Aurelio Morelli (Mel Ferrer) ist ein alternder Schriftsteller, dessen einstiger Kritikererfolg den Abstieg in die Bedeutungslosigkeit nicht hat verhindern können. Ein Relikt einer vergangenen Zeit, wie die antiken Ruinen Roms, die er bei seinen Spaziergängen bewundert. Seinen letzten Roman mit dem gespreizten Titel „Ich bin Alkibiades“ haben in den vergangenen Jahren nur zwei Menschen aus der Bücherei ausgeliehen, die Hippies im Park, die Joints rauchen und sich gegenseitig befummeln, verlachen ihn als „Opa“, sein Verleger teilt ihm mit, dass sein Stil, seine Sprache nicht mehr gefragt seien. Nur einer legt noch wert auf eine neue Publikation Morellis und ist bereit, sie fürstlich zu bezahlen: Der schmierige Sensationsjournalist Bossi (Klaus Kinski), der weiß, dass sich hinter der Fassade des gebildeten Schöngeistes ein mehrfacher Frauenmörder verbirgt. Er zwingt Morelli dazu, seine Memoiren exklusiv für sein Revolverblättchen zu Papier zu bringen. Während Inspektor Canonica (Heinz Bennent) im Dunkeln tappt und Bossi auf das letzte Kapitel wartet, lernt Morelli die junge Agnese (Susanne Uhlen) kennen …
In Deutschland erfuhr DAS NETZ vor einigen Jahren eine DVD-Veröffentlichung, die auf das „Eurokult“-Publikum abzielte und Purzers Film als eine Art deutschen Giallo vermarktete. Wenn Purzer mit seiner Geschichte auch ein ähnliches Feld beackert wie die italienischen Thriller, kommt man der Essenz von DASS NETZ aber wesentlich näher, wenn man einen Blick auf seine Macher wirft: Hinter der Produktion steckt Luggi Waldleitner, der zu jener Zeit große Erfolge mit den Simmel-Verfilmungen feierte, für die Manfred Purzer die Drehbücher zu liefern pflegte. An der Kamera stand wie bei diesen Charly Steinberger und schuf fantastische Bilder, für die Musik – geprägt von schwelgerischen Stücken und dramatischen Streicherparts – zeichnete Klaus Doldinger verantwortlich, der kurz zuvor bereits den Score von BIS ZUR BITTEREN NEIGE komponiert hatte (in dem es um einen alternden Schauspieler ging, der in Rom sein Comeback feiern will). Wie die Simmel-Filme protzt auch DAS NETZ mit einem großen Aufgebot damaliger Fernseh- und Filmstars, Bildern mediterraner Sehenswürdigkeiten und – das scheint mir am wichtigsten – jener dekadenten-selbstverliebten Entkoppelung von der Lebenswirklichkeit seines zeitgenössischen Publikums. Einerseits zeigt sich DAS NETZ mit seinen Seitenhieben gegen die Verlogenheit des Bildungsbürgertums und seiner verkopft-verklemmten Ideale einerseits – Morelli bezeichnet sich als „Revolutionär“, der die Welt vom Schmutz und der Zügellosigkeit der Jugend befreien will -, und der Geld- und Sensationsgeilheit der Presse andererseits als gesellschaftskritisch (ein Atomkraftwerk und Umweltverseuchung kommen auch noch vor), andererseits suhlt sich der Film aber in Bildern des geschmacklosen Chics und lüsterner Altherrenerotik.
Auch wenn explizite Gewalt ebenso vermieden wird wie allzu nackte Tatsachen: DAS NETZ ist reine Exploitation, eng verwandt mit den mehrteiligen Enthüllungsstorys, die deutschen Boulevardzeitschriften damals Rekordauflagen bescherten und wie diese zutiefst heuchlerisch (ein definierendes Merkmal der Exploitation seit deren Anfangstagen). Es darf nicht einfach ein Frauenmörderfilm sein, nein, da müssen auch noch höchst bedeutungsschwanger Fragen zum Stand der Dinge und zur Zukunft des Abendlandes erörtert werden, auch wenn die Antworten über platte Phrasen und kitschige Gefühlsduselei kaum hinauskommen. Dass das Herz von DAS NETZ eigentlich knapp unter der Gürtellinie schlägt, da wo die dunklen Triebe und die einäugige Viper lauern, hat vor allem Klaus Kinski verstanden, dessen Darbietung als Bossi das Eintrittsgeld allein schon wert ist: Wie er sich mit wallender Löwenmähne und bis zum Bauchnabel aufgeknöpfter Leder- oder Jeansjacke ins Zeug schmeißt, puren koksbeflügelten Machismo aus jeder weit geöffneten Pore verströmt, wie er sich in Pose wirft und sein straff behostes Becken dabei aufreizend nach vorn schiebt, als wolle er dem ganzen Zuschauerraum seinen Schwanz ins Maul stecken, ist schon eine Schau. DAS NETZ ist in seiner ganzen Schizophrenie hoch faszinierend, ein schönes Beispiel dafür, was da einst in Deutschland im Schoße des Mainstreams für bizarre Werke entstehen konnten. Ungefähr so, als hätte Heinz G. Konsalik „Der Tod in Venedig“ geschrieben.