RAMBO wäre eigentlich ein guter Abschluss für den ewigen Soldaten gewesen, der von seinem Land erst zur perfekten Mordmaschine gemacht und dann verraten und verkauft worden war, der wieder und wieder in die Schlacht zog, weil er nichts anderes kannte. Wir sahen ihn damals, wie er nach einem über zehn Jahre später immer noch konkurrenzlosen Gemetzel nach Hause zurückkehrte, in den Frieden, der ihm bis dahin verwehrt worden war. Dass RAMBO: LAST BLOOD den geschlossenen Kreis noch einmal aufbricht, dem zur Ruhe gekommenen Krieger erneut einen Gegner gegenüberstellt, den er – wie einst in FIRST BLOOD – auf eigenem Grund besiegen muss, folgt dem Gesetz des Marktes, aber vielleicht auch der Tatsache, dass die Gewalt, die immer Teil von Rambos Leben war, ihn auch dann findet, wenn er nicht mehr nach ihr sucht.
LAST BLOOD beginnt als Altersfilm: Nachdem Rambo eine Wanderin vor einem Unwetter gerettet hat, sehen wir ihn als kauzigen, wortkargen Wunderling auf der Farm, die er mit der Mexikanerin Maria (Adriana Barraza) bewohnt, bei der Arbeit, beim Einreiten eines Pferdes und in den einsilbigen Dialogen mit der älteren Dame, die auch als Ziehmutter für die angehende Studentin Gabrielle (Yvette Monreal) fungiert, die auch für Rambo wie eine Tochter ist. Der Frieden ist perfekt, zumindest äußerlich, denn im Inneren von Rambo tobt immer noch der Tumult, den er jeden Tag mit aller Kraft unterdrücken muss. Als deutlichstes Zeichen seines Wahnsinns hat er ein riesiges Tunnelsystem unter dem Farmland gegraben, ohne jeden äußeren Sinn, wahrscheinlich vor allem, um seinen in sein Fleisch einprogrammierten Zorn eine Weile zu beschäftigen, ihm eine Richtung zu geben – oder weil er insgeheim verstanden hat, dass er eine Kreatur der Unterwelt ist, die sich vor den Menschen verstecken muss, weil sie sich erschrecken würden, wenn sie wüssten, was wirklich in ihm vorgeht. LAST BLOOD suggeriert eine unheilbare Krankheit, die in dem Soldaten schlummert und auf den Ausbruch wartet. Und das Finale bestätigt diesen Verdacht. Für Rambo kann es keine Ruhe geben. Das Sequel rechtfertigt sich gewissermaßen aus sich selbst.
Die Handlung von RAMBO: LAST BLOOD wirkt beliebig, wie der Stoff eines DTV-Actioners: Auf der Suche nach ihrem leiblichen Vater fährt Gabrielle gegen jede Warnung nach Mexiko, wo ihre Freundin Gizelle (Fenessa Pineda) ihn ausfindig gemacht haben will. Doch das in Armut lebende Mädchen hat noch einen anderen Plan: Sie verkauft Gabrielle an die mit Drogen und Mädchen handelnden Martinez-Brüder Hugo (Sergio Peris-Mencheta) und Victor (Óscar Maeneda). Rambo nimmt den Kampf gegen das Kartell auf und lockt ihre Armee schließlich auf das mit allerhand Booby Traps ausgestattete Areal seiner Farm und in die darunter liegenden Tunnel, wo er mit ihr aufräumt.
Wie schon der Teil zuvor überschreitet auch RAMBO: LAST BLOOD die Grenze vom Action- zum Horrorfilm, endet in einem Blutbad, das die Möglichkeiten dessen, was im „Mainstream“ möglich ist (und n Deutschland noch eben so, ungeschnitten mit einer 18er-Freigabe durchrutscht), mit Lust ausreizt und meine obige Lesart bekräftigt: Die Hinrichtung, die Rambo dem Oberschurken Hugo angedeihen lässt, ist nicht nur die höchst konsequente Fortführung all jener Interpretationen, die in dem Elitesoldaten immer schon eine Fortführung der antiken Heldengestalten sahen, dessen Taten beinahe mythologische Qualität haben. Sie zeigt auch, wie weit es mit der seelischen Zerrüttung Rambos tatsächlich gekommen ist. Das letzte Bild – nachdem er eine ganze Armee abgeschlachtet hat, nimmt er im Schaukelstuhl auf der Veranda seines Hauses Platz, um das noch die letzten Rauchschwaden des Kampfes ziehen – ist eine bittere Karikatur des US-amerikanischen Frontieridylls. Dieser Mann hat ja nicht einfach nur seinen Grund verteidigt: Er hat mit sadistischer Berechnung eine Situation heraufbeschworen, in der er seinen Trieben noch einmal freien Lauf lassen kann. Seine letzten Worte, mit denen er gelobt, seine (tote) Familie für immer und mit allem, was er hat, zu verteidigen, klingen wie der Bekennerbrief eines Irren, wie der Schwur eines kaputten Rächers, der die Menschlichkeit nun endgültig hinter sich gelassen und sich selbst der Dunkelheit überantwortet hat.
Als Abschiedsfilm – ein solcher wird RAMBO: LAST BLOOD angesichts des Alters seines Hauptdarstellers wohl sein, das legen auch die Schlusscredits nahe, die noch einmal markante Szenen der Vorgänger rekapitulieren – ist dieser fünfte Teil gleichermaßen unbefriedigend wie konsequent. Unbefriedigend, weil er dem Anlass unangemessen klein erscheint, ein Szenario entwirft, das hingeworfen und beliebig, in Zeiten von Trump außerdem politisch mehr als nur ein bisschen unbedarft erscheint, und dieses in schlanken 90 Minuten abfrühstückt. Man hätte sich ein bisschen mehr Epik und Originalität gewünscht für den Abgesang. Aber dann ist es eben nur folgerichtig, dass es eben nicht diese große, letzte Schlacht für Rambo geben wird, mit der er einen sauberen Schlussstrich unter seine Lebens setzen kann, keinen Frieden, keine Erlösung oder Sühne. Seine Dämonen sind nicht zu besänftigen, es kann keine Ruhe für ihn geben. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass er den Punkt erreichen kann, an dem er seine Vergangenheit einfach vergisst. Die geschlagenen Wunden sind zu tief. LAST BLOOD gibt uns nicht das, was wir uns für Rambo vielleicht gewünscht hätten, er deutet etwas weitaus Beunruhigenderes an, etwas das man nur noch in der Form preisgünstig gemachter, handlicher DTV-Gemetzel angemessen darstellen könnte, in denen der Soldat es als unsterblicher Rachegeist mit den Veranstaltern illegaler Cage-Fights, Rockerbanden, dem organisierten Verbrechen oder anderen Mainstays des Actionfilms aufnimmt. Ich wäre an Bord.