Mit ‘Vampire’ getaggte Beiträge

Letzte oder vorletzte Woche wurde der BILD-Briefschreiber Franz Josef Wagner in den sozialen Medien für seinen Kommentar zum Terroranschlag in Neuseeland kritisiert bzw. durch den Kakao gezogen: Wie es so seine Masche ist, hatte er aus dem tragischen und sinnlosen Tod Hunderter Unschuldiger eine persönliche Sache gemacht. Das wirklich Furchtbare an dem Massaker in einer Moschee, seien nicht die vielen Toten, sondern dass nun auch sein „Sehnsuchtsland“ Neuseeland seine Unschuld verloren habe. Ich will über diesen geistigen Dünnschiss hier gar nichts weiter sagen, aber dass Neuseeland in unseren kollektiven Hirnen als geradezu utopisch freundlich, friedfertig und auf eine gewisse anrührende Art und Weise rückständig gespeichert ist, scheint mir eine bemerkenswerte Tatsache, deren Ursprung man mal ergründen sollte. Und kaum weniger bemerkenswert ist es, dass einige neuseeländische Filmschaffende dieses Klischee nur zu bereitwillig fortschreiben und damit eine sehr eigene Form von Humor geschaffen haben. Peter Jacksons Frühwerk bezieht seinen Reiz nicht zuletzt aus dem putzigen Englisch, das auf der Insel gesprochen wird, und aus den durch und durch bodenständigen Charakteren, die mit ihrem irdischen Dasein voll und ganz ausgelastet sind. Auch die Comedy-Serie FLIGHT OF THE CONCHORDS, die von zwei hoffnungslos weltfremden und naiven, in ihrem Umgang mit Konflikten geradezu kindlichen neuseeländischen Mistern in New York handelt, arbeitet sich genüsslich am Vorurteil des nahezu außerirdischen Neuseeländers ab. (Ich könnte auch noch die Stunt-Komödie THE DEVIL DARED ME TO anführen, die in eine ganz ähnliche Kerbe haut.)

WHAT WE DO IN THE SHADOWS basiert auf einem Kurzfilm, den Regisseur Taika Waititi bereits im Jahr 2005 gedreht hatte und es gelingt ihm vor allem aufgrund dieses „neuseeländischen“ Humors, mit einer Prämisse wegzukommen, die im Jahr 2014 eigentlich keinen Hund mehr hätte hinter dem Ofen hervorlocken dürfen: Es handelt sich um eine Mockumentary, die den Alltag einer neuseeländischen Vampir-WG mit der obligatorischen Wackelkamera einfängt. Der Witz besteht wie bei so vielen Vertretern dieses Subgenres darin, Themen und Motive, die zuvor der Sphäre des Fantastischen zuzuordnen waren, zu banalisieren: Die Vampire streiten, weil einer der Bewohner nie den Abwasch macht oder weil die Blutsaugerei im Wohnzimmer hässliche Flecken auf dem Teppich hinterlässt, sofern man keine Zeitungen unterlegt. Wenn die Konflikte ausarten, fauchen sich die Streithähne an und fliegen an die Decke. Vor de Spiegel werden alberne Scherze gemacht. Es gibt eine Art Haushälterin, die den Vampiren neue Opfer beschert, um im Gegenzug irgendwann mit der Unsterblichkeit belohnt zu werden – natürlich eine reine Hinhaltetaktik. Und als eines der Opfer – ein Machotyp mit selbstdarstellerischen Tendenzen – mehr aus Versehen nicht umgebracht, sondern zum Vampir gemacht wird, gibt es Probleme, weil der Neue mit seinem Vampirdasein hausieren geht und so schon bald einen Vampirjäger anlockt. Ein weiterer Konfliktherd ist eine Gruppe von Werwölfen, denen die Vampire bei ihren nächtlichen Streifzügen immer wieder begegnen: Die beiden verfeindeten Lager stehen sich dann gegenüber wie in einer albernen Version der WEST SIDE STORY und überziehen sich mit kindischen Beleidigungen, wobei die Vampire mit ihren Fauchanfällen als weibische Theatraliker, die Werwölfe als bessere Hunde diffamiert werden. Das alles ist durchaus witzig, aber wirklich charmant wird es erst durch diese spezielle neuseeländische Bescheidenheit und Freundlichkeit, die die Idee eines Blutsauger von way down under an sich schon zu einem Absurdion macht.

Als Erzähler und Moderator fungiert der zuvorkommende Viago (Taiga Waititi), eine Art Dandy in altmodischen Rüschenhemden, und so etwas wie die Mutter-Figur der Gruppe. Seine schüchtern-zuvorkommende Art steht in krassem Widerspruch zur bestalischen Blutgier, die er an de Tag legt und die ihm ein bisschen peinlich scheint. (Er veranstaltet eine riesige Sauerei, als er die Halsschlagader seines Opfers trifft, aber er bleibt positiv, denn sie scheint „eine gute Zeit“ gehabt zu haben. Deacon (Jonathan Brugh) bezeichnet sich als den „jungen Wilden“ und inszeniert sich als Rebell, als Rockstar, der natürlich mit Viago ständig über Kreuz liegt. Vladislav (Jemaine Clement) spricht mit slawischem Akzent und gefällt sich in der Rolle des romantisch-mystischen Dämons, dem dabei aber dieser nur wenig glamouröse neuseeländische Background im Weg steht. Und im Keller wohnt schließlich doch der 3.000 Jahre alter Petyr (Ben Fransham), ein blutrünstiges Monster, das von den Maskenbildnern nach dem Vorbild von Max Schrecks Nosferatu modelliert wurde und auf den lustigen Gemeinschaftsbildern der WG wie ein Fremdkörper heraussticht. Dann kommt da noch der unerfahrene und unbeherrschte Nick (Cori Gonzalez-Macuer) dazu sowie dessen menschlicher Freund Stu (Stuart Rutherford), der sich in der neuen Gemeinschaft sichtlich unwohl fühlt, aber dabe bleibt, weil er sonst niemanden hat. Er mausert sich im letzten Drittel des Films zum eigentlichen Helden: Wie er da immer etwas misstrauisch, aber beharrlich schweigend zwischen den Blutsaugern steht, ist zum Niederknien. Bei aller Albernheit bleibt WHAT WE DO IN THE SHADOWS sehr zurückhaltend, verliert sich selten in wüstem Slapstick oder gar der Hysterie. Und das ist genau der richtige Ansatz: Es sind nicht so sehr die Vampire selbst, die komisch sind, sondern vor allem die Umstände, unter denen sie ihr Leben fristen müssen. Sie sind mit all ihren Gewohnheiten Fremdkörper im Neuseeland des frühen 21. Jahrhundert, aber sie müssen das Beste aus ihrer Situation machen. WHAT WE DO IN THE SHADOW ist bei allem Witz auch ein schöner Film darüber, wie man seine Identität unter widrigen Umständen bewahrt – und dass es keine Schande ist, ein Sonderling zu sein.

draculas_dog_poster_01Da isser nun also, ZOLTAN, DRACULAS BLUTHUND. Der Titel übte seit Kindheitstagen eine unerklärliche Faszination auf mich aus, selbst die miesen Reviews konnten mir die Lust auf den Film nicht vergrätzen. Nach in zwei Etappen durchlittener Sichtung muss ich allerdings sagen, dass es Albert Band gelungen ist, mit DRACULA’S DOG einen Film zu drehen, der sogar noch öder ist als DEVIL DOG. Ich will ihm das gar nicht zum Vorwurf machen. Während ich mir den Film so anschaute, dämmerte mir irgendwann, dass es einfach eine Scheißidee ist, einen Film über den Fifi von Dracula zu drehen. Da kann eigrntlich gar nichts Gutes draus hervorgehen.

In Rumänien wird durch eine Sprengung die Familiengruft von Dracula freigelegt. Ein Soldat, der sie anschließend bewachen soll, wird von besagter Töle, die ohne erkannbaren Grund von den Toten aufersteht, angefallen, wenig später auch noch das Herrchen des Toten, ein Mann namens Veidt Schmidt (Reggie Nalder), geweckt. Zoltan bekommt sogar eine Rückblende spendiert, die zeigt, wie er einst vom Vampirgrafen höchstpersönlich – na gut, in Gestalt einer Fledermaus – gebissen worden war. Die beiden machen sich auf den Weg in die USA, weil dort der letzte Nachfahre derer von Dracula, ein gewisser nichts ahnender und gänzlich unvampirischer Michael Drake (Michael Pataki), lebt. Ihnen auf der Spur befindet sich Inspektor Branco (Jose Ferrer), der weiß, wie man mit Vampiren umzugehen hat. Der Großteil des Films wird aber damit zugebracht, dass die Drakes bei ihrem traurigen Urlaub – sie fahren mit ihrem Wohnmobil in einen Park – vom Vampirhund belästigt werden.

Es gibt nicht viel zu sagen. Eine Familie wird von einem Vampirhund bedroht, ohne dass sich diese Bedrohung jemals wirklich bedrohlich manifestieren würde. Das Mädchen wird einmal angefallen, aber ein echter Schaden erwächst daraus nicht. Am Ende darf man dem „Kampf“ von Branco und Michael gegen den Vampirköter beiwohnen, der Plot suggeriert große Gefahr, aber irgendwie ist das alles schrecklich egal. Da wird viel gekläfft und Spannung vorgetäuscht, aber mein Gott, es ist bloß ein doofer Hund, dessen Bisse halt vampirisch sind. Dem kann man durchaus entgehen, wenn man nicht gänzlich verblödet ist, und eigentlich passiert den Drakes bis zum Ende ja auch nichts. Es ist einfach grausam öde: Zum Showdown verbarrikadieren sich Drake und Branco mit Holzpflöcken bewaffnet in einer Blockhütte, durch die Zoltan dann übers Dach einbricht, nach einem Finalkampf haben alle Hunde einen Pfahl im Leib und es gibt ein Happy End, das mit dem Blick auf eine Hundewelpe mit dämonisch glühenden Augen relativiert wird. Wen das um den Schlaf bringt, der gruselt sich auch vor dem Einkaufsprospekt im Briefkasten. Wirklich schlimm und dabei noch nicht mal komisch.

 

 

vampyres_1974_poster_01Wo ich anlässlich meines Textes zu LEMORA: A CHILD’S TALE OF THE SUPERNATURAL schon beim Thema „erotische Vampirfilme“ war, macht es Sinn dort weiterzumachen. VAMPYRES ist einer der Klassiker des Subgenres, den ich bislang immer noch nicht gesehen hatte. Er variiert die bekannten Zutaten eigentlich nur geringfügig: Die beiden Vampirdamen Fran (Marianne Morris) und Miriam (Anulka Dziubinski) leben gemeinsam in einem alten Schloss auf dem britischen Land, in das sie arglose Männer locken, sie zu ihren Lustsklaven machen und dann schließlich aussaugen. Deutlich liebevoller und zärtlicher wenden sich die beiden untoten Schönen aber einander zu und wenn sie ihre nackten Leiber dann vom Blut gereinigt haben, erholen sie sich tagesüber von ihren lüsternen nächtlichen Abenteuern, um neue Kraft zu tanken. Beneidenswert! Natürlich kommt ihnen bei der langsamen Verführung ihres neuesten Opfers jemand in die Quere: Das liebenswerte englische Pärchen Harriet (Sally Faulkner) und John (Brian Deacon), das unweit des Schlosses mit seinem Wohnwagen halt macht und bald Zeuge überaus merkwürdiger Vorgänge wird.

Erzählerisches Neuland betritt Larraz mit VAMPYRES wirklich nicht; zunächst war ich etwas verwundert über den Ruf, den der Film genießt, und die zum Teil euphorischen Reaktionen, die er von seinen Fürsprechern erfährt. Das änderte sich dann aber ungefähr zur Halbzeit, als die beiden bis dahin sehr zivilisierten Damen zum ersten Mal die Zähne blecken. Die Zeit der verschämt-gezielten Bisse in die rehgleichen Alabasternacken holder Damen ist mit VAMPYRES vorbei: Hier wird beim Blutsaugen eine richtige Schweinerei angerichtet, verwandeln sich die beiden Vampirinnen in gierige Bestien, die in der Ekstase völlig außer Kontrolle geraten. Von ihnen gebissen und versklavt zu werden, verspricht keinen aufregenden erotischen Kitzel, für das man sein irdisches Dasein nur zu gern opfert: Es kommt vielmehr der völligen Selbstaufgabe gleich, einem kannibalischen Verzehrt-Werden, das unermessliche, unendliche Qualen auslöst. Die Männer, die den beiden ins Netz gehen, sind nur zu beneiden, solange Fran und Miriam sich von ihnen fern halten: Frans Opfer, ein selbstbewusster Geschäftsmann, verwandelt sich in ein hilfloses, blasses Etwas, Miriams Errungenschaft kann ihrer Wildheit überhaupt nichts entgegensetzen, sein blutiger Kadaver muss danach schnellstmöglich verschwinden.

Ich würde gern noch irgendetwas Schlaues sagen zu dem Film, aber ich stehe leider auf dem Schlauch. Ich fand ihn toll, aber es ist nicht so, dass er mir etwas wirklich Neues gesagt hätte. Was VAMPYRES auszeichnet, ist dieses unberechenbare Umschwingen vom milden Mystery-Grusel zum schreikreischigen Blutrausch. Larraz hat einen sehr, sehr körperlichen Vampirfilm gedreht: Mit dem romantisch-esoterischen Seelen- und Unsterblichkeits-Gedöns anderer Vampirfilm hat er denkbar wenig am Hut, er ist nicht mystisch-ätherisch, sondern im Gegenteil fleischlich und eben blutig. Hier geht es um nicht weniger als die existenzielle Wurst.

 

zux00rrLila Lee (Cheryl Smith) ist der blonde Engel ihrer kleinen Gemeinde und ihre glockenhelle Stimme verzückt die Kirchgänger bei der Messe – und den Prediger (Richard Blackburn), der das Mädchen bei sich aufgenommen hat, als ihr Vater, der berüchtigte Gangster Alvin Lee aus Eifersucht ihre Mutter umbrachte. Als Lila den Brief einer gewissen Lemora (Lesley Taplin) erhält, die sie zu sich einlädt, um Abschied von ihrem todkranken Vater zu nehmen, macht sich das junge Mädchen auf eine Reise in die Nacht …

LEMORA lässt sich im allerweitesten Sinne der Welle der lesbisch-erotischen, dunkelromantischen Vampirfilme zuordnen, die in den späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahre populär waren. Mich hat er besonders an den zwei Jahre zuvor entstandenen MAIS NE NOUS DÉLIVREZ PAS DU MAL erinnert: Zwar ist Lila Lee nicht so ein Satansbraten wie die Protagonistinnen jenes Films, aber wie dort zieht sich eine Auseinandersetzung mit institutionalisierter Religion und der philosophischen Idee von Gut und Böse durch ihre Geschichte. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Filmen ist ihr Ton bzw. ihre Perspektive: LEMORA: A CHILD’S TALE OF THE SUPERNATURAL versetzt den Zuschauer in die Figur Lila Lees, sieht die sich vor ihr entfaltende, albtraumhafte Märchenwelt durch ihre Augen – eine einleuchtende Entscheidung, entspringt diese Welt doch unmittelbar ihrem Innenleben. Lila ist in dem Glauben aufgezogen worden, aufgrund ihrer Herkunft ein Kind des Teufels zu sein: Nur der Schutz des Predigers hat sie zu einem guten Menschen, ja mehr noch: einem Engel, werden lassen, der in ihrer Gemeinde nun geradezu als lebendes Beispiel für allumfassende Güte unseres Herrgotts herhalten muss. Für Lila ist das alles überhaupt nicht verständlich: Sie hat vor allem Zweifel, dass die Saat des Bösen tatsächlich ganz ausgelöscht wurde. Ihre Reise in die Nacht, in das Reich der Vampirin Lemora, die mit einer Gruppe vampirischer Kinder in einem alten Landhaus lebt, und sich gegen ihre ehemaligen Opfer zur Wehr setzen muss, die als werwolfartige Wesen den umgebenden Wald durchstreunen, konfrontiert sie mit dunklen Trieben, die auch in ihren Lenden wohnen.

Das Besondere an LEMORA ist die Bildwelt, die Regisseur Blackburn auf die Leinwand malt. Er spielt weder im 18. noch 19. Jahrhundert noch überhaupt in Europa, sondern in den Zwanziger- oder Dreißigerjahren in den US-amerikanischen Südstaaten. Die Bilder zeigen nicht den gothischen bis barocken Pomp vergleichbarer Filme, sondern sind deutlich dunkler und sparsamer, oft durch bizarre Perspektiven und spannungsreiche Bildkompositionen verzerrt, die man fast als „comichaft“ bezeichnen könnte (ich habe die Vermutung, Sam Raimi hat den Film auch gesehen, bevor er THE EVIL DEAD drehte). Die Ausleuchtung taucht alles in blaues und rotes Licht, verstärkt den Eindruck der Desorientierung, die Lila befällt noch zusätzlich. Dabei wirkt LEMORA aber nicht überstilisiert oder gar kalt: Blackburn bewahrt sich bei aller Artifizialität jene gewisse grobe Textur des Exploitationfilms, die man mit Auto- und Bahnhofskinos verbindet. Der Film ist nicht sauber und theoretisch, sondern tatsächlich dunkel, albtraumhaft und bisweilen beunruhigend. Nicht alles, was sich Blackburn vornimmt funktioniert perfekt, hier und da bröckelt der Putz. Es rumpelt und rumort im Unterholz, wenn man so will, aber genau das zeichnet LEMORA aus.

Vor Urzeiten stieß ich in Frank Trebbins damals noch postalisch geordertem Horrorfilmlexikon auf Blackburns Film: Es war damals die einzige Publikation, die LEMORA überhaupt erwähnte (zumindest von denen, die ich besaß). Heute ist er etwas einfacher zu bekommen, es gibt, wenn ich das richtig gesehen habe, sogar eine schöne Blu-ray-Veröffentlichung des Titels. Blackburn hat einen echten Kultfilm gedreht, aber einer, der immer noch unter dem Radar fliegt, eher auf Listen mit raren Filmen gelistet wird, als dass er zur Referenzgröße herangereift wäre. Er ist einfach anders, „einzigartig“ würde ich fast sagen, fällt immer wieder durchs Raster, sobald man ihn einzuordnen versucht. Das kann man nicht allzu oft behaupten. Ich habe viel erwartet und bin nicht enttäuscht, sondern sogar noch überrascht worden.

11168030_oriVielleicht bin nur ich es, aber ich bin immer wieder erstaunt, wie gern ich zu diesem Film zurückkehre. Ich zähle THE LOST BOYS nicht zu meinen absoluten Lieblingsfilmen und meine autobiografische Verbindung zu ihm besteht auch nicht etwa in einem heimlichen Kinobesuch mit 11, sondern lediglich darin, damals zur Kompensation den „Roman zum Film“ gelesen zu haben. THE LOST BOYS ist auch nicht wahnsinnig spektakulär, man könnte ihm sogar vorwerfen, das Potenzial seiner verlockenden Prämisse – jugendliche Vampire lassen es krachen – nicht annähernd auszuschöpfen, aber vielleicht ist gerade das der Schlüssel zu seinem anhaltenden Erfolg: Schumachers Film bietet ebenso viele Reize für das geneigte Rezpientenhirn wie Freiraum für die eigene Fantasie, ist geradezu vollgestopft mit Charakteren, visuellen Einfällen und Sounds, und macht in dieser Überfülle einfach gute Laune. Wenn die knapp 100 Minuten rum sind, ist man mitnichten satt, vielmehr würde man gern noch mehr sehen – oder besser noch: Selbst raus auf die Straßen, hinein ins Getümmel, in den Tanzschuppen, die Bar, an den Strand oder auf die Flaniermeile, dahin, wo das Leben wartet und mit seinen vielfältigen Verheißungen lockt.

Wahrscheinlich muss man in den Achtzigerjahren aufgewachsen sein, um THE LOST BOYS so richtig geil zu finden, denn wenn man ehrlich ist, müssen einige seiner zeitgenössischen Details auf den Spätgeborenen ziemlich lachhaft wirken: Der AOR-Soundtrack bietet die volle Eighties-Breitseite aus hallendem Monsterschlagzeug, Kinderchören, fehlgeleiteten Coverversionen und „Cry, little sister“-Textzeilen (die Band, die zu Beginn auftritt, konnte sich nur ein zugekokster Hollywood-Exec ausdenken), die zur Schau getragene Mode ist schlicht mindblowing, die mit ihrem erstrebenswerten Lifestyle als cool und edgy apostrophierten Kids um David (Kiefer Sutherland) sind im Grunde genommen ziemliche Deppen (und dazu noch Fashion Victims vor dem Herrn), die damalige Popularität der beiden Coreys nur noch schwer vermittelbar. Schumacher, der eine ganze Karriere aus solchen zeitgeistigen Vehikeln gemacht hat, strebt mit THE LOST BOYS keine Dauerhaftigkeit oder gar Nachhaltigkeit an und fängt das thematisierte jugendliche Lebensgefühl gerade deshalb so perfekt ein. Sein Film ist in einem Mindset verortet, in dem der Alltag nur der Vorlauf für die nächste Party ist, jede Nacht voller Möglichkeiten steckt, die Zukunft noch weit, weit weg ist und man sich jeden Tag neu erfinden darf.

Corey Haims Sam schlendert demnach mit seinem bodenlangen Karomantel durch Santa Carla, als sei er Hugh Hefner, was ihn jedoch nicht daran hindert, an der Kinderzimmerwand ein Poster von Rob Lowe at his gayest hängen zu haben. Sein Bruder Michael (Jason Patric) fällt auf die coole Gang herein, weil er die schöne Star (Jami Gertz in Zigeunermode) beeindrucken will und wird so zum Vampir (mit neuem Ohrring), die Frog Brothers (Corey Feldman und Jamison Newlander) inszenieren sich hingegen als allwissende scholars in Vampirkunde, allzeit bereite Wächter ihrer Heimatstadt und Westentaschenrambos, während ihre Hippieeltern bekifft in der Ecke liegen. THE LOST BOYS handelt auch von der ersten Generation nach ’68, die dabei ist, ihren eigenen Weg zu finden. Flower Power ist passé, Hedonismus ist der heißeste Scheiß, möglicherweise aber auch mit einigen unvorhergesehenen Problemen behaftet.

bloodlust-subspecies-iiiIch habe es im Eintrag zum Vorgänger schon angekündigt: Hier ist es leider vorbei mit der unerwarteten Herrlichkeit. Zeitgleich mit BLOODSTONE: SUBSPECIES II gedreht, krankt BLOODLUST: SUBSPECIES III daran, im Grunde dieselbe Geschichte noch einmal mit exakt denselben Mitteln zu erzählen. Der Film fühlt sich wie ein selbstgefälliges Auf-der-Stelle-Treten an und das ist er ja auch: Da sollte einfach schnellst- und günstigstmöglich der nächste Eintrag der Reihe rausgehauen werden und die ganzen wirklich geilen Ideen hatte man bereits in den zweiten Teil gepackt. Für den dritten blieb dann nur der Schnittmüll übrig, zumindest fühlt sich BLOODLUST über weite Strecken so an.

Ich habe irgendwann den Braten gerochen und bin sanft vor der Glotze entschlummert, um pünktlich zum Showdown wieder aufzuwachen. Das Bedürfnis, das Versäumte nachzuholen, hielt sich arg in Grenzen. Das ist ein deutliches Zeichen.

subspecies-2-variant-coverSUBSPECIES habe ich schon für einen mittelschweren Glücksfall gehalten, das Sequel setzt noch einen drauf: Visuell ist Nicolaous Film überaus beglückend, voller geheimnisvoller, mystischer Bilder, geprägt durch fantasievollen Lichteinsatz, famose Make-up-Effekte und ansprechende Bildkompositionen. Die Schattenspiele um den bösen Vampir Radu (Anders Hove) sind noch spektakulärer als zuvor, nicht zuletzt, weil ein Teil der Handlung nun in den historischen Straßen Bukarests angesiedelt ist, die optisch einen reizvollen Kontrapunkt zu den dunklen Wäldern und grauen Burgruinen setzen.

Das führt mich zum zweiten Pluspunkt von BLOODSTONE: SUBSPECIES II, denn nun wird auch inhaltlich etwas mehr geboten als im doch etwas eindimensionalen Vorgänger. Der Film ist abwechslungs- und wendungsreicher, hat mehr Tempo, einen interessanteren Plot und bessere Akteure. Man könnte sagen, dass Produzent Charles Band die mit dem ersten Teil eingefahrenen Gewinne sinnvoll reinvestiert hat. Das ist im Hinblick auf die kommende, Back-to-Back mit diesem zweiten Teil entstandene Installation der Reihe aber nur die halbe Wahrheit, denn die wird eine deutliche Ernüchterung bringen. Doch die triste Aussicht auf die Zukunft soll die Freude an diesem sehr schönen Vampirfilm nicht schmälern. Solche stimmungsvollen Produktionen waren im Horrorfilm der Neunzigerjahre rar gesät, vor allem im Bereich des DTV-Films. BLOODSTONE: SUBSPECIES II sticht nicht nur aus dem Gros dessen, was damals die Videotheken flutete, sondern auch aus dem Full-Moon-Oeuvre, weit heraus. Wer sich ein Stück kindlicher Begeisterungsfähigkeit bewahrt hat, sollte dem Film eine Chance geben.

main-subspecies_lrgDer erste Teil des Vampirfranchises von Full Moon, der auf kunterbunten, infantilen Videotheken-Horror spezialisierten Produktionsfirma um Charles Band, ist eine ganz angenehme Überraschung geworden: Der Film ist nämlich ausnahmsweise mal nicht einfach nur beknackt, sondern tatsächlich sehr schön und sogar atmosphärisch. Onkel Charles‘ Pfennigfuchserei hatte hier mal was Gutes: Die Geschichte um den bösen Vampirfürsten Radu (Anders Hove) an Originalschauplätzen in Rumänien zu realisieren, verschafft dem Film einen sense of place und ein märchenhaft-traumgleiches Ambiente, das sich im Studio oder an einem kalifornischen Plastikschlösschen eher nicht eingestellt hätte. Ted Nicolaou und der wahrscheinlich ortskundige Kameramann Vlad Paunescu fangen die urwüchsige Wald- und Berglandschaft, verwunschene Burgruinen und kleine Dörfer in schönen Einstellungen ein, das durch den Verzicht auf eine amerikanische Crew gesparte Geld wurde in sehr ansehnliche Make-up-Effekte gesteckt. Vor allem der ständig Blut geifernde Radu ist mit seinen Nosferatu-Fingern und den tief in dunklen Höhlen liegenden Augen überaus eindrucksvoll geraten, darf ganz nach dem berühmten Vorbild von Murnau immer wieder drohende Schatten an die Wände werfen.

Irrsinnig aufregend ist SUBSPECIES nicht, da sollte man nicht zu viel erwarten, aber mir hat gerade diese etwas verschlafene Art eigentlich ganz gut gefallen, weil sie den oben erwähnten Märchen- und Traumcharakter unterstreicht. Ein bisschen erinnert die Full-Moon-Produktion visuell und stimmungsmäßig an die Filme, die Lamberto Bava im Laufe der Achtzigerjahre drehte. Was nicht die schlechteste Referenz ist, die man machen kann.

MalaDie Blutkirmes von Malatesta heißt zwar so, weil der böse Magier seine zahlenden Kunden sprichwörtlich aussaugt und zu willenlosen Zombies macht, aber auch ohne dieses Wissen machte der Name Sinn. Die maroden Fahrgeschäfte üben wohl nur auf Lebensmüde echte Anziehungskraft aus und wer sich an vorstehenden rostigen Nägeln keine klaffenden Risswunden mit anschließender Blutvergiftung zuzieht, der darf sich angesichts heruntergekommener Fahrgeschäfte auf schmerzhafte Langeweile und handfeste Depressionen einstellen. Das dümmliche-biedere Ehepaar, das mit der hässlichen Tochter ausgerechnet den schimmeligen „Tunnel of Love“ für das karge Amüsement entert und prompt die Quittung dafür erhält, kann einem nur leid tun.

MALATESTA’S CARNIVAL OF BLOOD ist ziemlich knorke: Ultrabillig und schäbig, aber im Vergleich mit anderen Billighubern jener Zeit einigermaßen temporeich – die sparsame Laufzeit von 74 Minuten spielt ihm in die Karten -, war Speeths Film genau das richtige, um den Halloween-Abend ausklingen zu lassen. Wirklich aufmerksam habe ich das blutige Treiben nicht mehr verfolgt, aber das machte gar nichts. Die Story ist so doof, dass man nichts versäumt, wenn man mal kurz wegdämmert, und wird vom Regisseur auch ohne allzu große Illusionen hinsichtlich der Erwartung des Publikums abgespult, aber alle paar Minuten huscht einer von Malatestas grüngesichtigen Sklaven durchs Bild oder wird die Gulaschkanone angeworfen. Hervé Villechaize, der ein Jahr später in THE MAN WITH THE GOLDEN GUN zum bekanntesten Lilliputaner der Welt avancieren sollte, absolviert einen ausgedehnten Gastauftritt und der Höhepunkt des Streifens ist die Enthauptung in einer Achterbahn. Irgendwie hat das Teil etwas, eine eigentümliche Atmosphäre, die den Film besser macht, als er eigentlich sein dürfte und deren Ursprung sich nicht wirklich festnageln lässt. Eine hübsche Kuriosität, die Freunde des Bahnhofskinos mal ausspähen sollten. Es gibt sogar eine codefreie DVD, auf der der Film erstaunlich gut aussieht.

UNDER THE SKIN, nach dem großartigen BIRTH und fast zehnjähriger Funkstille der neueste Film des seinerzeit für SEXY BEAST mit Kritikerlob überhäuften Jonathan Glazer, war im vergangenen Jahr ein kleines Politikum unter deutschen Cineasten. Von Senator in den Vertrieb genommen, drohte der bildgewaltige Film nach Weigerung der Firma, ihn ins Kino zu bringen, auf Heimmedien zu versauern. Es war nicht zuletzt der Kampagne und dem Eifer von Sebastian Selig zu verdanken, dass dieser ohne Frage für die große Leinwand konzipierte Film dann doch den Weg in einige ausgesuchte Lichtspielhäuser fand, die sich bei Senator gewissermaßen um eine außerplanmäßige Auswertung „beworben“ hatten. Vielleicht verbirgt sich hinter diesem Sonderfall auch ein Weg, die oft so risikoarme Vertriebspolitik der Verleihfirmen zu reformieren: Kinos verwerten nicht mehr einfach nur, was ihnen angeboten wird, sondern bestimmen dieses Angebot durch ihre direkte Nachfrage selbst und geben so ein Signal gegen Mutlosigkeit, ästhetische Armut und das festgefahrene Programm, das als Alternativ zum neuesten Hollywood-Blockbuster bloß noch deutsche Beziehungskomödien oder betulichen Arthouse-Quark für die Rotweinfraktion kennt. Es ist durchaus nachvollziehbar, warum Senator bei UNDER THE SKIN den Schwanz einzog: Glazers Film ist ebenso handlungs- wie dialogarm, von klassischem Erzählkino denkbar weit entfernt, experimentell, elliptisch und enigmatisch, dabei von betörender und auch verstörender Klarheit und somit für den Zuschauer, der Film in erster Linie konsumiert, als kulturell angehauchten Einstieg ins Wochenende begreift und dabei möglichst wenig gefordert und überrascht werden möchte, ein potenzieller Stimmungskiller. Andererseits: Besteht nicht geradezu eine Verpflichtung dazu, seinem Publikum nicht nur zu geben, was es will, sondern ihm auch zu zeigen, was ihm dabei entgeht? Was Kino auch ist, sein könnte? Und als solcher „Erweckungsfilm“ eignet sich UNDER THE SKIN wirklich hervorragend, zum einen, weil er mit Scarlett Johansson über eine bekannte und beliebte Hauptdarstellerin verfügt (den um sie betriebenen Starkult zudem gleich mitreflektiert), zum anderen, weil er trotz aller experimentellen Höhenflüge im weitesten Sinne als Genrefilm rezipierbar bleibt.

UNDER THE SKIN ist vordergründig ein Alien-Invasion-Film, handelt von einem außerirdischen Vampirwesen, das Menschen als Nahrung benötigt und sich seiner attraktiven weiblichen Hülle bedient, um seine Opfer – Männer – in die Falle zu locken. Doch das Monster entdeckt seine Empathie, als es einen durch Neurofibromatose entstellten jungen Mann kennenlernt, und flieht vor der eigenen Mordlust ins schottische Hinterland, wo es selbst einem Vergewaltiger zum Opfer fällt. Doch unter dieser Handlungsebene handelt Glazers Film sinnigerweise vor allem von Oberflächen, Texturen, Aggregatzuständen und den Kontrasten zwischen ihnen – ganz wortwörtlich, aber auch im übertragenen Sinne. Ästhetisch zeigt sich das in der Differenz zischen den roh wirkenden Szenen, die die Protagonistin bei ihren Fahrten durch die Innenstadt Glasgows zeigen, und den überaus slicken Effektsequenzen und collagenhaften Zwischenspielen. Unterstreicht Glazer den improvisierten Charakter ersterer mithilfe des roh wirkenden, pixeligen und bewegungsunscharfen HD-Bilds (er realisierte diese Szenen mithilfe von Passanten, die er auf der Straße ansprach und dann über ein earpiece instruierte), sind letztere betont artifiziell und sauber gehalten, zeigen glänzende, makellose Oberflächen aus öligem Schwarz oder gleißendem Weiß, reines Nichts oder pures Licht gewissermaßen. Dieses ölige Schwarz, das das Haus der Außerirdischen auszufüllen scheint, saugt ihre Opfer ein, konserviert sie in einer tiefblauen Flüssigkeit, in der sie sich langsam auflösen, bis nur noch ihre Haut übrigbleibt, die dann herumtreibt wie ein erschlaffter Luftballon. Sie sind einer Fantasie zum Opfer gefallen, die den Kern aller Vampirgeschichten ausmacht, aber hier durch die Besetzung noch besonders hervorgehoben wird: Scarlett Jonhansson ist natürlich eine programmatische Besetzung. Sie spielt dieses Wesen weniger als dass sie eine Projektionsfläche für das männliche Begehren bietet, die ikonische Verkörperung der Sehnsucht. Wenn die Hollywood-Schauspielerin wie eine Nutte gekleidet, mit sinnlichem roten Mund durch die Arbeiterviertel Glasgows fährt und auf offener Straße junge Männer anspricht, ist das ohne Frage zu allererst die Verbildlichung einer sexuellen Fantasie, die Hollywood überhauptt erst ermöglichte. Im Aufeinanderprallen von Johanssons sinnlich-rauchiger, wohlartikulierter Stimme, der sanften Weichheit ihrer Lippen und ihres Teints, und dem zerhackten, hingeworfenen und rudimentären Slang, der ihr aus den verdutzten Durchschnittsgesichtern der schottischen Jungmänner entgegenschlägt, spiegelt sich der ganze Film, in dem ständig Weiches auf Hartes knallt, sich elektrisch am anderen reibt, dann schließlich umarmt und gegenseitig aufsaugt. So funktionieren Fantasie und Begehren, so funktioniert Film, funktioniert Hollywood. Die Frage bleibt, was hinter den verlockenden Oberflächen lauert, was unterhalb des elektrostatischen Britzelns stattfindet. Und ob da überhaupt etwas passiert. Oder verbirgt sich unter dem Schutzpanzer nur ein weiterer, wie das Ende nahelegt?

Man muss sich diese Fragen nicht stellen, weil schon die auf sinnlicher Ebene wahrnehmbare Vibration des Films eine völlig ausreichende, befriedigende Sensation ist. Man hat nicht gelebt, wenn man nicht gesehen hat, wie die schwarhaarige Scarlett Johansson im dünnen pinkfarbenen Pulli über den spitzen Brüsten durch den schottischen Regen läuft, um dann von einem wohlmeinenden Busfahrer mitgenommen zu werden. UNDER THE SKIN ist keinesfalls ein kalter Film, keine in Ästhetizismus erstarrte Hirnwichserei, sondern ein abwechselnd erotisierendes, dann wieder zutiefst erschütterndes Werk. Die Liebesgeschichte zwischen dem außerirdischen Vampir und dem Entstellten ein nie in dieser Klarheit gesehenes Bekenntnis zum Menschen, von entwaffnender Romantik. Die Szene, in der sie beobachtet, wie ein Ehepaar bei dem Versuch, den eigenen Hund zu retten, in der tosenden Flut des Meers ertrinkt, absolut niederschmetternd. Nur selten wird das Sterben mit der Beiläufigkeit eingefangen, die Glazer ihm hier beimisst. Man begreift fast gar nicht, was da eigentlich passiert, weil man gewohnt ist, dass die Darstellung des tragischen Todes mit einer Emphase versehen ist. Hier sehen wir ihn durch die Augen eines Wesens dem Leben, Tod und Mitleid fremd sind. Sie beobachtet den Todeskampf neugierig, aber teilnahmslos, wie wir uns vielleicht einen Surfer im Wasser anschauen würden. Das Sterben ist tatsächlich furchtbar banal. Dass da auch noch ein schreiendes Baby ganz allein am grauen Felsenstrand zurückbleibt, ist emotional kaum verkraftbar. Später taucht der Partner der Außerirdischen auf – seine Rolle wird nicht ganz klar – und sammelt einige Spuren ein, das Baby jedoch lässt er einfach sitzen. Grausam. Das Schöne und das Furchtbare stehen ganz unvermittelt nebeneinander und es ist das frappierende So-Sein des Films, das noch als Verstärker fungiert. Ich fühlte mich entwaffnet, auch die Hermeneutikerbrille schafft kaum Distanz. Was gut ist.

Vielleicht ist es das, was man aus UNDER THE SKIN mitnimmt. Das Leben ist äußerst selten nur wunderschön oder nur hässlich, es besteht vielmehr aus einem beständigen Ineinanderfließen der beiden vermeintlichen Ideale besteht, einem Mischzustand. Die Fantasie ist letztlich nur der zum Scheitern verurteilte Versuch, uns vor der Härte der Wirklichkeit zu versperren, die viel reicher ist, als alles, was wir uns so erträumen könnten. Vor dem Hintergrund seiner komplizierten Veröffentlichungsgeschichte muss man den Film fast als eine Kampfansage gegen Gleichschaltung, Oberflächlichkeit und Zielgruppenoptimierung begreifen. Als Plädoyer für mehr Filme, die den Menschen eben nicht das geben, was sie zu brauchen glauben.