Nach der FRIDAY THE 13TH-Reihe (und neben meiner kleinen Steve-Mc-Queen-Retro, die derzeit durch den Poststreik sabotiert wird, weil die Blu-ray von THE CINCINNATI KID einfach nicht ankommt) widme ich mich nun den Filmen um den als Traumdämon zurückkehrenden Kindermörder Freddy Krueger, der in den Achtzigerjahren zum absoluten Popstar avancierte. Neben seinem ikonischen Outfit war es wohl vor allem sein bizarrer Sinn für Humor, der sich in respektlos-anzüglichen Sprüchen und fantasievollen Morden niederschlug, der ihn zu solch Ruhm verhalf und ihn vom furchteinflößenden Schreckgespenst zum unerwarteten Helden der Jugend reifen ließ. Kruegers entstelltes Antlitz zierte ein schier unüberschaubares Angebot an Merchandising-Artikeln, eroberte in Form einer eigenen Fernsehserie die US-amerikanischen Haushalte und schmückte als Poster selbstverständlich auch mein Jugendzimmer. Es war in jener Zeit, zum Ende der Achtziger- und Beginn der Neunzigerjahre, nahezu unmöglich, ihm aus dem Wege zu gehen. Zum Original hege ich, wie zu einigen Filmen Cravens, ein etwas gespaltenes Verhältnis und frage mich heute, ob er bei mir besser funktionieren würde, wenn ich damals nicht einige spätere Folgen der Reihe zuvor gesehen hätte. Mein erster NIGHTMARE-Film war Renny Harlins drittes Sequel, in dem Freddy sein verstörendes Potenzial bereits weitestgehend eingebüßt hatte, und das Original erschien mir im Vergleich immer eher unspektakulärer als unheimlicher. Heute kann ich bestenfalls vermuten, dass ein unvorbereiteter Zuschauer das vor 30 Jahren wahrscheinlich anders empfunden haben muss: Der erste Mord an Protagonistin Nancys (Heather Langenkamp) bester Freundin Tina (Amanda Wyss) ist ziemlich heftig und ihren Freund Glen (Johnny Depp) erwischt es kaum weniger hart. Die Tonspur tut ihren Teil, die Nerven empfindsamer Gemüter zu traktieren. Aber ich kann mir trotzdem nicht helfen: Cravens Filme erscheinen mir Post-LAST HOUSE ON THE LEFT immer als eine Spur zu nett und zivilisiert, als dass sie mich tatsächlich schockieren würden, und so ist auch dieser Film, der inhaltlich das Potenzial zu einem echten Runterzieher hat, für mich in erster Linie ein Popcorn-Film, dessen Schocks an der Oberfläche bleiben.
Das ändert freilich nichts daran, dass A NIGHTMARE ON ELM STREET ein Klassiker ist, die dem Film zugrundeliegende Idee schlicht brillant und Craven der richtige Mann, all die psychologischen und soziopsychologischen Implikationen herauszustreichen, ohne jemals mit dem Holzhammer zu predigen. Von der ruppig-rohen Anmutung seines oben genannten Debüt hin zu diesem effektreichen Teeniefilm ist es ein weiter Weg, doch das scheinheilige Mittelklasse-Bürgertum, hinter dessen Maske der Zivilisiertheit eine blutgierige Bestie lauert, hat es für diesen 84er-Überraschungshit lediglich aus dem letzten Haus links in die Vorstadt verschlagen. Das eigentlich Erschreckende an A NIGHTMARE ON ELM STREET ist dann auch nicht so sehr das Treiben des Traumdämons Krueger, der Rache für das an ihm verübte Verbrechen nimmt, sondern die Erkenntnis, dass die braven Eltern in ihren gepflegten Häuschen eiskalte Killer sind. Von der Justiz allein gelassen, nahmen sie das Gesetz kurzerhand in die eigenen Hände, entledigten sich des überführten Mörders in ihrer Mitte auf ihre eigene, mitleidlose Art und Weise. Die Schuld, die sie seitdem mehr oder weniger plagt, die sie mehr oder weniger erfolgreich verdrängen, entwickelt indessen ihre eigenen Methoden, Wurzeln zu schlagen. Sie springt direkt auf die Kinder über, in deren Träumen Krueger sein Schaffen fortsetzen kann. Hier muss eine Generation für die Gräueltaten der vorangegangenen büßen, eine Einschätzung, die im Jahrzehnt nach Vietnam sicher nicht aus der Luft gegriffen war.
Der Erfolg von A NIGHTMARE ON ELM STREET fußt gewiss auch darauf, dass diese psychologische Dimension des Films nicht bewusst erfasst werden muss, um von ihm mitgenommen zu werden. Cravens Film ist ein „Jugendfilm“ im engsten Sinne des Wortes, weil er an die Wurzel des Generationenkonflikts geht, ein griffiges, konkretes Bild für den abstrakten „Verrat“ der Erwachsenen an ihren Kindern findet und sich auf deren Seite schlägt, ohne dabei Kompromisse oder Einschränkungen zu machen: Die Welt, in der sie aufwachsen, ist eine Hölle und die Eltern haben sie dazu gemacht. Das allein hätte wahrscheinlich für ein paar Sequels gereicht, aber zum popkulturellen Phänomen wurde die Serie erst durch ihren atemberaubenden visuellen Einfallsreichtum, der im ersten Teil noch längst nicht ausgeschöpft ist. Neben dem genialen Design der heimlichen Hauptfigur ist es vor allem die Verlagerung der Handlung auf die Traumebene, die die NIGHTMARE-Filme in den folgenden Installationen beflügelt und aller lästigen Limitierungen durch schnöde Logik entledigt. Dies und natürlich das spannungsfördernde Hin- und Herspringen zwischen Noch-Realität und Schon-Traum sind das tragfähige Fundament, auf dem in den kommenden zehn Jahren immerhin sechs weitere Filme entstehen konnten, die bei marginalen Qualitätsschwankungen zu den kreativen Sternstunden des kommerziellen Horrorfilms seiner Zeit zählen dürfen. Schade, dass sich daran heute keiner mehr zu erinnern scheint. Freddy Kruegers Wiederbelebung ist eigentlich längst überfällig (wenn auch nicht durch ein missratenes Remake), zumal der Zustand der Welt, die die Erwachsenen ihren Kindern vererben, sich in den letzten zwei Jahrzehnten eher nicht verbessert hat.