Mit ‘Vietnam’ getaggte Beiträge

THE ANNIHILATORS – in Deutschland unter dem Titel CITY COMMANDO von CBS-Fox auf Video verwurstet – erfuhr vor einiger Zeit das Arrow-HD-Treatment, was gleichermaßen absurd wie geil ist. Die New World Produktion aus der Hand von SILENT NIGHT, DEADLY NIGHT-Regisseur Charles E. Sellier ist alles andere als ein vergessener Klassiker oder übersehener Geheimtipp, sondern einer von Hunderten preiswert runtergekurbelter Reißer jener Zeit, die, mit einem geilen Coverartwork versehen, in die aus dem Boden schießenden Videotheken gekippt wurden, um den im Fahrwasser all der geilen Stallones, Schwarzeneggers und Norrisens riesigen Hunger der schnauzbärtigen Actionkundschaft zu stillen. Die Muskelprotze mit den Riesenwummen vor apokalyptischer Großstadtkulisse, die mindestens den besten Film aller Zeiten versprechen, entpuppen sich schließlich – und für den Kenner nicht sonderlich überraschend – als eher durchschnittlich Respekt einflößende Vietnamveteranen und die testosteronhaltige Megaaction, die man sich vor dem geistigen Auge ausmalt, bekam man damals auf ähnlichem Niveau im Wochenrhythmus bei EIN COLT FÜR ALLE FÄLLE oder DAS A-TEAM serviert. Okay, ein bisschen härter und räudiger ist THE ANNIHILATORS schon, aber um den Schlaf brachte Selliers DEATH WISH 3-Ripoff garantiert schon vor 34 Jahren niemanden. Selliers letzter Film ist billig, klischeehaft, hebt nie das in seiner Geschichte angelegte Potenzial, ist formal unambitioniert, aber rundum zweckmäßig und professionell – und in dieser Mischung auch ziemlich geil. Zumindest für mich.

Bill (Christopher Stone), Ray (Gerrit Graham), Garrett (Lawrence-Hilton Jacobs), Woody (Andy Wood) und Joe (Dennis Redfield) sind eine verschworene Einheit im Vietnamkrieg. Bei einem Einsatz wird Joe angeschossen und ist danach querschnittsgelähmt. Jahre später fällt er in seinem kleinen Gemischtwarenladen einem Überfall des fiesen Roy Boy Jagger (Paul Koslo) zum Opfer, dem Anführer einer Gang, die South Point, ein Elendsviertel in Atlanta, in Angst und Schrecken versetzen. Um ihren Freund zu rächen und die Ordnung in dem Stadtteil wiederherzustellen, reisen Joes alte Kumpels an.

THE ANNIHILATORS greift alle Klischees auf, die man als Fan des Eighties-Action- und -Vigilantenkinos so liebt: Da ist die verschworene Einheit harter Typen aus dem ja doch irgendwie coolsten Krieg aller Zeiten, die sich insgeheim lieber über den Haufen schießen ließen, anstatt einem eierlosen Bürojob nachzugehen; der heruntergekommene Stadtteil, in dem asoziale Flegel die braven Bürger drangsalieren, die sich einfach nicht trauen, sich zu wehren; und natürlich die untätige Polizei, die immer zu spät kommt, nichts anderes tut, als die Leichen einzusammeln und Autorität vorzugaukeln, wo eigentlich die pure Hilflosigkeit regiert. Kaum kommen die alten Armykumpels vorbei, geht ein Ruck durch die ängstlichen Bürger, werden sie im Nahkampf ausgebildet und nehmen sie sich ein Herz, sich den Bösewichten endlich entgegenzustellen. Unter den Helden befinden sich Typen wie der stets den Überblick behaltende Vatertyp (Stone), der gut gelaunte Irre (Graham), der stylische Afroamerikaner (Hilton-Jacobs) und der traurige, aber loyale Säufer (Wood), während die Gangmitglieder allesamt gut 20 bis 30 Jahre älter sind, als es in Gangs eigentlich üblich ist. Koslo sieht mit seiner Friese aus wie der Keyboarder der Puhdys und reißt den Hahn deutlich weiter auf, als es ihm angesichts der verblödeten Asis, die er da um sich geschart hat, und der hilflosen Gegner, die er sich aussucht, eigentlich zusteht. Und warum die Polizei sich so dämlich anstellt, versteht auch keiner: Es ist ja nicht gerade so, dass sich die Schurken große Mühe geben, unerkannt zu bleiben.

THE ANNIHILATORS ist zumindest für einen schäbigen Videofilm überdurchschnittlich gut besetzt und die üblichen Peinlichkeiten bleiben aus, aber er lässt etliche Chancen ungenutzt. Wie Winners erwähnter DEATH WISH 3 scheint er auf die Ausbildung der Ottonormalverbraucher durch die Veteranen abzuzielen, aber das bleibt dann eine bloße Behauptung. Es gibt zu Beginn eine putzige Trainingsmontage, in der die Soldaten den Bürgern Selbstverteidigung beibringen und wie man seinem Gegenüber einen Bleistift in den Hals rammt (no shit), aber das wird leider nie wirklich ausgespielt. Am Schluss sieht man zweimal, wie die Zivilisten den Helden zu Hilfe kommen, in dem sie den Schurken von hinten eins über den Schädel ziehen, aber dass hier eine Schlacht tobe, bei der „jeder mitmacht“, wie einer der Charaktere vollmundig euphorisiert behauptet, kann man als unparteiischer Betrachter nicht wirklich bestätigen. Überhaupt „Schlacht“: Schon bei DEATH WISH 3 war ja Schmalhans Küchenmeister, aber gegenüber THE ANNIHILATORS nimmt er sich aus wie APOCALYPSE NOW. Mir ist das bei solchen Dingern meistens völlig egal, weil es mir da eher um Attitude, jene gewisse Räudigkeit und eine Power geht, die nicht immer synonym mit Größe ist. Auch THE ANNIHILATORS nahm mich ein, weil der Film seine Klischees gut ausfüllt und einen wirklich herrlich trostlosen Schauplatz aufweisen kann. Im letzten Drittel, also eigentlich genau dann, wenn der Film sich seinem Höhepunkt nähert, geht ihm aber ein bisschen die Luft aus, weil er nichts mehr draufzusetzen hat. Ich kann ihm das nicht richtig anlasten, denn man merkt dem Film seine budgetären Zwänge in jeder Sekunde an. THE ANNIHILATORS ist bestimmt kein Werk, dass ich beim nächsten Gespräch über geilen Videoschund mit einer flammenden Rede bedenken werde, aber ich glaube, ich mag den Film nicht zuletzt deshalb so, weil er so durchschnittlich verläuft. Für mich gehört das zu diesen Dingern dazu: Dass man sie mit kindlicher Fantasie im eigenen Kopf größer macht als sie tatsächlich sind. Ich habe mit Filmen wie diesen das Filmesehen gelernt.

Filmforschung ist mitunter schmerzhaft, vor allem, wenn man es sich zum Ziel gesetzt hat, den Slasherfilm in seiner betäubenden Gänze zu erfassen – und die Perlen schon vor langer, langer Zeit geborgen hat. APPOINTMENT WITH FEAR, ohne Übertreibung einer der ödesten, tristesten Filme, derer ich je ansichtig wurde, stürzte mich gestern fast in eine Sinnkrise. Noch so viele Slasher und so wenig Hoffnung auf echte Ganzlichter. TRAMPA INFERNAL, der Genrebeitrag des mexikanischen Schmuddelexperten Pedro Galindo III, war genau der richtige Stoff, um dem gesunkenen Mut eine Adrenalininjektion zu verpassen – und zwar voll in den Arsch!

Wie es mexikanische Exploiter so an sich haben, schert sich auch TRAMPA INFERNAL nicht lang um eine fein- oder gar hintersinnige Story: Die beiden Superdudes Nacho (Pedro Fernández) und Mauricio (Toño Mauri) befinden sich in einem nicht enden wollenden Schwanzvergleich, bei dem sie von ihren Kumpel und Freundinnen unterstützt und bejubelt werden. Gerade erst hat Nacho, der einen Nackenspoiler mit sich herumträgt, der Michael Bolton vor Neid erblassen ließe, Mauricio in einer Partie Gotcha besiegt, da sinnt Mauricio auch schon auf Revanche. Er schlägt vor, dass die beiden raus in die Wälder fahren, wo ein Bär fünf Touristen massakriert haben soll: Wer den Bär zur Strecke bringt, ist der neue Obermacker, jedenfalls bis zur nächsten Mutprobe. Nacho lässt sich natürlich nicht lumpen und so geht es auf Bärenjagd. Doch die Toten gehen gar nicht auf das Konto von Meister Petz, vielmehr versteckt sich in den Wäldern ein durchgeknallter Vietnam-Veteran, der nicht gemerkt hat, dass der Krieg schon zu Ende ist (und außerdem gar nicht in Mexiko stattfand).

TRAMPA INFERNAL läuft genau so ab, wie man sich das nach dieser Beschreibung vorstellen darf: Die beiden „Helden“ stapfen mit ihrem jeweiligen Anhang durch den Wald und werden bald schon dezimiert, während die Freundinnen in Badeklamotten an einem See rumhängen und sich beim Beachtennis so dusselig anstellen, dass der Ball auch schon mal 30 Meter weit im Wasser landet. Der Vietnamveteran sieht aus wie Sammy Hagar mit einer Michael-Myers-Maske, trägt einen Freddy-Krueger-Gedächtnishandschuh und hat im Wald ein paar Booby Traps installiert (die leider nicht so häufig zum Einsatz kommen, wie ich mir das gewünscht hätte, aber gut). Am Waldrand wohnt ein anderer Veteran in einem Wohnmobil und stattet die Protagonisten mit guten Ratschlägen und Waffen aus. Pedro Galindo III inszeniert die Chose ohne große Prätentionen frisch von der Leber weg. Bahnbrechende Ideen muss man hier nicht erwarten, dafür wird man aber eben auch von fehlgeleiteten Ambitionen verschont. Nach knapp 80 Minuten macht es „Bumm“, der Killer ist platt und was von den Protagonisten noch übrig ist, geht nach Hause. TRAMPA INFERNAL ist ein reiner Gebrauchsfilm, der mit seiner Naivität einnimmt. Nur in einem mexikanischen Slasher wird einem ein Kern-Asi wie Nacho als Identifikationsfigur angeboten, das allein hat mir schon gereicht, um diesen Film zu mögen. Dieser Nackenspoiler ist aber auch einfach zu geil.

… habe ich mich gemeinsam mit dem unzerstörbaren Pelle Felsch als Kriegsberichterstatter verdingt. Dabei standen wir aber nicht auf einem Hochhausdach in Bagdad, während um uns herum die Scud-Missiles wie grüne Blitze vom Nachthimmel einschlugen, sondern begaben uns mitten ins Krisengebiet Hagen, da wo sich noch nicht einmal der Taliban hintraut.

Da es bei mir an der Filmprotokollisten-Front derzeit eher mau aussieht (ich schaue ausschließlich DERRICK), mich aktuelle Aufreger wie MANDY oder SUSPIRIA-Remakes so gar nicht locken, bin ich froh, wenigstens das Erscheinen der Blu-ray von JÄGER DER APOKALYPSE vermelden zu können, zu der ich mit oben genannter Sumpfdotterblume einen Audiokommentar aufgenommen habe.

Ob das jetzt ein zusätzlicher Kaufanreiz ist, sei mal dahingestellt, der Film allein und die Tatsache, dass er mit dieser VÖ zum ersten Mal in Deutschland ungeschnitten auf einem HD-Medium vorliegt, sollte euch die Investition aber eigentlich allein schon wert sein. Und Andreas Bethmann freut sch bestimmt auch!

Danke für eure Aufmerksamkeit!

„Das dreckige halbe Dutzend“: So könnte SOLDIER BOYZ in einem Paralleluniversum heißen. Major Howard Toliver (Michael Dudikoff) ist ein Rambo-mäßiger Supersoldat im Ruhestand. Das bedeutet, dass er in einem Jugendknast als Counsellor arbeitet, die Keilereien und Revierkämpfe der testosterongeplagten Insassen mit dem wissenden Lächeln eines Mannes quittiert, der weitaus Schlimmeres gesehen hat – und Besuch von seinem ganz persönlichen Trautman (Don Stroud mit Augenklappe) bekommt, als die Kacke am Dampfen ist. Die Tochter eines wohlhabenden US-Geschäftsmannes ist bei einer humanitären Aktion in Vietnam vom Rebellenführer Vinh Moc (Cary Hiroyuki-Tagawa) gefangen genommen worden und Toliver soll sie raushauen. Er willigt unter der Bedingung ein, dass er seine „Problemkinder“ mitnehmen darf. Eine Superidee, denn es lockt eine Begnadigung und die Gelegenheit, zu beweisen, dass man für die Menschheit noch nicht ganz verloren ist. Also macht sich Toliver mit Butts (Tyrin MENACE II SOCIETY Turner), Vasquez (Jacqueline Obradors), Lamb (David Barry Gray), dem Neonazi Brophy (Channon Roe), Lopez (Demetrius Navarro) und Monster (Cedrick Terrell) auf nach Vietnam, wo die ungehorsamen Jugendlichen Zusammenhalt und Verantwortung lernen.

Die Idee ist, wie oben angedeutet, nicht neu und natürlich der Realität entlehnt, in der sich Schwerverbrecher immer schon als geeignetes Kanonenfutter im Kriegsfall erweisen mussten. In Mourneaus ansehnlich produziertem und ziemlich blutigem Spätactioner verkommt sie aber zur melodramatisch verklärten Schmonzette, die die Ambivalenz von Aldrichs großem Klassiker nicht annähernd erreicht – und auch gar nicht anpeilt. Wo THE DIRTY DOZEN keinen Zweifel daran lässt, dass die kalte militärische Denke, die Todgeweihte in ein Himmelfahrtskommando hetzt, wahrscheinlich noch grausamer ist als die singulären Verbrechen seiner Protagonisten, erliegt SOLDIER BOYZ dem romantischen Glauben, dass so ein kleiner Kriegseinsatz ein geeignetes Mittel ist, aus einem verzogenen Gör einen aufrechten Amerikaner zu machen. Kein Neunzigerjahre-Klischee wird ausgelassen: Toliver musste einst miterleben, wie Frau und Kind im Kugelhagel eines Drive-by-Shootings starben, Butts und Lopez sind die verfeindeten Gangmembers, Monster ist der sich nur durch Gewalt artikulierende Schwarze, Brophy darf am Ende eines Alleingangs das Hakenkreuztattoo auf der Brust entblößen und in einem tränenreichen Monolog andeuten, dass ihm der Rassenhass vom Papa eingebläut wurde, Lamb ist der zu Unrecht inhaftierte, babysanfte Weiße, der von Toliver sogleich als „damn good soldier“ identifiziert wird, und Vasquez die geile Latinofrau, die ihren Mann stehen darf. Das wird alles sehr routiniert, aber wirklich ohne eine einzige echte eigene Idee dargeboten, sodass sich bei mir nach einiger Zeit Langeweile breit machte – trotz ständiger blutiger Feuergefechte.

Zehn Jahre vorher hätte SOLDIER BOYZ wahrscheinlich noch ein paar mehr Ecken und Kanten gehabt (man ziehe zum Vergleich den von Michael Mann produzierten BAND OF THE HAND heran, der auf einer ähnlichen Prämisse beruht), aber hier ist alles auf so eine unangenehme Ghetto-Coolness getrimmt. Die Soldatenjungs genießen das Kriegsspiel, geben sich Fist Bumps und High Fives, nennen sich „Bro“ und erzählen sich im Puff zwischen vietnamesischen Supernutten und leeren Bierpullen von ihren Sorgen (nur Vasquez steht verständlicherweise etwas ratlos daneben). Die Besetzung von Tyrin Turner, der kurz zuvor in MENACE II SOCIETY für Aufsehen sorgte, zeigt hier eindrucksvoll, warum danach nicht mehr viel kam, und auch seine Kollegen wirken wie preisgünstige Doubles bekannterer Darsteller. Es gelingt ihnen nicht, ihre Pappkameaden zu echtem Leben zu erwecken. Dudikoff ist überzeugender, auch wenn seine Wandlung vom in sich ruhenden Counsellor zum Befehle und Beleidigungen wie R. Lee Ermey ausspuckenden Ausbilder genauso rätselhaft anmutet wie die Entwicklung seines Jeff Knight im zuletzt gesehenen PLATOON LEADER. Und was verspricht er sich eigentlich davon, diese Gören mitzunehmen? Es ist nicht nur eine fixe Idee, nein es ist seine Bedingung, die Mission überhaupt anzunehmen.

Aber ich will gar nicht so viel meckern: SOLDIER BOYZ ist für das, was er ist, schon OK. Man kann ihn sich angucken, wenn man nicht zu viel erwartet, er sieht sehr ordentlich aus und hat mit Hiroyuki-Tagawa einen Schurkendarsteller, den ich immer gern sehe. Das ganze Blutvergießen täuscht aber nicht darüber hinweg, dass das irgendwie ein Film für Sissis ist.

Wenn man Texte über das sogenannte Exploitationkino (von vielen auch gern als „Trash“ bezeichnet) liest, geht es dort oft um die Frage, was vom Filmemacher „beabsichtigt“ war. Ein „guter“ Film, so die zugrundeliegende These, folgt einem von Regisseur und Drehbuchator akribisch ausgearbeiteten Plan, dessen lückenlos erfolgreicher Entfaltung man als Zuschauer beiwohnen darf. Im Exploitationfilm hingegen, an dem sich bekanntermaßen nur Geschäftsmänner, Gescheiterte, Dilettanten und sonstige zwielichtige Gestalten tummeln, erfreut man sich an der Ästhetik der Unabsichtlichkeit. Was gut war, war unmöglich „gewollt“, im Unzulänglichen zeigt sich hingegen dieWahrheit. Zum Teil ist das natürlich nachvollziehbar: Von klammen Budgets gebeutelt und mit drittklassigen Akteuren geschlagen, sind der Vision des B-Filme-Machers (um mal einen weiteren unscharfen Begriff zu verwenden) meist engere Grenzen gesetzt, als dem Studiodarling, das für seine Produktion aus dem Vollen schöpfen kann. Aber wenn ein Film gut ist, ist es ja völlig gleichgültig, ob das so gewollt war oder eine glücklichen Fügung des Schicksals zu verdanken ist. Manche Filme sind scheiße, völlig unabhängig von production values, möglicherweise großen Ambitionen und eingesetzter Kompetenz. Andere gelingen gegen jede Wahrscheinlichkeit, profitieren von Hingeworfen- und Ungeschliffenheit. Wieder andere sind so perfekt, dass man vor Langweile einschläft. Und manche erreichen gerade in ihrem Misslingen eine Brillanz, die sie unverwechselbar macht. Das wirft die Frage auf, was diese objektive Qualität der Wohlgeformtheit eigentlich wert ist und welche Rolle der Intention, die man ja nie mit Gewissheit belegen, bestenfalls unterstellen kann, überhaupt zugemessen werden muss.

PLATOON LEADER wirkt gnadenlos überambitioniert – das ist ja schon einmal ungewöhnlich für einen Dudikoff-Film – und verfehlt sein angepeiltes Ziel auf den ersten Blick um mehrere Längen. Was ich wollte, war ein feister Actioner, wie ihn das geile Videocover mit seinen öligen Muskeln, geschwollenen Adern und im Sonnenlicht glänzenden Monsterknarren verspricht: Einen Film, der reinläuft, nicht wehtut, höchstens Ärsche tritt. Einen Gebrauchsfilm hal. Das ist PLATOON LEADER nicht. Stattdessen habe ich mich mitunter vor dem Bildschirm gewunden angesichts der ungeschickt dargebotenen Klischees, mich gefragt, ob man das wirklich nicht hätte besser hinbekommen können, mich gefragt, wann Dudikoff denn endlich den American Fighter des Vietnamkriegs gibt und die gesichtslosen Widersache plattmacht. Gut, Aaron Norris wird gewiss nicht als großer vergessener Künstler in die Annalen eingehen, wahrscheinlich noch nicht einmal als großer Action-Regisseur (er inszeniert immer etwas sediert, fängt seinen berühmteren Bruder in DELTA FORCE 2 in endlosen, völlig unspektakulären Zeitluopnstudien ein, die fast schon avantgardistisch sind in ihrer Ereignislosigkeit), und so ist es nicht so verwunderlich, dass er auch hier, in dem verzweifelten Versuch, Stones PLATOON und Kubricks FULL METAL JACKET nachzueifern, hart an seine Grenzen stößt. Aber gerade in seinem Scheitern, einen mitreißenden, von seinen Charakteren getragenen Vietnamfilm zu machen, erreicht er manchmal eine transzendente Wahrhaftigkeit, die den objektiv betrachtet „besseren“ Werken verschlossen bleibt. Dass das seine Absicht war, wage ich zu bezweifeln. Aber das ändert ja nichts an der Tatsache.

Es gibt nur wenig Grund anzunehmen, dass PLATOON LEADER mehr sein sollte, als ein an Stones supererfolgreiches Vorbild angelehntes Vehikel für die Videotheken-Klientel (auch wenn er in den USA einen Kinostart hatte). Drehbuchautor Andrew Deutschs Filmografie umfasst u. a. den unfassbaren MERCENARY FIGHTERS mit Reb Brown und Peter Fonda, den Dudikoff-Film RIVER OF DEATH und DELTA FORCE 3: THE KILLING GAME, von seinem Kollegen Rick Marx stammen solche Perlen wie NASTY GIRLS, DADDY’S LITTLE GIRL, SEX SPA U.S.A. oder BROOKE DOES COLLEGE. Ihr Script basiert auf dem Erlebnisbericht des Veteranen James R. McDonough, dessen kommerzielles Potenzial dann niemand geringeres als Harry Alan Towers erkannte, einer der „Großen Alten“ des europäischen Exploitationkinos. PLATOON LEADER verfügt dann auch über Towers-übliche respektable Schauwerte – besonders die Kameraarbeit von Arthur Wooster (Second Unit Photographer u. a. bei allen Bond-Filmen von FOR YOUR EYES ONLY bis DIE ANOTHER DAY) ist erwähnenswert -, aber es gelingt nicht recht – ebenfalls ein untrügliches Towers-Merkmal – die einzelnen Zutaten zu einem homogenen Ganzen zusammenzufügen. Es fehlt ein durchgehaltener dramaturgischer Spannungsbogen, der Film bewegt sich sprunghaft und elliptisch, die Charaktere bleiben schablonenhaft und ihre Motivationen undurchsichtig. Dudikoff ist als Protagonist eine Leerstelle, eine Nebenfigur mutiert inneralb weniger Szenen vom gut gelaunten Kiffer zum depressiven Stoner zum Selbstmörder durch goldenen Schuss. Die emotionalen Ausbrüche der Figuren, die Aaron Norris immer wieder einfängt, wirken auf den Zuschauer angesichts solcher Lücken aufgesetzt und nur wenig nachvollziehbar. PLATOON LEADER erinnert mitunter an ein Malen nach Zahlen, ein Abpausen vorgegebener Formen. Das Ergebnis ist eckig und nachrangig.

Dann gibt es aber wieder sehr gelungene Momente wie jene Szene, in der das Platoon bei einem Erkundungsgang plötzlich von heranstürmenden Vietcong überrascht wird, sich eilig zwischen dem hüfthohen Farn am Boden versteckt und nur atemlos darauf warten kann, dass der Feind vorüberzieht, ohne etwas zu bemerken. Als das tatsächlich geschieht, stehen sie nur verdutzt da, können ihr Glück kaum fassen. Die Bedrohung ist so schnell verschwunden wie sie auftauchte – wie ein Albtraum, der einem den Schweiß auf die Strn treibt, an den man sich nach dem Aufwachen aber kaum noch erinnern kann. Manch vermeintlicher Makel erscheint angesichts solcher Szenen in einem anderen Licht: Ist es nicht so, dass Krieg für den Soldaten an der Front einfach nur eine Abfolge unverbundener Einelereignisse ist, die es zu überleben gilt? Dass die Kameraden kommen und gehen, sich ihre Geschichten unweigerlich gleichen? Wie es ein Soldat zu Beginn beschreibt: „You go out on patrol, and you kill a few of them. Then they kill a few of yours. Then you go back to base. Eat. Sleep. Next day, same thing. Before you know it, you’re either dead, or you’re going home.“ Wie das Grauen ermüdende Routine wird, selbst die evozierten Emotionen nur noch Reflexe sind, das fängt PLATOON LEADER vielleicht sogar auf ehrlichere Weise ein als die „großen“ Vietnamkriegsfilme, die ja trotzdem noch eine Spannungsdramaturgie brauchen, eine Entwicklung, eine Perspektive. Ganz kann sich PLATOON LEADER nicht davon trennen. Man merkt, er möchte ein emotionaler Film über Menschen sein, wichtige Erkenntnisse über sie vermitteln und über ihren Drang, sich immer wieder gegenseitig umzubringen, aber weil Norris das Rüstzeug dafür fehlt, ist er dann doch nur einer über entkernte Wesen, die mit dem Sein ringen und daran scheitern, Individuen zu sein. Das ist aber ja auch etwas, Absicht oder nicht. Das feiste Geballer hat mir aber trotzdem gefehlt.

 

Ich weiß nicht genau, welche Wirrung des Schicksals dazu geführt hat, dass Margheritis brillanter APOCALISSE DOMANI – was sich in ein freches „Apocalypse tomorrow“ übersetzen lässt – nicht zu den ganz großen Kultklassikern des italienischen Splatterfilms gehört. Gewiss, für Kenner spielt er in einer Liga mit den Zombie- und Kannibalenfilmen all der Fulcis, Lenzis, Girolamis, Deodatos, Matteis, Bianchis oder D’Amatos, aber anders als bei den meisten von diesen hat sich das noch nicht in einer längst überfälligen HD-Heimkinovariante niedergeschlagen. Ist Margheritis meisterlich strukturierter Crossover aus Heimkehrerdrama, Actionfilm, Zombie- und Kannibalenschocker vielleicht einfach zu intelligent, zu ungewöhnlich, zu wenig vorhersehbar, gar zu anspruchsvoll?

Norman Hopper (John Saxon) wird nach seiner Rückkehr aus Vietnam von Albträumen geplagt, in denen er immer wieder mit dem Kannibalismus seiner beiden Kameraden Charles Bukowski (John Morghen) und Tom Thompson (Tony King) konfrontiert wird, die mittlerweile in einer geschlossenen Anstalt einsitzen. Seine Befürchtung: Ist er vielleicht genauso wahnsinnig wie diese beiden? Wie lässt sich seine Lust auf menschliches Fleisch anders erklären? Kurz nachdem Bukowski als geheilt entlassen wird, zettelt er schon ein Blutbad an, zurück in der Klinik gelingt ihm mithilfe Toms und einer infizierten Krankenschwester die Flucht, der sich schließlich auch Norman anschließt. Von der Polizei gejagt, fliehen die vier in die Kanalisation …

Herausragend ist Margheritis Film nicht nur wegen seines ungewöhnlichen und originellen Genrehoppings: Der verlässliche Dardano Sacchetti veredelte das Werk zudem mit einem starken Drehbuch, das immer wieder überraschende Wendungen und Entwicklungen vollzieht und den schwierigen Spagat zwischen adrenalintreibendem Reißer und emotional involvierendem Drama schafft. Schon die Zeichnung des „Helden“ ist hoch interessant: In jedem anderen Film hätte er den Avancen seiner minderjährigen Nachbarin standgehalten, nicht so hier. Man stelle sich nur einen US-amerikanischen Film vor, der seiner Hauptfigur pädophile Neigungen zugesteht, ohne ihm die Sympathien zu entziehen. Normans Angst vor dem Wahnsinn, der immer mehr von ihm Besitz ergreift, ist greifbar, ebenso wie die Abwehrhaltung seiner Ehefrau, die seine Sorgen kleinredet, weil sie nicht mit der Realität konfrontiert werden will. Sehr transparent auch die Isolation der Heimkehrer, die sich keine Hoffnungen auf Verständnis oder gar Unterstützung zu machen brauchen. Es ist ein gängiger Kniff im Horrorfilm, „unsichtbare“ Traumata durch bizarre Mutationen, Deformationen oder Perversionen sichtbar zu machen, aber nicht immer gelingt das so ausgezeichnet wie hier. Saxon und Morghens Mimik und Körpersprache entbirgt die desorientierten, entkernten Veteranen, die sich weder in ihrer alten Heimat noch in ihrem Körper noch zu Hause fühlen können, ihre Wandlung mit einer Mischung aus Furcht, Hilflosigkeit und fiebriger Spannung betrachten und sich letztlich einfach treiben lassen, weil es zu anstrengend ist, den mächtigen Trieben länger Widerstand zu leisten.

Margheriti ist genau der richtige Mann für diesen Stoff: Der vielleicht amerikanischste unter den italienischen Exploitation-Größen weiß einfach, wie er den Film gekonnt auf der Schwelle zwischen Horror und Action hält, die Spannung durch geschickten Wechsel zwischen schnelleren, handlungsgetriebenen und nachdenklicheren, psychologischen Szenen kontinuierlich ansteigen lässt. Der Showdown in der Kanalisation ist angemessen zupackend, lässt aber auch nie einen Zweifel am tragischen Ausgang: Das Bild des traurigen Bukowski, der gnadenlos hingerichtet wird und am Ende statt eines Herzens ein riesiges Loch zeigt, ist nicht nur das Piéce de Résistance, das ein Splatterfilm unbedingt braucht, es erfasst auch die ganze Unerbittlichkeit des Heimkehrerschicksals.

Wie ich im Text zu WU FA WU TIAN FEI CHE DANG bereits gesagt habe, musste APOCALISSE DOMANI am gestrigen Mondo-Bizarr-Abend im direkten Vergleich mit dem Hosensprenger Kuei Chih-hungs etwas zurückstecken, aber das ändert natürlich nichts daran, dass es sich hier um einen herausragenden Genrevertreter seiner Zeit und den vielleicht besten Film Margheritis handelt (das sage ich allerdings, ohne alles von ihm gesehen zu haben). Wer ihn noch nicht kennt, sollte diesen Missstand unbedingt aus der Welt räumen.

 

Ein Brite dreht mit spanischem und schweizerischem Geld einen Film über drei traumatisierte Vietnamveteranen: Keine ganz gewöhnliche Konstellation, aber OPEN SEASON ist auch kein ganz gewöhnlicher Film. Für eine Auseinandersetzung mit dem Vietnamkrieg, der 1974, als OPEN SEASON entstand, noch nicht beendet war, ist er ziemlich früh und atmosphärisch darüber hinaus näher dran an Vietnam-inspirierten Horrorfilme wie THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE oder natürlich John Boormans DELIVERANCE. Mit beiden teilt er neben dem Setting und der realistischen Darstellung von Gewalt und Bedrohung den weitestgehenden Verzicht auf neunmalkluge Psychologisierung und sonstige Erklärungen. Seine drei Protagonisten kommen nach ihren Erfahrungen in Indochina vom Töten nicht mehr runter, aber mehr noch ist es der ganz normale amerikanische-männliche Größenwahn, der sich bei ihnen Bahn bricht – und der sie auch einst in den Krieg führte.

Gleich zu Beginn wird einem jungen Mädchen gesagt, dass sie mit ihrem Vorwurf, von drei Jungs vergewaltigt worden zu sein, keinen Erfolg haben werde, denn bei den Beschuldigten handele es sich um echte „all American boys“, denen niemand etwas Böses nachsagen werde. Auch wenn OPEN SEASON es niemals expliziert: Aus den drei Vergewaltigern von einst sind die Protagonisten des Films geworden und auch rund zwanzig Jahre später hat sich an ihnen nicht viel geändert. Zwar sind sie mittlerweile erwachsene Männer, mit braven Frauen, hübschen Kindern, verantwortungsvollen Berufen und schönen Häusern, aber noch immer teilen sie dunkle Geheimnisse und Leidenschaften, von denen ihr Umfeld rein gar nichts mitbekommt. Die lüsternen Blicke, die sie für jede attraktive Frau übrig haben, offenbaren ihr entitlement – jede Frau ist für sie potenziell verfügbar -, eine Ruhe- und Rastlosigkeit, der sie längst entwachsen sein müssten, und natürlich ein ungutes Verhältnis zum anderen Geschlecht, dessen Angehörige sie als Jagdgut betrachten, als Trophäen, mit denen man sich schmückt. Und so ist es für die drei Freunde Ken (Peter Fonda), Artie (Richard Lynch) und Greg (John Philipp Law) naheliegend, dass sie eine junge, gutaussehende Frau samt ihrem Freund überwältigen, entführen, auf ihre Blockhütte verschleppen, wo sie regelmäßig ihre Männerwochenenden verbringen, sie quälen, demütigen und schließlich jagen wie Tiere.

Collinson, dessen Werk sehr heterogen ist und der mit OPEN SEASON vielleicht seinen besten Film vorlegte (sein Hammer-Film STRAIGHT ON TILL MORNING könnte ein Konkurrent sein, aber die letzte Sichtung liegt schon zu lang zurück), erzielt große Wirkung durch Distanz und Zurückhaltung. Es gibt keinerlei Gegengewicht zu den drei Chauvi-Ärschen des Films. Bis zum unerwarteten (und ein bisschen Kintopp-mäßigen) Schluss haben sie keinen Gegner, niemanden, der sich wirklich zur Wehr setzte oder sie in ihre Schranken verwiese. Noch nicht einmal das arme Pärchen, das ihnen zum Opfer fällt, fungiert als echter moralischer Kompass: Erst verharren sie in kanickelhafter Passivität, dann schließlich beginnen sie sich selbst zu zerfleischen. Man leidet mit ihnen, aber nicht unbedingt, weil es sich um ausgesprochene Sympathieträger handelt. Ken, Greg und Artie sind natürlich die interessanteren Charaktere und Collinson stürzt den Zuschauer damit in einen aufreibenden Zermürbungskampf: Er stellt die drei in ihrer ganzen Arschlochigkeit aus, die sich in der Enge ihrer Blockhütte voll entfalten kann. Und man hasst diese Typen umso mehr, als man weiß, dass sie zu Hause für echte Traumtypen gehalten werden, für Musterexemplare der Gattung Mann. Wenn sie wenigstens zu ihrem miesen Charakter und ihren Perversionen stehen würden: Stattdessen verstecken sie sich in all ihrer Selbstherrlichkeit hinter der Maske von Biedermännern, lassen diese nur dann fallen, wenn sie sich in Sicherheit wiegen können, unbeobachtet sind und keine Strafen zu befürchten haben. Ich bekomme schon beim Schreiben das kalte Kotzen.

OPEN SEASON ist ein Kind seiner Zeit, in der eine ganze Reihe von solchen Abrechnungen mit den vermeintlich „Normalen“ entstanden, den Zuschauer zum Blick in den Spiegel zwangen und ihm mit Schmackes vors Schienbein traten. OPEN SEASON ist einer der etwas weniger bekannten Vertreter jener Spielart Film, aber er verfehlt seine Wirkung auch heute nicht, was auch den drei Hauptdarstellern zu verdanken ist, die in ihrer Laufbahn nicht immer solche Gelegenheit bekamen, ihr Können unter Beweis zu stellen. Vor allem die Besetzung mit Peter Fonda als Anführer der gutsituierten Dreckschweine ist ein echter Coup: Nur wenige Jahre zuvor in EASY RIDER eines der Gesichter der Gegenkultur, erkennt man hier sehr schön, wie schnell es mit der Herrlichkeit des Sommers der Liebe vorbei war und wie schmerzhaft der Kater danach in der Birne hämmerte.

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Der so genannte Heimkehrerfilm bildete in den Siebziger- und Achtzigerjahren ein populäres Subgenre des Vietnamkriegsfilms. Anstatt sich mit den Kriegshandlungen in Fernost auseinanderzusetzen, beleuchtete er die Probleme, mit denen die zurückkehrenden Veteranen zu Hause zu kämpfen hatten, von körperlicher Behinderung und psychischen Deformationen über Schwierigkeiten bei der Re-Integration in einen „normalen“ Alltag bis hin zur ihnen von der daheim gebliebenden Bevölkerung entgegenschlagenden Skepsis oder gar Verachtung. Am populärsten düfte wohl Hal Ashbys COMING HOME sein, aber auch Ted Kotcheffs FIRST BLOOD ist streng genommen ein Heimkehrerfilm. Richard Comptons 1971 entstandener WELCOME HOME, SOLDIER BOYS darf sich rühmen, ein ganz früher Vertreter (vielleicht sogar der erste?) jener erst einige Jahre später populär gewordenen Spielart des Kriegsfilms zu sein – 1971 war der Krieg noch längst nicht beendet – und er nimmt die bittere Kälte von etwa John Flynns ROLLING THUNDER bereits vorweg.

Das bedeutet mit dem Vorwissen von heute aber auch, dass man schon von Anfang ahnt, wohin die Reise für die Protagonisten gehen wird: Danny (Joe Don Baker), Shooter (Paul Koslo), The Kid (Alan Vint) und Fatback (Elliott Street) kommen aus dem Krieg zurück nach Hause, zunächst glücklich, es hinter sich zu haben, aber auch ohne einen echten Plan. Schnell wird vom Ersparten ein schicker Cadillac beim Gebrauchtwagenhändler gekauft, dann begibt man sich auf die Straße, die als erstes zu Dannys Eltern führen soll. Einen ersten Zwischenfall gibt es mit einer Prostituierten (Jennifer Billingsley), die beim Streit um ihre Bezahlung aus dem fahrenden Auto stürzt. Ohne anzuhalten, fahren die Kumpels weiter, landen bei Dannys Eltern in einem Familienidyll, das sich furchtbar falsch anfühlt und in dem alle sichtbar nervös um den Elefanten im Raum herumtänzeln. Ein aufdringliches Jobangebot des hilflosen Vaters treibt sie schließlich aus dem Haus, Richtung Kalifornien, wo alles besser werden soll, doch je weiter sie nach Westen kommen, umso klarer wird, dass es für die Veteranen keine Zukunft gibt. Als sie im Städtchen Hope an einer geschlossenen Tankstelle stranden, tun sie das, was sie als einziges noch können: Sie packen ihre Waffen aus dem Kofferraum und machen das 80-Seelen-Kaff dem Erdboden gleich …

Ein eisblauer Himme, karges Land, endlose Weite, ausgestorbene Straßen, trostlose Nester, heruntergekommene Kaschemmen, leere Blicke, alte, verständnislose Männer, billige Huren, bellende Autoritätsfiguren: So stellen sich die USA in Comptons Film dar. Ein Land, das wie in depressiver Schockstarre liegt, keine Ahnung hat, wie es die verlorenen Söhne empfangen soll. Und die wissen es natürlich auch nicht, noch nicht einmal, was mit ihnen selbst geschehen ist. Da sind immer nur diese nervösen, wachsamen Blicke, die erahnen lassen, wie sehr die Männer unter Spannung stehen. Wie Kinder spielen sie ausgelassen im Garten von Dannys Elternhaus Football, obwohl sie ihre Unschuld längst verloren haben. Die Szene, in der Danny sein altes Zimmer betritt – das Zimmer eines Kindes, mit Wimpel an der Wand und einem kleinen Schießgewehr neben dem Nachttisch – ist niederschmetternd, weil man erahnt, was in den wenigen Jahren seit seinem Weggang alles mit ihm geschehen ist. Was WELCOME HOME, SOLDIER BOYS von seinen Verwandten unterscheidet, ist der Verzicht auf Psychologisierung und das Ausformulieren innerer Prozesse auf Dialogebene. Ein einziges Mal erwähnt Danny, dass er in Vietnam 13 Menschen getötet hat, ansonsten findet keinerlei Reflexion über das Erlebte statt. Auch die Konfliktkette, die den finalen Amoklauf begünstigt, ist weniger geschlossen als etwa in FIRST BLOOD. Es gibt keinen Grund für die vier Freunde, eine Stadt dem Erdboden gleich zu machen, ihre Handlung ist weder motiviert noch zu begreifen. Damit schwingt sich WELCOME HOME, SOLDIER BOYS an die Spitze der Vietnam-Antikriegsfilme: Er lässt keinen Zweifel daran, dass jeder Versuch einer Erklärung von „außen“ einer Banalisierung gleichkäme. Worüber man nicht reden kann …

 

Als die Festivalleiter vor einigen Wochen ankündigten, dass Bruno Matteis Actionhobel DER KAMPFGIGANT als deutsche 35-mm-Kopie auf dem Terza Visione laufen werde, da stand mein persönlicher Klimax des Programms schon fest. Die italienischen Actionfilme aus den Achtzigern liebe ich alle mit besessener Inbrunst, und ein echter Mattei ist ohnehin immer ein ganz besonderes Erlebnis. Miles O’Keeffes legendäre Hölzernheit musste auf der großen Leinwand einfach eine Bewusstseinsgrenzen erweiternde Wirkung auf einen solch leicht zu beeindruckenden Mann wie mich haben. Meine eh kaum noch zu bändigende Vorfreude wuchs während der einführenden Worte, die der wunderbare Pelle Felsch dem Film widmete, buchstäblich ins Unermessliche. Würde es Mattei gelingen, meinen turmhohen Erwartungen – wahrscheinlich war ich zuletzt 1998 bei Terence Malicks Comeback THE THIN RED LINE so auf einen Film gespannt gewesen – gerecht zu werden? Waren diese Erwartungen überhaupt noch erfüllbar? Man unterschätzt sowohl Matteis schier übermenschliches Talent in der Schöpfung berauschender filmischer Psychopharmaka als auch meine Begeisterung für Filme, in denen muskulöse Supersoldaten mit dicken Wummen Vietnam aufräumen, wenn man die Möglichkeit einer negativen Antwort auf diese Frage auch nur in Erwägung zieht. DER KAMPFGIGANT entwickelte sich – nicht nur für mich – zu einem Festivalhöhepunkt und einem jener lautstark zelebrierten Gottesdienste, die derzeit wahrscheinlich nur in Nürnberg stattfinden.

1987 direkt im Anschluss an den kaum minder unfassbaren STRIKE COMMANDO – bzw. COBRA FORCE – gedreht, widmete sich Mattei bereits zum zweiten Mal einem Re-Imagining von Cosmatos‘ RAMBO: FIRST BLOOD PART II und interpretierte den Stoff zu einem bewegenden Vater-Sohn-Drama um. O’Keeffe – dem der unvergleichliche Sano Cestnik nach der ohne Zwischenfälle gelungenen Projektion eine „unglaubliche Präsenz“ auf der Leinwand bescheinigte – ist Robert „Bob“ Ross (nicht zu verwechseln mit dem buddhistischen Fernsehmaler gleichen Namens), seines Zeichens bester Soldat von Amerika und Überlebender von sage und schreibe sechs Himmelfahrtskommandos. Weil er die eindrucksvolle Kulisse Südostasiens nicht mehr missen möchte, nachdem er die wohl schönste und produktivste Zeit seines Lebens dort verlebt hat, vermuten die Russen, angeführt von Colonel Calckin (Bo Svenson), dass es sich bei ihm um einen CIA-Agenten handelt, dabei sucht Ross in Wahrheit nur nach einer Gelegenheit, seinen mit einer mittlerweile nicht mehr unter den Lebenden weilenden Vietnamesin gezeugten Sohn „nach Hause“ zu bringen. Die Amerikaner – vertreten durch den asthmatischen Senator Blaster (Donald Pleasence) – bieten sie ihm, wollen aber im Gegenzug, dass Ross für sie einige nordvietnamesische Terroristen kaltstellt; in Wahrheit spekulieren sie natürlich darauf, dass er im Dschungel krepiert, diese Schweine.

Wahrscheinlich noch nie wurde in einem Film so viel so richtig gemacht wie hier: Matteis Perfektionismus macht noch nicht einmal bei der Titeleinblendung Kompromisse: Ross – mit verschwitztem, freiem Oberkörper, glänzend zurückgeschleimter Matte und einem Blick, der gar nichts sagt, das aber eindrucksvoll – reißt sich gerade die nächste Dose Budweiser auf, da knallt der monumentale Schriftzug „Der Kampfgigant“ ins Bild wie ein Fleischpeitschenhieb. Es stimmt einfach alles: O’Keeffe macht beim Schleichen durch den Busch eine herausragende Figur und beweist pantherhafte Agilität. Mattei erreichte dies durch einen wahrhaft kubrickesken Schachzug: Die Hosen, die er O’Keeffe für die Auftaktsequenz anfertigen ließ, waren drei Nummern zu eng und verlangten dem Mimen alles ab. Als er für den Hauptteil des Films endlich in großzügiger geschnittene Armeehosen schlüpfen durfte, dankte er es dem Regisseur mit einer grazilen Jahrhundertleistung. Die Wunder werden nicht alle in diesem Epos: Nachdem Ross mit dem U-Boot im Zielgebiet abgesetzt wurde, wird er sofort entdeckt, bekommt aber von einem Hai Hilfe, bevor er diesen in zwei Hälften sprengt. Sein „Kontakter“ ist der lebhafte Toro (Ottaviano Dell’Acqua), der die einzigartige Gabe hat, Terroristen durch bloßes Ansehen zu erkennen. Die beiden verstehen sich sofort super und haben eine Mordsgaudi bei der Infiltration eines russischen Camps und der anschließenden Flucht auf einem Motorrad mit Beiwagen, die Mattei inszeniert wie in einem alten Slapstickfilm. Man sollte Krieg einfach nicht so ernst nehmen. Später taucht auch noch Luciano Pigozzi in der Rolle auf, auf die er in jenen Jahren abonniert war: rauschebärtiger Zausel mit goldenem Herz im Urwald. Hier wird ihm auch noch eine blonde Tochter angehängt, die Ross mit dem stählernem Blick des Beziehungsexperten als passende Mama für seinen Sohn ausmacht. Sie ist dafür nicht zuletzt deshalb prädestiniert, weil sie das Problem, das der Junge mit seinem zurückgekehrten Papa hat, messerscharf analysiert: „Der Junge mag dich nicht.“ Das wird sich natürlich zum Finale hin ändern, wenn der undankbare Bastard merkt, dass seine Antipathie nicht ausreicht, um den Vater auf Geheiß der Russen zu exekutieren, und er sich deshalb für bedingungslose Liebe zu ihm entscheidet. Es ist aber auch wirklich schwer, diesen Ross nicht zu mögen: Wie er da von einem Hubschrauber gejagt jede Pfütze mitnimmt, die sich ihm darbietet, in zehn Zentimeter tiefen Mulden Deckung sucht und sich am Ende kurzerhand einen Berg hinunterrollen lässt, offenbart er das Potenzial zum Superpapa, der dem Sohnemann auf dem Bolzplatz mit eisernen Schienbeinschonern zur Seite steht und alles abräumt, was sich ihm in den Weg stellt. Ein Mann zum Pferdeäpfel stehlen.

DER KAMPFGIGANT, untermalt von einem treibenden Synthiescore von Stefano Mainetti, der einem nicht übel Lust macht, selbst loszuziehen und eine Bananenrepublik zu erobern, ist voller Details, die ihn unvergesslich machen: In der „Schaltzentrale“ der US-Einsatzkräfte sitzen nicht nur gelangweilte Hartz-IV-Empfänger rammdösig über bedeutungsschwer blinkenden Lämpchen, an der Wand hängt auch eine Porträtzeichnung von Ronald Reagan, die der Staatschef wahrscheinlich beim Besuch der Rüdesheimer Drosselgasse von einem Straßenkünstler anfertigen ließ. Donald Pleasence versucht bei all seinen Auftritten verzweifelt, sich hinter einem Inhalator zu verstecken, auf dass man ihn nicht bemerkt. Massimo Vanni hat eine unfassbare Szene, als er mit einem Jeep ins Bild kommt, aussteigt, um seinem Chef Bericht zu erstatten, aber dabei offensichtlich vergisst, die Handbremse zu ziehen. „Achtung Jeep!“ brüllt Svenson, als sich das Gefährt wie von Geisterhand in Bewegung setzt. Vanni handelt geistesgegenwärtig: Er dreht sich um, springt in das Auto und fährt einfach ab. So inszeniert man temporeiche Filme! Ganz toll auch der Abwurf einer Bombe aus einem Hubschrauber, der nicht etwa automatisch erfolgt, sondern dadurch, dass der Pilot die Tür öffnet und das gute Stück, das anscheinend im Cockpit rumlag, einfach von Hand rausschmeißt. Die allergrößte Leistung Matteis ist es aber gewiss, Mike Monty, der seine Karriere als Darsteller von Befehle gebenden Soldaten mit genau einem perfekt ausgefeilten Gesichtsausdruck bewältigte („angespannt-besorgt“), hier einen waren Gefühlsausbruch zu bescheren. Den enthemmten Luftsprung, den der Veteran macht, als er erfährt, dass Ross noch am Leben ist, vollführte auch mein Herz während der traumhaften 100 Minuten DER KAMPFGIGANT, die ich mein Lebtag nicht vergessen werde.

Wer jetzt Lust auf dieses Masterpiece bekommen hat, kann ihn sich hier in der englischen Fassung anschauen.

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Nicht nur das deutsche Kinoplakat und der deutsche Titel von Antonio Margheritis L’ULTIMO CACCIATORE sind unverkennbar von Francis Ford Coppolas Jahrhundertfilm APOCALYPSE NOW beeinflusst. Margheriti, eh einer der amerikanischsten unter den italienischen Genreregisseuren, orientiert sich auch narrativ und bildlich stark an dem großen Vorbild, natürlich ohne dessen Megalomanie anzustreben. Auch L’ULTIMO CACCIATORE erzählt von einer Reise ins „Herz der Finsternis“ und in den Wahnsinn des Kriegs, und seine Geschichte setzt sich weitestgehend aus den Stationen dieser Reise zusammen. Doch während in Coppolas Film die Grundfesten der Realität selbst unter Beschuss geraten, am Ende kaum noch etwas bleibt, an das man sich klammern kann, der Vietnamkrieg nur noch eine Metapher für die Orientierungslosigkeit des Menschen überhaupt ist, da endet Margheritis Film gewissermaßen in trotziger Selbstbehauptung: Um ihn herum mag alles in die Binsen gehen, aber an sich und seiner Wahrnehmung der Dinge besteht für Captain Morris (David Warbeck), das Äquivalent zu Martin Sheens Captain Willard, kein Zweifel. Soll die Welt doch zur Hölle fahren: Er macht nicht mehr mit, so oder so.

Margheriti inszeniert seinen Vietnamfilm als zupackenden Actioner, dessen Härten mehr als einmal an die ungefähr zur selben Zeit grassierenden Auswüchse des italienischen Zombie- und Kannibalenfilms erinnern (kurz zuvor hatte er mit APOCALYPSE DOMANI noch einen lupenreinen Action/Zombie/Kannibalen-Crossover gedreht). Da werden Augäpfel aus dem Schädel geschossen, fallen halbverweste Fallschirmspringer mit heraushängenden Eingeweiden aus Bäumen, explodieren Bäuche und Brustkörbe unter einschlagenden Geschossen und fliegen abgetrennte Unterschenkel durch die Gegend. L’ULTIMO CACCIATORE wird für Zuschauer und Protagonisten gleichermaßen zu einer körperlichen Belastungsprobe, mehr als zu einer geistig-seelischen. Der Wahnsinn der Auftaktsequenz, in der Morris‘ Freund – eingefangen von einer Kamera, der der feste Boden unter den Füßen völlig abhanden gekommen ist – während eines der genretypischen Saufgelagen in einem vietnamesischen Puff den Verstand verliert, erst einen Kameraden und schließlich sich selbst erschießt, weicht recht schnell der allerdings kaum weniger erschreckenden Klarheit von Leben oder Tod. Im Urwald heißt es auf der Hut sein und sofort zu reagieren, denn der Tod ist allgegenwärtig. Das schärft die Sinne und verringert die Gelegenheiten, in denen man über das Dasein sinnieren kann. Major Cash (John Steiner) und seine Männer, die in ihrer Höhle vollständig von feindlichen Kräften umzingelt sind, reagieren auf die Allgegenwart des Todes mit spielerischer Lebensmüdigkeit: Wer sich etwas zu Schulden hat kommen lassen, wird mit der Aufgabe betraut, mit einer gut sichtbaren, roten Kopfbedeckung ausgestattet in den Urwald hinauszurennen und eine Kokosnuss zurückzubringen – unter ständigem Beschuss durch den Gegner.

Das Ende ist etwas seltsam: Am Ziel angekommen, steht Morris der Gattin seines Freundes gegenüber, mit dem er einst nach Vietnam aufbrach, und damit auch seiner eigenen Vergangenheit. Noch einmal wird er mit seiner Entscheidung konfrontiert, in den Krieg zu ziehen, eine Entscheidung, mit der er alles verraten habe, wovon man einst überzeugt war. Gewissermaßen aus Rache für diesen Verrat hat sich die Freundin auf die gegnerische Seite geschlagen und wartet nun darauf, ihr Werk zu vollenden. Morris überwindet auch dieses Hindernis, aber den Rettungshubschrauber, der ihn in Sicherheit bringen soll, besteigt er nicht. Er zeigt weniger Resignation und Selbsterkenntnis als vielmehr Müdigkeit: Er hat den ganzen Scheiß einfach satt, den Krieg genauso wie die mahnenden Stimmen, die ihm einreden, welche Fehler er begangen hat, ihm moralische Gardinenpredigten halten. Vielleicht ist L’ULTIMO CACCIATORE der Film, der den Weg für den Backlash in den Achtzigerjahren erst geebnet hat. Morris sagt „Fuck you!“ und hört einfach auf zu kämpfen. Der Klügere gibt nach, gewissermaßen. Seine Nachfolger, all die etwas einfältigen Rambos und Braddocks, tragen den Kampf bis nach Hause.