Der Radiomoderator Grant Mazzy (Stephen McHattie) tritt seinen neuen Job als Moderator einer Morgensendung im verschlafenen Nest Pontypool an. Mit seiner bissigen, kritischen Art handelt er sich sogleich einen Rüffel von seiner Chefin Sidney (Lisa Houle) ein, die ihn auffordert, sich zu mäßigen. Doch bald haben beide andere Sorgen: Nachrichten von aufständischen Horden gehen in der Radiostation ein. Von der Außenwelt abgeriegelt und nur über den Kopfhörer mit ihr verbunden, müssen Grant und Sidney versuchen herauszufinden, was da draußen vor sich geht …
PONTYPOOL ist der intelligente High-Concept-Schocker des diesjährigen Fantasy Filmfests, der den ebenso halbgaren wie dummen DISTRICT 9 auf die hinteren Plätze verweist. Schon von Beginn an, wenn sich der Titel auf der Leinwand ausbreitet und zunächst nur ein „Typo“ erscheint, ist klar, dass dieser Film seine Prämisse ernstnimmt, anstatt sie als Gimmick zu verheizen. In PONTYPOOL wird der Zuschauer mit den Protagonisten zum Zuhörer degradiert. Die Apokalypse reduziert sich auf kryptische Anrufe und verrauschte Stimmen, eine Einordnung oder Verifizierung bleibt indes aus. „Trauma is a photo without a caption“ zitiert Grant Mazzy den französischen Philosophen Roland Barthes und beschreibt damit sehr genau, was in PONTYPOOL vor sich geht: Die Welt, sie wird den Protagonisten unverständlich, sie zerfällt in ihre Bestandteile Bild und Ton, deren sinnhafte Bedeutung sich jedoch verflüchtigt. Aber das ist nur der erste Schritt der Apokalypse, die sich im weiteren Verlauf sprichwörtlich als Verlust der Bedeutung äußert. Es ist die Sprache selbst, die den Keim des Todes in sich trägt, sich von Mund zu Ohr verbreitet und deshalb sprichwörtlich zerstört werden muss.
Man muss PONTYPOOL sicherlich mehrfach sehen (am besten mit einem Linguistikhandbuch in Reichweite), um ihn zu durchdringen. Aber auch nach einmaliger Sichtung wird klar, dass man es hier mit einem sehr ungewöhnlichen Zombiefilm zu tun hat. Nicht nur die für Nichtgermanisten und -philosophen sehr abstrakte Wendung dürfte manchen Zuschauer überfordern, auch seine Form macht es Gelegenheitssehern eher schwer. In diversen Foren liest man die Klage, der Film sei ein Hörspiel, kein „großes Kino“ etc. Dabei schafft es Bruce McDonald perfekt, die große Apokalypse im Kleinen zu zeigen. Wie die Gewissheit langsam in den Radiosender und die Köpfe seiner Angestellten eindringt, sich der Raum immer mehr verengt, bis schließlich noch nicht einmal mehr die Worte eine Zuflucht bieten, ist schon sehr eindrücklich dargestellt, schauspielerisch wie auch filmisch. Und wofür andere Filme große im Rechner angefertigte Panoramen vom Weltuntergang brauchen, da reicht in PONTYPOOL Stephen McHatties großartige Stimme.
PONTYPOOL ist natürlich auch ein eminent politischer Film, um das zu erkennen, hätte es nicht zwingend die Hinweise auf Afghanistan gebraucht: Er erzählt von einer Welt, in der der Schrecken nicht von der Irrationalität ausgeht, sondern gerade von der kühl kalkulierenden Vernunft, die sich nach Adorno und Horkheimer selbst verabsolutiert hat. „Pure Vernunft darf niemals siegen“, das wussten schon Tocotronic. Aber um das zu gewährleisten, muss man ihre Heimat zerstören. Kiss is kill.
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