Mit ‘Roger Corman’ getaggte Beiträge

Cormans Poe-Verfilmungen HOUSE OF USHER, THE PIT AND THE PENDULUM, THE PREMATURE BURIAL und TALES OF TERROR waren zu Beginn der 1960er-Jahre immens erfolgreich und verhalfen dem emsigen Billig- und Vielfilmer plötzlich zu vorher ungeahntem Respekt und Bekanntheit. Unter anderem erregten die Filme auch das Interesse des altgedienten Produzenten Edward Small, der als Geldgeber für TOWER OF LONDON fungierte. Wer letzten Endes die Idee dazu hatte, Shakespeares „Richard III.“ und „Macbeth“ zu verquicken, ist von meiner Warte aus nicht abschließend zu beurteilen: Sowohl Produzent Gene Corman, Rogers Bruder, als auch Small selbst behaupteten, den Ausschlag gegeben zu haben. Angeblich befürchteten Gene und Drehbuchautor Leo Gordon, der Bedarf des Publikums könne nach vier Poe-Filmen gesättigt sein und nach einer Abwechslung verlangen. Wenn dem so war, erwies sich ihre Befürchtung als falsch: TOWER OF LONDON war kein großer Erfolg beschieden und Corman kehrte danach schnell wieder zu dem bewährten, keinesfalls ausgereizten Erfolgsrezept zurück, drehte innerhalb von zwei Jahren THE RAVEN, THE MASQUE OF THE RED DEATH und schließlich TOMB OF LIGEIA. TOWER OF LONDON bezeichnete er rückblickend als „foolish“ und beklagte sich über die ständigen Interventionen seines Geldgebers Small. Die ursprünglich auf drei Filme angelegte Zusammenarbeit der beiden wurde aufgrund beiderseitiger Unzufriedenheit noch während der laufenden Dreharbeiten wieder aufgelöst. Small blieb dem Filmgeschäft danach noch einige Jahre erhalten und finanzierte im Anschluss unter anderem die beiden Vincent-Price-Filme TWICE TOLD TALES und DIARY OF A MADMAN, bevor er 1977 verstarb.

Hauptfigur von TOWER OF LONDON ist der körperlich wie seelisch deformierte Richard, Herzog von Gloucester (Vincent Price), Bruder des sterbenden Königs Edward (Justice Watson) und des braven George, Herzog von Clarence (Charles Macauley). Entgegen Richards Erwartungen ernennt Edward George zum Vormund seiner beiden Söhne und zum Interims-König und entfacht damit den Zorn und Neid des krankhaft ehrgeizigen Mannes. Der König ist noch nicht tot, da hat Richard seinen Bruder bereits erdolcht – mit einem Messer, dessen Griff das Wappen der Woodvilles zeigt, der Familie der Königin. Als nächstes muss die Kammerzofe Mistress Shore (Sandra Knight) dran glauben, weil sie sich weigert, das Gerücht zu streuen, die Prinzen seien unehelich gezeugt worden: Sie stirbt auf der Streckbank. Die Schandtaten gehen allerdings nicht spurlos an Richard vorbei: Die Geister der Ermordeten erscheinen ihm, prophezeien ihm den Tod an einem Ort namens Bosworth, durch die Hand eines Toten und treiben ihn sogar dazu, seine geliebte Gattin Anne (Joan Camden), seine einzige Vertraute, im Wahn zu erwürgen …

Das Drehbuch vermischt, wie bereits erwähnt, zwei Shakespeare-Dramen zu einem milde schwarzhumorigen Historienstoff inklusive Geisterzulage, der unter der versierten Hand Cormans durchaus schön und stimmungsvoll, aber letztlich doch etwas zu vorhersehbar und gemütlich geraten ist, um nachhaltige Spuren zu hinterlassen. Vordergründig mag sich TOWER OF LONDON von Cormans Poe-Adaptionen nur durch das Schwarzweiß (und natürlich die literarische Vorlage) unterscheiden, aber das hieße, das Genie seiner Horror-Klassiker zu verkennen. Sein Poe-Zyklus, so traditionsbewusst, klassisch und literarisch er auch anmuten mochte, zündete ja nicht zuletzt bei der jungen Generation, die zu Beginn der Sechzigerjahre sicherlich andere Dinge im Kopf hatte als die Klassiker der amerikanischen Schauerliteratur. Hinter der barocken Fassade verbargen sich Filme, die gnadenlos mit der Elterngeneration abrechneten, die Alten als verdrehte, neurotische, mitunter gar verbrecherische Heuchler zeichneten, die sich nicht nur weigerten, loszulassen und die Zügel den Jüngeren zu überlassen, sondern sie gleich mit ins Verderben rissen. Dieser Aspekt schwingt zwar auch in TOWER OF LONDON mit – in der wahrscheinlich schockierendsten Szene des Films fällt Richard zusammen mit seinem Kompagnon Ratcliffe (Michael Pate) über die beiden noch nicht den Kinderschuhen entwachsenen Prinzen her und erstickt sie mit einem Kissen im Schlaf -, aber der Anstrich des Historienfilms und die Geschichte um Thronfolge und höfische Ränkespiele entziehen den Film auch dem Erfahrungshorizont des Zuschauers, der sich eher fühlt wie ein distanzierter Museumsbesucher vor einem Glaskasten mit halbverfallenen Reliquien. Vincent Price hat sichtlich Spaß, als langsam dem Wahn verfallender Buckliger voll aufzudrehen, aber das Drehbuch hätte etwas mehr Fallhöhe vertragen können: Richard ist schon in der ersten Szene ein mörderisches Dreckschwein und die sich anschließende 90-minütige Talfahrt lässt als einzig offene Frage, wer der Tote ist, durch dessen Hand er sein Leben verlieren wird. Das ist nicht unbedingt das tragfähigste und noch weniger ein spannendes Konzept.

Im Netz steht überall zu lesen, dass TOWER OF LONDON nichts mit dem gleichnamigen 1939er-Film von Rowland V. Lee zu tun habe (aus dem Corman sich zur Bebilderung der finalen Schlacht bediente), was ich nach Überfliegen diverser Inhaltsangaben für eine einigermaßen abenteuerliche Behauptung halte. Beide Filme drehen sich um Richard, Herzog von Gloucester, und seine verbrecherischen Anstrengungen, den Thron zu besteigen, basieren lose auf Shakespeares Stück und enden mit Richards Tod auf dem Schlachtfeld. Es sind schon Filme für weniger Gemeinsamkeiten als „Remakes“ bezeichnet worden.

Katt Shea drehte STRIPPED TO KILL 2 back to back mit dem Vampirfilm DANCE OF THE DAMNED in denselben Settings und mit derselben Hauptdarstellerin: ein charakteristischer Coup für den Unternehmergeist von Produzent Roger Corman, der genau wusste, wie man wirtschaftlich produziert und die Rendite maximiert. Der Vorgänger STRIPPED TO KILL dürfte schon über seinen Titel eine sichere Bank gewesen sein, sodass ein Sequel obligatorisch war. Neben Regisseurin Katt Shea war auch wieder ihr Ehemann Andy Ruben als Drehbuchautor an Bord, dem aber leider nicht gelang, dem ersten Teil noch einmal einen draufzusetzen. Das Stripteaselokal-Setting ist hier im Unterschied zu diesem relativ austauschbarer Schauplatz für eine Mordgeschichte, die mit ihrem ausgebrannten Cop und der mysteriösen Femme fatale deutlich vom Film Noir inspiriert ist.

Shady (Maria Ford) ist der Neuzugang im Stripclub Paragon, der sein männliches Publikum mit beinahe avantgardistischen Darbietungen lockt, und leidet unter schlimmen Albträumen, in denen sie von einem maskierten Mörder mit Rasierklinge im Mund geküsst wird. Nicht nur, dass sie stets mit blutiger Lippe aufwacht, die Morde, von denen sie träumt, haben sich in der Zwischenzeit in echt ereignet – an ihren Kolleginnen. Nicht verwunderlich, dass die Ärmste selbst glaubt, die Schuldige zu sein. Der ermittelnde Cop Decker (Eb Lottimer) hingegen ist von ihrer Unschuld überzeugt und verliebt sich in die zerbrechliche Schönheit.

Die Story dürfte bei Vielsehern das ein oder andere Déjà-vu auslösen und entfaltet sich dann auch ohne große Überraschungen so, wie man es vorausgesehen hat. Kein Vergleich zum tollen Vorgänger, der zwar auch nicht das Rad neu erfand, aber doch aus frischer Perspektive auf das gut abgehangene Serienmörderszenario blickte. Auch die Besetzung ist eine Nummer schwächer und läuft jeglichem emanzipatorischen Potenzial entgegen: Maria Fords Shady ist das hilflose Kätzchen, blickt von Anfang an verstört in die Kamera wie ein Rehlein ins Scheinwerferlicht und nervt damit bereits nach kurzer Zeit. Eb Lottimer spielt tapfer dagegen an, kann aber auch nicht wirklich etwas retten. Selbst die Zickereien der Stripperinnen muten flacher an als im ersten Teil. So schleppt sich STRIPPED TO KILL 2 über die Runden bis zu seinem austauschbaren Finale. Reine Zeitverschwendung also?

Nicht ganz, denn dank Kamera-As Phedon Papamichael gerät Sheas Neo-Noir immerhin zum visuellen Augenschmaus: Das beginnt bei den schon erwähnten Tanzszenen im expressiven Bühnenbild und setzt sich in der betont artifiziellen Ausleuchtung in grellen Neonfarben fort. Ich weiß nicht, ob sich Katt Shea von italienischen Giallos inspirieren ließ, aber die Parallelen sind eigentlich zu gravierend, um hier lediglich Zufall zu vermuten. Mehr als einmal musste ich explizit an Michele Soavis AQUARIUS denken, der eine ganz ähnliche Atmosphäre evoziert, sich genauso „künstlich“ anfühlt. Auch in STRIPPED TO KILL 2 gewinnt man den Eindruck, als agierten seine Charaktere auf einer Bühne vor Publikum, ohne es jedoch zu wissen. Ihr ganzes Leben ist ein Stück, in dem sie eine Rolle einnehmen und jeder Schritt, den sie tun – aus vermeintlich eigenen Stücken – ist vorherbestimmt. So federt Shea die Schwächen ihres Drehbuchs wieder ab und kann am Ende einen Film vorweisen, der immerhin eine interessante formale Fingerübung ist.

„A maniac is killing strippers.“ – Man sollte meinen, dass es nicht viel mehr als dieser Worte bedurfte, um Roger Corman für STRIPPED TO KILL einzunehmen, doch tatsächlich soll Katt Shea über ein Jahr gebraucht haben, um den „King of the Bs“ von ihrer Idee zu überzeugen. Sie war der Filmemacherin angeblich gekommen, als ihr Ehemann Andy Ruben, der dann auch das Drehbuch mit ihr zusammen verfasste, sie nach einer verlorenen Wette mit in einen Stripclub nahm, wo ihr klar wurde, dass der Striptease-Tanz für die professionellen Damen eine legitime künstlerische Ausdrucksform darstellte. Sie besetzte ihren Film dann auch mit echten Tänzerinnen, drehte in einem echten Stripclub und zwang die lüsternen männlichen Videotheken- oder Grindhousegänger, die für einen vermeintlichen Sexfim zahlten, sich mit einer Polizistin zu identifizieren sowie sich mit der weiblichen Sichtweise aufs Animiergeschäft und die eigene Rolle in der Verwertungskette auseinanderzusetzen. STRIPPED TO KILL liegt damit ganz auf der Linie von Corman-Produktionen wie CAGED HEAT oder THE STUDENT NURSES (den mit Stephanie Rothman ebenfalls eine Frau inszenierte), die potente gegenkulturelle Gesellschaftskritik im Adamskostüm der Triebbefriedigung verabreichten.

Der Film handelt von der Kriminalbeamtin Detektive Cody Sheehan (Kay Lenz), die gemeinsam mit ihrem Partner Heinemann (Greg Evigan) im Mordfall an einer Stripperin ermittelt. Der Partner schlägt ihr vor, sich selbst als Tänzerin auszugeben, um tiefer ins Milieu eintauchen zu können, das Vertrauen der Kolleginnen der Toten zu gewinnen, Kontakt zu den Kunden und damit vielleicht dem Täter zu bekommen. Cody willigt ein, tut sich zunächst schwer, geht dann aber auf in ihrem neuen Leben. Als ihr die Vorgesetzten und der Partner empfehlen, ihre Geheimidentität zum Selbstschutz aufzugeben, weigert sie sich, denn sie ist schon zu weit gegangen.

Die Zusammenfassung liest sich nicht nur wie eine weibliche Paraphrase auf William Friedkins CRUISING, der skandalumwitterte Copfilm dürfte eine der wichtigsten Inspirationsquellen für Katt Shea gewesen sein. Dennoch geht die Regisseurin (die zu Beginn der Neunzigerjahre u. a. mit einer Retrospektive im New Yorker MoMa geehrt wurde) eigene Wege. Zunächst einmal sind die dem Zeitgeist entsprechende Ausstattung und visuelle Gestaltung zu nennen. STRIPPED TO KILL suhlt sich nicht, wie Friedkin, im Dreck und in der Düsternis, vielmehr etabliert Shea zusammen mit ihrem DoP John LeBlanc einen hochstilisierten Neonlook und betont damit den traumhaften Charakter der Welt, die Cody betritt. Passend dazu arten auch ihre Striptänze im Verlauf des Films zu regelrechten Theaterperformances aus, die nicht mehr viel mit dem banalen „Stangentanz“ zu tun haben. Auf der Bühne kann sie alle ihre Gefühle und natürlich ihre Weiblichkeit zeigen und was ihr „draußen“ als Schwäche ausgelegt wird, wird hier zur Stärke. Kay Lenz ist keine Oscar-Preisträgerin, aber ihre Darbietung ist trotzdem wunderbar: Besonders gut hat mir ihre missglückte Premiere gefallen. Beim Amateur-Wttbewerb, der ihr die Anstellung bringt, tanzt sie zuerst schüchtern, unbeholfen und unsexy. Dann gelingt es ihr nicht, den Reißverschluss ihres Kleides zu öffnen. Nach einigem Zögern gibt sie sich einen Ruck und reißt sich das Kleid kurzerhand vom Leib, womit sie die Menge zum Johlen bringt. Als sie sich schließlich ihres BHs entledigt sieht man kurz die Freude über ihr Gesicht zucken: Sie genießt die Freiheit und die Reaktionen des Publikums, bevor wieder die konditionierte Scham einsetzt und sie sich erschrocken bedeckt und von der Bühne eilt. Lenz interpretiert ihre Polizistin als sensibel und verletztlich, Eigenschaften, die sie durch den Tanz nicht ablegt, sondern vielmehr als integralen Teil ihrer Persönlichkeit zu akzeptieren beginnt.

Demgegenüber steht ihr Partner Heineman für die leibgewonnenen Touch-Guy-Klischees des Actionkinos jeder Tage: Er gibt sich bei seiner Arbeit bevorzugt als Rocker aus, trägt seinen Viertagebart mit Nackenspoiler, hat zwei coole Ohrringe im Ohr und kleidet sich bevorzugt in wallende, wadenlange Mäntel, fingerlose Handschuhe mit Nietenarmbändern und Muskelshirts. Eine Art Running Gag des Films besteht darin, dass er seine Partnerin mit einem falschen Messer attackiert und sie darüber aufklärt, dass sie auf die Augen des Angreifers zu achten habe: Wissen, dass ihr in der finalen Konfrontation mit dem Mörder natürlich entscheidend zugute kommt. Wie es sich für einen solchen Film gehört, entwickelt Heineman einen Crash für Cody und während er sich betont cool gibt, leidet er in doppelter Hinsicht unter ihrem neuen Engagement. Zum einen, weil es ihn antörnt, sie nackt zu sehen, zum anderen aus Eifersucht. Er ist noch ganz in der Rolle des Beschützers gefangen, kann nicht akzeptieren, dass sie ihre eigenen Entscheidungen trifft. Im Finale wird er entsprechend schnell ausgeschaltet – leider greifen dann aber doch die üblichen Inszenierungsklischees und er muss in letzter Sekunde Auferstehung feiern, um sie doch noch zu retten. Trotzdem spürt man meines Erachtens, dass hier eine Frau am Werk war: Katt Shea bewegt sich zwar immer im Rahmen des Exploitationkinos, dessen Mechanismen sie nicht aushebeln kann und wahrscheinlich auch nicht will, aber sie bringt eine gewisse Weichheit mit ins Spiel. Das Miteinander der Tänzerinnen ist glaubwürdig und bei ihren Auftritten hat man nur selten das Gefühl, dass hier ausschließlich der male gaze bedient wird. Stattdessen stehen die Performances als Ganzes und ihre transformierende Wirkung für die Tänzerinnen im Mittelpunkt. STRIPPED TO KILL ist ein toller kleiner Thriller, der seinerzeit in der Flut ähnlich gelagerter Videopremieren unterging und hinter dem ich immer nur preiswert-austauschbaren Softerotik-Schund vermutet habe. Wie sehr man sich täuschen kann. In der BluRay-Edition des Films erstrahlt dieses Kleinod in seiner ganzen verlockenden Pracht.

 

 

THE PREMATURE BURIAL, die Verfilmung der gleichnamigen Kurzgeschichte von Edgar Allan Poe, ist der dritte Eintrag in Cormans Poe-Zyklus nach HOUSE OF USHER und THE PIT AND THE PENDULUM, mit denen der zuvor auf schnell und billig im Doppelpack heruntergekurbelte Exploiter spezialisierte Regisseur einen großen Schritt Richtung Respektabilität gemacht und angedeutet hatte, was in Zukunft noch von ihm zu erwarten sein sollte. Die Entstehungsgeschichte von THE PREMATURE BURIAL ist trotzdem einigermaßen kurios: Eigentlich wollte Corman den Film nicht mehr mit Arkoffs AIP machen, seiner angestammten Produktionsfirma, und er kontaktierte die Franzosen von Pathé, die bislang die Entwicklung seiner Filme übernommen hatten. Sie schlugen ein, was auch der Grund ist, warum hier nicht Vincent Price vor der Kamera steht: Der hatte nämlich einen Exklusivvertrag mit Arkoff. Doch just in dem Moment, als die Dreharbeiten begannen, wurde Corman von der Nachricht überrascht, dass die AIP den Franzosen den Film abgekauft hatte und somit alles beim Alten blieb – mit Ausnahme der Besetzung der Hauptrolle eben. Wobei Ray Milland die perfekte Wahl für den von der Angst, lebendig begraben zu werden, besessenen Guy Carrell darstellt: Dass er sich auf die Darstellung solcher getriebenen, am Rande des Zusammenbruchs stehenden Figuren verstand, hatte er nicht zuletzt in Billy Wilders THE LOST WEEKEND bewiesen – wahrscheinlich seine berühmteste Rolle und beste Leistung. Die Vorlage Poes – eine reine Ich-Erzählung – erweiterte Corman zusammen mit seinen Drehbuchautoren Charles Beaumont und Ray Russell zwar um einige Aspekte, zu denen auch die etwas unbefriedigende, ganz auf bekannte Genrekonventionen und Plotmechanismen beruhende Auflösung gehört (dazu später mehr), blieb dabei aber dennoch enger am Original als das etwa bei der Adaption von THE RAVEN oder THE MASQUE OF THE RED DEATH (notgedrungen) der Fall war.

Zur Geschichte: Alle Vorfahren des aristokratischen Guy Carrell waren auf unnatürliche Art und Weise verstorben: Zuletzt sein Vater, der – davon ist der Sohn jedenfalls überzeugt – aufgrund seiner Katalepsie bei lebendigem Leibe in der Familiengruft beigesetzt wurde und dort jämmerlich erstickte. Die Anwesenheit bei einer Exhumierung, die den Blick auf eine Leiche freigibt, die offensichtlich das gleiche Schicksal wie den Vater ereilt hatte, weckt die verdrängte Erinnerung und löst bei Guy eine panische Angst aus, die auch die fürsorgliche Emily (Hazel Court), die er schnell ehelicht, nicht besänftigen kann. Die Furcht nimmt Guy immer mehr gefangen, beschäftigt ihn Tag und Nacht und kulminiert in der Konstruktion eines Mausoleums, das mit etlichen Vorsichtsmaßnahmen Sicherheit für den hypothetischen Ernstfall gewährleisten soll. Es ist bereits eingetroffen, was Emilys Gatte befürchtet: Die Angst hält ihn gefangen wie ein Sarg und statt sein Leben zu führen, beschäftigt er sich ausschließlich mit seinem Tod. Die Zerstörung der Gruft scheint seine Phobie schließlich zerschlagen zu haben, doch dann erleidet er einen Rückfall und seine schlimmste Angst bewahrheitet sich …

Cormans Poe-Verfilmungen fallen für den heutigen Betrachter wahrscheinlich am ehesten unter den Begriff „Gruselfilm“, mit dem wir etwa auch die Werke der britischen Hammer Studios versehen. Wie diese leben auch die Corman-Poes nicht zuletzt von ihrem Dekor, den deutlich als solche erkennbaren, trockeneisnebelumwaberten Studiosettings, dem eher langsamen und gemächlichen Erzähltempo und dem Verzicht auf allzu vordergründige Effekte zugunsten der sanften Suggestion (wobei die Hammers bei der damaligen Kritik ja vor allem wegen ihrer damals ungewohnt zeigefreudigen Gewaltdarstellung verpönt waren). Doch Corman war mitnichten ein Traditionalist, sondern im Gegenteil ein junger Wilder, ein Rebell im Filmgeschäft, und die respektable literarische Vorlage diente ihm auch als eine Art trojanisches Pferd, mit dem er seine subversiven Ideen ins feindliche Lager schmuggeln konnte. Am deutlichsten zeigt sich das gewiss in einer langen Albtraumsequenz, in der sich jede einzelne der von Carrell für seine Gruft erdachten Sicherheitsvorkehrungen als fehlerhaft und damit nutzlos erweist. Die ganze Sequenz mutet mit dem bunten Schleier, der sich über sie legt, wie ein psychedelischer Rausch an und darf somit als Vorbote für Cormans spätere Gegenkultur- und Drogenfilme THE WILD ANGELS, THE TRIP oder GAS-S-S-S verstanden werden. Aber auch auf inhaltlicher Ebene kann man THE PREMATURE BURIAL als Allegorie auf den in den frühen Sechzigerjahren kurz vor der Eruption stehenden Generationenkonflikt lesen, der lediglich durch die Besetzung mit dem damals bereits über 50-jährigen Milland getrübt wird, der nun beim besten Willen nicht mehr als Jugendlicher durchgeht. Dennoch ist THE PREMATURE BURIAL von Bildern durchzogen, die den schädigenden Einfluss der Vergangenheit auf die Gegenwart darstellen: Das Anwesen, das Carrell bewohnt, ist selbst ein Grabmal, umgeben von einer Sumpflandschaft, toten, knorrigen Bäumen und einem Friedhof. Im Inneren des alten Gemäuers ist es unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen, überall wird man mit dem Geist der Vorfahren konfrontiert, der durch die Grüfte im Keller spukt und empfindliche Seelen wie Carrell keinen Frieden finden lässt. Traute Zweisamkeit und Intimität gibt es für das Ehepaar nie: Immer sind irgendwelche Verwandte oder Freunde des Hauses anwesend, wartet irgendeine auf alter Verbundenheit basierende Verpflichtung – oder es ist eben Carrells Phobie, die der Liebe einen Strich durch die Rechnung macht. Aber auch die gründet sich ja auf Erlebnissen aus der Vergangenheit. Und dann ist das Carrell selbst, ein vom Tod Besessener, der am Ende zum augenrollenden Mörder wird. Wie schon erwähnt, wirkt das Ende von THE PREMATURE BURIAL gerade vor diesem Hintergrund wie behelfsmäßig angeklebt und ich bin mir fast sicher, dass sich Corman kein Stück dafür interessierte, wer denn da am Ende der bzw. die Böse ist. Seine Inszenierung lässt eigentlich keinen Zweifel an den Hintergründen von Carrells Besessenheit und die menschlichen Motive, die die Autoren in letzter Sekunde aus dem Ärmel zaubern, fügen der Geschichte nichts außerhalb einer höchst oberflächlichen, der Zuschauererwartung entsprechenden Lösung der Schuldfrage hinzu, die sorgfältig ins Gesamtwerk zu integrieren, Corman sich gar nicht erst die Mühe gibt.

Im Gedächtnis bleiben stattdessen andere Dinge: die schon erwähnten Bilder einer ans Groteske grenzenden, unwirklichen Außenwelt, deren Trostlosigkeit aber keiner der Protagonisten überhaupt zu bemerken scheint (weil es eben eine veräußerte Innenwelt ist), Millands unangenehme Verkrampftheit und Steife, die die Ehe zur schönen Emily von Anfang an als Farce erscheinen lässt, schließlich der Wahnsinn, der sich in seinem Blick entbirgt, als er seine Gruft mit ihren Geheimtüren, Strickleitern und sonstigen Auswegen vorführt. Spätestens hier wird ganz klar, dass die panische Angst vor dem Lebendig-Begraben-Werden und die Faszination für den Tod eng beisammen liegen, wenn nicht gar identisch sind. Carrells Todessehnsucht mag vordergründig nur die bizarre Marotte eines einsamen Spinners sein: Aber in den Sechzigerjahren, in denen eine ganze Generation von Amerikanern auf Geheiß der Altvorderen in den Tod gehetzt wurde, kam sie den Zuschauern des Film wahrscheinlich sehr bekannt vor. Mit Stahlhelm, Maschinengewehr, Kampfmesser und Handgranate wurden sie nach Vietnam geschickt: Und wenn alle diese Waffen nicht mehr halfen, gab es die Zyankalikapsel. Ganz wie in Carrells Gruft.

 

Bei einer gemeinsamen Landpartie berichtet das Glamour-Girl Iris (Susan Blakely) ihrem Liebhaber, dem Gangsterboss Capone (Ben Gazzara), mit dem sie liiert ist, von einer Freundin, deren Freund sie betrogen habe. Ob er da nicht „etwas“ tun könne? Natürlich, gibt Capone zu verstehen, keinen Zweifel daran lassend, dass er jedereit einen ihm völlig Unbekannten umbringen lassen würde. Iris ist kurz schockiert und fragt noch einmal nach. „Es ist eine Freundin von dir, du bist eine Freundin von mir und Freunden hilft man“, bestätigt Capone seine klaren Prinzipien. Ihr Erschrecken weicht einem teuflischen Lächeln: „Darf ich zuschauen?“

Die beste Szene des Films lässt erahnen, warum Corman in den Siebzigerjahren mit seinen Period Pieces offene Türen einrannte: Die Faszination der Gewalt trägt weit, vor allem in den USA, deren Reichtum in nicht unerheblichem Maße auf Blut gegründet ist (wahrscheinlich gilt das sogar für allle Industrienationen). Sie erklärt aber auch, warum Carvers CAPONE gar nicht erst versucht, den Mann hinter dem weltberühmten Namen als Individuum aus Fleisch und Blut begreiflich zu machen, sondern sich damit begnügt, die Legende vom blutrünstigen, machtgeilen Narbengesicht weiterzuerzählen. Was Capone antreibt, warum er selbst Freunde mit Eiseskälte über die Klinge springen lässt, bleibt sein Geheimnis. Sind es vielleicht schon die Vorboten der Sipyhlis, die ihn 1947 im Alter von 48 Jahren tötete? Angeblich hatte er sich aber erst 1928 mit der Krankheit infiziert.

So begnügt sich der Film damit, den Aufstieg und die Bluttaten von Capone in episodisch-rasanter Folge nachzuerzählen, mit einiger Freiheit gegenüber den verbrieften Fakten außerdem. Das trägt nicht nur, weil die Geschichte gut ist, CAPONE perfekt besetzt und von Sparfuchs Corman schön ausgestattet, sondern eben auch, weil gerade die Weigerung, den Protagonisten irgendwie psychologisch aufzuschlüsseln, den Faktor der Faszination unterstützt. Müssen wir uns einfach damit abfinden, dass es Menschen gibt, die brutal sind, Freude an der Gewalt haben und kein Mitleid kennen? Es scheint so. Schon Capones erste Bluttat des Films, der Angriff auf zwei Polizisten, die einen Einbruch vereiteln wollen, folgt keiner echten Motivation, er geht einfach seinem Impuls nach. Auch sein Mentor Johnny Torrio (Harry Guardino), der Capone unter seine Fittiche und mit nach Chicago nimmt, kann diesen „Straßenköter“, der keine Manieren kent, nur den Rausch der Macht, nicht austreiben. Und in einem System der Gewalt obsiegt der, der am skurpellosesten ist. Das sich über mehrere Jahre erstreckende Blutregime gipfelt in der Hinrichtung von sieben Männern aus der Bande von Bugs Moran im Jahr 1929: Dem sogenannten „St. Valentine’s Day Massacre“ hatte Corman einige Jahre zuvor schon einen eigenen Film gewidmet (mit Jason Robards in der Rolle Capones) und es ist interessant, das hier noch einmal zu sehen, in Bildern, die sich von der älteren Variante kaum unterscheiden (ein paar Szenen aus ST. VALENTINE’S DAY MASSACRE werden in CAPONE erneut verwendet).

Es ist der Zeitpunkt, an dem sich auch die Untergebenen endgültig von ihrem Chef abwenden, sogar der treue Bodyguard Frank Nitti (Sylvester Stallone), der aber den Teufel tun und Capone konfrontieren wird: Stattdessen gibt er den Obrigkeiten den Hinweis, der Capone schließlich in den Bau bringt und ihm die Führung des Chicagoer Outfits. Von Elliott Ness und seinen „Unbestechlichen“ felt in Carvers Film jede Spur. CAPONE endet mit einem Besuch Nittis bei seinem alten Boss, der aber, von der Siphylis gezeichnet, nur noch wüste Tiraden gegen die „Bolschewiken“ ablässt und sonst nicht mehr ansprechbar ist. Seinem eigenen Helfer gibt Nitti noch auf den Weg, dass man sich als Boss nicht vor den Feinden, sondern vor den engsten Vertrauten schützen muss. Der so Belehrte schaut ominös in die Kamera, aber Nitti wählte den Zeitpunkt seines Todes selbst. 1943 erschoss er sich selbst, warum ist bis heute ungeklärt.

CAPONE ist durchweg unterhaltsam und bereitet seinem Hauptdarsteller natürlich eine wunderbare Bühne: Mit Wattepfropfen in den Backen dreht Gazzara mächtig auf, schreit, geifert, heult und spuckt. Er gibt dem Verbrecher das manische Lächeln einer Hyäne, zeichnet ihn als lüsternen Psychopathen, der nie ein anderes Mittel kannte als die Gewalt. In weiteren Rollen sind u. a. John Cassavetes als Frankie Yale zu sehen, Martin Kove als Morans Killer Frank Gusenberg, etliche wunderbare italoamerikanische Charakterfressen und natürlich Dick Miller als korrupter Bulle, der einmal gegen Capone gewinnen darf, aber daraufhin eine nachhaltige Warnung bekommt.

Der Amerikaner Cliff Adams (John Schneider) arbeitet als Pilot für den kolumbianischen Drogenboss Reyes (Federico Luppi), der die Militärpolizei auf seiner Seite weiß. Tatsächlich steht Cliff aber im Dienste der DEA und versucht, dem Verbrecher das Handwerk zu legen. Die Reporterin Janet Meade (Kathryn Witt), pikanterweise seine Exfreundin, sowie der Demokrat Vilalba (Juan Vitali) stehen ihm in seinem Kampf bei …

Einer von vielen kleinen, aber dennoch mit guten Production Values ausgestatteter Actionfilme, die in den Achtzigern in die Kinos kamen oder wenigstens in den Videotheken landeten. COCAINE WARS, in Deutschland unter dem Titel AMERICAN SCORPION auf VHS erschienen, ist einer von ihnen: In seinen Actionszenen etwas unspektakulär, aber dafür an Originalschauplätzen gedreht und gleichermaßen mit guten Darstellern besetzt wie mit einem Drehbuch ausgestattet, das die ganze Story durchaus authentisch erscheinen lässt. Dreh- und Angelpunkt des Films ist aber John Schneider, der als Cliff eine Riesenshow abzieht: Der ehemalige „Duke of Hazzard“ rennt mit zauseliger Struwwelmähne, buschig ausgewachsenem Schnauz und ausgelatschten Nikes rum, hat ständig eine Kippe in der Fresse und verliert Coolness und große Klappe auch dann nicht, wenn er von Reyes‘ Schergen mit Elektroschocks behandelt wird. Ihm zusehen zu können, ist schon die halbe Miete. Das übersieht man auch gern, dass COCAINE WARS mit der Action eher sparsam umgeht. Eigentlich kracht es erst zum Showdown so richtig, aber mich hat das gestern nicht gestört, weil der Film trotzdem gut Tempo macht. Selbst wenn nicht pausenlos rumgeballert wird, ist doch immer irgendwas los. Es ist einer dieser Filme, bei denen man Lust bekommt, eine Fluppe zu rauchen und Schnaps aus der Pulle zu saufen.

Mir hat das gut gefallen. Klar, einen Teil seines Charmes verdankt COCAINE WARS der Tatsache, dass es einfach herrlich ist, diese alten Videothekenfilme heute in HD-Qualität sehen zu können, sich darüber zu freuen, dass man überhaupt die Gelegenheit hat, solchen Kram lang nach Überschreitung des Verfallsdatums zu Gesicht zu bekommen. Und wenn solches Comfort Food einem dann auch noch einen John Schneider beschert, der seine Rolle vereinnahmt, als wäre er geboren worden, sie zu spielen, dann ist das schon mehr als genug. Irgendwie geil.

Roger Cormans Film über eines der wichtigsten und blutrünstigsten Kapitel der Gangster-Ära ist auch eine der wenigen Regiearbeiten, die er für ein großes Studio ablieferte, ausgestattet mit einem großzügigen Budget von 2,5 Millionen Dollar und einem Drehplan, der ihm ausreichend Zeit ließ. Der „King of the Bs“ begriff das jedoch nicht etwa als Luxus, wenn man den Berichten traut: Er hielt das alles für enorme Verschwendung und gab am Ende sogar eine knappe halbe Million weniger aus als eigentlich budgetiert war. Aus heutiger Sicht kann man auch über den vollen Betrag nur schmunzeln: Zwar entstand THE ST. VALENTINE’S DAY MASSACRE ausschließlich in Studiokulissen (der nahtlose Übergang zwischen Kulissen und Matte Paintings allein ist schon ein Fest), trotzdem ist Cormans Film ein Ausstattungs-Overkill, der heute ein Vielfaches verschlingen würde.

Romantische Verklärung ist Cormans Sache aber nicht: Er bemüht einen dokumentarischen Tonfall für seine Inszenierung und versucht gar nicht erst, Spannung über den Ausgang aufzubauen. Paul Frees, „The man of thousand voices“ übernimmt die Voice-over-Narration, schaltet sich immer wieder ein, um Figuren einzuführen, Zeitsprünge zu erklären oder Kontext zu liefern. Das sowie die Tatsache, dass man den Ausgang der Geschichte ja bereits kennt, schafft eine gewisse Distanz: Es gibt kein Mitfiebern mit den Charakteren, die auch nicht unbedingt Mitleid oder Mitgefühl evozieren, lediglich dieses Kribbeln, das sich einstellt, wenn man sieht, wie die einzelnen Puzzleteile alle an den für sie vorgesehenen Platz fallen und sich zu dem Bild zusammenfügen, das man bereits kennt. Der von Corman gewählte Ansatz macht Sinn. Das titelgebende Ereignis ist, wenn auch von maßgeblicher historischer Bedeutung, ein eigentlich eher undankbares Sujet für einen Film: Das Massaker war nicht etwa eine wüste Schießerei zweier verfeindeter Banden, sondern er feiges Erschießungskommando, bei dem zudem überwiegend kleine Fische ins Gras bissen. Es richtete sich gegen Gangsterboss George „Bugs“ Moran (Ralph Meeker), einen erbitterten Rivalen von Al Capone (Jason Robards), der zum Zeitpunkt des Anschlags jedoch gar nicht anwesend war und mit dem Leben davonkam. Stattdessen starben Leute wie Johnny May (Bruce Dern), ein kleiner Automechaniker, oder Reinhardt Schwimmer (Mickey Deems), ein Optiker, dessen Verbindung zu den Gangstern eher lose war. Das großzügige Sterben und Morden ging danach noch eine Weile weiter, aber zum großen Vergeltungsschlag kam es nicht.

THE VALENTINE’S DAY MASSACRE ist kurzweiliger als er es eigentlich sein sollte: Es gelingt Corman einen Eindruck davon zu vermitteln, was für eine wilde Zeit das damals gewesen sein muss, als wild um sich ballernde Schwerverbrecher sich offene Kämpfe auf den Straßen Chicagos lieferten, in feinen Hotelsuiten große Geschäfte von Männern gemacht wurden, die tatsächlich nichts anderes als brutale Killer waren. Hervorstechend sind Jason Robards, der Capone als unberechenbaren Choleriker interpretiert, der nur die Stimme zu erheben braucht, um seine Untergebenen zum Schweigen zu bringen, und George Segal, der als Morans henchman Peter Gusenberg unerwartetes Talent für Psychopathen an den Tag legt. Wie es sich für einen Corman-Film gehört, ist natürlich auch Dick Miller dabei, als als Polizist getarnter Todesschütze, sowie Jack Nicholson, den ich aber nicht entdeckt habe. Weil es eine der hervorstechenden Eigenschaften aller am Geschehen involvierten Figuren ist, eher früher als später ins Gras zu beißen, treten viele der bekannteren Namen bereits wieder ab, bevor man sie richtig registriert hat: In Mininebenrollen gibt es u. a. John Agar sowie Regisseur Gus Trikonis zu sehen, dazu setzt sich die Besetzungsliste aus wunderbaren Charakterfressen und -darstellern wie Frank Silvera, Joseph Campanella, Richard Bakalyan, David Canary, Joe Turkel, Charles Dierkop oder Alex Rocco zusammen, um nur ein paar zu nennen. Dieser Aufzählungscharakter, den mein Text hier in den letzten Sätzen angenommen hat, verdeutlicht schon, was das Problem, aber eben auch die Stärke von THE ST. VALENTINE’S DAY MASSACRE ist: Emotional hinterlässt er nicht unbedingt Spuren, weil er eben eher eine bebilderte Geschichtsstunde darstellt. Aber ich wünschte mir, mein Geschichtsunterricht auf der Schule wäre nur halb so unterhaltsam, kurzweilig und reich an Höhepunkten gewesen …

Beim Filmgeschäft mit der Katastrophe durfte Roger Corman mit seiner New World Pictures natürlich nicht fehlen. Erwartungsgemäß kann er mit dem Schaulaufen der Stars, das andere aufboten, nicht mithalten, aber sein Hauptdarstellertrio ist dennoch recht beachtlich. Rock Hudson war in jener Zeit wohl recht verzweifelt und bereit, bei allem mitzumachen – EMBRYO anyone? -, trotzdem reicht seine bloße Präsenz, AVALANCHE aufzuwerten.

Bevor ich auf den Film selbst eingehe, muss ich mich um die Tücken des Katastrophenfilms kümmern. Vor allem die Naturkatastrophen erweisen sich immer wieder als pain in the ass. Sie kommen, wann sie wollen, oft ohne erkenn- oder wenigstens beeinflussbare Ursache, brechen herein, ohne dass man viel dagegen tun kann, und sind dann wieder vorbei. Spannung? Fehlanzeige. Auch bei AVALANCHE ist das das größte Manko: Da kann der Fotograf und Umweltkenner Nick Thorne (Robert Forster) noch so sehr vor der Lawinengefahr warnen und die Bausünden von Davis Shelby (Rock Hudson) kritisieren, am Ende ist es ein durch menschliches Versagen verursachter Flugzeugabsturz, der die Lawine auslöst und jede Illusion von dramaturgischer Kausalität zerstört. Irgendwann muss der Schnee halt runterkrachen, der Anlass ist da fast egal und alles, was dem Spektakel vorausgeht, ist bloß Makulatur. Was wiederum gut zu New World Pictures passt: Es gibt ein bisschen Melodrama und Sex (natürlich ohne die Stars) und viel Wintersport, um die Zeit zu überbrücken, wobei es Regisseur Allen vor allem die haarsträubenden Stürze angetan haben, von denen es eine ganze Reihe gibt, die mitunter unweigerlich das Gesicht verziehen lassen.

Es dauert eine geschlagene Stunde, bevor die Lawine auftritt, viel Zerstörung anrichtet und Tote fordert – und dann ist sie – anders als der Film – auch schon wieder vorbei. Die letzten 15 Minuten widmen sich den diversen Rettungsaktionen, bei denen sich alle möglichst panisch und unorganisiert verhalten, damit noch der ein oder andere Autocrash dabei abfällt. Man spürt förmlich die Befreiung und die Lust an Action, Zerstörung und Verwüstung, nachdem zuvor krampfhaft 60 Minuten lang auf ernstes Drama gemacht und ein ernstes Gesicht aufgesetzt wurde. Das Ende ist auch hübsch, wie Hudsons Shelby da inmitten seines zerstörten Urlaubsparadieses steht, auch seine Ex-Frau Caroline (Mia Farrow) nicht zurückgewinnen konnte und einen Schluck aus der Chamapgnerbuddel nimmt. Wahrscheinlich ist es auch deshalb so schön, weil man solche Zurückhaltung hier beim besten Willen nicht erwarten konnte.

In bester New World Pictures-Tradition trägt das Poster deutlich dicker auf als der Film selbst: Wer sich beim Lösen des Tickets nicht ganz unberechtigte Hoffnungen darauf machte, einen Blick auf die Oberweiten der Hauptdarstellerinnen Susan Howard (später die „Donna“ in DALLAS), Claudia Jennings oder BRADY BUNCH-Star Maureen McCormick zu erhaschen, kam wahrscheinlich mit langem Gesicht wieder aus dem Kino. Alle bleiben sie zugeknöpft, MOONSHINE COUNTY EXPRESS hat ein PG-Rating abbekommen und ist dementsprechend züchtig, zumindest hinsichtlich Sex, denn in der Gewaltdarstellung ist er nicht ganz so zimperlich. Aber so ist er halt der Ami: Töten hui, Titten pfui. Ich will mich gar nicht beschweren: Gus Trikonis‘ Hillbilly-Actioner ist mit seinem Sujet, wie meine Leser wissen, right down my alley, und selbst wenn er mit den Highlights des Subgenres nicht mithalten kann und relativ schnell wieder vergessen ist, so ist er für einen leicht verkaterten Sonntagvormittag doch ziemlich ideal, um wieder auf die Beine zu kommen.

MOONSHINE COUNTY EXPRESS beginnt mit einem Massaker: Papa Hammer (Fred Foresman), ein Moonshiner, wird mit seinen Helfern beim Schnapsbrennen umgelegt, und hinterlässt die erwachsenen Töchter Dot (Susan Howard) und Betty (Claudia Jennings) sowie die etwas jüngere Sissy (Maureen McCormick). Jeder im Ort weiß, dass der Hotelbesitzer und Geschäftsmann Starkey (William Conrad) hinter den Morden steckt, aber alle halten sie dicht, auch Sheriff Larkin (Albert Salmi), der es stattdessen auf den Autorennfahrer und Gelegenheitsgauner JB (John Saxon) abgesehen hat. Als die Hammer-Töchter das Erbe ihres Vaters antreten, gibt es Stunk im County und JB muss sich für eine Seite entscheiden …

Die Story bietet nichts wesentlich Neues, aber genug, um 95 Minuten ohne große Längen durchzubringen. Die Mischung aus Humor, Schießereien, Verfolgungsjagden und dem Hin-und-Her zwischen JB und Dot ist ganz amüsant, auch weil Lokalkolorit und Darsteller einfach stimmen. Die Besetzung, zu der sich auch noch Peckinpah- und Westernveteran Dub Taylor als versoffener Onkel der Schwestern sowie die Veteranen Morgan Woodward und Jeff Corey hinzugesellen, vereint ein paar tolle Charakterfressen, die Trikonis‘ Fernsehinszenierung deutlich aufwerten. Lediglich John Saxon selbst passt hier nicht so recht rein: Den Versuch, einen Südstaaten-Akzent vorzutäuschen, gibt der gebürtige Brooklynite schon nach wenigen Dialogzeilen verzweifelt auf, aber auch so ist der damals bereits 42-Jährige für die Rolle des jungen, unverantwortlichen Hallodris, der durch Dot auf den Pfad der Tugend gebracht wird, einfach nicht die Idealbesetzung, um es mal freundlich auszudrücken. Er macht das Beste aus der Situation und eine schlechte Leistung habe ich von ihm sowieso noch nicht gesehen. Eine kleine Enttäuschung ist auch das Finale, das ausgerechnet vor dem Oberschurken Starkey haltmacht und sich an die staatliche Gewlatenteilung erinnert, nachdem seine Lakaien zuvor im Dutzend plattgemacht worden sind. Ums also kurz zu machen: Harmloser Spaß, der besser, aber auch deutlich schlechter sein könnte.

BLOODY MAMA, eine von  Roger Cormans berühmtesten Regiearbeiten (und eine der von ihm selbst meistgeliebten), verdankt ihre Entstehung wohl nicht zuletzt dem Erfolg von Arthur Penns epochemachendem BONNIE & CLYDE, seinerseits von vielen Filmhistorikern als Geburtsstunde des New Hollywood ausgemacht und natürlich massiv beeinflusst von den Gangsterfilmen der Dreißiger-, Vierziger- und Fünfzigerjahre. Aber genauso darf BLOODY MAMA als maßgeblich für die im Verlauf der Siebzigerjahre gerade von kleinen Produktionsfirmen wie Arkoffs AIP (die BLOODY MAMA produzierte) oder Cormans New World Pictures in Auftrag gegebenen und in der Depression angesiedelten Gangsterfilme sowie zahlreiche Hillbilly- und Schwarzbrenner-Filmen angesehen werden. Filme wie BIG BAD MAMA, DILLINGER, THE LADY IN RED, MACON COUNTY LINE, JACKSON COUNTY JAIL oder LOLLY-MADONNA XXX, um nur einige zu nennen, die mir spontan einfallen, dürften dem Erfolg von Cormans Gangsterepos einiges zu verdanken haben. Dabei hat er mich, vom Lokalkolorit einmal abgesehen, fast noch mehr an einen anderen, weitaus berühmteren Film erinnert: an keinen geringeren als Francis Ford Coppolas Jahrhundertwerk THE GODFATHER.

Wie dieser handelt auch BLOODY MAMA nämlich von einer Verbrecherfamilie, die hier nicht von einem protektiven Vater, sondern von der Mutter angeführt wird. Das „Geschäft“, das Ma Barker (Shelley Winters) führt, ist weitaus weniger sauber und noch weniger einträglich als das von Don Vito Corleone, aber auch sie hält immer ihre schützende Hand über ihre Brut. Ihr gewalttätiger Sohn Herman (Don Stroud) könnte auch von James Caan gespielt werden, der psychotische, drogenabhängige Lloyd (Robert De Niro) hingegen nimmt einige Eigenschaften des später von John Cazale verkörperten, unglückliche Fredo vorweg. Die Parallelen enden nicht bei solchen kosmetischen Details: BLOODY MAMA schließt nach der Tötung des gesamten Barker-Clans durch die Kugeln des FBI mit einer Widmung an die „Mütter der Vereinigten Staaten“, womit er mehr als nur andeutet, dass die Wurzeln des US-amerikanischen Verbechens tief in die Keimzelle der Gesellschaft hineinreichen, die Familie, eine Aussage, die ja auch Coppolas Film macht.

An der epischen Aufbereitung, die Coppola für THE GODFATHER bemühte (und die seinen Film inmitten des New Hollywood wie einen konservativen backlash erscheinen ließ), ist Corman hingegen nicht interessiert – und natürlich hatte er auch gar nicht die Mittel dafür. Den Aufstieg der Barkers von einem Haufen Kleinkrimineller zur gefürchteten Verbrecherbande zeichnet er weniger akribisch nach, als er ihn schlaglichtartig in mehreren kleinen Episoden nachvollziehbar macht. Ein kurzer Prolog zeigt, wie die junge Kate Barker von ihrem Vater und ihren zwei Brüdern erst vergewaltigt wird und dann schwört, ihre eigenen Kinder niemals im Stich zu lassen. Jahre später packt sie ihre Söhne Herman, Lloyd, Fred (Robert Walden) und Arthur (Clint Kimbrough), die sich kurz zuvor selbst an einem jungen Mädchen vergangen haben, ins Auto und nimmt Abschied von George (Alex Nicol), ihrem Ehemann und dem Vater ihrer Kinder. Seinen ersten Mord verübt Herman aus nacktem Sadismus, es folgen kleinere Gaunereien, die Herman und Fred ins Gefängnis bringen. Bei einem Banküberfall erwirtschaftet der Rest des Barker-Clans die nötige Kaution und zementiert damit den Ruf als „public enemy“. Die Entführung des Unternehmers Pendlebury (Pat Hingle) soll das große Geld bringen, doch es zeigen sich bereits die ersten Risse in der vordergründigen Harmonie: Ma Barker hat ein Verhältnis mit Kevin (Bruce Dern), dem Geliebten ihres Sohnes Fred, zeigt nur Verachtung für Mona (Diane Varsi), die Gattin Hermans, und verkennt die Drogensucht von Lloyd. Ihre Fürsorge entpuppt sich immer mehr als unüberwindbares Gefängnis für ihre Söhne. Wie auch das „Vorbild“ BONNIE & CLYDE endet BLOODY MAMA mit der Erschießung des Clans und einer Reihe von Freeze Frames.

Cormans Film ist nicht unbedingt „spannend“: Der Handlungvserlauf ist sowohl durch die historischen Eckdaten – die allerdings heftig umstritten sind, vor allem, was die Involvierung der Mutter selbst betrifft – und natürlich durch die Konvention vorgegeben. Die erwähnte elliptische Erzählweise, bei der nie ganz klar ist, wie viel Zeit eigentlich zwischen den einzelnen Sequenzen vergangen sein soll, macht eine tiefe Immersion zudem ziemlich unmöglich. Und da ich viele der oben genannten, zum Teil von Corman produzierten Filme vorher gesehen habe, die sich von diesem in Look & Feel nur sehr marginal unterscheiden, hatte ich erst recht den Eindruck, das alles schon zu kennen. Wenn also auch die ganz große Begeisterung ausblieb, so ist BLOODY MAMA doch fraglos ein sehenswerter und auch bedeutender Film. Wahrscheinlich braucht er mehrere Sichtungen: Viele Details fliegen so an einem vorbei, weil Corman es vermeidet, seine Zuschauer mit der Nase darauf zu stoßen – das Verhältnis von Fred zu Kevin ist so eines: Als  die beiden da zusammen in einem Bett lagen, habe ich das zunächst einfach auf die beengten Platzverhältnisse und einen durch die Not bedingten Pragmatismus geschoben; erst als Ma Barker Kevin dann allerdings zu sich ruft, weil sie die Nacht nicht allein verbringen will, und der sich äußerst provokativ über Fred rollt, wurde mir klar, dass es da womöglich um mehr geht. BLOODY MAMA ist also ein „Reißer“, wie man ihn von Corman erwarten darf: Man unterschätzt ihn massiv, wenn man ihn darauf reduziert.