Mit ‘Stewart Granger’ getaggte Beiträge

Das gab’s noch nie: Die drei Stars der Karl-May-Reihe, Pierre Brice, Lex Barker und Stewart Granger, vereint in einem einzigen Film! Und noch dazu Karin Dor, unvergesslich als Winnetous Gspusi Ribanna in WINNETOU 2. TEIL! Das war das Versprechen des Films, seine Unique Selling Proposition, um es mal in Marketingsprech zu sagen, und die Produzenten waren anscheinend so angetan von dieser Idee, dass die Notwendigkeit, eine richtige Story um diesen Besetzungscoup herum zu stricken, ihnen offensichtlich zweitrangig erschien. So ist GERN HAB ICH DIE FRAU’N GEKILLT also ein Episodenfilm geworden, in dem die drei Stars doch wieder fein säuberlich voneinander getrennt in unterschiedlichen Segmenten agieren, die in Wien (Granger), Rio (Barker) und Rom (Brice) spielen, und also doch nicht „gemeinsam“ auftreten.

Die Rahmenhandlung dreht sich um einen vermeintlichen Mädchenmörder (Peter Vogel), der sich auf der Flucht vor der Polizei im Haus von Professer Alden (Richard Münch) versteckt und von diesem im Verlauf des Abends drei Geschichten zu hören bekommt, die fuck all mit seinem Schicksal zu tun haben, aber egal. Episode eins ist die beste des Films und lässt Granger als mondäner Privatdetektiv David Porter in einer Mordsache in Wien ermitteln – natürlich zu Zithermusik. Dieser Teil des Films ist mit Leichtigkeit sauber inszeniert mit einigen schönen, stimmungsvollen Bildern des nächtlichen Wiens und gut aufgelegten Darstellern. Neben Granger, der diese versnobten Gentlemänner im Schlaf beherrscht, gefällt vor allem Walter Giller als sein freundlicher Butler. Episode zwei fällt dann schon massiv ab und schickt Pierre Brice als Geheimagent Brice (haha!) nach Rom. Worum es geht, ist zweitrangig, die ganze Geschichte wirkt wie aus unattraktiven Resten zusammenstückelt, ein bemüht lustiger Voice-over-Kommentar sowie alberne Soundeffekte versuchen zu retten, was zu retten ist. Es misslingt. Episode drei schließlich lässt den Privatdetektiv Glenn Cassidy (Lex Barker) von Los Angeles nach Rio jetten, um ein Komplott aufzudecken. Karin Dor absolviert einen sinnlosen Cameo als Rezeptionistin in einem Hotel und Klaus Kinski macht seine Aufwartung als kleiner Gauner. Natürlich dürfen Impressionen vom Karneval nicht fehlen. Am Ende erweist sich der Mädchenmörder als Kriminalist, der den eigentlichen Killer – Professor Alden – überführt.

GERN HAB ICH DIE FRAU’N GEKILLT, benannt nach dem Stück „Gern hab ich die Frau’n geküsst“ aus der Operette „Paganini“ von Franz Lehár, ist einigermaßen kurzweilig – wie könnte es bei einem Episodenfilm auch anders sein -, aber so willkürlich und sinnfrei, dass es kracht. Weder passen die drei Geschichten zusammen – von der oben erwähnten Gemeinsamkeit ihrer Hauptdarsteller mal abgesehen – noch werden sie durch die ebenfalls bescheuerte Rahmenhandlung in irgendeiner sinnstiftenden Form zusammengeführt. Man kann hier wirklich nur mutmaßen, was wirklich für eine Idee hinter dem Film steckte bzw. warum es nicht gelang, einen die drei Episoden überspannenden Bogen zu finden. Als Drehbuchautor fungierte übrigens Rolf Olsen, neben etlichen anderen, z. B. Ernesto Gastaldi, und ich vermute, dass wir ihm die „witzigen“ Sprüche aus Episode zwei zu verdanken haben. Ein Mysterium, dieser Film, aber keins der guten Art.

The-Wild-Geese-320x415Der kontroverse Ruf, den THE WILD GEESE als ausgewiesener Kassenerfolg einerseits (der findige Produzenten und italienische Regisseure bis Mitte der Achtziger zu etlichen Rip-offs inspirierte), als ideologisch gestriger und fragwürdiger Film andererseits (ich komme noch darauf, inwieweit sich das bestätigen lässt) genießt, entspringt direkt seinem Wesen als filmisches throwback, das sich ja schon in seiner Besetzung widerspiegelt. Mit Ausnahme von Moore, der zu jener Zeit noch als James Bond unterwegs war, hatten die Hauptdarsteller ihren Zenith  Ende der Siebzigerjahre bereits überschritten, standen für eine Form von Glamour, Weltmännischkeit und Hollywood-Dekadenz, die damals bereits ein Auslaufmodell war. Harris und Burton wurden aufgrund ihrer Trinkgewohnheiten zudem als extremes Risiko angesehen und mussten sogar eine Sonderklausel unterzeichnen, die ihnen jeden Genuss von Alkohol während der Dreharbeiten untersagte. Vom damals 58 Jahre alten Veteranen McLaglen gedreht, erinnert THE WILD GEESE dann auch an jene Zeit, in der Krieg im Film noch als aufregendes Abenteuer gezeichnet wurde, bei dem echte Kerle an exotischen Schauplätzen aufeinandertrafen und sich im ehrenvollen Zweikampf maßen. Krieg, das war in diesen Filmen nicht etwa das Chaos, die Hölle auf Erden, Ausdruck des totalen Versagens aller Menschlichkeit, sondern Kampfplatz gerade für die besten, edelsten, tapfersten Vertreter der Gattung Mensch. Richard Burton ist der Vollblutsöldner Allen Faulkner, der einfach gar nichts anderes kann als kämpfen, aber nahezu problemlos eine ganze Kompanie von Himmelhunden um sich schart, die ihm überall hin folgen würden. Sein alter Freund, der Stratege Rafer Janders (Richard Harris), will eigentlich nicht mehr, möchte seine freie Zeit lieber mit seinem Sohn verbringen, aber kaum wirft er einen Blick auf die Pläne, die Faulkner ihm vorlegt, da ist es um ihn geschehen. Shawn Flynn (Roger Moore) killt am Anfang höchst brutal einen Mafiasohn, weil der ihn in seine miesen Drogengeschäfte eingespannt hat, später läuft er mit der teuren Zigarre im Mundwinkel und dem Maschinengewehr in der Hand durch den afrikanischen Busch. Der südafrikanische Rassist Coetze (Hardy Krüger) befreit auch mal einen Schwarzen, wenn es ihm dabei hilft, dem Wunsch von der eigenen Farm näherzukommen. Ausbilder Sandy (Jack Watson), der homosexuelle Sanitäter Witty (Kenneth Griffith), der krummnasige Jock (Ronald Fraser), sie alle könnten das Alter genießen, aber alle zieht es sie noch einmal auf das Schlachtfeld, das sie tatsächliche lieben gerlernt haben.

Das ist für den heutigen Zuschauer alles nur noch sehr schwer zu verstehen – und das thematisiert THE WILD GEESE auch. Es ist ein Film über alte Männer, die die Welt um sie herum nicht mehr begreifen, deren Methoden in vielerlei Hinsicht überkommen sind, die aber noch nicht einsehen wollen, dass sie ausgedient haben. Ihre Mission – sie sollen den afrikanischen Führer Julius Limbani (Winston Ntshona), der für Völkerverständigung und Demokratie eintritt, aus der Gefangenschaft befreien, aber eigentlich nur, weil sich der reiche Unternehmer Matherson (Stewart Granger) davon wirtschaftlichen Gewinn verspricht – dient zwar ausnahmsweise einmal einem guten Zweck, aber im Grunde genommen ist ihnen das egal. Im Vordergrund stehen das Geld, mehr aber noch das Abenteuer, das Gefühl, noch nicht zum alten Eisen zu gehören, und sie verkennen dabei die Realitäten: Wenn es Werte wie Loyalität, Ehre und Ehrlichkeit nicht mehr gibt, dann geraten sie nämlich schnell selbst auf die Abschussliste. Und genau das passiert, als Matherson eine Einigung mit seinen Geschäftspartnern trifft, die die Befreiung Limbanis überflüssig macht.

Das Tolle an einem Film wie THE WILD GEESE ist natürlich, dass er sich mit größtem Selbstverständnis zwischen die Stühle setzt. Der große Abenteuerspaß wird durch die Kaltschnäuzigkeit, die der Film dann und wann an den Tag legt, sowie durch seinen ostentativ zur Schau getragenen Konservatismus heftig unterlaufen, die Abwehrhaltung jedoch immer wieder durch perfide Affektstrategien aufgeweicht. Da ist zum einen natürlich diese sensationelle Besetzung zu nennen. Wenn Burton gleich am Anfang ein Glas Whiskey hinunterstürzt und sich zu der humorvollen Äußerung versteigt, dass eine seiner Vertragsklauseln besage, seine Leber müsse getrennt von ihm begraben werden, dann weiß man, dass der Film eben auch eine selbstreflexive Auseinandersetzung mit dem Rabaukentum seiner Stars ist, die bereits im Herbst ihrer Karriere angelangt waren (Burton war eigentlich erst 52, aber dem Tod aufgrund seines exzessiven Alkoholkonsums bereits vier Jahre zuvor nur äußerst knapp von der Schippe gesprungen und Ähnliches galt für Richard Harris). Man kann sich sicherlich hitzig darüber streiten, ob melodramatische Details wie die Vater-Sohn-Episode um Rafer Janders nun als spekulativ und zynisch oder aber als ehrlich-emotional angesehen werden sollten. Ich denke, es gibt für beide Sichtweisen stichfeste Argumente und das macht für mich auch den Reiz von THE WILD GEESE aus. Man muss den Film nehmen wie er ist, mit all seinen ideologischen Makeln, oder ihn eben links liegen lassen. Was man ihm nicht vorwerfen kann, ist dass er sich an sein Publikum ranwanzen würde. Er trägt das Herz am Revers, ganz so wie seine Hauptfiguren und -darsteller.

Das „1. Teil“ im Titel des siebten von Horst Wendlandt und der Rialto produzierten Karl-May-Films erinnert ein wenig an die als Ruinen in die Himmel ragenden Überreste alter Tempel längst vergangener, einst stolzer Zivilisationen. Etwas unendlich Trauriges geht von ihm aus, steht es doch für sehr konkrete Pläne, Hoffnungen und Träume, die leider, wie wir heute wissen, unerfüllt bleiben mussten: Einen zweiten Old-Surehand-Film hat es nie gegeben, Stewart Granger schlüpfte für Alfred Vohrer zum letzten Mal in die Rolle des silbergrauen Scharfschützen mit dem unerschütterlichen Optimismus. Man kommt kaum umhin, Mitleid mit ihm zu haben, glaubt man doch, die Energie und Freude in seinem Spiel erkennen zu können, die die Aussicht, Titelheld einer eigenen Filmserie zu werden, bei ihm freisetzte. Und Alfred Vohrers OLD SUREHAND 1. TEIL hat dann auch wieder den Schwung und Witz, die er schon für UNTER GEIERN in die Waagschale warf, kommt zudem ganz ohne die bitteren Momente aus, die jenen zu einer Achterbahn der Gefühle machten. Natürlich werden auch in OLD SUREHAND 1. TEIL Menschen erschossen, nehmen die Bösewichter für die Umsetzung ihres Plans die Ermordung Unschuldiger billigend in Kauf, aber es gibt keine emotionale Nachhaltigkeit. Wie seit DER SCHATZ IM SILBERSEE nicht mehr kommt hier wieder dieser unschuldig-naive, spielerische Charakter zum Tragen, steht der jederzeit durchschaubare Requisiten-Charakter der Ausstattung dem make believe nicht etwa im Weg, sondern ist die Quelle, der Kinomagie entspringt.

Was ich bisher versäumt habe herauszustreichen: Alle Karl-May-Filme der Rialto haben die gleiche Handlung. In allen versucht eine Gruppe von Ganoven ihr materielles Ziel durch das Aufeinanderhetzen von Weißen und Indianern zu erreichen. Meist besteht der Plan darin, den Mord eines Mitglieds der einen Seite, den die Gangster selbst begangen haben, der anderen Seite in die Schuhe zu schieben, und immer haben die Helden die Aufgabe, die erzürnten Indianer oder Weißen durch Ermittlung des wahren Mörders zu besänftigen. Immer geschieht dies in letzter Sekunde, kurz vor dem Ausbruch eines erbitterten Krieges, der – so suggerieren die Filme – nicht nur den fragilen Frieden, sondern auch das Schicksal der Indianer für immer besiegeln wird. Durch die Wiederholung dieser immergleichen Konstellation verwandeln sich die Filme von konkreten quasi-historischen Erzählungen in Mythen, transzendieren Figuren wie Winnetou, Old Shatterhand und Old Surehand ihre Rolle als Individuen und werde mit ihren Sidekicks zu Repräsentanten „historischer“ Vorgänge. Dabei haben die Karl-May-Filme unverkennbar utopischen Charakter, denn die historische Wahrheit – die Kapitulation der Indianer vor den Armeen der USA – wird hier immer wieder hinausgeschoben. Die „5 Minuten vor 12“ für die Kultur der nordamerikanischen Ureinwohner werden endlos ausgedehnt, ohne dass es jedoch freilich gelänge, die Uhren ganz zurückzudrehen. Die Figuren sind in einem Limbo gefangen, in dem sie den einen entscheidenden Konflikt immer wieder austragen müssen. Sie erhalten so unweigerlich etwas Übermenschliches, Geisterhaftes: Am meisten natürlich Winnetou, dem auch in OLD SUREHAND 1. TEIL wieder die Funktion eines personifizierten Deus ex machina zukommt, der sich immer im entscheidenden Moment materialisiert, der immer weiß, was er eigentlich nicht wissen kann, und dem es so gelingt, das Unabwendbare noch einmal abzuwenden. Sein Tod in WINNETOU 3. TEIL sollte demnach ein denkbar schlechtes Omen für die Zukunft der Indianer darstellen. Doch mit OLD SUREHAND 1. TEIL wird die Uhr sogleich wieder zurückgedreht, in eine Zeit vor seinem Tod zurückgesprungen. Winnetou ist wieder am Leben – oder ist er ein Geist? –, die letzten fünf Minuten dürfen noch einmal anbrechen. Es ist ein Wunder, dass die Karl-May-Reihe der Rialto nicht ewig andauern konnte.

DER ÖLPRINZ zählte, wie schon erwähnt, mit UNTER GEIERN und WINNETOU 3. TEIL zu den treuen Begleitern meiner Kindheit. Ich glaube, damals mochte ich ihn von allen dreien sogar am liebsten: Die Figur des aristokratischen Ölprinzen (Harald Leipnitz), mit ihrem akkurat rasierten Vollbart, dem feinen Anzug mit den weißen Handschuhen, regte meine Fantasie ebenso an wie sein Handlanger „Knife“ (Slobodan Dimitrijevic), der mit seinen heimtückisch versteckten Messern und seiner Stummheit eine unheimliche Faszination auf mich ausübte. Ich erinnere mich noch daran, dass meine Mutter mir für mein Spielzeugmesser auch eine Scheide basteln musste, die ich nach seinem Vorbild am Unterarm tragen konnte. Ich weiß nicht, ob ich das heute noch plausibel erklären kann, aber von diesem Schurkenpaar ging damals für mich etwas ungemein Diabolisches aus und wenn DER ÖLPRINZ nicht in einer weit entfernten Vergangenheit angesiedelt gewesen wäre, ich hätte mich vor beiden wahrscheinlich ziemlich gefürchtet. Das ist heute zwar logischerweise nicht mehr so, aber ich weiß, warum ich damals so empfand. Harald Philipp hat zwar im Gegensatz zu Alfred Vohrer im unmittelbaren Vorgänger mit Heinz Erhardt als Kantor Hampel wieder ein echtes comic relief an Bord, dennoch gibt es in DER ÖLPRINZ Momente von auffallend grausamem Sadismus, die ihre Wirkung nicht verfehlen, das unschuldige Schwelgen in bunten Bildern und tugendhaftem Heldentum bisweilen jäh unterlaufen.

Mit der In-Brand-Setzung einer Ölquelle geht DER ÖLPRINZ gleich in die Vollen. Dass der Ölprinz vor deutlich als solchen erkennbaren Rückprojektionen lodernder Flammen agiert, betont noch seine Gewissen- und Mitleidlosigkeit: Die Zerstörung, die er aus reiner Gier anrichtet, erreicht ihn gar nicht. Der Besitzer kommt bei seinem Attentat zwar nicht ums Leben, ist danach aber ein ruinierter Mann. Sein verzweifeltes und vergebliches Betteln um einen neuen Kredit markiert einen Grad existenzieller Not, der in den Karl-May-Filmen, die sonst üblicherweise den schnellen, schmerzlosen Tod durch Pistolenkugeln bereithalten, eher ungewöhnlich ist. Der Showdown des Films schließlich kreist um den Racheschwur des Indianerhäuptlings Mokaschi (Mavid Popovic), der 50 Tote unter den Siedlern fordert, um den Tod seines Sohnes zu rächen. Erst in letzter Sekunde kann Old Surehand dem Häuptling den wahren Mörder, den Ölprinzen, liefern, der stellvertretend „50 Tode erleiden“ soll: Philipp traut sich nicht, die anschließende Tortur zu zeigen, aber der angsterfüllte Schrei des Bösewichts, sein Flehen um Gnade und das wortlose, ungerührte Wegschleppen seines bewusstlosen Körpers vermittelt eine Ahnung davon, was ihm bevorsteht, und verfehlen ihre Wirkung nicht. DER ÖLPRINZ ist kein brutaler Film und schon gar kein besonders grafischer, aber seine Gewaltinszenierungen hallen nach, weil sie so ungemein nüchtern inszeniert sind. Der Ölprinz entledigt sich eines seiner Betrugsopfer, indem er ganz lapidar die Höhle sprengen lässt, in die er diesen zur Besichtigung geschickt hat und in der auch seine Helfer sich noch befinden. Sein Handlanger „Knife“ stirbt zwangsläufig stumm, hätte aber auch sonst wahrscheinlich keine Gelegenheit mehr gehabt, noch einen Laut des Schmerzes oder der Verwunderung loszuwerden: Old Surehand wirft ihn nach einem Angriff über die Schulter, der Bösewicht stürzt in sein eigenes Messer und bleibt reglos mit dem Gesicht im Dreck liegen. Gestorben, ohne es überhaupt gemerkt zu haben.

DER ÖLPRINZ teilt seinen Schwung und seine zupackende Art mit Vohrers UNTER GEIERN: Beide verzichten auf das Pathos und die Mythologisierung, die Reinls Filme auszeichnet, konzentrieren sich ganz auf das Schnüren eines unterhaltsamen Rundum-sorglos-Pakets. DER ÖLPRINZ ist dabei nicht ganz so temporeich und zwingend wie Vohrers Film, was wohl sehr naheliegend auch daher rührt, dass das Warten sein wichtigstes Handlungselement ausmacht: Erst warten die Siedler darauf, endlich losziehen zu können, dann, an einer Zwischenstation angekommen, darauf, von Old Surehand vor der Bedrohung durch die Indianer erlöst zu werden. Für Dynamik sorgt vor allem das Hin-und-Herspringen zwischen den einzelnen Figuren: Old Surehand und Winnetou funktionieren als relativ gleichberechtigte Figuren, Surehands Sidekick Old Wabble und Kantor Hampel sorgen für den Humor, Lizzy (Macha Meril) und der Falschspieler Richard Forsythe (Terence Hill) sowie Campbell (Walter Barnes) und Frau Ebersbach (Antje Weisgerber) für etwas Romantik in unterschiedlichen Altersgruppen. Das Zentrum, das dem Film so verlorengeht, besetzt Harald Leipnitz als Ölprinz. Im einzigen Karl-May-Film, der nach dem Bösewicht benannt ist, wird dieser zur interessantesten und rundesten Figur und Harald Leipnitz leistet Großes mit ihr. Der Auftakt vor den Flammen, wenn er seinem stummen Diener die Anweisungen für das weitere Vorgehen gibt, ist fantastisch, ebenso, wie er im Folgenden aus seinem Hotelzimmer heraus die Fäden zieht, seine Untergebenen anherrscht, zurechtweist, beschimpft und instruiert, wie er immer wieder wie ein Regisseur vom Balkon aus über das Geschehen in der Stadt blickt oder aber mit „Knife“ in Zeichensprache parliert, ganz ruhig, als sei er der einzige, der mit ihm auf einer Wellenlänge funkt. Damals, als ich DER ÖLPRINZ zum ersten Mal sah, kannte ich Leipnitz noch nicht, aber er war mit dieser Rolle für mich der finstere Gentleman-Gangster, ein kultivierter, schnittiger, scharfsinniger, dabei ungemein hassenswerter Typ. Eigentlich das komplette Gegenteil von Leipnitz‘ Persona, wenn man von einer solchen sprechen mag: Mit seiner Boxernase ist der 2000 verstorbene Schauspieler eigentlich auf eher ehrliche, unverstellte, kernige Typen festgelegt. Dass er auf völlig anderem Terrain diese Glanzleistung abliefert, zeigt wie gut er ist. Ich liebe die Szene, in der er auf dem Bett liegend von Surehand überrascht wird und der ein Messer direkt neben dem Kopf des Schurken in die Wand wirft, ohne das der auch nur mit der Wimper zuckt. Oder wie er sich dann am Ende, wenn er des Mordes überführt ist, winselnd versucht, aus der Verantwortung zu winden, von dem selbstsicheren, stilbewussten Schurken nichts mehr übrig bleibt. Er ist vielleicht der beste Schurke aus Wendlandts Karl-May-Filmen, besser noch als Mario Adorf. Und dank ihm wird dann auch DER ÖLPRINZ zum Gewinner, den ich gern wiedergesehen habe.

unter_geiern_quer Pure Magie, dieses Wiedersehen. Seit geschätzten 30 Jahren habe ich UNTER GEIERN nicht mehr gesehen. Damals gehörte er mit WINNETOU 3. TEIL und DER ÖLPRINZ zu jenen Karl-May-Filmen, die meine Eltern aus dem Fernsehen aufgenommen hatten und die ich eine zeitlang rauf und runter schaute. An die Handlung, geschweige denn an irgendwelche konkreten Details konnte ich mich nach all diesen Jahren natürlich nicht mehr erinnern, nur noch daran, dass ich ihn damals absolut geliebt habe. Und so saß ich da also äußerst erwartungsfroh vor dem Fernseher und plötzlich kamen all diese längst vergessenen Bilder und Dialoge wieder, fiel ein Groschen nach dem anderen, wusste ich auf einmal wieder, was da gleich als nächstes passieren würde. Und mit diesen Erinnerungen kamen auch die Emotionen zurück, die ich damals mit dem Film verbunden hatte. Das ist ja dann auch das, was Nostalgie tatsächlich ausmacht: Dass man plötzlich durch einen äußeren Reiz wie durch Zauberei in die Lage versetzt wird, noch einmal dieselben Gefühle zu spüren wie vor Jahrzehnten, die eigene Kontinuität zu erkennen. Aber nicht nur deshalb war es eine wunderbare Sichtung: UNTER GEIERN ist nach den zuletzt gesehenen Karl-May-Filmen etwas völlig anderes, und macht in seinen Eigenheiten sehr deutlich, was die beiden vielleicht größten deutschen Genrefilmer jener Zeit, Vohrer und eben Reinl, jeden für sich, auszeichnet.

In Abwesenheit des Bärenjägers Baumann (Walter Barnes) und seines Sohnes Martin (Götz George) findet ein Überfall auf die Baumann-Ranch statt, bei der Gattin und Tochter bzw. Mutter und Schwester ermordet werden. Blind vor Wut gibt Baumann den Schoschonen die Schuld, die er mit seinem Sohn kurz zuvor bei der Verfolgung einer Gruppe Weißer gesehen hatte. Jeder Zweifel, dass nur die Indianer für dieses Verbrechen verantwortlich sein können, ist angesichts der Grausamkeit der Tat wie weggeblasen. Winnetou (Pierre Brice), der auf der zerstörten Ranch eintrifft, fordert Baumann zur Besinnung auf und verspricht, den Mörder zu fassen. Wenig später treffen neben Winnetous altem Freund, dem Meisterschützen Old Surehand (Stewart Granger), auch die junge Annie (Elke Sommer) und ein Unterschlupf suchender Priester auf, der sich äußerst verdächtig verhält. Hat er etwas mit der Gangsterbande der „Geier“ zu tun, die, angeführt von Preston (Sieghardt Rupp), nicht weit entfernt ihr Unwesen treiben? Und stecken vielleicht eben jene Geier auch hinter dem feigen Überfall?

UNTER GEIERN beginnt heftig: Auch wenn Vohrer den Überfall auf die Baumann-Ranch offscreen stattfinden lässt und dem Zuschauer den Anblick der beiden Leichen erspart, stellt die rücksichtslose Ermordung zweier Unschuldiger doch einen harten Kontrast zu der romantischen Entrücktheit der Winnetou-Filme Reinls dar, in denen man die Gewalt stets wie durch einen Schleier der Historie wahrnahm. Aber es wäre falsch, UNTER GEIERN als brutaler zu bezeichnen, denn eigentlich wirkt er mit dem lebhaften Plauderton, den Vohrer etabliert, weniger ernst als etwa WINNETOU 1. TEIL oder WINNETOU 2. TEIL. Er ist lockerer, verspielter, sein Humor wird nicht auf ein oder zwei eher lose mit der eigentlichen Geschichte verbundenen comic reliefs verteilt. Surehands Sidekick Old Wabble (Milan Srdoc) sorgt mit seinem Ungeschick zwar für den ein oder anderen Lacher, ist aber nicht so sehr auf die Funktion des Gaglieferants festgelegt, wie das bei Sam Hawkens oder Lord Castlepool zweifellos der Fall ist. Ein Großteil des Vohrer’schen Schwungs geht auf das Konto Stewart Grangers, der seinen Old Surehand als auch in größter Not nie die gute Laune verlierenden Haudegen interpretiert. Dass UNTER GEIERN in einem ganz anderen Universum angesiedelt ist als Reinls Filme, wird besonders in dem Moment augenfällig, als Old Surehand den stolzen Apachenhäuptling Winnetou als „netten Kerl“ bezeichnet: eine Attributierung, die angesichts der Figur, die wir als entschlossen und stolz den Pfad der Bestimmung beschreitenden Indianermessias kennengelernt haben, seltsam trivial anmutet. Vohrer ist eben nicht am großen Pathos, am Mythos interessiert, sondern an der Bewegung, am Thrill. UNTER GEIERN ist ultradynamisch, hält sich nie zu lange mit einer Sache auf, ist stets auf dem Sprung, auf der Suche nach einer Gelegenheit für den nächsten Gag, den nächsten Kampf, die nächste Spannungsszene. Das bedeutet nicht, dass er ruhelos ist oder keine Geduld hat. Kaum weniger bedeutend als Stewart Granger ist Götz George für den Gesamteindruck, den der Film hinterlässt: Seine Performance mutet heute eigenartig affektiert, theaterhaft an: George tanzt geradeu durch die Settings, jede Bewegung ein Ausrufezeichen, auf den größtmöglichen Effekt hin ausgeführt. Und wenn man ihn so betrachtet, erkennt man, dass UNTER GEIERN fast ein Musical ist, eines ohne Gesangsnummern natürlich, aber mit demselben Drive, derselben Pointierung, derselben visuellen Klarheit. Man betrachte nur die Szene, in der die Geierbande die tapfere Annie in dem Saloon bedrängen, der ihnen als Unterschlupf dient, und sage mir, dass sie nicht wie der Auftakt zu einer breit angelegten Song-and-Dance-Nummer aussieht.

Die Künstlichkeit des Ganzen, der Kostüme und Settings, die in Reinls Filmen der Mythologisierung zuspielt, befördert hier eher den ungezügelten Drive des Regisseurs: Wenn alles fake ist, geht auch alles. Vielleicht ist UNTER GEIERN auch deshalb so temporeich, weil Vohrer der Überzeugungskraft seiner Bilder selbst nicht ganz traut. Die alten, wettergegerbten Kroaten, die als Ältestenrat der Schoschonen wohl nur durch die Kernentspanntheit des Alters der Versuchung widerstehen können, direkt in die Kamera zu schauen, sehen hier noch weniger echt aus als bei Reinl, dem es stets gelingt, den Zuschauer in ein Kind zu verwandeln, das bereit ist, ihm alles zu glauben. Dass Vohrer die Gemachtheit des Ganzen nicht zu verdecken versucht – es geht ihm eben nicht um perfektes make believe – , steht dem Spaß nicht im Wege, vielmehr erwächst gerade daraus die Freude. Der Eurowestern wird zum Spielplatz, auf dem man ungehemmt die innere Wildsau rauslassen kann. Die Identifikation entsteht durch die pure Lust, die aus jedem Millimeter Film sprudelt, den sichtbaren Spaß aller Beteiligten und aus Vohrers Ehrgeiz, in jeder Szene auf den Punkt zu kommen. Vielleicht einer der besten reinen Unterhaltungs- und Genrefilme, die je in Deutschland gemacht wurden. Einfach toll!

Bei den Ermittlungsarbeiten zu einem Raubüberfall fällt Inspektor Thompson (Allan Cuthbertson) in der Abtei bei Schloss Emberday einem Mörder zum Opfer. Sein Kollege Superintendent Cooper-Smith (Stewart Granger) macht sich auf die Suche nach dem verschwundenen Kollegen und kommt dabei dem kriminellen Treiben hinter Klostermauern auf die Schliche. Der ehrbare Nonnenorden ist nämlich vor allem am eigenen finanziellen Wohlergehen interessiert …

In meinem Text zu DAS VERRÄTERTOR hatte ich irrtümlicherweise behauptet, der nicht gerade erfolgreich gelaufene Film stelle die letzte internationale Koproduktion der Wallace-Reihe dar. Bei dieser Behauptung habe ich DAS GEHEIMNIS DER WEISSEN NONNE unterschlagen, der ebenfalls mit britischer Beteiligung und unter Regie des Engländers Cyril Frankel ausschließlich auf der Insel gedreht wurde. Der Film setzt den mit DER BUCKLIGE VON SOHO eingeschlagenen Kurs zumindest formal mit seiner betörenden Farbgestaltung fort: Die Sonne strahlt vom blauen Himmel auf die in quietschbunte Kleider gehüllten Damen hernieder, Innenräume sind mit viel Liebe zum Detail gestaltet und die Klosterwände künden mit sinnlichem Rosa von der Dominanz des Weiblichen, die auch inhaltlich zum Tragen kommt. Dabei scheint DAS GEHEIMNIS DER WEISSEN NONNE trotz seines melodramatisch anmutenden Titels doch auf den ersten Blick vor allem eine Männersache zu sein: Der distinguierte Stewart Granger (der diesen Film anstelle des geplatzten zweiten Teils von OLD SUREHAND zur Erfüllung seines Vertrages mit Rialto machte) gibt den Charmeur alter Prägung und wickelt die Damen reihenweise um den wohlgebräunten und sorgfältig manikürten Finger, und statt heimtückisch ausgeklügelter Intrigen geht es hier um wenig zimperlich ausgeübte Raubüberfälle. Da kommen schwere Geschütze zum Einsatz, wenn ein in eine gelbe Schutzrüstung gehüllter Eddi Arent – in seinem letzten Wallace-Film zum dritten Mal in Folge in einer Schurkenrolle zu sehen – mit einer Riesenwumme eine Tresortür durchlöchert wie einen Schweizer Käse, während die im Kundenraum Anwesenden von den Verbrechern vergast werden. Doch die Drahtzieherin ist eben eine Frau (Brigitte Horney): Und die räumt Männer, egal ob Helfer oder Feinde, mit einer Gewissenlosigkeit und Entschlossenheit aus dem Weg, dass die gar nicht merken, wie ihnen geschieht. Brigitte Horney ist vollends überzeugend und verleiht ihrer Rolle – wie auch schon in NEUES VOM HEXER – eine Gravitas, mit der zuvor schon Gert Fröbe DER GRÜNE BOGENSCHÜTZE aufzuwerten vermochte.

Aber Frankel geht noch weiter: Der henchman der Räuberbande entpuppt sich am Ende als Trudy (Susan Hampshire), die Tochter der Schlossbesitzerin Lady Emberday (Cathleen Nesbitt), der man nachsagt, schon immer männlicher gewesen zu sein als ihr verweichlichter Bruder Luke (James Culliford). Der schlüpft gern in rosafarbene Fantasiekostüme, tobt mit dem Pappschwert durch den Park oder lässt sich von der Mama bemuttern. Als Trudy enttarnt wird, bricht es aus ihr heraus: Sie wollte immer der Mann sein, der Luke ist, aber offensichtlich nie sein konnte. Die „bösen“ Frauen des Films wollen sich nicht mit der ihnen zugedachten Rolle abfinden, und finden über ihre Verzweiflung und ihren Zorn zu einer Klarheit der Tat, die sie über die Männerwelt triumphieren lässt. Zumindest bis mit Scotland Yard die Ordnungsmacht anrückt und Cooper-Smith die Verhältnisse wieder klarstellt. Er greift dann zum vollkommenen Happy End auch noch die schöne, ganz ins Schema der hilflosen damsel in distress fallende Französin Polly (Sophie Hardy) ab – allerdings nicht, ohne von ihr vorher einen Stuhl über den Schädel gezogen bekommen zu haben. Das alte Machtgefüge der Welt ist in DAS GEHEIMNIS DER WEISSEN NONNE schon gehörig ins Wanken geraten.

Das macht diesen wenig besungenen Beitrag zur Reihe zu einem der interessantesten – eine Tatsache, die er formal leider nicht ganz bestätigen kann. Schwungvoll inszeniert, lässt er den skurrilen Detailreichtum und die Freude am saftigen Effekt und der expressonistischen Überzeichnung, mit denen Alfred Vohrer seine Filme zu veredeln pflegte, vermissen. Cyril Frankel begnügt sich mit sauberer, pragmatisch gestalteter, aber eben auch effektiver Spannungsware, ordnet sich aber trotzdem qualitativ im oberen Drittel der Reihe ein. Guter Film!

Die Edgar-Wallace-Checkliste:

Personal: Eddi Arent (21. Wallace-Film), Siegfried Schürenberg (11.), Brigitte Horney (2.). Regie: Cyril Frankel (1.), Drehbuch: Derry Quinn (1.), Stanley Munro (1.), Musik: Peter Thomas (14.), Kamera: Harry Waxman (1.), Schnitt: Oswald Hafenrichter (2.), Produktion: Horst Wendlandt (19.), Brian Taylor (1.), Ian Warren (1.)
Schauplatz: Schloss Emberday und das angrenzende Kloster, London. Gedreht wurde an Originalschauplätzen in London und Umgebung.
Titel: Das zweite „Geheimnis“, zum sechsten Mal ein Farbwort. Das Geheimnis der weißen Nonne bezieht sch auf das Wesen iher kriminellen Tätigkeit.
Protagonisten: Superintendent Cooper-Smith.
Schurke: Die weiße Nonne und ihre zahlreichen Helfer.
Gewalt: Drei Ertränkungen (eine davon in einem Taufbecken), mehrere Tote bei einem Giftgaseinsatz, Erschießungen, einmal Tod durch flüssiges Gold.
Selbstreflexion: 

Es scheint, als hätte es für Hollywood-Regisseure in den Fünfziger- und Sechzigerjahren keine Möglichkeit gegeben, ihrem Beruf nachzugehen, ohne den raffgierigen Studios wenigstens einen Monumentalschinken zu bescheren: Mervyn LeRoy drehte QUO VADIS (1951), Henry King DAVID AND BATHSHEBA (1951), Michael Curtiz THE EGYPTIAN (1954), Robert Wise HELEN OF TROY (1955), Howard Hawks LAND OF THE PHARAOHS (1955), Robert Rossen ALEXANDER THE GREAT (1956), King Vidor WAR AND PEACE (1956) und SOLOMON AND SHEBA (1959), Richard Fleischer THE VIKINGS (1958) und BARABBA (1962),William Wyler BEN HUR (1959), Stanley Kubrick SPARTACUS (1960), Nicholas Ray KING OF KINGS (1961), Anthony Mann EL CID (1961) und THE FALL OF THE ROMAN EMPIRE (1964),  Joseph L. Mankiewicz CLEOPATRA (1962), J. Lee Thompson TARAS BULBA (1962) und KINGS OF THE SUN (1963), George Stevens THE GREATEST STORY EVER TOLD (1965), Franklin J. Schaffner THE WAR LORD (1965), John Huston THE BIBLE: IN THE BEGINNING … (1966) und die standardmäßig auf epische Breite abonnierten Cecil B. DeMille und David Lean THE TEN COMMANDMENTS (1956) respektive LAWRENCE OF ARABIA (1962) und DOCTOR ZHIVAGO (1965). Womit diese Liste lang, aber längst nicht vollständig ist.Vielleicht muss man den Monumentalfilm-Fluch als eine Art Initiationsritus begreifen: Wer den logistischen Albtraum einer mit Statisten, Kostümen, Pferden und Pappmacheebauten gespickten Materialschlacht überstand, ohne einen Nervenzusammenbruch zu erleiden oder sein Studio in den Ruin zu treiben, der gehörte danach dazu und durfte vielleicht auch mal einen persönlicheren Film drehen. Und so ist es weder verwunderlich, dass es 1962 auch Robert Aldrich erwischte, noch dass dessen SODOM AND GOMORRHA den Ruch der gelangweilt runtergekurbelten Pflichtaufgabe nie so ganz los wird. Interessant wird Aldrichs Film immer dann, wenn sich die Geschichte von den großen religiösen Themen ab- und den Menschen zuwendet, wenn er den Manichäismus der verdorbenen, unchristlichen Zwillingsstädte und den frommen Hebräern  verwirft und andeutet, dass die Welt komplexer ist als Gut und Böse. Leider gibt es von diesen Momenten zu wenige. Und die potenziell sleazig-krawallige Seite, die man von SODOM AND GOMORRHA eigentlich erwartet, kommt – man durfte es angesichts des Produktionsjahres und der Herkunft des Films eigentlich erwarten – ebenfalls zu kurz.

SODOM AND GOMORRHA folgt den vom braven Lot (Stewart Granger) angeführten Hebräern, die sich mit Erlaubnis von Königin Bera (Anouk Aimee) vor den Toren der Zwillingsstädte niederlassen. Die Sodomiter leben in Ausschweifung und Reichtum, den sie der gnadenlosen Ausbeutung ihrer Sklaven und den üppigen Salzvorkommen verdanken. Als die Hebräer die mit den Sodomiten verfeindeten Helamiten besiegen und dabei noch mehr Salz entdecken, werden sie schließlich zu Bürgern der Stadt. Aber die gläubigen Hebräer können sich nur schwer damit anfreunden, mit den Sündern gemeinsame Sache zu machen …

SODOM AND GOMORRHA ist bisweilen hartes Brot: Mit dem ganz großen Pomp, den andere Monuemtalepen jener Tage auffuhren, kann er nicht mithalten. Der Geschwätzigkeit, die das Genre neben prachtvollen Settings und Kostümen erzählerisch auszeichnet, wird nur wenig entgegengesetzt. Es gibt eine größere Schlachtszene in der Mitte des rund 140-minütigen Films und schließlich die Zerstörung der Städte am Ende zu bewundern, sonst ist Aldrichs Film eher ereignisarm zu nennen. Langeweile macht sich breit. Kaum weniger problematisch ist die ideologische Seite des Films: Die Geschichte der Stadt und seiner Bevölkerung, die zur Strafe für ihr sündiges Leben von Gott persönlich ausgelöscht werden, lässt sich vom eher säkularisierten, aufgeklärten Zuschauer nur schwerlich für seine Bedürfnisse umdeuten. Es bleibt kein Zweifel, dass alle Sodomiter böse sind und Gottes Werk richtig. Wenn die Mauern Sodoms also dekorativ zusammenfallen und die Einwohner unter sich begraben, ist das zwar sehr ansehnlich umgesetzt, aber auch mit einem faden Beigeschmack versehen. Zumal, wie ich schon andeutete, SODOM AND GOMORRHA in seiner Ausmalung des dortigen sündigen Treibens mehr als zurückhaltend ist. Zu Beginn liegen die Anhänger der Königin wohl vom orgiastischen Treiben ausgelaugt kreuz und quer und übereinander gestapelt auf dem Boden eines Palastraumes. Expliziter wird der Film in der Darstellung sexueller Devianz – nicht unwichtig für die biblische Geschichte – nicht. Desweiteren gibt es den Blick auf die harte Arbeit der Sklaven, zum Schluss die zugegebenermaßen grausame Bestrafung der hebräischen Verräter. Königin Bera und ihr Bruder Astaroth (Stanley Baker) legen das für Schurken typische, erwartbar arrogant-herablassende Verhalten an den Tag, das man von solchen Bösewichten kennt, das sonst aber auch nicht gleich die göttliche Intervention nach sich zieht. Demgegenüber steht Lot mit seinem nervtötend frommend Geschwätz, das seine Selbstherrlichkeit nie ablegen kann. Der Film kommt zu seinem stärksten Moment, wenn Lot dem besiegten Astaroth in einem Moment der Raserei das Schwert ins Herz rammt. Berauscht starrt er auf sein Opfer, bis der Blick auf sein Volk fällt, das die Verwandlung ihres Anführers zum heißblütigen Mörder mit stummem Entsetzen mitangesehen hat. Hier meint man dann den Aldrich zu erkennen, der weiß, dass Gut und Böse nicht fein säuberlich voneinander getrennt sind, und der als Regisseur dieses Films deshalb eine denkbar schlechte Wahl ist. Aber Aldrich kann auch nichts an der Vorlage ändern: Die Geschichte von SODOM AND GOMORRHA ist eine christlicher Schwarzweißmalerei, die einzig als grelle Exploitation ihre Daseinsberechtigung hätte. Verschenkt.