„The road to hell is paved with good intentions“, wusste der irische Dramatiker George Bernard Shaw. 1950 gestorben, blieb ihm die Gelegenheit, die Richtigkeit seines berühmten Aphorismus anhand von Terence Youngs wahrhaft unfasslichem THE KLANSMAN erneut bestätigt zu sehen, leider – oder auch: zum Glück – verwehrt. Der Film ist eines jener Werke, die zwar nominell der Sphäre des studiofinanzierten Mainstreams zuzurechnen – die stargespickte Besetzung spricht eine deutliche Sprache, selbst wenn man einräumt, dass Burton und Marvin Mitte der Siebziger hinsichtlich ihrer Berühmt- und Beliebtheit nicht mit Redford, Newman und McQueen mithalten konnten –, aber eigentlich eher in der stinkenden Kloake des für die Bahnhofs- und Pornokinos produzierten Schmuddelfilms zu Hause sind. Filme wie THE KLANSMAN waren früher schon selten, heute, 40 Jahre später, wo kein Film mehr das Licht der Multiplexe erblickt, bevor nicht eine 400-seitige Zielgruppenanalyse erstellt wurde, sind sie vollkommen undenkbar – und deshalb umso wertvoller. Auch weil die Geschichte die Erinnerung an sie beharrlich zu verdrängen versucht: Die beste DVD-Veröffentlichung von THE KLANSMAN stammt aus Deutschland, präsentiert den Film unter dem erfundenen Titel VERDAMMT & VERFLUCHT (deutscher Originaltitel damals was VERFLUCHT SIND SIE ALLE) mit krisseligem, des Mediums eigentlich unwürdigem Bild und ohne den O-Ton, dafür aber mit der räudigen deutschen Synchro. Es steht zu vermuten, dass eine Deluxe-Blu-ray-Edition von Youngs Ku-Klux-Klan-Thriller genauso unwahrscheinlich ist wie eine Criterion-Edition der Filme von PM Entertainment. Aber der Reihe nach.
THE KLANSMAN spielt in einer Kleinstadt in Alabama, die fest in der Hand des Klans und darüber hinaus in Kürze Schauplatz einer Demonstration für die Wahlrechte der Afroamerikaner ist. Die Aussicht, das die „Nigger“ dieselben Rechte wie die überlegenen Weißen genießen sollen, versetzt die Herrenmenschen in Aufruhr, und Sheriff Track Bascomb (Lee Marvin) hat alle Hände voll damit zu tun, die Gemüter zu beruhigen. Das ist alles andere als leicht, da sein Freund Breck Stancill (Richard Burton) immer wieder Öl ins eh schon lodernde Feuer gießt. Sein Großvater wurde einst von Rassisten aufgeknüpft und dass er Schwarzen auf seinem Grundstück kostenlose Unterkunft gewährt und keinen Hehl aus seiner Verachtung für die Klanmitglieder macht, ist den Menschen im Ort ein Dorn im Auge. Als Nancy Poteet (Linda Evans), die Gattin eines „Kluxers“ angeblich von einem Schwarzen vergewaltigt wird, kocht die Stimmung endgültig über und es firmiert sich ein Mob, der einen Afroamerikaner als Sündenbock ausmacht und skrupellos umbringt. Der Mord wird beobachtet von Garth (O. J. Simpson), der Rache schwört und beginnt, die Mörder einen nach dem anderen auszuschalten …
THE KLANSMAN begibt sich von Beginn an in eine überaus undankbare Position, weil er gewissermaßen die Innenperspektive des südstaatlichen Rassismus einnimmt. Der Ausgleich, den beispielsweise ein Film wie Alan Parkers MISSISSIPPI BURNING in Form der Beamten implementiert, fehlt in Youngs Film fast völlig. Sheriff Bascomb hat mit dem Klan zwar nichts zu tun, aber in erster Linie ist ihm am Frieden in der Stadt gelegen. Und der ist nun einmal leichter zu sichern, wenn er den Rassisten nachgibt. Stancill nimmt eine dezidiertere Haltung ein, aber die führt eher dazu, dass er sich aus dem Alltagsleben in der Stadt heraushält und sich auf seinen Hügel zurückzieht. Als Zuschauer bekommt man sehr schnell den Eindruck, dass alles sehr viel leichter wäre, wenn es keine Schwarzen gebe. Oder wenn sie sich wenigstens fügen würden. Der Klan-Vorsitzende, Bürgermeister Riddle (David Huddleston), ist dann auch nicht etwa ein hasssprühender Rassist, vielmehr argumentiert er mit der kühlen Ratio des Unternehmers, warum es besser für die Wirtschaft ist, die „Nigger“ kleinzuhalten. Im ganzen Film gibt es nicht einen Menschen, der Klartext redet, der von der humanistischen Notwendigkeit einer Gleichstellung von Schwarz und Weiß überzeugt ist, der das etablierte System als falsch, verkommen, verbrecherisch und unmenschlich bezeichnet. Sie alle sind mit der Rassentrennung aufgewachsen, haben sie verinnerlicht, können nicht über sie hinausdenken. Auch die Studenten, die für die Demonstration in das Städtchen kommen, sehen sich ständigen Diffamierungen ausgesetzt, die der Film beinahe zu teilen scheint, weil er ihnen nie wirklich eine Stimme gibt. Das Bild, das THE KLANSMAN zeichnet, entspricht sehr wahrscheinlich der Realität im Süden der USA in den Siebzigerjahren, aber für einen Unterhaltungsfilm, der THE KLANSMAN ohne Frage ist, ist das verheerend. Der Rassenhass verkommt hier zum „aufregenden“ Setting für Action und Thrill, Sex und Gewalt.
Die Unmenschlichkeit, der Hass und die maßlose Dummheit, mit der der Zuschauer hier 105 Minuten lang konfrontiert wird, ist nur schwer zu ertragen. Am Anfang verlustiert sich ein Pulk weißer Männer am Kampf einer kleingewachsenen Schwarzen gegen einen riesenhaften, schwachsinnigen Mann, dem sie Geld dafür gegeben haben, die Frau zu überwältigen. Die vergewaltigte Nancy wird von der empörten Menge inklusive des Pfarrers aufgefordert, den Gottesdienst zu verlassen, da sie durch die Berührung eines Schwarzen „verunreinigt“ sei. Ihr Mann verlässt sie nach nur wenigen Tagen, weil er den Gedanken, ein Schwarzer habe sie angefasst, nicht mehr erträgt. Presseleute machen der Polizeibeamtin Trixie (Luciana Paluzzi), Bascoms Lebensgefährtin, ungehemmt eindeutige und ziemlich unflätige Angebote, die sie einfach so mit einem Lächeln hinnimmt. Und am allerschlimmsten: Als die Afroamerikanerin Loretta (Lola Falana) von Klanmitgliedern vergewaltigt wird, bringt Sheriff Bascomb – der Held des Films! – sie nur unter der Bedingung ins Krankenhaus, dass sie aussagt, sie sei von einem Schwarzen überfallen worden. Die deutsche Synchro macht alles nur noch schlimmer. Mit beinahe sadistischer Freude werden da immer neue rassistische und sexistische Verunglimpfungen erdacht und mit Inbrunst ausgespuckt. Man möchte sich nach der Betrachtung am liebsten von aller Schuld, die man auf sich genommen hat, reinwaschen. Es bleibt ein einziges Rätsel wie irgendjemand der an diesem Film Beteiligten meinen konnte, THE KLANSMAN sei eine gute Idee. Und dass mit William Alexander gar ein afroamerikanischer Geldgeber hinter dem Projekt stand, ist völlig unerklärlich
Richard Burton, der zu diesem Zeitpunkt seines Lebens täglich ca. drei Flaschen Wodka in sich hineinschüttete und kurz vor dem Exitus stand, war bei den Dreharbeiten in körperlich extrem schlechter Verfassung, erkrankte an Grippe und akuter Bronchitis, und musste überwiegend sitzend oder liegend gefilmt werden. Die Szene, in der er Cameron Mitchell verprügelt, war für ihn dann auch sichtlich schmerzhafter als für Mitchell. Nach seiner letzten Szene wurde der zunehmend stärker abbauende Waliser auf Geheiß von Regisseur Young sofort ins nächste Krankenhaus gebracht, wo es hieß, der Filmemacher habe ihm damit das Leben gerettet. Eine Anekdote besagt außerdem, dass Young seinen Make-up-Artist für dessen Job in Burtons Sterbeszene besonders gelobt habe. Dessen verdutzte Antwort war nur: „Ich habe doch gar nichts gemacht.“ Vielleicht hat sich Burton auch für THE KLANSMAN geschämt.