das ende

Veröffentlicht: November 9, 2020 in Film

Ich habe es gestern schon auf Social Media mitgeteilt, nun auch hier, an „offizieller“ Stelle: Ich werde dieses Blog nicht weiterführen. Dies hier wird mein letzter Eintrag sein.

Wer dieses Blog verfolgt, den wird das wahrscheinlich nicht sonderlich überraschen. Bereits vor ein paar Wochen hatte ich hier eine längere Auszeit angekündigt, die Zahl der Texte ist kontinuierlich gesunken, mein letzter Blogeintrag ist vier Wochen alt. Das Bloggen genießt keine Priorität mehr in meinem Leben – und das Filmeschauen auch nicht.

Das war mal anders. 12 Jahre lang – wenn man meine Filmforen-Zeit einrechnet, sogar 16 Jahre lang – habe ich über nahezu jeden Film geschrieben, den ich gesehen habe. Zu Hochzeiten gab es hier mehrere Texte am Tag und Monate mit 50 bis 60 neuen Einträgen. Es gab für mich kaum etwas Wichtigeres, als am Ende des Arbeitstages einen Film zu schauen und anschließend darüber zu schreiben und oft war es tatsächlich so, dass sich meine Filmauswahl danach richtete, worüber ich schreiben wollte. Es steckte viel Ehrgeiz in diesem Blog: Ich wollte der produktivste und beste deutsche Filmblogger sein, verfolgte meine Klickzahlen abwechselnd mit Stolz und Frustration, und genoss es, zu einer „Szene“ zu gehören, in der man mich kannte und mein Wort etwas zählte. Klar: Die Eitelkeit gehörte immer dazu.

Davon ist derzeit nicht mehr viel übrig. Mein Filmkonsum ist extrem gesunken – und ich vermisse erstaunlicherweise nichts. Weder das Schauen selbst noch das Schreiben darüber. Ich spüre nicht mehr das dringende Bedürfnis, meine Eindrücke mitzuteilen. Und ich möchte auch nicht mehr unbedingt zu dieser „Szene“ gehören, nur um alle 12 Monate wieder über Früh- und Spätwerk von Argento streiten oder die neue ultimative Bluray-Edition von DAWN OF THE DEAD feiern zu müssen. Die Diskussion über Filme langweilt mich mittlerweile – manchmal nervt sie mich sogar. Dass sich Überbieten-wollen mit Superlativen, dass Auftrumpfen mit Minderheitenmeinungen, das Ausgraben der noch rareren Perle, die man kennen muss. Es ist auf Dauer ganz schön anstrengend, diesen Habitus aufrechtzuerhalten – und ganz ehrlich: Es sind eben doch nur Filme. Und Meinungen. Nichts davon ist wirklich wichtig.

Ich überlege noch, was ich mit der gewonnenen Zeit anstellen soll. Aber ich habe keine Eile. Das Schreiben wird immer Teil meines Lebens sein und glücklicherweise ist es sogar Teil meines Berufs. Ich werde weiter Booklets und die Kolumne für das 35mm-Magazin schreiben. Gern würde ich mal wieder einen Audiokommentar aufnehmen. Ich bin nicht ganz weg. Vielleicht kommt auch irgendwann der Film, bei dem ich wieder das dringende Bedürfnis verspüre, mich dazu zu äußern. Dann werde ich das tun. Aber das Filmtagebuch, so wie ich es so viele Jahre lang geführt habe, wird es nicht mehr geben.

Ich danke euch, dass ihr hier mitgelesen, kommentiert und mich verlinkt habt. Das Archiv hier wird bestehen bleiben, ich schätze, das bietet Lesestoff für die nächsten Jahre.

Macht’s gut!

Kommentare
  1. Faniel Dranz sagt:

    Hallo Herr Nöding.
    Natürlich macht es mich traurig über das Ende dieses Blogs zu lesen.
    auf der einen Seite ist es für mich jetzt schon seit vielen Jahren ein Ritual in meiner mittagspause durch deine Texte zu schmökern und auch den Diskurs hier habe ich immer sehr genossen.
    auf der anderen Seite jedoch kann ich dich wirklich verstehen denn nicht nur ist die Pflege eines Blocks in Verbindung mit dem Filme gucken ein wahrer Zeitfresser (ich selbst habe dieses Jahr gerade mal einen Eintrag in der Film Störung verzeichnen können)
    auch ist die „Szene“ in den letzten Jahren mehr durch ihren Snobismus als durch ihre Liebe aufgefallen.
    Ich wünsche dir jedenfalls alles Gute und Liebe für die Zukunft und hoffe von dir vielleicht mal wieder wenigstens im Rahmen eines Besuches beim Bahnhofskino oder an anderer Stelle zu hören/lesen.
    Hochachtungsvoll und zutiefst dankbar
    für all den Lesestoff
    Bartel oder auch Daniel

  2. Matthias sagt:

    Das ist sehr schade. Ich war immer ein begeisterter und interessierter Leser Deines Blogs. Ich gebe zu, dass mich häufig die Filme, die Du besprochen hast, nicht interessiert haben. Aber mich hat immer interessiert, was Du zu ihnen zu sagen hast. Hin und wieder habe ich dadurch auch etwas für mich entdeckt.
    Ich freue mich auf Booklet-Texte 🙂

  3. zat sagt:

    Es freut mich, wenn Du an anderer Stelle weiterhin schreiben kannst. Denn das kannst Du: ich war nicht wegen der Filme hier, die meisten dieser sogenannten „Männer-Filme“ (Action, Horror) würde ich nicht mit der Beißzange anfassen. Ich bin gekommen, um über den Tellerrand zu schauen. Und ich bin wiedergekommen wegen deines sehr persönlichen Schreibstils ohne Floskeln, der mir andere Sehweisen näher bringen konnte. Klar, wenn das Interesse erlahmt geht das nicht mehr – die Kritiken wären dann immer noch besser als der Durchschnitt, aber das Wesentliche würde fehlen. Viel Glück in anderen Gewässern!

  4. Stepnwolf sagt:

    Das ist schade, aber nachvollziehbar. Zeiten und Prioritäten ändern sich. Wäre ja auch langweilig, wenn immer alles seinen gleichen Gang gehen würde. Ich wünsche dir viel Spaß für all die Dinge, die dir jetzt mit der neuen Freizeit einfallen. 🙂

  5. bullion sagt:

    Oh, wie schade. Auch wenn wir nie viel Kontakt hatten, geht damit eines der Filmblogs, die ich am längsten gelesen habe. Vielleicht auch weil mein Werdegang ähnlich war: Erst das Filmtagebuch bei Filmforen, dann der eigene Blog und seit 14+ Jahren wird jeder gesehene Film festgehalten. Auch heute noch. Aber natürlich nicht in dem Umfang, denn spätestens seit Familie da ist, sind es nur noch 60-80 Film pro Jahr. Und der Blog ist verwässert mit privaten Themen, Sport usw.

    Ich wünsche dir für die Zukunft alles Gute und DANKE für all die Jahre des Schreibens. Der Blog-Feed wird weiterhin im Reader verweilen, denn wer weiß? 🙂

  6. HomiSite sagt:

    Ich finde es ebenfalls sehr schade, dass nun wirklich Schluss ist!

    Aber danke für die Unmengen an Texten. Viele interessante bis obskure Titel habe ich nur wegen deinem Blog kennengelernt und ich fand ich es zudem immer beeindruckend, wie du konstant zu jedem Film etwas schreiben und dabei meist spannende Beobachtungen machen konntest (ich persönlich habe bei deutlich geringerem Filmkonsum ein paar Jahre durchgehalten, mir immer etwas zu notieren – zuletzt aber nur noch grobe Stichworte).

    Alles Gute für dich! Und dein Blog belasse ich im RSS-Reader. 🙂

  7. Peter sagt:

    Bei eigentlich allen Filmen, die ich in den letzten Jahren gesehen habe, habe ich immer gleich geschaut, ob es da vielleicht auch eine Besprechung von Dir gibt.
    Anders herum: Für viele Filme hätte ich mich ohne Deine Kritiken gar nicht interessiert. Danke dafür!

    Ich wünsche Dir eine schöne Zeit!

  8. Dennis Neiss sagt:

    Das ist sehr bedauerlich, aber manchmal ändern sich die Prioritäten im Leben.

    Viele deiner Texte werde ich auf jeden Fall in Erinnerungen behalten. Besonders lesenswert finde ich immer noch deine Werkschauen zu Regisseuren wie John Ford, Richard Fleischer, Samuel Fuller, Brian De Palma, Robert Aldrich oder Walter Hill.

    Mit besten Grüßen

    ein treuer, wenn auch weitestgehend stiller Leser deines Blogs

  9. Björn sagt:

    Vielen Dank für die vielen Jahre, in denen es hier so kontinuierlich inspirierende, bewusstseinserweiternde und sehr kurzweilige Texte zu lesen gab! Ich bin traurig, dass es nicht weiter geht, aber auch dankbar für die Fundgrube an Filmkritik, die ich bestimmt noch oft besuchen werde.

  10. Andi sagt:

    Wenngleich ich Deine Ansichten zu den besprochenen Filmen tendenziell immer etwas zu wohlwollend fand und deine hier durchschimmernde Weltsicht nicht teile, haben mir die Texte zumeist viel Freude bereitet und Gedankenanstöße geliefert. Die dahintersteckende Arbeit habe ich stets bewundert und finde deinen Weggang natürlich schade.
    Die Entscheidung kann ich aus eigener Erfahrung aber sehr gut nachvollziehen, denn beim Filmeschauen führt man ja nur ein Leben aus zweiter Hand. Mach’s gut und bleib gesund!

  11. Ich bin ebenfalls sehr traurig über die Einstellung deines Blogs, aber du hattest es ja schon vor einiger Zeit angekündigt.

    Wenn du nun schreibst „Es sind eben doch nur Filme“ hast du natürlich Recht.

    Als ich vor vielen Jahren dein Vorwort der Erstauflage zu „Sauft Benzin, Ihr Himmelhunde“ gelesen habe, kam ich aus dem zustimmenden Nicken und melancholischem Schwelgen gar nicht mehr heraus.

    Getreu dem Motto „Es sind eben doch NICHT NUR Filme“ hattest du damals natürlich auch Recht.

    So mancher Eintrag deines Blogs hat nicht nur meinen Filmhorizont erweitert. Und wirklich jeder noch so mittelmäßige Film wurde aufgrund ein paar Zeilen von dir gleich wieder interessant. Dass „Mandingo“ oder „Dangerous Encounters: 1st Kind“ unfassbare Meisterwerke sind, versteht nicht jeder, der über Filme schreibt. Du kannst es sogar in Worte verpacken, dass es jeder kapiert.

    Prioritäten ändern sich, die Sicht auf Filme auch. Geht mir ja mit Beruf und Familie nicht anders. Solange es allen gut geht, ist das ja nichts Schlechtes!

    Ich wünsche dir alles Gute, eine schöne neue (freie) Zeit und bleib gesund!

  12. Kai sagt:

    Danke für die vielen tollen Zeilen, die Gedanken, Blickwinkel, Hinweise, Tipps, Verrisse, Lobhudeleien und… die Zeit!

  13. Agis Sideras sagt:

    Wahre, bedenkenswerte Worte zum „Abschied“! Die Gedanken zum Produktionszwang im engen Rahmen und zur Frustration ueber immergleiche Kommunikationsmechanismen sprechen mir aus dem Herzen, Oliver.
    Dein erstaunliches Blog war fuer mich Anfang 2011, als ich es entdeckte, die logische Fortsetzung meiner Beschaeftigung mit dem scheel angesehenen bis unterschlagenen Film nach der Christian Kesslerischen Initiation etwa sieben Jahre zuvor. Ich kehre immer wieder hier zurueck. An dieser Stelle Danke fuer Unmengen cineastischer Inspiration. Auf Wiedersehen, -hoeren, -lesen in Blog, Audiokommentar, Filmkritik, bleib uns erhalten, die Szene braucht dich.

    Agis

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