Mit ‘Sylvester Stallone’ getaggte Beiträge

RAMBO wäre eigentlich ein guter Abschluss für den ewigen Soldaten gewesen, der von seinem Land erst zur perfekten Mordmaschine gemacht und dann verraten und verkauft worden war, der wieder und wieder in die Schlacht zog, weil er nichts anderes kannte. Wir sahen ihn damals, wie er nach einem über zehn Jahre später immer noch konkurrenzlosen Gemetzel nach Hause zurückkehrte, in den Frieden, der ihm bis dahin verwehrt worden war. Dass RAMBO: LAST BLOOD den geschlossenen Kreis noch einmal aufbricht, dem zur Ruhe gekommenen Krieger erneut einen Gegner gegenüberstellt, den er – wie einst in FIRST BLOOD – auf eigenem Grund besiegen muss, folgt dem Gesetz des Marktes, aber vielleicht auch der Tatsache, dass die Gewalt, die immer Teil von Rambos Leben war, ihn auch dann findet, wenn er nicht mehr nach ihr sucht.

LAST BLOOD beginnt als Altersfilm: Nachdem Rambo eine Wanderin vor einem Unwetter gerettet hat, sehen wir ihn als kauzigen, wortkargen Wunderling auf der Farm, die er mit der Mexikanerin Maria (Adriana Barraza) bewohnt, bei der Arbeit, beim Einreiten eines Pferdes und in den einsilbigen Dialogen mit der älteren Dame, die auch als Ziehmutter für die angehende Studentin Gabrielle (Yvette Monreal) fungiert, die auch für Rambo wie eine Tochter ist. Der Frieden ist perfekt, zumindest äußerlich, denn im Inneren von Rambo tobt immer noch der Tumult, den er jeden Tag mit aller Kraft unterdrücken muss. Als deutlichstes Zeichen seines Wahnsinns hat er ein riesiges Tunnelsystem unter dem Farmland gegraben, ohne jeden äußeren Sinn, wahrscheinlich vor allem, um seinen in sein Fleisch einprogrammierten Zorn eine Weile zu beschäftigen, ihm eine Richtung zu geben – oder weil er insgeheim verstanden hat, dass er eine Kreatur der Unterwelt ist, die sich vor den Menschen verstecken muss, weil sie sich erschrecken würden, wenn sie wüssten, was wirklich in ihm vorgeht. LAST BLOOD suggeriert eine unheilbare Krankheit, die in dem Soldaten schlummert und auf den Ausbruch wartet. Und das Finale bestätigt diesen Verdacht. Für Rambo kann es keine Ruhe geben. Das Sequel rechtfertigt sich gewissermaßen aus sich selbst.

Die Handlung von RAMBO: LAST BLOOD wirkt beliebig, wie der Stoff eines DTV-Actioners: Auf der Suche nach ihrem leiblichen Vater fährt Gabrielle gegen jede Warnung nach Mexiko, wo ihre Freundin Gizelle (Fenessa Pineda) ihn ausfindig gemacht haben will. Doch das in Armut lebende Mädchen hat noch einen anderen Plan: Sie verkauft Gabrielle an die mit Drogen und Mädchen handelnden Martinez-Brüder Hugo (Sergio Peris-Mencheta) und Victor (Óscar Maeneda). Rambo nimmt den Kampf gegen das Kartell auf und lockt ihre Armee schließlich auf das mit allerhand Booby Traps ausgestattete Areal seiner Farm und in die darunter liegenden Tunnel, wo er mit ihr aufräumt.

Wie schon der Teil zuvor überschreitet auch RAMBO: LAST BLOOD die Grenze vom Action- zum Horrorfilm, endet in einem Blutbad, das die Möglichkeiten dessen, was im „Mainstream“ möglich ist (und n Deutschland noch eben so, ungeschnitten mit einer 18er-Freigabe durchrutscht), mit Lust ausreizt und meine obige Lesart bekräftigt: Die Hinrichtung, die Rambo dem Oberschurken Hugo angedeihen lässt, ist nicht nur die höchst konsequente Fortführung all jener Interpretationen, die in dem Elitesoldaten immer schon eine Fortführung der antiken Heldengestalten sahen, dessen Taten beinahe mythologische Qualität haben. Sie zeigt auch, wie weit es mit der seelischen Zerrüttung Rambos tatsächlich gekommen ist. Das letzte Bild – nachdem er eine ganze Armee abgeschlachtet hat, nimmt er im Schaukelstuhl auf der Veranda seines Hauses Platz, um das noch die letzten Rauchschwaden des Kampfes ziehen – ist eine bittere Karikatur des US-amerikanischen Frontieridylls. Dieser Mann hat ja nicht einfach nur seinen Grund verteidigt: Er hat mit sadistischer Berechnung eine Situation heraufbeschworen, in der er seinen Trieben noch einmal freien Lauf lassen kann. Seine letzten Worte, mit denen er gelobt, seine (tote) Familie für immer und mit allem, was er hat, zu verteidigen, klingen wie der Bekennerbrief eines Irren, wie der Schwur eines kaputten Rächers, der die Menschlichkeit nun endgültig hinter sich gelassen und sich selbst der Dunkelheit überantwortet hat.

Als Abschiedsfilm – ein solcher wird RAMBO: LAST BLOOD angesichts des Alters seines Hauptdarstellers wohl sein, das legen auch die Schlusscredits nahe, die noch einmal markante Szenen der Vorgänger rekapitulieren – ist dieser fünfte Teil gleichermaßen unbefriedigend wie konsequent. Unbefriedigend, weil er dem Anlass unangemessen klein erscheint, ein Szenario entwirft, das hingeworfen und beliebig, in Zeiten von Trump außerdem politisch mehr als nur ein bisschen unbedarft erscheint, und dieses in schlanken 90 Minuten abfrühstückt. Man hätte sich ein bisschen mehr Epik und Originalität gewünscht für den Abgesang. Aber dann ist es eben nur folgerichtig, dass es eben nicht diese große, letzte Schlacht für Rambo geben wird, mit der er einen sauberen Schlussstrich unter seine Lebens setzen kann, keinen Frieden, keine Erlösung oder Sühne. Seine Dämonen sind nicht zu besänftigen, es kann keine Ruhe für ihn geben. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass er den Punkt erreichen kann, an dem er seine Vergangenheit einfach vergisst. Die geschlagenen Wunden sind zu tief. LAST BLOOD gibt uns nicht das, was wir uns für Rambo vielleicht gewünscht hätten, er deutet etwas weitaus Beunruhigenderes an, etwas das man nur noch in der Form preisgünstig gemachter, handlicher DTV-Gemetzel angemessen darstellen könnte, in denen der Soldat es als unsterblicher Rachegeist mit den Veranstaltern illegaler Cage-Fights, Rockerbanden, dem organisierten Verbrechen oder anderen Mainstays des Actionfilms aufnimmt. Ich wäre an Bord.

Ist es ein Fall von „steter Tropfen höhlt den Stein“ oder gar Altersmilde? GUARDIANS OF THE GALAXY VOL. 2 ist jetzt nach SPIDER-MAN: INTO THE SPIDER-VERSE schon der zweite Marvel-Film in Folge, den ich richtig klasse fand. Und nein, ich glaube nicht, dass es einfach daran liegt, dass mein Widerstand gebrochen ist: Das Sequel zum Überraschungserfolg macht einfach Spaß, es ist bunt, witzig und spektakulär, es hat Tempo und Drive und kommt mit jener wunderbaren Leichtfüßigkeit daher, die mir bei den „großen“ Meilensteinen des MCU meist fehlt. Schon der Vorgänger verfügte über diese Eigenschaften, vielleicht auch, weil er den Vorteil hatte, mit seiner vergleichsweise unbekannten Protagonistenschar nicht die Last von fünf Jahrzehnten Comicgeschichte auf den Schultern tragen zu müssen, und mit James Gunn einen Regisseur mit Exploitationvergangenheit und der passenden Attitude. Trotzdem konnte ich die Begeisterung, die GUARDIANS OF THE GALAXY damals bei vielen auslöste, nicht hundertprozentig teilen, wobei ich heute nicht mehr weiß, woran das eigentlich lag. Ich müsste den Film noch einmal auffrischen – und ganz ehrlich, nach der Sichtung gestern habe ich da nicht übel Lust drauf.

Vor der Aufgabe stehend, mein positives Urteil zum Sequel zu begründen, könnte ich es mir leicht machen und Teile meines Textes zum bereits erwähnten SPIDER-MAN: INTO THE SPIDER-VERSE hier per copy&paste-Verfahren einstellen, aber das mache ich natürlich nicht. Also anders: Innerhalb des MCU kommt den Guardians die Rolle der respektlosen Underdogs zu, die auch schon mal zotige Pimmelwitze reißen (ohne gleich in die Niederungen eines DEADPOOL abzugleiten) und sich gegenseitig dissen, wie alte Freunde das zu tun pflegen. Sie zeichnen sich nicht durch heilige Ergebenheit gegenüber der guten Sache aus, auch nicht durch Edelmut und Unfehlbarkeit: Die Guardians sind im Gegenteil ein paar Banditen mit gutem Herz, die mangelnden Intellekt und fehlende Tugendhaftigkeit mit Einsatzbereitschaft, Improvsationsgabe und Nehmerqualitäten wettmachen. Ihre Kämpfe gegen Monster, aufgebrachte Armeen und Superschurken arten meist in chaotische Scharmützel und Ballereien aus, bei denen die Helden auch davon profitieren, dass sie das Glück des Tüchtigen auf ihrer Seite haben. Diese Charakterisierung macht das Team um Star-Lord (Chris Pratt), Gamora (Zoe Saldana), Rocket (Bradley Cooper), Drax (David Bautista) und Groot (Von Diesel) nahbar und sympathisch, verleiht den Filmen zudem jene Unvorhersehbarkeit, die die Tentpole-Produktionen des MCU, also die Filme um die Avengers, Captain America oder Iron Man, sich nur sehr selten erlauben. Es weht ein milde anarchischer Wind durch die Filme um die Guardians, sie werden beflügelt vom Enthusiasmus der Helden, die es halt auch einfach ziemlich geil finden, durchs Weltall zu rasen und sich mit Superwaffen in die Schlacht zu werfen – auch wenn sie dabei manchmal auf die Fresse bekommen. Heldentum ist hier gleichbedeutend mit Fun und Abenteuer, eben nicht mit der oft beschworenen Verantwortung und drückendem Pflichtgefühl: Zwar setzen sich die Guardians immer für das Gute ein, aber oft genug nervt es sie auch, dass sie nicht einfach nur miese, ausschließlich auf den eigenen Vorteil bedachte Halsabschneider sein können. (Das erinnert mich etwas an die Filme meines großen Helden Bud Spencer – eine sehr gute Referenz!) Der ideologisch befremdliche Militarismus der Avengers, die sich da regelmäßig von irgendwelchen fragwürdigen Institutionen für das angebliche „greater good“ einspannen lassen, ist hier gänzlich abwesend. Das ist sehr wohltuend.

Sowohl GUARDIANS als auch VOL. 2 profitieren außerdem immens davon, dass sie als poppige Space Opera angelegt sind und demnach visuell aus dem Vollen schöpfen können – und das auch tun: GUARDIANS OF THE GALAXY VOL. 2 hält sich gar nicht erst lang mit einer Exposition auf, sondern versetzt den Zuschauer mitten rein in den Kampf gegen ein riesiges zahnbewertes Krakenmonster, macht ihn mit den goldhäutigen Klonen der Sovereign bekannt, entführt ihn in einen an TOTAL RECALL erinnernden Amüsierbetrieb sowie den Planeten Ego, der von seinem göttlichen Namenspatron zu einem trügerischen Paradies geformt wurde. Es gibt jede Menge fantasievoller Kreaturen und Kostüme zu bestaunen sowie erstklassig choreografierte Action-Set-Pieces. Der Film läuft geradezu über vor Stilwillen und Ideen und macht nicht den Fehler „Dynamik“ mit „Hektik“ zu verwechseln. Jede Sequenz ist perfekt durchkomponiert, folgt einem klaren visuellen Konzept – ich denke da nur an den fliegenden Pfeil von Yondu (Michael Rooker), der mit der Hilfe seiner einen roten Schweif hinter sich herziehenden Waffe die hundertköpfige Besatzung eines Raumschiffes ausschaltet. Dass die eigentliche Story letztlich auch wieder nur auf den Kampf gegen einen Superschurken hinausläuft, ist angesichts dieses Reichtums verzeihlich, zumal dieser Konflikt durch seine spezielle Konstellation mit einer Fallhöhe ausgestattet ist, die anderen Superheldenfilmen abgeht. Wie INTO THE SPIDER-VERSE vor ihm, fand ich auch dieses Sequel im besten Sinne bewegend und menschlich. So abgedreht GUARDIANS OF THE GALAXY VOL. 2 auch ist, letztlich geht es um Sorgen, Ängste und Gefühle, die universell sind. Und eben nicht darum, sich mit Gleichgesinnten zu vereinen, um sich in einem allumfassenden Krieg gegen das zurückzuschlagende Böse zu opfern.

Ach ja, der Soundtrack ist auch wieder toll.

 

 

 

Wenn man sich seine Filmografie seit seinem Comeback mit ROCKY BALBOA im Jahr 2006 anschaut, könnte man zu dem Schluss kommen, dass Stallone sich seit nun fast 15 Jahren auf einer Art Abschiedstournee bzw. Ehrenrunde befindet. Der nominelle Abschluss der Boxersaga, die ihn zum Star und zur Ikone machte, ließ den 16 Jahre zuvor produzierten Fehlschlag namens ROCKY V vergessen und versöhnte die Fans mit dem einstigen Champ, der so sang- und klanglos von der Bildfläche verschwunden war. JOHN RAMBO versetzte im Anschluss allen, die nach dem melodramatischen Boxerfilm vielleicht vermutet hatten, Stallone könne weich geworden sein, mit dem vielleicht brutalsten Actioner aller Zeiten einen heftigen Nierenschlag. Mit THE EXPENDABLES und seinen Sequels beschenkte Stallone dann die Freunde des Actionkinos, die ihm über all die Jahre die Treue gehalten hatten, mit einem amtlichen Best-of-Paket, für das sich seine einstigen Weggefährten die Klinke in die Hand gaben. Und CREED zeugte dann zwar von der Einsicht, dass Rockys Geschichte vielleicht auserzählt war, dass seine Vergangenheit aber immer noch Stoff für neue Filme bot, in diesem Fall ein Spin-off um den Sohn seines einst größten Rivalen. Diese Liste liest sich tatsächlich nicht gerade, als könne Stallone das Feuer der lodernden Kreativität kaum besänftigen: Er begnügt sich seit einiger Zeit eher damit, sein Erbe zu verwalten. Aber er tut dies ohne Zweifel mit Herz und  Liebe für seine Schöpfung, die ja zudem wirklich beachtlich ist: Mit Rambo und Rocky hatte Stallone gleich zwei Figuren geschaffen, die zu Archetypen wurden – und dabei untrennbar mit ihm verbunden sind.

CREED 2 ist innerhalb des oben skizzierten letzten Abschnitts von Stallones Schaffen so etwas wie der Nachklapp zum Nachklapp. CREED war vor drei Jahren noch einmal ein unerwartetes Highlight gewesen, ein Film, der vielleicht nicht in der Liga von ROCKY spielte, wahrscheinlich auch nicht in der des Alterswerks ROCKY BALBOA, aber dennoch eine würdige Fortsetzung – auch wenn sich diese ja den Anschein eines Neustarts gab. Michael B. Jordan ist als Adonis, Sohn von Apollo Creed, zwar einnehmend genug, um auch ein Sequel zu tragen, aber so ganz verbergen kann dieses nicht, dass es im Wesentlichen von Nostalgie getrieben wird. Nachdem also zuvor die alte Rivalität zwischen Stallone und Creed aufgegriffen und abgeschlossen worden war, wird nun die russische Kampfmaschine Ivan Drago (Dolph Lundgren) aus ROCKY IV aus der Versenkung geholt, der damals Adonis‘ Vater im Ring umgebracht hatte. Dolph Lundgren in einem großen Hollywood-Film zu sehen, ist für mich immer Grund zur Freude, ebenso wie ich von Ausflügen in Rockys Vergangenheit nicht genug bekommen kann – ich liebe diese Geschichten einfach -, trotzdem kann CREED 2 den Eindruck, man habe hier einfach ein erfolgreiches Schema genommen und lediglich die Variablen neu gefüllt, nicht zerstreuen.

CREED 2 bedient sich dramaturgisch bei ROCKY III – Adonis muss wie einst Rocky das Kämpferherz wiederfinden – und logischerweise bei ROCKY IV – auf dem Weg zur Wiedergeburt muss die alte Haut abgeworfen werden, das Training findet nicht im mit allen Annehmlichkeiten ausgestatteten Fitnesstempel statt, sondern in der Wüste. Als Parallele zur Krebstherapie, die Rocky im Vorgänger bewältigen musste, wird Adonis Vater einer Tochter, die den Hörfehler der Mutter (Tessa Thompson) geerbt hat: Ein weiterer Rückschlag, der dazu beiträgt, dass sich Adonis als vom Schicksal Gebeutelter begreift, anstatt die Initiative zu ergreifen. Wenn man gleich zu Anfang den gealterten Ivan Drago durch die graue Tristesse Kievs joggen sieht, die Abrissbude, die er bewohnt, mit dem Luxus von Creeds Wohnung vergleicht, eröffnen sich zahlreiche interessante erzählerische Möglichkeiten, die der Film leider liegen lässt. So schön es ist, diesen Drago wiederzusehen: Die Autoren haben sich nicht viel Mühe damit gemacht, ihn zum vollwertigen, differenzierten Charakter zu machen. Seit 30 Jahren hegt er einen Groll gegen Rocky, plant er, einem Superschurken gleich, seine Rache. Das ist schade, weil ich ihm einen besseren Werdegang, ein gutes Leben gewünscht hätte: Den eindimensional Bösen musste er schließlich damals schon geben. Dass Drago es in all dieser Zeit nicht geschafft hat, seinen Frieden zu machen, seinem Leben eine neue Richtung zu geben, macht ihn nicht nur uninteressanter, als er es verdient hat, es lässt auch seine finale Wandlung unglaubwürdig erscheinen. Brigitte Nielsen, die in ROCKY IV Dragos Frau verkörperte, tritt ebenfalls wieder auf, aber auch sie hat kaum eine andere Funktion, als den Fanservice. (THE EXPENDABLES 2 hatte schon dasselbe Problem.) Mir hat CREED 2 trotz dieser Mängel immer noch gut gefallen: Stallone ist toll, Jordan ebenfalls, der Besuch am Grab von Adrian hat mich wieder zu Tränen gerührt, genau wie Rockys Versöhnung mit seinem Sohn (Milo Ventimiglia) am Ende. Und die Boxkämpfe sind wie immer eine Schau, eh klar. Aber beim nächsten Mal darf sich Stallone ruhig wieder etwas mehr trauen. Das würde ihm ganz bestimmt auch Rocky empfehlen. Das Auge des Tigers, Mann!

Bei einer gemeinsamen Landpartie berichtet das Glamour-Girl Iris (Susan Blakely) ihrem Liebhaber, dem Gangsterboss Capone (Ben Gazzara), mit dem sie liiert ist, von einer Freundin, deren Freund sie betrogen habe. Ob er da nicht „etwas“ tun könne? Natürlich, gibt Capone zu verstehen, keinen Zweifel daran lassend, dass er jedereit einen ihm völlig Unbekannten umbringen lassen würde. Iris ist kurz schockiert und fragt noch einmal nach. „Es ist eine Freundin von dir, du bist eine Freundin von mir und Freunden hilft man“, bestätigt Capone seine klaren Prinzipien. Ihr Erschrecken weicht einem teuflischen Lächeln: „Darf ich zuschauen?“

Die beste Szene des Films lässt erahnen, warum Corman in den Siebzigerjahren mit seinen Period Pieces offene Türen einrannte: Die Faszination der Gewalt trägt weit, vor allem in den USA, deren Reichtum in nicht unerheblichem Maße auf Blut gegründet ist (wahrscheinlich gilt das sogar für allle Industrienationen). Sie erklärt aber auch, warum Carvers CAPONE gar nicht erst versucht, den Mann hinter dem weltberühmten Namen als Individuum aus Fleisch und Blut begreiflich zu machen, sondern sich damit begnügt, die Legende vom blutrünstigen, machtgeilen Narbengesicht weiterzuerzählen. Was Capone antreibt, warum er selbst Freunde mit Eiseskälte über die Klinge springen lässt, bleibt sein Geheimnis. Sind es vielleicht schon die Vorboten der Sipyhlis, die ihn 1947 im Alter von 48 Jahren tötete? Angeblich hatte er sich aber erst 1928 mit der Krankheit infiziert.

So begnügt sich der Film damit, den Aufstieg und die Bluttaten von Capone in episodisch-rasanter Folge nachzuerzählen, mit einiger Freiheit gegenüber den verbrieften Fakten außerdem. Das trägt nicht nur, weil die Geschichte gut ist, CAPONE perfekt besetzt und von Sparfuchs Corman schön ausgestattet, sondern eben auch, weil gerade die Weigerung, den Protagonisten irgendwie psychologisch aufzuschlüsseln, den Faktor der Faszination unterstützt. Müssen wir uns einfach damit abfinden, dass es Menschen gibt, die brutal sind, Freude an der Gewalt haben und kein Mitleid kennen? Es scheint so. Schon Capones erste Bluttat des Films, der Angriff auf zwei Polizisten, die einen Einbruch vereiteln wollen, folgt keiner echten Motivation, er geht einfach seinem Impuls nach. Auch sein Mentor Johnny Torrio (Harry Guardino), der Capone unter seine Fittiche und mit nach Chicago nimmt, kann diesen „Straßenköter“, der keine Manieren kent, nur den Rausch der Macht, nicht austreiben. Und in einem System der Gewalt obsiegt der, der am skurpellosesten ist. Das sich über mehrere Jahre erstreckende Blutregime gipfelt in der Hinrichtung von sieben Männern aus der Bande von Bugs Moran im Jahr 1929: Dem sogenannten „St. Valentine’s Day Massacre“ hatte Corman einige Jahre zuvor schon einen eigenen Film gewidmet (mit Jason Robards in der Rolle Capones) und es ist interessant, das hier noch einmal zu sehen, in Bildern, die sich von der älteren Variante kaum unterscheiden (ein paar Szenen aus ST. VALENTINE’S DAY MASSACRE werden in CAPONE erneut verwendet).

Es ist der Zeitpunkt, an dem sich auch die Untergebenen endgültig von ihrem Chef abwenden, sogar der treue Bodyguard Frank Nitti (Sylvester Stallone), der aber den Teufel tun und Capone konfrontieren wird: Stattdessen gibt er den Obrigkeiten den Hinweis, der Capone schließlich in den Bau bringt und ihm die Führung des Chicagoer Outfits. Von Elliott Ness und seinen „Unbestechlichen“ felt in Carvers Film jede Spur. CAPONE endet mit einem Besuch Nittis bei seinem alten Boss, der aber, von der Siphylis gezeichnet, nur noch wüste Tiraden gegen die „Bolschewiken“ ablässt und sonst nicht mehr ansprechbar ist. Seinem eigenen Helfer gibt Nitti noch auf den Weg, dass man sich als Boss nicht vor den Feinden, sondern vor den engsten Vertrauten schützen muss. Der so Belehrte schaut ominös in die Kamera, aber Nitti wählte den Zeitpunkt seines Todes selbst. 1943 erschoss er sich selbst, warum ist bis heute ungeklärt.

CAPONE ist durchweg unterhaltsam und bereitet seinem Hauptdarsteller natürlich eine wunderbare Bühne: Mit Wattepfropfen in den Backen dreht Gazzara mächtig auf, schreit, geifert, heult und spuckt. Er gibt dem Verbrecher das manische Lächeln einer Hyäne, zeichnet ihn als lüsternen Psychopathen, der nie ein anderes Mittel kannte als die Gewalt. In weiteren Rollen sind u. a. John Cassavetes als Frankie Yale zu sehen, Martin Kove als Morans Killer Frank Gusenberg, etliche wunderbare italoamerikanische Charakterfressen und natürlich Dick Miller als korrupter Bulle, der einmal gegen Capone gewinnen darf, aber daraufhin eine nachhaltige Warnung bekommt.

creed_poster_by_sahinduezguen-d99fk7gROCKY BALBOA ist jetzt auch schon wieder zehn Jahre alt. 16 Jahre nach ROCKY V, dem Tiefpunkt von Stallones Boxersaga, kehrte der Star zu der Figur zurück, die ihn zur Hollywood-Marke gemacht hatte. Was ein peinlich-schmerzhafter Versuch hätte werden können, im Alter noch einmal an die großen Erfolge anzuknüpfen, geriet zum Triumph: Mit seinem Film begründete Stallone eine Art Renaissance der vergessenen Actionhelden, die in den folgenden Jahren und Filmen nicht mehr nur gegen die üblichen Schurken, sondern auch gegen das eigene Alter, den langsam verfallenden Körper, enttäuschte Erwartungen, schwindende Hoffnungen und geplatzte Träume antreten mussten.

Mit CREED ist ihm nun das Wunder gelungen, an einen Film anzuknüpfen, der eigentlich schon ein perfektes Schlusswort war. Und das mit einer Idee, die sich zunächst nach einer der gängigen Reboot-/Spin-off-Strategien anhört, mit denen Hollywood derzeit systematisch alle Zuschauer verprellt, die dem Teenageralter intellektuell entwachsen sind. Rocky Balboa, der alte Terrier des Boxrings, tritt endgültig ins hintere Glied zurück, macht einem jüngeren Platz, in dessen Streben nach dem Erfolg und der Bestätigung, die die eigene Identität sichern sollen, er sich selbst wiedererkennt, gibt diesem sein Wissen und seine Erfahrung weiter. Aber es handelt sich bei diesem Jüngeren nicht um irgendeinen Boxer: Es ist Adonis Johnson (Michael B. Jordan), Sohn von Rockys einstiger Nemesis Apollo Creed, mit dem er sich inner- und außerhalb des Rings epische Schlachten lieferte (ROCKY & ROCKY 2), nach dessen Karriereende sogar von ihm trainiert wurde (ROCKY 3) und dessen Tod er in einem vermeintlich harmlosen Showkampf erleben musste (ROCKY IV).

CREED liefert ein Update für die alte Rags-to-Riches-Geschichte, die Stallone in seinem Durchbruchsfilm erzählte. Adonis ist nämlich nicht der mittellose Immigrantensohn, dessen einzige Chance, nach oben zu kommen, der Boxsport ist. Das Vermögen, das der ihm unbekannte Papa hinterlassen hat, sollte ihm ein sorgenfreies Leben ermöglichen, in seinem Bänkerjob ist er eben erst befördert worden, existenzielle Sorgen hat er nicht. Aber weder ist dieser Reichtum der seine, noch erfüllt ihn das Leben in der Seifenblase. Ihm geht es darum, die eigene Identität zu finden, seinen eigenen Weg zu gehen, sich den berühmten Namen des Vaters zu verdienen, anstatt ihn als Türöffner in eine geborgtes Leben zu benutzen. Adonis‘ Generation hat nicht mehr mit der Armut zu kämpfen, sondern damit, dass es keine Gelegenheiten mehr gibt, sich als Persönlichkeit zu beweisen. Dem alternden Rocky imponiert sein Ehrgeiz, es auf seine Weise zu schaffen: Und natürlich besteht da eine Art familiärer Verbindung. Rocky, der seine große Karriere als abgeschlossenes Kapitel betrachtet, als angestaubte Historie gewissermaßen, bekommt eine Gelegenheit, diese eigene Geschichte in der Gegenwart weiterzuschreiben, Kontinuität zu schaffen, wo bislang eine Zäsur klaffte. So fügt sich auch der vielleicht wie ein melodramatisches Klischee anmutende Handlungsstrang um Rockys Krebserkrankung in den Film ein: Die Freund- und Mentorenschaft zu Adonis gibt dem alten Mann, der eigentlich keinen Grund mehr zu Leben sieht, die Motivation, weiterzukämpfen. Ohne Boxhandschuhe und gegen einen Gegner, dessen Gewicht sich nicht in Pfund beziffern lässt.

Ich bin, was Stallone und Rocky angeht, überhaupt nicht zur Objektivität in der Lage: Auch gestern saß ich pünktlich zum Finale, Adonis‘ großem Titelfight, wieder einmal on the edge of my seat, wich den auf dem Bildschirm geworfenen Geraden aus, verzog bei jedem Treffer das Gesicht. Vorher schon hatten mir Rockys Schicksal die Tränen in die Augen getrieben und die Referenzen an nicht weniger als 40 Jahre Filmgeschichte nostalgische Gefühle beschert. Aber Ryan Coogler macht das alles wirklich sehr subtil: Seine Ausflüge in die Vergangenheit und die Zitate machen im Rahmen seiner Geschichte Sinn und wirken niemals anbiedernd. Bei Adonis‘ Dauerlauf durch die heruntergekommeneren Ecken von Philadelphia folgen ihm die Fans nicht mehr zu Fuß, sondern auf aufgemotzten Sportbikes, Zeichen des wirtschaftlichen Wandels und eines grassierenden Materialismus. Der berühmte Treppensprint zum Ende ist hingegen deutlich leiser, aber der Triumph, der da errungen wird, wiegt wahrscheinlich schwerer als jeder Championship-Gürtel in den vorangegangenen Teilen. CREED ist ein wunderschöner Film, der dem Spirit des Siebzigerjahre-Klassikers verdammt nahe kommt. Ich würde an dieser Stelle eigentlich sagen wollen, dass CREED ein würdiger Abschluss ist, aber das dachte ich nach ROCKY BALBOA ja auch schon. In einem hingegen bin ich mir jetzt sehr, sehr sicher: Die Rocky-Reihe ist die großartigste Filmreihe der Geschichte. Und Stallone ein Heiligtum.

 

 

Ich weiß nicht, wie es passieren konnte, dass GRUDGE MATCH völlig an mir vorbeiging, als er vor knapp zwei Jahren unter dem Titel ZWEI VOM ALTEN SCHLAG in den deutschen Kinos startete. Ein Film, in dem mein Lieblingsschauspieler  Sylvester Stallone in Anlehnung an seinen Rocky Balboa einen Alters-Boxkampf gegen den „Raging Bull“ De Niro schlägt, passt eigentlich nahezu perfekt in mein Beuteschema. Möglicherweise lag mein Versäumnis in der eher schwachen, um nicht zu sagen verheerenden Performance begründet, die Peter Segals Komödie in den USA ablieferte. GRUDGE MATCH kam hier ohne große Fanfaren ins Kino und verschwand ebenso lautlos wieder. Die Zeiten, in denen ein neuer Film mit Stallone oder De Niro ein Event war, ein gemeinsamer gar zum popkulturellen Event erklärt worden wäre, sind schon lange vorbei. Der einstige King of Action hat mit den irgendwie egalen drei EXPENDABLESFilmen sein Auskommen gefunden, der andere seinen Ruf als bester Schauspieler aller Zeiten durch die Teilnahme in nichtswürdigen Vehikeln fast vollständig ruiniert. Nun muss man sagen, dass Segals Film keine großen Ambitionen verkörpert: GRUDGE MATCH ist eine dramaturgisch formelhaft ablaufende Komödie, die mit punktgenau gesetzten Sentimentalitäten aufs Herz abzielt, dabei aber eben – und das macht den Unterschied – meist die richtigen Töne trifft. Der Ausgang ist vorhersehbar und große Überraschungen sollte man nicht erwarten. Aber GRUDGE MATCH verlässt sich auch nicht ausschließlich auf die Namen seiner beiden Hauptdarsteller oder auf den USP, sie beide zusammengebracht zu haben. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass beide hier ihre beste Darbietung seit Jahren abliefern und in ihren gemeinsamen Szenen eine unschlagbare Chemie an den Tag legen. Stallone beherrscht den zurückgezogenen, wortkargen und einfach gestrickten Loner mittlerweile aus dem FF und das Resultat, wenn man diesen Typen auf die großmäulige Giftspritze De Niro treffen lässt, ist große Comedy, bei der auch die Details stimmen. Das Unbehagen, das Stallones Henry „The Razor“ Sharp in Gegenwart des alten Erzfeindes Billy „The Kid“ McDonnen verspürt, sieht man etwa darin, wie er diesem immer leicht den Rücken zudreht.

Worum geht es? Für die beiden ehemaligen Boxweltmeister und Rivalen eröffnet sich die Gelegenheit zu einem damals überraschend abgeblasenen Rematch, als eine Keilerei zwischen den gealterten Kontrahenten zur Internetsensation wird. Dante Slate jr. (Kevin Hart), Sohn des einstigen Managers der beiden, wittert die Chance auf das große Geld und beginnt, die Werbetrommel zu rühren. Je mehr Auftritte die beiden knurrigen Typen zusammen absolvieren, umso größer wird das Interesse, bis die beiden sich schließlich in einer ausverkauften Halle beweisen, dass sie längst noch nichts verlernt haben. Nebenher werden alte Beziehungen neu geknüpft, Fehler ausgeräumt und Lehren gezogen, wie das in solchen Filmen immer ist: Henry verzeiht seiner alten Flamme Sally (Kim Basinger), dass sie ihn einst ausgerechnet mit Billy betrog, Billy wiederum lernt seinen Sohn B. J. (Jon Bernthal) kennen, heuert ihn als Trainer an und lernt es, Verantwortung als Vater und Großvater zu übernehmen. Das ist alles sehr safe und familientauglich, selbst wenn die Gags mal unter die Gürtellinie zielen, was meist aufs Konto De Niros geht, aber eben sauber gemacht und mit dem Herzen am rechten Fleck. Peter Segal, von dem u. a. auch die tollen Sandler-Filme ANGER MANAGEMENT und 50 FIRST DATES sind, meistert sowohl die komischen als auch die sentimentalen und spannenden Momente, liegt eigentlich nur zu Beginn daneben, als sich in einer Fernsehdokumentation die mit CGI verjüngten Protagonisten balgen und man sich plötzlich in einem Videospiel wähnt. Das sieht dann eher hässlich und grotesk aus.

Ich mochte GRUDGE MATCH jedenfalls weitaus mehr, als er das seiner Anlage nach vielleicht verdient hat und habe es durchaus genossen, mich mal wieder so richtig von Hollywood manipulieren zu lassen, Tränchen im Knopfloch inklusive.

Die EXPENDABLESReihe ist irgendwie seltsam.

Als vor rund sechs Jahren die Kunde umging, das Sylvester Stallone mit einer ganzen Horde alter Action-Recken einen Söldnerfilm drehe, da war die Euphorie riesig. Auch der erste Trailer, der schmerzhaft deutlich machte, dass man keinen Throwback in selige alte Zeiten erwarten durfte, konnte daran nichts ändern. Der Film, der dann ins Kino gelangte, war nun aber keineswegs vom Ehrgeiz alter Männer geprägt, den Jungen noch einmal zu zeigen, was eine echte Harke ist, sondern von geradezu aufreizender Entspanntheit. Kein Vergleich zu Stallones ultrabrutalem, in fiebrigem Zorn inszeniertem JOHN RAMBO. THE EXPENDABLES kam nicht in seinen eher enttäuschenden Actionszenen zu sich, sondern im von Harmonie geprägten Miteinander seiner Charaktere. Der ganze Film wirkte tatsächlich wie ein Treffen alter Kumpels, bei dem nebenbei und eher zufällig auch noch ein Film entstanden war. Ich fand gerade das sehr schön, doch offensichtlich sahen die Macher den Grund für den Erfolg des Revivals ganz woanders. Für THE EXPENDABLES 2 wurde die Riege der alten Männer noch einmal erweitert, Jean-Claude Van Damme, Chuck Norris und Scott Adkins wurden eingebunden, die Cameos von Arnold Schwarzenegger und Bruce Willis zu vollwertigen Nebenrollen umgeschrieben. Das Budget wurde nach guter, alter Sequellogik aufgestockt, mit Simon West ein Regisseur verpflichtet, der nicht gerade im Ruf steht, ein Traditionalist oder Handwerker alter Schule zu sein, der ganze Film noch mehr in Richtung Altherren-Kaffeefahrt gebürstet, die mich mit ihren nervtötenden Ausflügen in den ironisch-selbstreferenzielle *Wink-wink*-Metahumor massiv angenervt hat. Hier war endgültig klar, dass man nicht die Tradition im Blick hatte, sondern all die Fans, die den Actionfilm im Grunde genommen total bescheuert finden, sich aber auch noch dann vor Freude in die Hosen machen, wenn Arnie zum hundertsten Mal „I’ll be back!“ stammelt. Furchtbar.

Meine Hoffnungen hinsichtlich THE EXPENDABLES 3 waren demzufolge mehr als gering, eigentlich sogar nahezu inexistent und das nochmalige Aufstocken des eh schon unübersichtlichen Casts ließ Schlimmstes befürchten, zumal man durchaus geteilter Meinung darüber sein darf, ob Leute wie Antonio Banderas, Harrison Ford oder Kelsey Grammer hier überhaupt reingehörten. Dass mit Patrick Hughes ein namenloser Newcomer auf den Regiestuhl gesetzt wurde, stimmte auch nicht eben hoffnungsfroh. Aber erstaunlicherweise ist durchaus eine Art „Rückbesinnung“ zu konstatieren: Der Film kommt nicht mehr als debile, übersteuerte Gagparade rüber, sondern als weitestgehend „ernster“ Actionfilm mit komischen Elementen, der wieder einmal die Kameradschaft der alten Recken betont. Mit dem ersten Teil hat er aber auch die Tatsache gemeinsam, dass die Actionszenen – auch wenn sie in der Summe fast die gesamte Spielzeit einnehmen – sehr middle-of-the-road anmuten. Wirklich hängen bleibt da nichts, Momente, in denen man mitfiebert, aufspringen möchte oder auch einfach nur „Fuck yeah!“ denkt, sind Mangelware. Wie schon im direkten Vorgänger ist ein von Stallone mit seiner unnachahmlich gutturalen Stimme gemurmelter One-Line das einsame Highlight. Wenn Mel Gibsons Oberschurke, der Waffenhändler Blackstone, seinen alten Kumpel Barney (Sylvester Stallone) daran erinnern will, dass er ihn lebendig vor dem Gerichtshof in Den Haag (englisch: The Hague) abzuliefern habe, sagt der nur staubtrocken „I am The Hague!“ und knallt den Halunken nieder. Hose: Geplatzt, Mind: Blown, Mission: Accomplished. THE EXPENDABLES 3 sollte eigentlich voll sein mit solchen Momenten, stattdessen wirkt er aufreizend selbstzufrieden, mit lässiger Geste hingeworfen von Leuten, die glauben, dass die geballte Zugkraft ihrer Namen auf dem Plakat schon die halbe Miete ist. Das finde ich, wie schon beim ersten Teil, durchaus sympathisch, aber ein richtig guter Film wäre mir dann doch noch ein Stück lieber gewesen. Die Rechnung ging dann ja auch nicht auf: Nachdem die ersten beiden Filme noch rund das Dreifache ihres Budgets eingespielt hatten, reduzierte sich das mit dem dritten Film auf das Doppelte.

Es ist tatsächlich schwer, für THE EXPENDABLES 3 echte Emotionen aufzubringen, was an sich ja schon ein kleiner Skandal ist: Klar, es ist einfach schön, diese Typen da vereint auf der Leinwand zu sehen, ihnen dabei zuzuschauen, wie sie im großen Stil Sachen kaputt machen. Antonio Banderas ist als liebenswerter Dauerschwätzer Galgo durchaus putzig, Mel Gibson als Schurke wie zuvor schon Jean-Claude Van Damme ein Höhepunkt (diese Szene, in der er ganz langsam, fast bedächtig eine Treppe hochzugleiten scheint) und einen Gastauftritt von Robert Davi werde ich eh immer zu würdigen wissen. Ich finde es auch angenehm, dass dieser Film nicht mit großer Dominanzgeste inszeniert wurde, sondern fast bescheiden anmutet, dass es innerhalb des ganzen Getöses am Ende des Tages um die Freundschaft dieser Typen geht (auch wenn die Screentime jedes einzelnen kaum noch der Rede wert ist). Bei allem Technik- und Effektbrimborium bewahrt der Film seinen menschlichen Kern, was ihm sein „Alleinstellungsmerkmal“ beschert und auch seinen Reiz ausmacht. Auch Kurzweiligkeit kann man THE EXPENDABLES 3 nicht absprechen. Das ist eine Basis, auf der sich etwas Wunderbares aufbauen ließe, der erste Schritt, auf den dann ein zweiter und dritter folgen müssten. Leider scheinen dazu aber weder der Wille vorhanden gewesen zu sein, noch ausreichend Energie oder Kreativität. Tatsächlich bestätigen die EXPENDABLES-Filme letztlich genau das, was sie eigentlich zu widerlegen angetreten waren: Dass die Beteiligten nämlich tatsächlich entbehrlich geworden sind. Und darüber täuschen sie auch nicht hinweg, indem sie einen besonders farblosen Trupp Jungspunde rekrutieren.

Ray Breslin (Sylvester Stallone) verdient sein Geld damit, aus Gefängnissen auszubrechen: Er wird engagiert, um ihre Sicherheitslücken zu finden, auszunutzen und so zu ihrer Verbesserung beizutragen. Bisher ist er aus jedem Knast entkommen, doch seine neueste Aufgabe führt ihn an seine Grenzen: Nicht nur ist der Hochsicherheitsknast für politische Gefangene oder hoffnungslose Fälle, genannt „the tomb“, nach Breslins Buch konzipiert, man hat auch jede Verbindung zu seinen Leuten gekappt. Es gibt keine Chance, seinen Auftrag abzubrechen. Vort Ort macht Breslin Bekanntschaft mit Rottmayer (Arnold Schwarzenegger): Der sitzt ein, weil er den international gesuchten Finanzkriminellen Mannheim kennt, den der korrupte Gefängnisdirektor Hobbes (Jim Caviezel) in seine Gewalt bringen möchte. Breslin und Rottmayer erarbeiten gemeinsam einen Plan, zu entkommen. Doch eine Entdeckung lässt ihre Hoffnungen auf den Nullpunkt sinken …

Die erste echte Paarung der ehemaligen erbitterten Konkurrenten Stallone und Schwarzenegger (nach den beiden EXPENDABLESFilmen) ist naturgemäß nicht das ganz große Feuerwerk, das diese Paarung vor 20, 30 Jahren ohne Frage bedeutet hätte. Die beiden Herren sind in die Jahre gekommen und lassen sich auch gern entsprechend inszenieren: Stallone überzeugt mal wieder in seiner Paraderolle als wizened veteran, als Mann, der keine großen Reden schwingt, sondern lieber mit guter Beobachtungs- und Auffassungsgabe überzeugt und den nichts mehr wirklich umhauen kann. Schwarzenegger ist als Rottmayer demgegenüber etwas gesprächiger und humorvoller, doch hinter seinem offenherzigen Wesen verbirgt sich ein Mann mit dem ein oder anderen Geheimnis. ESCAPE PLAN ist streng genommen Holywood-Bullshit: Konzeptkino, das mit einer überkonstruierten Story voller Twists und Turns aufwartet, die sich für superclever hält, aber vor Plotholes, Logiklöchern und Glaubwürdigkeits-Überstrapazierungen nur so strotzt. Ich bin allerdings gern bereit, über so etwas hinwegzusehen, wenn das Gesamtpaket stimmt, und das ist hier ohne Frage der Fall. Gefängnis- und besonders Ausbruchsfilme finde ich eigentlich immer klasse, die Idee um den Ausbrecherkönig im Superknast ist interessant, die Chemie der beiden Superstars stimmt, die Besetzung ist erlesen – neben den Genannten agieren Vincent D’Onofrio und Curtis „50 Cent“ Jackson als Breslins Geschäftspartner, Vinnie Jones als sadistischer Gefängniswärter und Sam Neill als Gefängnisarzt – und dass die Production Values über jeden Zweifel erhaben sind, ist eh klar. Vor allem aber ist ESCAPE PLAN sauber erzählt, ohne blöde Anbiederungen an den Zeitgeist, ätzende Manierismen oder anderen Kram, der erwachsenen Menschen heute sonst so oft den letzten Nerv raubt. Ich würde sogar sagen, dass der Film angenehm understated ist, sich ganz auf die granitene Präsenz seiner beiden Zugpferde verlässt und so einen Hauch von Siebzigerjahre-Männerkino ins gegenwärtige Eventkino bringt. Kein Meisterwerk, aber nettes Entertainment also, deutlich besser als das, was einem sonst in diesem Segment serviert wird. Und wenn Schwarzenegger in einer Szene deutsch spricht, dann merkt man erst, wie sehr man sich daran gewöhnt hat, ihn auf Englisch radebrechen zu hören.

Nur drei Jahre nach dem bahnbrechenden RAMBO: FIRST BLOOD PART II entstanden, war die Welt im Jahr 1988 doch bereits eine andere. Die Annäherung der vormals verfeindeten Blöcke hatte begonnen (mit bekanntem Ausgang) und der Rückzug der russischen Armee aus Afghanistan war schon eingeleitet. Als RAMBO III ins Kino kam, da hinkte er der Realität einige Schritte hinterher, was wohl auch angesichts der Größe der Produktion für schadenfrohe Kommentare unter denen sorgte, die Stallone für einen Scharlatan, seine Erfolgsserie für ein Ärgernis hielten. Aber noch etwas war zwischen 1985 und 1988 passiert: Mit LETHAL WEAPON hatte Richard Donner einen Actionhit gelandet, in dem die Gewalt mit wohldosiertem Humor aufgebrochen und so „goutierbar“ gemacht worden war. Die Geburtsstunde des familienfreundlichen Actionfilms, wie er sich bis heute etabliert hat. Diesen neuen Einfluss merkt man auch RAMBO III überdeutlich an: Dem einst so schweigsamen, verschlossen Soldaten entfleucht nun der ein oder andere trockene One-Liner, sein Mentor Trautman – in FIRST BLOOD noch ein steifer, ausgesprochen ambivalenter, wenn nicht gar unsympathischer Charakter – hat sich nun vollends in den väterlichen Freund verwandelt, der mit seinem Schützling auch dann noch Witzchen macht, wenn beide sich einer Übermacht feindlich gesonnener Russen gegenübersehen. Auch wenn Macdonald noch einmal eine beispiellose Materialschlacht abliefert, noch einmal gemordet und gemeuchelt wird, dass es nur so kracht: Die Schwere des Vorgängers geht seinem Film weitestgehend ab.

Es schleicht sich ein seltsamer Sentimentalismus in den Film, Rambo – im ersten Teil noch tief gespalten zwischen dem maschinenhaft funktionierenden Soldaten und dem Menschen, der da stumm im Inneren des aufgepumpten Körpers lauert – verwandelt sich hier beinahe in einen Träumer und Romantiker. Ausgerechnet für Trautman verlässt er hier sein Exil, für den Mann, der doch die Verantwortung für sein Dilemma trägt und ihn im Vorgänger tief in die Scheiße geritten hatte. „Er würde es auch für mich tun“, sagt er, aber es bleibt unklar, ob er sich da wirklich so sicher ist. Jede politische Dimension des Stoffes tritt weit in den Hintergrund, stattdessen wird die Frage gestellt, die dann auch im vierten Teil noch im Raum steht: „When do you come full circle?“ Wann wird Rambo akzeptieren, dass er eine Kampfmaschine ist, wann wird er aufhören, wegzurennen und seine Rolle annehmen? Diesmal hat es ihn nach Thailand verschlagen, wo er Mönchen bei den Arbeiten im Kloster hilft, mit Stockkämpfen Geld für sie verdient. Er scheint sich wohl zu fühlen dort, es gefällt ihm, wie er sagt, aber seinen Frieden hat er noch nicht gefunden: Dass da immer noch der Krieger in ihm schlummert, der darauf wartet, von der Kette gelassen zu werden, sieht man in seinem Stockkampf, wenn er sich nur mit größter Anstrengung zurückhalten kann, seinen am Boden liegenden Rivalen totzuschlagen. Der Mann der Tat ist zum Haderer geworden, der sich selbst nicht mehr vertraut und seine Instinkte vollkommen unterdrückt.

Die Reise nach Afghanistan, wo er seinen Mentor aus den Fängen der Russen befreien will, wird für ihn zu einer Art Selbstfindungsseminar. Wenn er kraftlos und schweren Schrittes durch die Trümmer der Siedlung läuft, die die Russen eben angegriffen haben, dann scheint diese Haltung nicht zuletzt der Selbsterkenntnis geschuldet: Das hier ist meine Realität. Es hat keinen Sinn, das zu leugnen. Und so läuft er dann noch einmal zur Höchstform auf, schaltet fast im Alleingang eine ganze Armee aus, befreit Trautman, wird zum afghanischen Volkshelden, über den man sich wahrscheinlich bald ähnlich blumige Legenden erzählt, wie er sie zu Beginn von seinem Führer zu hören bekommt. Am Ende steht er sogar kurz davor, bei den Mujaheddin zu bleiben, deren Tapferkeit und Unerschrockenheit ihn so beeindruckt hat. Es ist nicht ganz klar, warum er ihre Einladung ablehnt: Weil das auch nur wieder eine Flucht wäre oder weil er weiß, dass er sich nun endlich seinem Kampf widmen muss? Vor allem scheint seine Entscheidung der Konvention geschuldet: Am Ende muss der Held weiterziehen, einsam in den Sonnenuntergang reiten.

RAMBO III ist vielleicht der Schlusspunkt des Achtzigerjahre-Actionkinos. Noch einmal war fast alles so wie vorher. Zwar zeichnete sich auch an ihm bereits der bevorstehende Wandel ab, doch bestimmten diese noch nicht das Bild. Das führt dazu, dass Macdonalds Film zwischen dem grimmigen zweiten und dem ultrabrutalen vierten Teil fast leicht anmutet. Merkwürdig für eine Gewaltoper, die der Film ja trotz allem ist. Dieser zwiespältige Charakter hat die Menschen auch hierzulande verwirrt: Nachdem man RAMBO III erst das Prädikat „Besonders wertvoll“ verliehen hatte, landete er dann doch noch auf dem Index.

EDIT: Da ich meinem letzten Text zu RAMBO, dem vierten Teil von 2008, kaum etwas hinzuzufügen habe, belasse ich es an dieser Stelle bei dem Link.

Über die Rezeption dieses Films hatte ich mich schon im Eintrag zum Vorgänger kurz geäußert: RAMBO: FIRST BLOOD PART II zog heftige Reaktionen nach sich und verursachte einen Proteststurm, der zum Ziel hatte, den Film aus deutschen Lichtspielhäusern zu verbannen. Dahinter stand nicht nur der allgemeine Vorwurf der Gewaltverherrlichung – Mitte der Achtziger tobte die Debatte um die Gefährdung der Jugend durch „Horror- und Gewaltvideos“ und einen neuen Jugendschutz besonders heftig –, sondern auch der der antisowjetischen Propaganda. Einige Jahre zuvor hatten Kritiker mit ähnlichen Protesten schon erwirkt, dass Milius‘ RED DAWN von bundesdeutschen Leinwänden verschwunden war, den Erfolg von RAMBO: FIRST BLOOD PART II (auf Deutsch wenig elegant RAMBO – 2. TEIL: DER AUFTRAG genannt) konnten sie aber nicht verhindern. Kaum verwunderlich: Cosmatos‘ Film ist ein Action-Meisterwerk und setzte neue Maßstäbe in Sachen Bombast, Choreografie, Gewalt und Tempo. Seine Dramaturgie, Schnitt und Aufbau ganzer Sequenzen und Set Pieces, aber auch nur einzelne Ideen und Bilder inspirierten Dutzende von Nachziehern, die sich fleißig bedienten, und prägten das Actionkino der Achtzigerjahre wesentlich.  RAMBO: FIRST BLOOD PART II war ein Kulturphänomen, auch wenn das Viele in den Wahnsinn treiben mag. Dass der von Stallone und James Cameron geschriebene Film inhaltlich höchst brisant und kontrovers war, unterstrich seine durchschlagende Wirkung nur noch. So wie sein Protagonist eine perfekte Tötungsmaschine ist, die sich mit äußerster Konsequenz durch den vietnamesischen Urwald und die sich ihm entgegenstellenden Feindesscharen metzelt, so walzt der Film den Zuschauer unbarmherzig nieder. Wenn man RAMBO: FIRST BLOOD PART II gesehen hat, dann weiß man, warum Film von manchen als Gefahr angesehen wird: Man braucht einen starken Charakter, um ihm zu widerstehen. Größeren Spaß macht es, sich von ihm wegfegen zu lassen.

Der Film knüpft an eine Debatte an, die seit den Siebzigerjahren unter Nixon schwelte, unter der Präsidentschaft Reagans aber noch einmal neu angeheizt wurde: Es ging um die Frage, ob es noch amerikanische Kriegsgefangene in Vietnam gibt und, wenn ja, was man für Anstrengungen unternimmt, sie zu befreien. Für Ronald Reagan war die Befreiung eventueller POWs eine „nationale Priorität“.  Man muss jedoch vermuten, dass die Versprechen, sich um die Vermissten zu kümmern, vor allem Reagans Machterhalt dienen sollte, denn ein Beweis, dass es sich bei den Vermissten tatsächlich um Kriegsgefangene und nicht bloß um Gefallene handelte, konnte nie erbracht werden. So ließ sich der Historiker  H. Bruce Franklin wie folgt zitieren:  „Every responsible investigation conducted since the end of the war has reached the same conclusion: There is no credible evidence that live Americans are being held against their will in Vietnam, Laos, Cambodia, or China.“ Diese ergebnislosen Untersuchungen nimmt auch RAMBO: FIRST BLOOD PART II zur Kenntnis, doch er nutzt sie ganz im Sinne des Verschwörungstheoretikers zur Bestätigung seines paranoiden, staatskritischen Weltbildes.

Zwar wird der Vietnamveteran und Elitekämpfer John J. Rambo nach Vietnam geschickt, um dort Fotos von in Camps gefangengehaltenen amerikanischen POWs zu machen – von denen alle Verantwortlichen wissen, dass sie noch da sind –, doch soll seine Mission in Wahrheit genau das Gegenteil beweisen. Dass in dem Lager, das er auskundschaften soll, tatsächlich Amerikaner sind, ist gar nicht vorgesehen, sondern einem Fehler geschuldet. Eigentlich hatte man Rambo zu einem leeren Camp geschickt, nicht ahnend, dass die Vietcong ihre Gefangenen regelmäßig umstationieren. Rambos ungewollter „Erfolg“ passt dem Leiter der Mission, dem gewissenlosen CIA-Mann Murdock (Charles Napier), überhaupt nicht in den Kram. Sollte die Mission die leidige Diskussion um Kriegsgefangene eigentlich ein für allemal beenden, indem sie keine Ergebnisse zeitigt, bringt sie die Schreibtischtäter und Paragrafenreiter der Regierung nun in Bedrängnis: Rambo hat nicht nur bewiesen, dass es POWs in Vietnam gibt, sondern auch, dass die Verantwortlichen dies wissen und aus voller Absicht nichts zu ihrer Rettung unternehmen. RAMBO: FIRST BLOOD PART II folgt ganz der durch nichts auszuhebelnden Logik des Paranoiden: Selbst das schlagkräftigste Gegenargument dient letztlich zur Stützung des eigenen Weltbilds, indem es als Beweis für die Indoktrinierung des Gegenübers gewendet oder schlicht als Lüge diffamiert wird. Dass keine Kriegsgefangenen gefunden werden, beweist demnach nicht, dass es keine gibt, sondern nur, wie sehr der Staat seine Bürger belügt und wie gut seine Vertuschung funktioniert. (Eine Argumentation, die umso besser funktioniert, als negative Beweisführung schwierig ist. Man kann schlecht beweisen, dass etwas nicht ist.) RAMBO: FIRST BLOOD PART II untermauert diesen Glauben, indem er die vermeintlichen Machenschaften des Staates aufdeckt. Cosmatos‘ Film strickt hier weiter an einem Mythos, nachdem schon der erste Teil dazu beigetragen hatte, den „Spitting Incident“ im öffentlichen Bewusstsein als Tatsache zu verankern. Das kann (muss?) man schon problematisch finden. (Es sei noch kurz erwähnt, dass RAMBO: FIRST BLOOD PART II nicht der erste Film war, der die Befreiung amerikanischer POWs zum Thema hatte: Sowohl Ted Kotcheffs UNCOMMON VALOR als auch Joseph Zitos MISSING IN ACTION kamen ihm zuvor.)

Für relativ unproblematisch halte ich aus heutiger Sicht hingegen die Zeichnung der Russen und des Vietcong, die damals im Mittelpunkt der Kritik stand. Stereotypische Schurkenfiguren allesamt, lassen sie die Spezifika vermissen, die den Vorwurf des Rassismus tatsächlich rechtfertigen würden. Sie übernehmen im Film eine rein strukturelle Funktion als Antagonisten. Wenn sich Rambos Zorn auf sie in einem wahren Amoklauf entlädt, ist das weder seinem Hass auf Russen oder Vietnamesen noch ihrer außergewöhnlichen Schlechtigkeit geschuldet, sondern vor allem eine persönliche Angelegenheit: Es ist die Rache für die Ermordung an seiner vietnamesischen Kontaktperson Co (Julia Nickson), die just in dem Moment erschossen wird, in dem sich die beiden ihre Liebe gestehen und beschlossen haben, Vietnam und den Spätfolgen des Krieges den Rücken zuzukehren und in Amerika ein neues Leben zu beginnen. Rambo sind Ehnien und Nationszugehörigkeiten einerlei. Russen und Vietcongs sind auch nur ein letztlich austauschbarer Feind. Die wahren Schurken des Films sitzen in den eigenen Reihen: Es sind die Männer, die aus sicherer Distanz über das Leben der Soldaten entscheiden und ihrem Volk die Wahrheit vorenthalten. Der etwas schmerzhafte Schlussmonolog Rambo bringt dies noch einmal – etwas unnötig, weil redundant – auf den Punkt.

Man mag zu dem Film stehen, wie man will. Aber man kaum leugnen, dass er es in der Verfolgung seiner Agenda zu absoluter Perfektion bringt. RAMBO: FIRST BLOOD PART II ist durch und durch manipulativ und man kann sich dem Sog der Bilder, den Cosmatos entfacht, kaum entziehen. Es dürfte sich bei seinem Film außerdem um die vielleicht schönste Meuchelorgie handeln, die je auf Zelluloid gebannt wurde. Kamera-As Jack Cardiff stilisiert den Urwald zu einem in leuchtenden Farben strahlenden Ort des Mythos, seine Bilde würden jeden Reiseführer in ein prachtvolles Coffee-Table-Book verwandeln. Jerry Goldsmith variiert seine Musik aus dem ersten Teil mit verlockend exotischen Klängen und Stallone wirft seinen beängstigend modellierten Körper dazu in markige Posen, die an antike Götterbilder erinnern. Auch wenn die ersten drei Rambo-Filme sich vor konkreten (gesellschafts-)politischen Hintergründen entfalten: Bereits mit dem zweiten Teil vollzieht sich auf der Tiefenebene eine Wandlung hin zum Mythischen. Der an posttraumatischem Stress leidende Veteran des ersten Teils verwandelt sich immer mehr in einen übermenschlichen Krieger, in ein poetisches Ideal, das dazu dient, philosophische Fragen zu verhandeln, mehr als politische. Das wird im dritten und vierten Teil überdeutlich, wenn die Frage nach dem Wesen, der Essenz Rambos in den Mittelgrund rückt. Dieser zweite Teil ist vor allem perfektes Affektkino, ein aus dem Actionkino der Achtzigerjahre weit hinausragender Monolith, der sehr deutlich zeigt, was es mit der Macht der Bilder auf sich hat. Mit allen Konsequenzen.