Der dritte Film der HALLOWEEN-Reihe, der den Namen HALLOWEEN trägt, ist also kein Remake des Originals, wie man vielleicht hätte annehmen können, sondern ein alternativer zweiter Teil. Erdacht haben ihn mit David Gordon Green und Danny McBride nicht unbedingt zwei ausgesuchte Genregrößen, sondern Leute, die ich bislang vor allem mit beißend komischen Stoffen wie EASTBOUND & DOWN assoziiert habe. Die Außenseiterperspektive hat sich im vorliegenden Fall ausgezahlt, denn anstatt sich in die bestehende Sequeltradition einzureihen, also wieder mal einen Grund für Michael Myers‘ Auferstehung zu finden und ihn dann zum xten Mal nach Haddonfield zu schicken, erschaffen sie eine Art „Was wäre wenn“-Szenario: Was wäre, wenn Michael Myers nach jener schicksalhaften Nacht vor 40 Jahren inhaftiert worden wäre und seitdem in einer Strafanstalt einsäße? Wie hätte Laurie Strode (Jamie Lee Curtis) die Ereignisse von einst weggesteckt? Was wäre aus ihr geworden?
HALLOWEEN eröffnet mit zwei True-Crime-Reportern, die Michael im Gefängnis besuchen: Ein optimaler Start, der einem direkt zu Auftakt einen veritablen Knoten im Magen hinterlässt. Ihr Plan ist eine Sondersendung über ihn und ihr größter Wunsch wäre es, Laurie mit dem Killer zusammenzubringen. Laurie lebt mittlerweile ein Eremitendasein in einem vollkommen abgeschotteten Blockhaus im Wald, umgeben von Waffen und Sicherheitsanlagen. Das Sorgerecht für ihre Tochter Karen (Judy Greer) hat sie bereits vor Jahrzehnten verloren, weil sie diese etwas zu früh in Selbstverteidigung trainiert und auf eine mögliche Konfrontation mit dem Mörder vorbereitet hatte, als es den Behörden normal erschien. Die durch die Vergangenheit traumatisierte Karen versucht ihrerseits, Distanz zu ihrer Mutter zu schaffen, was durch die Neugier von Enkelin Allyson (And Matichak) zum einen sowie Lauries Hartnäckigkeit , zum anderen erschwert wird. Letztere hat aber einen Grund für ihre Unruhe: Es nähert sich der Halloween-Feiertag und ausgerechnet an diesem Datum steht die Verlegung des Serienkillers in eine andere Anstalt an.
HALLOWEEN entfaltet sich zunächst so, wie man es gewohnt ist: Michael entkommt natürlich und findet seinen Weg nach Haddonfield, wo er sich pünktlich zu den Feierlichkeiten lautlos durch die Suburbs schlitzt. Green greift auf bestehende Standards des Originals zurück: der Überfall auf eine Tankstelle, das Belauern und Beobachten von nichts ahnenden Opfern, der Angriff auf eine Babysitterin, aber durch die spezielle Figurenkonstellation – drei Strode-Frauen aus drei Generationen – verleiht er dem Gemetzel eine tiefere emotionale Dimension, die die anderen Sequels vermissen ließen, und verankert ihn in der Realität anstatt in einem Comic-Universum mit maskierten Unholden. Dem sehr physischen Schrecken gibt er durch die Betonung der psychologischen Folgen, die sich durch die ganze Familie ziehen, eine weitere Ebene und adressiert nebenbei zum ersten Mal explizit, was seinen orgängern nie augefallen war: dass es in HALLOWEEN auch um Gewalt von Männern gegen Frauen geht. Das Finale, der Twist, wenn man so will, führt HALLOWEEN schon fast auf das Terrain des Rape-and-Revenge-Films – mit der Einschränkung, dass es natürlich keine Vergewaltigung im Wortsinn gibt. Trotzdem wirkt der Schluss des Films länger nach als all die Mätzchen der vorangegangenen Teile, weil man den Eindruck hat, hier stünde zum ersten Mal wieder etwas auf dem Spiel.
Ich glaube, es ist auch diese Gesamtkonstruktion, die den ganzen Film deutlich brutaler erscheinen lässt, als meinetwegen die Teile 4, 5 und 6, ohne dass er dabei gleich in wilde Matschereien verfallen müsste. Vom Regisseur war zu hören, HALLOWEEN habe ihn in jungem Alter völlig weggeblasen und die Gelegenheit, einen eigenen Film um Myers zu drehen, sei eine Art Konfrontationstherapie gewesen. Ob man das jetzt glaubt oder für PR-Sprech hält, sei mal dahingestellt, in jedem Fall merkt man Greens Film an, dass er sehr genau verstanden hat, was an Carpenters ursprünglicher Version beunruhigend und unheimlich war. Die Konfrontationen mit dem Monster sind mörderisch effektiv inszeniert, ob es die Sequenz mit dem Busunfall auf nächtlicher Landstraße ist, der verzweifelte und hoffnungslose Überlebenskampf in einer sehr ekligen Tankstellen-Toilette ist (ich muss bei solchen Szenen unweigerlich an MANIAC denken, aber das mag an mir liegen), der One Take mit einer bemitleidenswerten Hausfrau oder das Zusammentreffen Michaels mit einem aufdringlichen Jungen in einem verlassenen Gartengrundstück. HALLOWEEN gelingt die schwierige Gratwanderung zwischen dem spannungsgeladenen, langsamen und unheilvollen Aufbau, das raffinierte Spiel mit Licht, Schatten, Räumen, Vorder- und Hintergrund, das Carpenter zur Meisterschaft trieb, und den Schocks der überfallartigen Attacken ausgezeichnet. Für mich ist HALLOWEEN die beste Fortführung der Reihe, die man sich 40 Jahre nach dem Original wünschen konnte, und ein spätes Highlight des Slasherfilms.