazu veranlasste, dieses und nicht jenes Angebot anzunehmen, hatte er immer eine sehr genaue Vorstellung davon, was der jeweilige Film leisten könnte und was er als Filmemacher zu dessen Gelingen in die Waagschale zu werfen hatte. Auch wenn ich nicht von mir behaupten wollte, eine Fleischer-Handschrift identifiziert zu haben (dazu müsste ich ja erst einen Fleischer-Film sehen, von dem ich nicht weiß, dass er einer ist), so gibt es doch die Präferenz bestimmter Formen (Scope-Fotografie, dynamische Kamera, Plansequenzen, pointierte Bildkompositionen), Themen und Motive, die immer wiederkehren (etwa „das Böse im Menschen“, „Verrat“, „System vs. Individuum“) und ein recht auffälliges Muster des Nicht-Gelingens: Fleischer hatte die Tendenz, „to hammer his point home“: Wenn ihm ein Thema am Herzen lag, dann konnte er etwas aufdringlich werden (siehe dazu etwa COMPULSION, THE BOSTON STRANGLER oder SOYLENT GREEN). Diesen Filmen fehlt die Leichtigkeit seiner Noirs oder aber von Filmen wie THE GIRL IN THE RED VELVET SWING, BETWEEN HEAVEN AND HELL oder THESE THOUSAND HILLS, die kaum weniger ernst und gewichtig waren, aber noch nicht so sehr vom aufklärerischen Impetus gelähmt wurden. Das ist es, was Andrew Sarris als „strained seriousness“ bezeichnete.
Was Fleischer auch nicht gelingen wollte, war das große Familienentertainment: DOCTOR DOLITTLE und THE PRINCE AND THE PAUPER fehlt trotz aller Production Values die Spritzigkeit, die solche Filme brauchen, und ich bin geneigt, dies Fleischer anzulasten. Er hatte die Tendenz zu ernsteren, dunkleren Stoffen: Fast in allen seinen Filmen gibt es heftige Gewaltausbrüche, die meist auch sehr eindrücklich inszeniert sind, in BARABBA – vielleicht eine Art Meta-Fleischer-Film – geht es um das bildliche Schweigen Gottes, die Abwesenheit des Guten, und seine Helden sind nie strahlende Vorbilder. Wie soll ein solcher Mann sich in einen gutmütigen Tierarzt hineinversetzen können? In anderen Filmen – ich denke dabei an TORA! TORA! TORA! und CHE! – glaubt man, einem Filmemacher dabei zusehen zu können, den „Haken“ zu finden, an dem er ansetzen kann. Ersterer ist als Materialschlacht und historisches Dokument interessant, als filmisches Kunstwerk aber völlig nichtssagend und bei letzterem vermisst man eine Parteinahme oder Kritik: Es wird nicht ersichtlich, was der Film eigentlich will. Der Auftragsfilmer, der immer in der Lage war, sich in einen Stoff einzufinden, versagte an dieser Stelle – und versuchte deshalb, sich so gut wie möglich rauszuhalten.
Nach seinem vielleicht mutigsten und ambitioniertesten Film, MANDINGO, ging es bergab mit Fleischer. Sein Mut wurde zwar an der Kinokasse belohnt, die Kritiker ließen aber kein gutes Haar an ihm. Dabei zeigte dieser Film, was von einem Auteur Fleischer zu erwarten gewesen wäre: Alle seine hervorstechenden Talente vereinen sich zu einer fulminanten, radikalen Kritik an der Sklaverei und am Rassismus, die auch heute noch eine Herausforderung darstellt und zumindet in diesem Rahmen unübertroffen ist. Was danach noch folgte, entspricht tragischerweise am ehesten dem, was man gemeinhin unter „Auftragsarbeiten“ versteht. Harmloses, meist durchschnittliches Unterhaltungskino, das mal besser (TOUGH ENOUGH), mal schlechter (THE JAZZ SINGER) war, vor allem aber immer sehr unwichtig. Fast alle dieser Filme entsanden unter der Ägide von Dino De Laurentiis, mit dem Fleischer seit den Sechzigerjahren eine enge Freundschaft verband und der wusste, dass er sich auf den Filmemacher verlassen konnte. Das sollte man nicht unterschätzen: In einem Geschäft, in dem jeder auf den schönen Schein bedacht ist, Eitelkeiten groß und Freundschaften selten, konnte Fleischer vier Jahrzehnte lang arbeiten, dabei mit so unterschiedlichen (und schwierigen) Stars wie Robert Mitchum, Howard Hughes, Kirk Douglas, Orson Welles, Rex Harrison, George C. Scott oder Charles Bronson, ohne daran zu zerbrechen. Er war bestimmt nicht der große, unverkennbare Stilist – nicht, weil er die Fähigkeiten nicht hatte, sondern weil er gern innerhalb des Systems arbeitete –, aber er ist meines Erachtens dennoch einer der wichtigsten und unterschätztesten Hollywoodregisseure, an dessen Karriere sich künftige „hired hands“ immer noch messen lassen und – das wage ich zu behaupten – dabei scheitern müssen. Es ist schmerzlich, dass diese Mann als „Auftragsarbeiter“ mit solchen Nichtskönnern wie Brett Ratner in einer Schublade steckt. Ich verlange Satisfaktion! Und hoffe, meine Leser zur Auseinandersetzung mit seinen Filmen inspiriert zu haben.
million dollar mystery (richard fleischer, usa 1987)
Veröffentlicht: Dezember 28, 2011 in FilmSchlagwörter:Achtzigerjahre, Eddie Deezen, Kevin Pollak, Komödie, Richard Fleischer, Road Movie
In einer gammligen Raststätte mitten in der Wüste von Arizona wohnt eine bunt gemischte Gruppe zufällig dort zusammengetroffener Touristen dem Tod eines Mannes bei. In seinen letzten Sekunden erwähnt er vier jeweils mit einer Million Dollar gefüllte Koffer, die in vier verschiedenen Brücken versteckt sind. Die Jagd auf das Geld beginnt …
Richard Fleischers letzter Spielfilm – er war zum Zeitpunkt seines Erscheinens bereits 71 Jahre alt – ist wieder einmal eine De-Laurentiis-Produktion und eine Art abgespecktes Remake von Stanley Kramers Slapstick-Epos IT’S A MAD, MAD, MAD, MAD WORLD. Hatte der große Hollywood-Pädagoge Kramer seine Kapitalismuskritik noch auf zweieinhalb bis drei Stunden ausgedehnt (je nachdem, welche der zahlreichen verschiedenen Schnittfassungen man zugrunde legt) und mit Dutzenden Cameos großer amerikanischer Komödianten angereichtert, so überquert MILLION DOLLAR MYSTERY die Ziellinie nach schlanken 94 Minuten und ohne jeden zugkräftigen Namen. Ob man den Exzess von Kramers Film nun mag oder nicht, ihn als integralen Aspekt seiner Kritik betrachtet oder eher als dieser zuwiderlaufend, darüber könnte man stundenlange fruchtbare Diskussionen führen – und demzufolge auch die Kürze von MILLION DOLLAR MYSTERY unterschiedlich bewerten. Worüber es wahrscheinlich keine zwei Meinungen gibt, ist sein Mangel an Identität, der mit der Besetzung absoluter Nullgesichter einhergeht.
Offenbarten die liebenswerten Charakterköpfe im 1963er-Opus in der Jagd nach dem Reichtum erst nach und nach ihr wahres, hässliches Antlitz, entbehren Fleischers Protagonisten von Beginn an jeder Persönlichkeit. Das passt natürlich ganz gut zu seinem Jahrzehnt, in dem dank des Börsenbooms plötzlich jeder den Traum von der dicken Kohle träumen durfte, auch wenn er keinerlei nennenswerte Talente oder auch nur Persönlichkeit hatte. Während Kramer also in bester aufklärerischer Manier ein gesellschaftliches Übel bloßlegte, ist die menschliche Gier nach Reichtum in MILLION DOLLAR MYSTERY von Anfang an gegeben, wird nur noch müde bestätigt. Es kann denzufolge auch eine Entwicklung mehr geben, der Film tritt somit auf der Stelle und der Ausgang der Geschichte könnte egaler kaum sein. Ganz ohne Meriten ist Fleischers Film aber nicht: Es gibt durchaus ein paar lustige Szenen, vor allem mit den beiden FBI-Agenten, die sich dem geldgeilen Mob an die Fersen heften, und weil Fleischer außerdem ein versierter Handwerker war und ihm mit Jack Cardiff eine echte Kameralegende zur Seite stand, sieht MILLION DOLLAR MYSTERY auch viel besser aus, als er das eigentlich verdient hat. Für Achtzigerjahre-Enthusiasten ist er nicht gänzlich uninteressant, insgesamt aber schon ein eher trauriger Abschiedsfilm für Fleischer.
Er war dann zu allem Überfluss und ironischerweise auch noch ein ausgemachtes finanzielles Disaster, obwohl der Geschäftsmann De Laurentiis sich einen hübschen Promogag ausgedacht hatte. Weil die letzte der vier Millionen am Ende des Films noch nicht gefunden ist, lud er seine Zuschauer zur virtuellen Schatzsuche ein: Wer das richtige Versteck erriet, konnte eine Million Dollar gewinnen. Doch auch dieses Gimmick verhinderte nicht, dass MILLION DOLLAR MYSTERY in den USA noch nicht einmal diese eine Million einspielte, die er verschenken wollte. Dass der Film in der ehemaligen DDR (in der schon IT’S A MAD, MAD, MAD, MAD WORLD sehr gut aufgenommen worden war) nicht unter dem Affluenz und Abenteuer versprechenden Titel erschien, mit dem er im Westen startete – DIE VIER-MILLIONEN-DOLLAR-JAGD –, sondern unter dem sehr viel wertenderen GELDGIER, darf man angesichts dieser Tatsache durchaus als kleinen sozialistischen Wink mit dem Zaunpfahl verstehen.
red sonja (richard fleischer, niederlande/usa 1985)
Veröffentlicht: Dezember 23, 2011 in FilmSchlagwörter:Achtzigerjahre, Arnold Schwarzenegger, Brigitte Nielsen, Fantasy, Paul L. Smith, Richard Fleischer, Sandahl Bergman
Die Schwertmeisterin Red Sonja (Brigitte Nielsen) begibt sich auf den Weg zur Festung der schurkischen Königin Gedren (Sandahl Bergman): Die hatte einst nicht nur Sonjas Familie ermordet, sie ist auch im Besitz eines Steins, mit dessen Hilfe sie die Welt unterjochen will. Der Kämpfer Kalidor (Arnold Schwarzenegger) sowie der kindliche Prinz Tarn (Ernie Reyes jr.) und dessen treuer Diener Falcon (Paul L. Smith) schließen sich ihr an …
Ein Jahr nach CONAN THE DESTROYER drehte Richard Fleischer – wieder für seinen alten Freund Dino De Laurentiis – diesen Barbarenfilm, ebenfalls basierend auf einer allerdings weniger populären Comicserie. Der zum damaligen Zeitpunkt 69 Jahre alte Regisseur wird das später wahrscheinlich bereut haben: Der Film floppte an der Kinokasse, wurde einhellig verrissen, Brigitte Nielsen verlacht und auch heute noch ist man sich weit gehend einig darüber, dass der Film eine einzige Lachnummer ist. So ganz nachvollziehen kann ich das ehrlich gesagt nicht. Klar, RED SONJA ist nicht mehr als harmloses Fantasykino ohne jeden Tiefgang für eher schlichte Gemüter und gehört zudem einem Subgenre an, dessen Höhepunkt CONAN, THE BARBARIAN danach eigentlich nichts mehr hinzuzufügen war, aber das weiß man ja schon, bevor man sich diesen Film anschaut. Man kann ihm Einiges vorwerfen – Nielsens und Schwarzeneggers Schauspielkunst, das mäßig originelle Drehbuch –, aber definitiv nicht, dass er handwerklich schlecht gemacht wäre. Mir hat RED SONJA gestern jedenfalls überraschend gut gefallen: Es gibt ein paar wirklich tolle Bauten und Kulissen zu bewundern, die Kostümbildner haben sich ebenfalls nicht lumpen lassen, prachtvolle Matte Paintings sorgen für Nostalgieschübe, Morricones Score für das Pathos und die große Gefühle, die die Story vermissen lässt, und wenn der Film auch eine durchgehende Dramaturgie und etwas Gewicht vermissen lässt, so sind seine Episoden doch immerhin kurzweilig.
RED SONJA als Fleischer-Film zu betrachten, macht natürlich überhaupt keinen Sinn und man fragt sich schon, ob der zun diesem späten Zeitpunkt seiner Karriere nicht besser beraten gewesen wäre, sich in den Lehnstuhl zurückzuziehen und andere die Arbeit machen zu lassen. Seine beeindruckende Laufbahn hätte sicherlich ein ruhmreicheres Ende verdient gehabt. Lässt man das außen vor, dann kann man mit RED SONJA aber durchaus glücklich werden. Ich finde ihn nicht wesentlich schlechter als Fleischers CONAN-Film.
amityville 3-d (richard fleischer, usa 1983)
Veröffentlicht: Dezember 20, 2011 in FilmSchlagwörter:Achtzigerjahre, Geisterfilm, Horror, Meg Ryan, Mystery, Richard Fleischer, Tony Roberts
Für das Magazin „Reveal“ enttarnt der Journalist John Baxter (Tony Roberts) gemeinsam mit seiner Kollegin Melanie (Candy Clark) und dem Wissenschaftler Eilliott West (Robert Joy) zwei Trickbetrüger, die die Kulisse des berüchtigten Amityville-Spukhauses nutzen, um Ahnungslosen das Geld für ihre inszenierten Seancen aus der Tasche zu ziehen. Dabei verliebt sich John sogleich in das alte Haus und weil es für einen Spottpreis zu haben ist, kauft er es kurzentschlossen. Die merkwürdigen Phänomene, die seine Mitmenschen danach in Angst und Schrecken versetzen, tut er mit der gelassenen Geste des Rationalisten ab. Bis seine Tochter (Lori Loughlin) ums Leben kommt …
Als jemand, der noch keinen Film der AMITYVILLE-Reihe gesehen hat (mit der Verarsche des ersten Teils in einem MAD-Heft war mein Bedarf gestillt), bin ich vielleicht nicht der Richtige, um die folgende Behauptung aufzustellen: Das Potenzial war bereits mit dem ersten Teil mehr als erschöpft, es hätte keiner weiteren Fortsetzungen mehr bedurft. Fleischers in 3D gedrehter dritter Teil, wahrscheinlich ein Freundschaftsdienst für Dino De Laurentiis, der an dem schnurstracks auf die 70 zugehenden Regisseur festhielt als gäbe es sonst keine Filmemacher, ist schlecht, aber auf eine gänzlich unaufregende Art und Weise. Die stimmungsvolle Eröffnungsszene verspricht noch kompetent gefilmten Hochglanzgrusel, danach fällt AMITYVILLE 3-D leider einem unfokussierten Drehbuch zum Opfer, das mit Banalitäten langweilt, sich ewig Zeit lässt, ohne irgendwohin zu führen, nur um gegen Ende, wenn irgendein Höhepunkt vonnöten ist, in Hektik und Konfusion zu verfallen. Die unheimlichen Szenen sind entweder von vornherein nicht unheimlich (laufende Wasserhähne: uiuiui), inszenatorisch schlecht umgesetzt (der Tod von Johns Kollegin und seiner Tochter) oder werden von den mäßigen visuellen Effekten torpediert: AMITYVILLE 3-D scheint fast ein Lehrstück dafür zu sein, Filmstudenten zu zeigen, wie man es nicht macht. Wie ich eben sagte: Der Film ist keine totale Katastrophe, die Schauspieler (u. a. Meg Ryan in ihrer ersten größeren Filmrolle) und die ordentlichen Production Values (eben bis auf die Effekte) halten bei der Stange, verhindern ein totales Versumpfen, aber sieht man es als gegeben, dass so ein Film eigentlich spannend sein sollte, dann wurde das Ziel hier meilenweit verfehlt.
tough enough (richard fleischer, usa 1983)
Veröffentlicht: Dezember 19, 2011 in FilmSchlagwörter:Achtzigerjahre, Boxerfilm, Dennis Quaid, Drama, Komödie, Pam Grier, Richard Fleischer, Warren Oates
Der Texaner Art Long (Dennis Quaid) träumt von einer Karriere als Country/Western-Sänger, doch bislang blieben alle seine dahingehenden Bemühungen ohne Erfolg. Seine Frau Caroline (Carlene Watkins) mahnt ihn dazu, sich auf etwas zu konzentrieren, was Geld nach Hause bringt, doch Art will seinen Traum noch nicht aufgeben. Als ein mit 5.000 Dollar dotierter Toughman-Contest – ein Amateur-Boxwettbewerb – lockt, ergreift Art die Gelegenheit zunächst nur, um sich etwas Luft zu verschaffen. Doch als er den Wettbewerb tatsächlich gewinnt und der Veranstalter James Neese (Warren Oates) ihm einen Auftritt im Fernsehen verspricht, wenn er auch bei der nationalen Ausgabe des Wettkampfes antritt, wittert Art die große Gelegenheit zum Durchbruch. Und außerdem ist da ja noch das Preisgeld von 100.000 Dollar …
Anlässlich der Reinfälle Fleischers mit DOCTOR DOLITTLE und THE PRINCE AND THE PAUPER hatte ich gemutmaßt, der Regisseur sei vielleicht nicht der geeignete Mann für locker-flockige, humoristisch-vergnügte Filme gewesen: TOUGH ENOUGH fungiert als Gegenbeweis zu dieser These. Sein überdeutlich von Stallones ROCKY-Reihe inspirierter Film über einen sympathischen Underdog, der einen Triumph gegen jede Wahrscheinlichkeit erringt, ist geprägt von Leichtigkeit, Beiläufigkeit und Flüchtigkeit; Eigenschaften, die fast neu in seinem Schaffen sind. Neigte er sonst – nicht immer zu seinem Vorteil – zu einer gewissen Themenschwere, die seine Filme insgesamt runterzog, so werden die wenigen „gewichtigeren“ Aspekte von TOUGH ENOUGH, vor allem eine leise Kapitalismuskritik, hier in kurzen Dialogen lediglich angerissen und dann so stehengelassen. So dreht sich dieser Film fast ausschließlich um die ruppigen Boxkämpfe, die einen Großteil der Spielzeit ausmachen und adäquat eingefangen sind: immer dynamisch, aber nie zu filigran. Wer die Armdrück-Szenen aus OVER THE TOP in sein Herz geschlossen und sich daher immer gefragt hat, wie jener Film wohl ohne das rührselige Melodrama aussähe (für das ich in diesem speziellen Fall übrigens durchaus empfänglich bin), der kann sich diese Frage mit einer Sichtung von TOUGH ENOUGH beantworten. Auch hier gibt es skurrile Charaktere wie etwa eine albanische Kampfsau mit Vollbart und Glatze namens Tigran Baldasarian (Steve Miller), den eindeutig benannten „Gay Bob“, der seinem Gegner vor jedem Kampf eine Rose überreicht, den obligatorischen afroamerikanischen Totschläger, diverse andere Kuriositäten, wie zum Beispiel einen schwer kurzsichtigen Boxer oder diverse Fettsäcke, und natürlich den zu Arts bestem Freund und Trainer avancierenden P. T. Coolidge (Stan Shaw). In Verbindung mit der schönen Besetzung – in Nebenrollen sind u. a. Pam Grier, Wilford Brimley und Bruce McGill zu sehen – ist diese bunte und uramerikanische Balgerei so unterhaltsam, dass man auch gern über kleinere Schwächen hinwegsieht. Der Sieg Arts ist am Ende vielleicht doch etwas zu viel des Guten und mit etwas mehr Substanz und dafür einem Hauch weniger Konvention hätte TOUGH ENOUGH sogar richtig klasse werden können. So ist es immerhin ein schöner Unterhaltungsfilm und außerdem Fleischers bester seit MANDINGO.
the jazz singer (richard fleischer, usa 1980)
Veröffentlicht: Dezember 18, 2011 in FilmSchlagwörter:Drama, Laurence Olivier, Musikfilm, Neil Diamond, Richard Fleischer
Yussel Rabinovitch (Neil Diamond) ist der jüngste in einer langen Familientradition jüdischer Kantoren. Doch für den Sohn von Cantor Rabinovitch (Laurence Olivier) und den Ehemann der Jüdin Rivka (Catlin Adams) ist das Singen in seiner New Yorker Synagoge nur noch Pflichterfüllung: In seiner Freizeit schreibt er Songs und tingelt unter seinem Künstlernamen Jess Robin mit einer Band durch die Lokale. Als sich ihm tatsächlich die Chance auf eine Popkarriere bietet, greift er zu und reist nach Los Angeles. Sehr zum Verdruss und Unverständnis seines Vaters und seiner Frau …
Fleischers THE JAZZ SINGER, das gleichnamige Remake des ersten Tonfilms der Filmgeschichte von 1927, ist ein gut geeignetes Beispiel, um darzulegen, wie Fleischers Enthusiasmus und seine Lust, sich Herausforderungen zu stellen, ihm manchmal den Blick vernebelten, ihm im Weg standen: Wahrscheinlich war dieses Remake für jeden außer ihn und die direkt Beteiligten als Schnapsidee erkennbar, er sah wahrscheinlich nur die Gelegenheit, sich mit zwei absoluten Superstars (allerdings way past their prime) an einem monumentalen Klassiker der Filmgeschichte abzuarbeiten. Sofern ich das anhand der Inhaltsangaben im Netz beurteilen kann (ich habe Alan Croslands THE JAZZ SINGER nie gesehen), bleibt Fleischer dem Original weitestgehend treu. Der wohl berühmteste Aspekt des Klassikers, Stichwort: blackface, wird natürlich über Bord geworfen, lediglich in einer kurzen, lustig gemeinten und nicht recht zum Rest des Films passenden Szene referenziert, in der Jess sich auf der Bühne als Schwarzer ausgeben muss, weil ein Musiker krank geworden ist.
THE JAZZ SINGER funktioniert sonst als formelhafte Geschichte vom Aufstieg eines Musikers und den persönlichen Konflikten, die es dabei für ihn zu bewältigen gilt. Wie wenig gelebt, wie gestelzt und vor allem wie erschreckend spaßfrei und deprimierend THE JAZZ SINGER wirkt, sieht man unter anderem daran, dass Fleischer gleich zweimal innerhalb der zweiten Hälfte des Films auf Montage-Sequenzen zurückgreifen muss: einmal, um sich einstellenden Erfolg und Glück schlaglichtartig zu beleuchten, dann, nach dem unvermeidlichen Konflikt, um seinen Niedergang zu illustrieren. Hier geht THE JAZZ SINGER endgültig in die Binsen, nachdem er zuvor immerhin biederen Durchschnitt bot: Wenn Jess sich nach einer Konfrontation mit seinem Vater in einer grausam konstruierten Szene erst mit seinen Musikerkollegen und dann mit seiner Geliebten Molly (Lucie Arnaz) überwirft, besagte Montage-Sequenz dann zeigt, wie er mit Seesack, Cowboyhut und Klampfe auf Sinnsuche im amerikanischen Heartland und seinen Countrykneipen geht, ist diese peinliche Übersteuerung aber eigentlich auch nur exemplarisch für ein Problem, das den Film insgesamt kennzeichnet: Statt Differenzierung und Genauigkeit hagelt es Schwarzweißmalerei und Klischees. Die Szenen in der jüdischen Gemeinschaft in New York sind in erdrückenden Braun- und Beigetönen gehalten, spielen in nur wenig ansehnlichen Settings, Vater Rabinovitch und Ehefrau Rivka kann man mit ihrer Leichenbittermiene und ihrem jammervollen Habitus schon fast als antisemitische Zerrbilder bezeichnen. Die Vehemenz mit der sie sich gegen die Karriere Jess‘ stellen wird niemals nachvollziehbar.
Fleischer, dem es zuvor stets gelungen war, auch Nichtschauspieler gut aussehen zu lassen, versagt hier leider dabei, den großen Olivier im Zaum zu halten: Die Szenen eines der größten Filmstars aller Zeiten muss man schon fast als Selbstdemontage bezeichnen. Neil Diamond kommt demgegenüber deutlich besser weg. Seine Auszeichnung mit der „Goldenen Himbeere“ darf angesichts einer gleichzeitigen Golden-Globe-Nominierung relativiert werden. Seine Stimme (und der Soundtrack mit drei Top-10-Singles) ist wohl das größte Qualitätsmerkmal und das deutlichste Lebenszeichen des Films. Dass er 1980 trotzdem alles andere als die Idealbesetzung für einen aufstrebenden Star war, darüber lässt sich kaum streiten. THE JAZZ SINGER war von vornherein zum Reinfall prädestiniert. Und Fleischer fehlte 1980 wohl einfach die Energie, daran etwas zu ändern.
ashanti (richard fleischer, usa/schweiz 1979)
Veröffentlicht: Dezember 9, 2011 in FilmSchlagwörter:Abenteuerfilm, Drama, Kabir Bedi, Michael Caine, Omar Sharif, Peter Ustinov, Rex Harrison, Richard Fleischer, William Holden
Dr. David Linderby (Michael Caine) arbeitet mit seiner Frau Dr. Anansa Linderby (Beverly Johnson), einer Angehörigen des Ashanti-Stammes, für die World Health Organization in Afrika. Als sie dem Sklavenhändler Suleiman (Peter Ustinov) in die Hände fällt, der hofft, einen hohen Preis für die schöne Frau erzielen zu können, heftet sich David mit der Unterstützung des Briten Brian Walker (Rex Harrison) an seine Fersen. Die Verfolgungsjagd führt ihn quer durch Afrika zum Roten Meer. In der Sahara schließt sich David dem Beduinen Malik (Kabir Bedi) an, der vor Jahren seine Familie an Suleiman verloren hat und seitdem auf Rache sinnt …
Mit ASHANTI widmet sich Fleischer nach MANDINGO zum zweiten Mal dem Themenkomplex „Sklaverei“, wenn auch auf gänzlich andere Art und Weise als vier Jahre zuvor: Beleuchtete er in letzterem noch, auf welch perfide Art und Weise das System soziale, ökonomische und sexuelle Beziehungen durchdrang und unterjochte, und fand er dafür in der Verquickung von High Art und Exploitatition eine kongeniale Form für seine scharfe Kritik, so dient ihm die sensationsträchtige Enthüllung, das der Sklavenhandel in der Gegenwart unvermindert blühe, als Grundlage für einen dramatischen Abenteuerstoff vor exotischer Kulisse. Der ist zwar deutlich involvierender geraten als der unsagbar träge THE PRINCE AND THE PAUPER zwei Jahre zuvor, doch sorgt gerade das in diesem Fall für moralisches Sodbrennen: Das Leid der auf Statistenrollen reduzierten Schwarzafrikaner, die von Suleiman quer durch Afrika getrieben werden, wird zugunsten der Protagonisten gnadenlos trivialisiert. So gibt es eine von Fleischer als Spannungsmoment insznierte Szene, in der ein Beduine Anansa kaufen will: Käme der Verkauf zustande, würde es für David ungleich schwieriger werden, seine Frau zurückzubekommen. Die Spannung löst sich just in dem Augenblick, indem es Suleiman – der Anansa behalten will, weil er weiß, dass er für sie einen besseren Preis erzielen kann – gelingt, ihm eine andere Frau anzudrehen: Die gesichtslose Sklavin kann ruhig verhökert werden, solange der schönen Protagonistin nichts passiert. (Nur wenige Minuten später begegnen David und Malik eben jenem Beduinen und seiner neuen Errungenschaft. Der Zuschauer wurde also zuvor für dumm verkauft, als ihm suggeriert wurde, mit dem Verkauf Anansas sei sie für David endgültig verloren.) Diese ungute Instrumentalisierung des Leids findet sich noch an einer weiteren Stelle, wenn ein Sklavenjunge von einem von Suleimans Schergen vergewaltigt wird: Fleischer geht auf diese Szene später nicht mehr ein, sie dient ihm lediglich dazu, die Bösen als böse zu zeichnen. Das allein machte ASHANTI aber noch nicht zu einem Problemfall: Es ist die Verbindung mit einem in diesem Kontext geschmacklos anmutenden Humor, die an der Redlichkeit der Verantwortlichen zweifeln lässt. Slapstick-Einlagen, in denen David Linderby lernen muss, auf einem Kamel zu reiten, sind im Kontext von Kindesmissbrauch und Menschenhandel einfach fehl am Platze. Auch die Besetzung von Ustinov ist ein Fehlschlag: Sein radebrechender Araber Suleiman ist kaum mehr als eine Karikatur, die jedes möglicherweise ernste Anliegen des Films konterkariert. Er ist schlicht unglaubwürdig, zieht alle Aufmerksamkeit, die eigentlich den Opfern gebührt hätte, auf seine alberne Scharade.
Eine einzige Szene ermöglicht es, diesen Widerspruch in Perspektive zu rücken. Es ist die beste Szene des Films, die einzige, die seinem behaupteten Anspruch einigermaßen gerecht wird, die einzige, in der man Fleischer als den zwischen Realismus und Idealismus zerrissenen Filmemacher wiedererkennt und die auch die westlich zentrierte Perspektive des Films thematisiert: Als Malik und David mitten in der Wüste eine Gruppe von Kindern aus den Fängen von Sklavenhändlern befreien, weigert sich Malik, diese mitzunehmen. Die einzige Chance, Suleiman zu stellen, ist es, die Kinder zurückzulassen. Er erklärt ihnen, wie sie zu einer Beduinensiedlung gelangen, wissend, dass sie dort versklavt werden. David ist entrüstet, doch Malik antwortet trocken: „Wenigstens bekommen sie dort Nahrung und Arbeit.“ Aus dem Blick von David, wenn er den Kindern den Rücken kehrt, spricht die nackte Ohnmacht eines Menschen, der erkennen muss, dass er seine moralischen Ansprüche nicht immer aufrechterhalten kann, dass er nicht immer in der Lage ist, die eigenen Interessen dem Altruismus zu opfern, dass die ganz banale Machbarkeit dem richtigen Handeln manchmal im Wege steht. David, machtlos, mit Tränen ringend auf seinem Kamel, keinen Blick zurück werfend, die Kinder in seinem Rücken, allein, zu einem Leben in Sklaverei verdammt: Hier findet ASHANTI ein einziges Mal zu sich, zu einer angemessenen Sprache für das Unsagbare. Ein kraftvoller, unerträglicher Moment in einem Film, der unerklärlicherweise darauf erpicht zu sein scheint, es den Zuschauern leicht zu machen und sie gerade damit unentwegt vor den Kopf stößt.
ASHANTI war ein großer Misserfolg, wurde ebenso wie MANDINGO von den Kritikern zerrissen – diesmal zu Recht. Und nicht nur von denen: Michael Caine wird zitiert, ASHANTI sei der schlechteste Film, an dem er jemals mitgewirkt habe (und er war immerhin an JAWS : THE REVENGE beteiligt), er habe es nur wegen des Geldes getan. Auftritte von Omar Sharif, William Holden und Rex Harrison wirken wie Gefälligkeiten, rücken ASHANTI in die Nähe eines aufgeblasenen Abschreibungsprojekts (ein Eindruck, der durch die Beteiligung Schweizer Geldgeber noch verstärkt wird). Vielleicht kann man Fleischer zugute halten, dass er nicht ganz zurechnungsfähig war. Er konnte die Dreharbeiten nicht beenden, weil er einen Sonnenstich erlitt und ersetzt werden musste. Leider fand sich niemand, der den Regiecredit mit ihm teilen wollte.
the prince and the pauper (richard fleischer, großbritannien/usa 1977)
Veröffentlicht: Dezember 8, 2011 in FilmSchlagwörter:Charlton Heston, David Hemmings, Ernest Borgnine, George C. Scott, Komödie, Kostümfilm, Oliver Reed, Raquel Welch, Rex Harrison, Richard Fleischer, Sybil Danning
Durch eine Verkettung von Zufällen landet der Straßenjunge und Taschendieb Tom Canty (Mark Lester) am Hof von König Heinrich VIII. (Charlton Heston) und dort schließlich im Zimmer von Prinz Edward (Mark Lester). Weil die beiden sich täuschend ähnlich sehen, erlauben sie sich einen Spaß und tauschen die Rollen. Doch die Verwechslung hat Folgen: Der echte Prinz muss fliehen und sich auf den Straßen Londons durchschlagen, wobei ihm der schlagkräftige Edelmann Miles Hendy (Oliver Reed) zur Seite steht. Und Tom, der das Leben im Luxus in vollen Zügen genießt, sieht sich plötzlich mit Tod des Königs und der Tatsache konfrontiert, dessen Platz einnehmen zu müssen. Während er mit gemischten Gefühlen der Krönungszeremonie entgegensieht, muss Edward so schnell wie möglich zurück an den Hof, um die Verwechslung aufzudecken, bevor es zu spät ist …
Nach dem Erfolg von Richard Lesters MUSKETEERS-Filmen widmeten sich die Produzenten Ilya Salkind und Pierre Spengler einem zumindest auf den ersten Blick ähnlichen Stoff: Mark Twains erster Historienroman „The Prince and the Pauper“ bietet Mantel&Degen-Action, große historische Persönlichkeiten, die nur darauf warten, karikaturesk überzeichnet zu werden, eine lustige, aber gleichzeitig hintergründige Verwechslungsgeschichte und Platz für etwas Romantik. Eine beeindruckende Liste von Superstars fand sich, um auch noch kleine Nebenrollen mit Grandezza zu erfüllen, wohl auch, weil diese bereits gute Erfahrungen mit Fleischer gemacht hatten (Heston, Scott, Harrison, Welch und Borgnine), für die Kamera konnte man Jack Cardiff gewinnen, für den Score Maurice Jarre: Eigentlich stand einem farbenfrohen, lebhaften, unterhaltsamen und familienfreundlichen Spektakel nichts mehr im Weg. Leider jedoch addieren sich diese einzelnen viel versprechenden Faktoren nicht zu einem funktionierenden Großen und Ganzen. THE PRINCE AND THE PAUPER fehlt es an Esprit, an Seele und Witz, um das vorhandene Potenzial wirklich ausschöpfen zu können. Der ganze Film wirkt gebremst, gehemmt, leb- und farblos, selbst in Momenten größter Aufregung und trotz des betriebenen materiellen Aufwands.
Ich hatte zu MANDINGO geschrieben, dass Fleischer sehr gekränkt von dessen kritischer Rezeption war und danach nicht mehr an diese letzte Großtat und jene aus den späten Vierziger-, den Fünfziger- und mit Abstrichen den Sechzigerjahren anknüpfen konnte. Doch ich glaube, dass das nicht die Ursache für das Scheitern von THE PRINCE AND THE PAUPER ist, befürchte vielmehr, dass auch ein Fleischer in Topform nicht der geeignete Mann für diese Art von Film gewesen wäre. Die Erinnerung an das Desaster namens DOCTOR DOLITTLE ist einfach noch zu frisch. Schon bei diesem Film war es Fleischer nicht gelungen, durch seine Inszenierung Leichtigkeit und Freude zu evozieren. Sein Film wirkte schwer, bleiern, bemüht und ungelenk: das Todesurteil für ein Musical (wenn es in diesem speziellen Fall auch noch ein paar andere schwerwiegende Probleme gab, die nicht unbedingt Fleischer anzulasten waren). Und genauso ist es bei THE PRINCE AND THE PAUPER: Was man sieht sollte amüsant, lustig, geistreich, lebendig, schwungvoll sein, ist es aber nicht. Es sind nicht unbedingt Inszenierungs- oder dramaturgische Fehler, die den Film scheitern lassen, es ist Fleischer selbst. Ich hatte mehrfach betont, dass ich es Fleischers ausgesprochene Stärke empfinde, dass er sehr differenziert ist: Nur selten gibt es in seinen Filmen ganz eindeutig verteilte Sympathien, auch die übelsten Schurken können sich noch seiner Empathie gewiss sein, die es ihm unmöglich macht, sie zugunsten der Affektsteuerung zu verheizen. Seine stärksten Filme – seine frühen Noirs, THESE THOUSAND HILLS, MANDINGO – reifen so zu herausfordernden, komplexen, fassettenreichen und im positiven Sinne provokanten Werken heran. Doch diese Stärke kann auch eine Bürde werden, und zwar in genau jenen Fällen, in denen es eines klar bezogenen Standpunktes bedarf. Diese Filme wirken dann unentschlossen, unbeweglich, steif, verkopft (z. B. COMPULSION und THE BOSTON STRANGLER). Fleischer ist zu nachdenklich für THE PRINCE AND THE PAUPER: Er kann diese Geschichte, die ja nicht zuletzt davon handelt, dass es innerhalb hierarchisch organisierter Systeme eben nicht jedem möglich ist, an die Spitze zu kommen, dass im Gegenteil mancher dazu verdammt ist, ein Dasein als Bettler zu fristen, während andere in Saus und Braus leben, weil sie das Glück hatten, in die richtige Familie hineingeboren worden zu sein, nicht als fröhlichen Cloak&Dagger-Film inszenieren. Es gelingt ihm nicht, diese deprimierende Tatsache auszublenden, sie wirft einen Schatten auf den ganzen Film und macht ihn zu einer eher ungemütlichen Angelegenheit. Seine Skepsis ist natürlich berechtigt: Aber sie verträgt sich eben nicht mit der Anlage des Films.
THE PRINCE AND THE PAUPER hat keinen Flow, keine involvierenden Konflikte, keine Charaktere, deren Schicksal einem wirklich am Herzen läge. Und dass, wo man doch immer wieder sieht, was eigentlich möglich gewesen wäre, was hätte sein können. Erst ganz zum Schluss, wenn Miles Hendy mehr ins Zentrum rückt und eine ganz ähnliche Geschichte durchleben muss wie Edward, hebt die Stimmung an, werden die Figuren lebendig, vergisst man für ein paar Minuten, dass man nur ein paar Schauspielern bei der bezahlten Arbeit zusieht. Da ist es leider schon zu spät. Schade um das vergeudete Talent.
mandingo (richard fleischer, usa 1975)
Veröffentlicht: Dezember 3, 2011 in FilmSchlagwörter:Drama, James Mason, Ken Norton, Perry King, Richard Fleischer, Susan George
Richard Fleischers 38. Spielfilm im 32. Jahr seiner Regielaufbahn ist vielleicht sein größter Triumph. Leider haben das bis heute immer noch nur wenige Menschen begriffen: Zwar war MANDINGO seinerzeit ein absoluter Kassenschlager, doch wurde dieser Erfolg von einem geradezu vernichtenden Kritikerecho flankiert, das mit Beleidigungen, Schmähungen und Verurteilungen des Films und der für ihn Verantwortlichen alles andere als sparsam umging. Fleischer war verständlicherweise massiv enttäuscht von dieser Reaktion, von der er sich nicht mehr wirklich erholen sollte. Zwar drehte er noch neun weitere Kinofilme, aber seine schöpferische Kraft schien gebrochen – vergleichbare Risiken ging er jedenfalls nicht mehr ein. MANDINGO ist der Kulminationspunkt seines Schaffens und in seiner alles vereinnahmenden und vor nichts – auch nicht der narrativen Konvention – haltmachenden Kritik an der Sklaverei einer der radikalsten, komplexesten, herausforderndsten, aber auch gewagtesten Filme, die jemals innerhalb des Hollywood-Studiosystems entstanden sind. Fleischer hat damals Grenzen überschritten: Er hat sich geweigert, sein Thema mundgerecht zu verpacken, es in eine saubere Narration zu kleiden, die es ermöglichte, den Film zurückgelehnt als Entertainment zu rezipieren, und seinen Zuschauern Katharsis sowie das Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen, zu verschaffen. In MANDINGO gibt es keine abschließenden Antworten, keine glatten Schnitte, keine fein säuberlich verteilten Rollen, kein Gut und auch kein Böse. MANDINGO gestattet es noch nicht einmal, zwischen „Handlung“ auf der einen und „Charakteren“ auf der anderen Seite zu unterscheiden, weil beides eins ist. Es gibt keine souverän handelnden Charaktere, ebensowenig wie es einen von außen über sie gestülpten Plot gäbe. Das inhumane System der Sklaverei unterwirft alles. Alles, was in MANDINGO passiert, ist erschütternde Konsequenz dieses Systems, das selbst den Verstoß noch vereinnahmt. (MANDINGO mit Luhmann zu rezipieren, könnte sehr fruchtbar sein.)
MANDINGO erzählt von den Falconhursts, dem rheumakranken Vater Maxwell (James Mason) und seinem verkrüppelten Sohn Hammond (Perry King), die beide in einer heruntergekommenen Südstaatenvilla leben und sich als Sklavenhändler verdingen. Als Hammond die attraktive Blanche (Susan George) ehelicht, obwohl er nebenbei sexuellen Kontakt zu seinen „wenches“, weiblichen Sklavinnen, pflegt, und dann feststellt, dass Blanche nicht mehr unversehrt ist, bahnt sich die Katastrophe an: Er verwehrt ihr die Befriedigung ihrer Bedürfnisse und treibt sie so in die Arme Medes (Ken Norton), eines „Mandingos“, den Hammond sich als „Kampfsklaven“ hält, während er eine Liebschaft mit der Sklavin Ellen (Brenda Sykes) beginnt. Die beiden Schwangerschaften, die daraus resultieren, stehen unter einem denkbar ungünstigen Stern …
Einer der Hauptvorwürfe, die gegen MANDINGO vorgebracht wurden und werden, besagt, dass er seine Geschichte lediglich zum Anlass nehme, Sex, Gewalt und unverhohlenen Rassismus sensationalistisch abzubilden. Tatsächlich ist MANDINGO ein ungemein krasser und direkter Film. Doch es ist unmöglich, sich an ihm zu delektieren, wenn man noch bei Verstand ist. Allein die Sprache der weißen Protagonisten, die Selbstverständlichkeit, mit der sie Schwarze herabsetzen und verdinglichen und die Schwarzen dies als Gegebenheit, als richtig hinnehmen, dreht dem Betrachter schon den Magen um. Fleischer ist wahrscheinlich der erste (und einzige?) Filmemacher, der die Totalität des Systems „Sklaverei“ so schonungslos offengelegt hat: Es ist ein System, dass seinen Opfer gar keine andere Wahl lässt, als ihre Rolle zu erfüllen. Es zerstört jeden Impuls zum Widerstand. Ähnlich verhält es sich mit den weißen Sklavenhaltern, die man leider nicht einfach als Schurken abtun kann, auch wenn es das so viel einfacher machte: Auch sie handeln nicht autonom, sondern werden in eine Funktion gezwungen. Alle, Sklaven und Sklavenhalter, geraten unter die Räder eines menschenverachtenden Geschäfts, in das sie mit Haut und Haaren verwoben sind. Es gibt natürlich die Privilegierten und ohne Frage befinden sich die Sklaventreiber in der besseren Position: Aber auch sie sind nur kleine Rädchen, die das Ganze am Laufen halten, ohne einen Überblick zu haben.
Dass MANDINGO ein Film dampfender Sexualität, aufgeheizter Emotionalität und harter Körperlichkeit ist, ist nur folgerichtig: Das System der Sklaverei betreibt Politik durch die Körper seiner menschlichen Objekte hindurch. Und Sex ist eine seiner wichtigsten System-Operationen. (Auch mit Foucault könnte man sich MANDINGO wahrscheinlich erschließen.) Das Geschäft von Maxwell und Hammond – im Grunde eine Zuchtfarm – basiert auf Fortpflanzung; Sex ist Teil des Geschäfts. Aber mit der professionellen Distanz der Unternehmer ist es nicht so weit her: Vor allem Hammond ist hoffnungslos mit seinen „wenches“ verbandelt, die er wie Geliebte behandelt, während seine Ehe leidet. Das Ergebnis ist ein wildes Durcheinander und die Mischlinge, die das Licht der Welt erblicken, haben keine Chance. Zwei Kinder sterben in MANDINGO: das schwarze Baby von Blanche und Mede, um den Ruf Hammonds zu schützen, das noch ungeborene Kind von Hammond und Ellen, weil Blanche es nicht dulden kann, dass ihr Mann ein Kind mit einer Sklavin hat, während er sie nicht einmal anfassen will. Auch die vermeintliche Liberalität Hammonds, die lange Zeit die Chance auf ein Happy End nahelegt, bröckelt am Schluss dahin. Seine Zuneigung zu Ellen wirft er ab, wie eine schlechte Angewohnheit, und mit ihr stößt er auch sie in den Staub, die jetzt auch nur ein weiterer „nigger“ für ihn ist. Der Status quo, der ins Wanken geraten ist, muss wieder hergestellt werden. Aber es ist zu spät.
MANDINGO ist zu groß, zu komplex, um ihn nach einer Sichtung (oder auch nach zweien) fassen zu können. Das Drehbuch von Norman Wexler – der die Siebziger mit seinen Scripts für JOE, SERPICO und SATURDAY NIGHT FEVER ganz entscheidend geprägt hat (und 1972 verhaftet wurde, weil er ein Attentat auf Präsiodent Nixon plante) – vereint auf brillante Art und Weise (melo)dramatische Züge mit saftigem Pulp, Fleischer beweist in Zusammenarbeit mit seinem Director of Photography Richard H. Kline wieder einmal seine Meisterschaft über das Breitwand-Format, arbeitet immer wieder mit langen, fließenden Tracking Shots, die die Schwüle des Südens einfangen, und führt seine Schauspieler zu großen, aber kontrollierten Leistungen. Es ist schwierig, über MANDINGO zu schreiben, weil er keine losen Enden anbietet, von denen aus man ihn interpretatorisch aufrollen könnte. Das Große findet sich im Kleinen und umgekehrt. Dem Zuschauer geht es wie den Protagonisten: Man ist völlig gefangen und jeder Versuch, sich zu befreien, wirft einen nur umso härter zurück.
Wer mehr über MANDINGO lesen will und etwas Zeit mitbringt, dem sei dieser fantastische, ausführliche Essay empfohlen, der nur wenig Fragen offen lässt und besser, als ich das hier leisten kann, darlegt, warum Fleischers Film vielleicht der wichtigste ist, der zum Thema Sklaverei und „Rasse“ jemals gedreht worden ist. Er hat es mir einerseits leichter gemacht, diesen Monolith von einem Film zu verstehen, aber es mir auch erschwert, diesen Text zu schreiben, weil ich ihm (noch) nichts hinzuzufügen habe.