Archiv für Mai, 2010

Ein Serienmörder geht um! Er hat es auf die Frauen einer kleinen Wohnsiedlung abgesehen, die er unter Zuhilfenahme diverser Gartenwerkzeuge umbringt. Die Polizei ist ratlos, ein Journalist (Jeremiah Beecher) versucht zu helfen – auch, weil er sich berechtigte Sorgen um die Sicherheit seiner Lebensgefährtin macht. Der Täter ist der behinderte und unansehnliche Gärtner Caleb (Erik Stern), der unter eine dissoziativen Persönlichkeitsstörung leidet, seitdem er als Kind den Unfalltod seines hübschen Bruders Lester verursachte. Als sein überbordend selbstbewusster und gutaussehender Bruder verschafft er sich Zugang zu den Frauen, bei denen er als Caleb abgeblitzt ist, und ermordet sie …

Der Gärtner ist immer der Mörder! Dieses Whodunit-Klischee bietet den Ausgangspunkt für diesen Serienmord-Thriller, mit dem Don Jones und Mikel Angel ein kleiner großer Wurf gelungen ist: THE LOVE BUTCHER muss sich nicht hinter größeren und bekannteren Artgenossen verstecken, sondern kann mit diesen gut mithalten – auch weil die ihm eigene pittoreske Schundigkeit und die für Exploitationfilme so typische kolportagehafte Verbindung von Gewalt, Sex und krudem Humor ihn wohltuend von seriöseren Vertretern des Genres abhebt und einiges von seiner merkwürdigen Stimmung ausmacht. Ich kann nicht wirklich beurteilen, inwiefern THE LOVE BUTCHER aus psychologischer Perspektive stimmig ist: Fakt ist auf jeden Fall, dass das Nebeneinander der beiden grundverschiedenen Brüder in Personalunion, das auf dem absolut überzeugenden Spiel Erik Sterns gründet, und das die Verwandlung vom behalbglatzten Krüppel zum strahlenden Beau begünstigende einfache, aber effiziente Make-up ausgezeichnet gelungen und für einen solchen Film durchaus bemerkenswert sind. Jones und Angel (wer für was verantwortlich war, habe ich nicht eruiert) haben ihren „Hitchcock für Low-Budget-Filmer“ gelesen, berauben den Zuschauer ebenfalls unerwartet einer zentralen Identifikationsfigur und nutzen die Tatsache, dass die Identität des Killers gleich zu Beginn geklärt wird, sowie den Einsatz wohldosierten schwarzen Humors auf eine Art und Weise, die Vergleiche mit des Meisters FRENZY nicht zu scheuen braucht. Klar ist das hier alles mehr als eine Nummer weniger filigran, anspruchsvoll und vielseitig, dann und wann auch ein wenig einfältig (dass sich etwa keiner die Mühe macht, die örtlichen Gärtner unter die Lupe zu nehmen, wo doch alle Mordwerkzeuge auf einen solchen als Täter schließen lassen, bleibt das Geheimnis der Filmpolizei), aber schließlich weiß man ja, worauf man sich einlässt, wenn man diesen kleinen B-Film einlegt und modifiziert seine Erwartungen entsprechend. Trebbin, den ich im vorigen Eintrag (zu Recht) gedisst habe, hat bei seinem Text zu diesem Film einen seiner (raren) hellen Momente gehabt und zeigt zudem Parallelen zum fünf Jahre später entstandenen MANIAC auf, die nicht von der Hand zu weisen sind. Die deutsche Synchro erinnert an selige Zeiten, in denen auch noch der kleinste Film von Meistern des Fachs eingesprochen wurde, passt sich dem kruden Charme des Films aber gut an. Ein hübscher, effektiver Sleazer für Freunde des ambitionierten Seventies-Grindhouse-Kinos.

Die „Zero Boys“, eine dreiköpfige Gruppe Gotcha-spielender Wochenendsoldaten um den obercoolen Steve (Daniel Hirsch), begibt sich nach gewonnenem Turnier mit den Freundinnen in die kalifornischen Berge, um den Sieg bei Dosenbier und Fummeln gebührend zu feiern. Doch statt eines lustigen Abends steht ihnen eine absolute Schreckensnacht bevor, als sie die Aufmerksamkeit zweier sadistischer Hinterwäldler auf sich ziehen, die in ihrer Scheune Snuff-Filme zur Stillung ihrer perversen Bedürfnisse drehen …

Wie fast alle Filme, die der griechische Regisseur Mastorakis in den Achtzigerjahren drehte, zeichnet sich auch THE ZERO BOYS durch eine sehr gediegene Inszenierung aus, bei der vor allem Kameraarbeit und Lichtsetzung hervorzuheben sind, die einen beträchtlichen Teil der Spannung und Atmosphäre des Filmes ausmachen. THE ZERO BOYS sieht toll aus und tröstet damit darüber hinweg, dass er auf der Handlungsebene nur wenig spektakulär ist. An vordergründiger Gewalt und Splattereffekten war Mastorakis offensichtlich nicht interessiert: Die wenigen Szenen um die Folterkammer, in der die Snuff-Filme gedreht werden, begnügen sich mit Andeutungen und verzichten auf explizite Gewaltdarstellungen. Meines Erachtens hebt das THE ZERO BOYS gegenüber den zahllosen in Blut und Gedärm watenden Filmen seiner Zeit aber eher positiv hervor, weil es ihn trotz des modischen Gotcha-Sujets und der achtzigertypischen Optik in Beziehung zu einer älteren Horrortradition setzt, in der Schrecken durch Suggestion erzeugt wurde, statt durch gnadenloses Draufhalten.

Interessant wird THE ZERO BOYS – den ein wieder einmal erschreckend indisponierter Frank Trebbin in seinem Horrorlexikon der blöden Meinungen in Bausch und Bogen verrissen hat – neben seinem damals noch längst nicht so gegenwärtigen Snuff-Diskurs durch seine Anlehnung an den Actionfilm und die seinerzeit wieder aktuellen Vietnam-Bezüge. Gleich zu Beginn richtet der kampfbereite Steve die mahnenden Worte „Sly, eat your heart out!“ an ein RAMBO II-Szenenfoto und die aus dem Hinterhalt mit archaischen Waffen operierenden Hinterwäldler, die man erst sehr spät zu Gesicht bekommt, lassen sich durchaus als Vietcong-Repräsentanten lesen. Oder aber man interpretiert THE ZERO BOYS strukturalistisch: Dann ist er eine Kampfansage des Horrorfilms an seinen damals die Kinokassen dominierenden Konkurrenten, das Actionkino. Aber auch ohne solche Exegesen ist THE ZERO BOYS feine unprätentiöse Unterhaltung. Ich mag den Film trotz seiner letztlich etwas unspektakulären Auflösung sehr gern, zumal mich nostalgische Gefühle mit ihm verbinden: Es war nämlich der erste Film, den ich als Gebrauchtkassette in einer Videothek erstand.

Jedes Jahr treffen sich die College-Freundinnen Abbey (Nancy Hendrickson), Jackie (Deborah Luce) und Trina (Tiana Pierce) für ein Wochenende, um Spaß zu haben, Bier zu trinken und in Erinnerungen an alte Zeiten zu schwelgen. Diesmal verschlägt es sie zum Camping in die Wälder. Doch dort haust eine Mutter mit ihren beiden zurückgebliebenen Söhnen, die arglose Wanderer einfangen und zum eigenen Vergnügen zu Tode quälen …

Als ich MOTHER’S DAY zum ersten Mal als Videokopie zu Gesicht bekam, bei der noch das Surprise Ending fehlte, reizte er mich vor allem wegen seines Rufes: Er ist in Deutschland beschlagnahmt und darf wohl als einer der Schlüsselfilme der in den Achtzigerjahren entbrannten Debatte um den schlechten Einfluss von „Horrorvideos“ bezeichnet werden. Seit damals begleitet mich Kaufmans Film und die zahlreichen seitdem erfolgten Sichtungen haben hinter dem „bösen“ Horrorfilm eine reichlich bittere Satire auf den American Way of Life zu Tage gefördert, die vor allem deshalb einen Sonderstatus einnimmt (und weitestgehend missverstanden wurde), weil sie ihre Kritik nicht von der sicheren Distanz der Kanzel herab predigt, sondern sich mit in die Nesseln setzt und auch ihre Zuschauer nicht verschont.

Wie verlogen die amerikanische Gesellschaft ist, die hier aufs Korn genommen wird, erkennt man schon im Prolog: Nach einem Selbstfindungskurs namens „E.G.O.“, in dem der pure Egoismus unter dem Deckmantel der Nächstenliebe und Selbsterkenntnis propagiert wird, begegnen sich ein junges Hippiepärchen und die titelgebende Mama, eine freundliche alte Dame. Das Pärchen sucht eine Mitfahrgelegenheit und letztere ist nur allzu gern bereit zu helfen, doch eigentlich führen beide Böses im Schilde: Das Hippiepärchen will die alte Frau ausnehmen und ist dazu sogar bereit, sie umzubringen, die ältere Frau schließlich will die beiden jungen Leute ihrerseits nur ihren beiden mörderischen Söhnen zuführen, die ihrer Mutter wirklich jeden Wunsch erfüllen. „Der“ Amerikaner ist ein verlogener, nur auf den eigenen Vorteil bedachter Mörder, der sein Wolfsgebiss hinter einem honigsüßen Lächeln verbirgt.

Das Familienleben der Backwood-Familie bietet schließlich ein Zerrbild des amerikanischen Mittelklassedaseins: In jedem Zimmer läuft ein meist kaputter Fernseher, blökt seine schwachsinnigen Werbebotschaften in den desolaten Alltag, zum Frühstück gibt’s Cronflakes aus dem Eimer und Käse aus der Tube, das ganze Haus ist vollgestellt mit schwachsinnigen Plastikprodukten und nach dem fröhlichen Morden und Vergewaltigen überwacht die Mama das Fitnesstraining der erwachsenen Buben, die immer noch leben wie Schulkinder. Der Schlüssel zu Mutters Erfolg ist bezeichnenderweise die Angst: Immer wieder erzählt sie ihren Söhnen, dass ihre bösartige, vertierte Schwester Queenie ums Haus herumstreune und nur auf den Moment warte, in dem die Mutter allein und hilflos ist, um sie umzubringen. Wir schreiben das Jahr 1980 und kurze Zeit später würde Ronald Reagan – eine starke Vaterfigur – seine Politik der Rekonsolidierung des amerikanischen Selbstbewusstseins ebenfalls auf massiver Angstschürung aufbauen. Es stimmt einiges nicht mit den Eltern-Kind-Beziehungen in Amerika, das jedenfalls ist die Kernaussage von MOTHER’S DAY, der mit Trinas Mutter noch eine weitere herrische Mutterfigur aufbietet.

Dieser karikatureske Humor von MOTHER’S DAY ist jedoch keinesfalls dazu geeignet, die Gewaltdarstellungen des Films, die vor allem in der Vergewaltigungssequenz und im Finale sehr unangenehm geraten sind, abzumildern: Im Gegenteil potenziert er deren Wirkung noch, weil das Zusammenspiel der beiden disparaten Elemente unangenehme Assoziationen an die Sanitized Violence diverser Fernsehserien weckt und man sich als Zuschauer mehr als einmal mit einem schlechten Gewissen ertappt: Darf ich mich hierbei noch unterhalten fühlen? MOTHER’S DAY ist seiner Struktur nach als Entertainment angelegt, als Genrefilm eben (als ziemlich wirkungsvoller zudem), doch bricht er aus dieser Struktur der „harmlosen“ Unterhaltung immer wieder aus, verursacht nur weitere Schmerzen, wo eigentlich Katharsis erwartet wird.

Wahrscheinlich ist es diese Doppelzüngigkeit, die ihm in den Staaten einen größeren Kultstatus verwehrt hat. Dort jedenfalls gilt er keinesfalls als so berüchtigt wie in Deutschland, wo man wiederum nur eine Seite der Medaille zur Kenntnis genommen hat, sondern nur als fehlgeleiteter Trash. Was man wiederum als Beweis für die Stichhaltigkeit seiner Gesellschaftsdiagnose annehmen möchte. Ich finde MOTHER’S DAY absolut grandios, weil er alles leistet, was ein Horrorfilm leisten sollte: Er ist schmerzhaft, schockierend, verstörend, grotesk – und außerdem ziemlich spannend. Ich „freue “ mich schon auf die nächste Sichtung, die irgendwann kommen wird.

unhinged (don gronquist, usa 1982)

Veröffentlicht: Mai 30, 2010 in Film
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Auf der Fahrt zu einem Musikfestival geraten Terry (Laurel Munson) und ihre beiden Freundinnen Nancy und Gloria in ein Unwetter und kommen mit dem Wagen von der Straße ab. Als sie wieder zu Bewusstsein kommen, befinden sie sich in der Obhut von Marion Penrose (J. E. Penner), die gemeinsam mit ihrer an einen Rollstuhl gefesselten Mutter (Virginia Settle) ein riesiges viktorianisches Herrenhaus irgendwo im Nirgendwo bewohnt. Weil es vorerst keine Möglichkeit gibt, zur Außenwelt Kontakt aufzunehmen, bleiben die Mädchen bei den beiden alten Damen. Doch deren Beziehung stellt sich bald schon als sehr zerrüttet heraus …

UNHINGED ist ein eher unbeschriebenes Blatt – trotz seiner Einstufung als Video Nasty in Großbritannien hat es für den großen Kultstatus nicht gereicht – und deswegen einer der Filme, über die ich mich als Genrefreund umso mehr freue, wenn ich sie dann durch Zufall entdeckt habe. Gronquist versteht es wriklich ausgezeichnet, über die gesamte Laufzeit eine Atmosphäre des Unbehagens aufzubauen; ein Unbehagen, das nur ganz selten durch handfeste Schocks aufgebrochen und dadurch „gebannt“ werden würde. UNHINGED ist ein Film des schleichenden Grauens, der die Ahnung gaaanz langsam im Betrachter anschwillen lässt und dessen wenigen Momente der Konkretion dann konsequent durch diese eigene Vorahnung verstärkt werden. Ich habe mich jedenfalls schon lang nicht mehr so unwohl gefühlt bei der Betrachtung eines Films. Die kurzen, an sich unspektakulären Schocks haben sich wie eine eisige Klaue um mein Herz gelegt und zugedrückt.

Sehr entgegen kommt Gronquist bei dieser Strategie, die Ahnungen des Zuschauers gegen ihn arbeiten zu lassen, das imposante Setting des alten Herrenhauses, in dessen dekadent-morbide Innenräumen kein einziger Sonnenstrahl zu dringen scheint und dessen dunkle Schatten die Stimmung sexueller Repression, die die Mutter-Tochter-Beziehung der Penrose-Damen bestimmt, beinah greifbar machen. Der expressive Synthie-Score beschwört in Verbindung mit melancholischen klassischen Stücken das Unheil herauf, das man als Zuschauer zwar von Anfang an kommen sieht – man befindet sich schließlich in einem Horrorfilm –, über dessen genaue Konturen aber lange Unklarheit bestehen bleibt. Zwar hatte ich gegen Ende schon eine Idee, woher der Wind weht, doch als sich dieser Verdacht im niederschmetternden Finale schließlich bestätigte, war das keine Erleichterung. Der Finaltwist entfaltet sich mit solcher Drastik, dass es mich sprichwörtlich ins Sitzmöbel genagelt hat – auch weil er in hartem Kontrast zum ruhigen, an eher klassische Schauerstücke erinnernden Aufbau des Films steht, der einen solchen Ausbruch der Gewalt eigentlich nicht erwarten lässt.

Es ist dieses schlicht und ergreifend perfekte Ende, das aus einem sehr guten einen ausgezeichneten Film macht und die dringende Frage aufwirft, warum diesem famosen Schocker nicht der Ruf zukommt, den er verdient. Für Gronquist tut es mir Leid (er machte nur noch einen Film: 13 lange Jahre nach diesem Debüt), aber als Horrrofreund kann man sich über eine zu entdeckende Perle freuen, die man nicht mit Horden von Vollhonks teilen muss.

Auf einer abgelegenen Straße durch die Wälder West Virginias geraten fünf Wochenendurlauber (u. a. Eliza Dushku, Jeremy Sisto und Emmanuelle Chriqui) und ein unter Termindruck stehender Arzt ins Jagdrevier einer Bande degenerierter Kannibalen …

WRONG TURN ist durchaus einer der besseren Vertreter des zeitgenössischen Teen-Splatterfilms: Als seine beste Eigenschaft muss man vor allem seine knackige Kürze von knapp 75 Minuten bezeichnen, die nach hinten losgehende erzählerische Extravaganzen ebenso verhindert wie ausufernde Belanglosigkeiten oder die sonst so „beliebten“ komödiantischen Exkurse und die Handlung – sind die Figuren und die Situation erst einmal etabliert – auf eine effektvolle Hatz durch den Wald reduziert. Die hervorragenden Settings – das ekelhaft versiffte Haus der Unholde, der Autofriedhof auf einer Waldlichtung – und die hübschen Maskeneffekte von Stan Winston sorgen für den Horror, der WRONG TURN in seiner Fokussierung auf Action sonst fast gänzlich abginge. Ich mag den Film eigentlich ganz gern, weil er weder über die ostenativ vor sich hergetragene und darin oft absolut nervtötende Abgebrühtheit des ein Jahr später aus der Taufe gehobenen „Torture Porns“ verfügt, noch sich in den Niederungen des belanglosen Popcornhorrors mit seinen kreischigen Teenie-Protagonisten verliert. So unmittelbar nach den zuletzt gesehenen „erwachseneren“ Backwood-Filmen treten aber auch die Schwächen von Schmidts Film überdeutlich zu Tage: In seiner Fokussierung auf Thrill und Entertainment ohne Reue und sonst nicht viel mehr wirkt er reichlich stromlinienförmig und aller ausgestellter Splatter- und Ekeleffekte zum Trotz ganz schön ecken- und kantenlos. Es bleibt einfach nix hängen, wenn er einmal vorbei ist. Und das ist für einen Horrorfilm, der doch erschrecken und verstören soll, eigentlich ein Armutszeugnis. Weil es aber wie gesagt keinen echten Anlass zum Ärger gibt und WRONG TURN außerdem so schön schnell wieder vorbei ist, sehe ich ihm das nach und konstatiere: OK. (Leider aber hat die Duschkuh keine Duschszene, was ja fast Etikettenschwindel ist.)

„Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!“, schrieb einst der schlecht gelaunte italienische Dichter Dante Alighieri – und das ist umso bemerkenswerter, als er INVASION OF THE BLOOD FARMERS gar nicht kannte. Weil wir aber schon von unseren Großeltern immer zu hören bekamen, dass man den Worten älterer Menschen Glauben schenken soll – natürlich eine gerissene sich selbst erhärtende argumentatorische Finte -, wissen wir auch, dass der Warnung des Italieners aller angebrachten Zweifel zum Trotz unbedingt und ohne weiteres Hinterfragen Folge zu leisten geboten ist, wenn wir uns Adlums Klassiker des suboptimalen Films auszusetzen gedenken. Und siehe da: Schon nach wenigen Minuten erhalten diejenigen, die sich entsprechend gewappnet haben, einen Eindruck davon, was passiert, wenn man sich den „Blutfarmern“ unvorbereitet gegenüberstellt:

Umständlich formulierte Sätze voller selbstverliebter Parenthesen beiseite: INVASION OF THE BLOOD FARMERS ist kein guter Film – Gott bewahre! -, aber doch auch kein schlechter, das wäre ein geradezu groteskes Missverständnis, das verhindert werden muss. Er fristet sein dementes Dasein nämlich völlig jenseits solch schnöder Kriterien humorloser Faktenhuber und Daumen-hoch-Verleiher und entführt seine Zuschauer in eine geheimisvolle Parallelwelt, in der „Langeweile“ und „Entertainment“ Synonyme sind, das Blöde mit großem Geschrei verkündet und das Abscheulich-Horrible regungslos zur Kenntnis genommen wird. Er wird von Menschen bevölkert, für die es nichts Aufregenderes gibt, als mit trübem Blick ins Nichts zu starren und Wortbrocken auszuspucken, die man mit Sätzen verwechseln könnte. Da zählen die gehirntoten Besucher der örtlichen Bierschwemme lustlos auf, wie viele Menschen ihres Kuhdorfs in letzter Zeit verschwunden sind, ohne sich auch nur im Mindesten darüber zu wundern. Eine Methode, mit dem Phänomen der Landflucht umzugehen, an der sich die neuen Bundesländer ein Beispiel nehmen könnten! Aber immerhin gibt es in diesem Kaff einen reichlich zerstreuten Wissenschaftler und seinen Schwiegersohn, die dem Mysterium nachgehen. Im Zentrum ihres Interesses steht eine merkwürdige Blutprobe, die sich wundersam vermehrt. Nicht nur aufgrund des evidenten Platzmangels in des Professors rührendem Kellerlabor ein Problem. „Wenn wir nichts unternehmen, wird das Labor in ein paar Tagen überschwemmt!“ Ein Gegenmittel muss her, dass die beiden Cracks durch tatenloses Anstarren der blubbernden Brauselimonade zu finden hoffen. Good Things come to those who wait! Auf diese Maxime lässt sich noch jede Errungenschaft der Menschheitsgeschichte zurückführen. Aber Regisseur Adlum macht Schluss mit solchem Aberglauben und lässt die Katastrophe eintreten:

Das Glas läuft über und der Prof schwingt verzweifelt den Putzlumpen! Ein Schnitt schont die Nerven des Zuschauers, der später zu seiner Beruhigung darüber informiert wird, dass der Prof durch das planose Reinkippen von Jod und Irgendwas die Zellvermehrung gestoppt hat. Nicht auszudenken, was sonst passiert wäre! So kann man die rote Plörre wieder gefahrlos in ihrem hübschen Gefäß beobachten und darüber sinnieren, wie die lokale Polizei eventuell helfen könnte. Aber der Sheriff, der sonst nur besoffene Bauern nach Hause fahren muss oder umgeschubste Kühe wieder aufrichten, hat auch keine Idee. Ein Kommentar zur Unterfinanzierung der öffentlichen Dienste? Ganz bestimmt. Alles andere aber auch.

Es ist aber auch eine Krux mit diesen verdammten Blutfarmern! Nur Ärger hat man mit ihnen! Und alles nur, weil sie ihre Königin zu neuem Leben erwecken wollen, die bei ihrem Obermufti in einem schnieken Glassarg aufgebahrt liegt. Um sie mit Lebenssaft zu versorgen, werden die örtlichen Rednecks angezapft und machen dabei Geräusche wie ein großer Kessel kochender Erbsensuppe. (Habt ihr gemerkt, wie ich jetzt doch noch eine kurze Inhaltsangabe untergebracht habe?) Am Ende geht alles gut aus und die Tochter des Professors bekommt sogar einen neuen Hund geschenkt. Nur der arme Sheriff sitzt weiter in seinem karg eingerichteten Büro und hofft, dass eines Tages die Crew von „Schöner Wohnen“ bei ihm vor der Tür steht und Tine Wittlaer ihm ein paar Dekotipps gibt. Was man mit ein paar farbigen Akzenten und einem Duftpotpourri alles machen kann aus so einem Kellerloch! Bis dahin bleibt ihm nichts anderes übrig, als mit seinem Finger aufregende Abenteuerreisen auf der Landkarte hinter ihm zu unternehmen und zu hoffen, dass die Dienstaufsicht ihm seinen lustigen Fernseher nicht wegnimmt oder seine Gewehrgarderobe als Sicherheitsrisiko im Brandfall identifiziert .

INVASION OF THE BLOOD FARMERS: Ein Film wie ein sanfter Klaps auf die Schulter. Und wenn er eine Geschmacksrichtung hätte, wäre das garantiert „Grauer Anzug“ oder „Eingeschlafene Füße“. Ehrlich: Hier wird das Wort „Baddie“ in einer Art und Weise interpretiert, die keine Fragen offen lässt. Ed Adlums Film ist so strunzend langweilig und doof, dass er schon wieder am anderen Ende des Qualitätsspektrums auskommt. Da bleibt mir nur, das einmalige Prädikat „Geil langweilig!“ zu verleihen. Und Alighieri hatte natürlich überhaupt keine Ahnung, was Filme angeht, die alte Bratwurst.

Als Nancy (Melanie Verlin) wieder einmal von ihrem betrunkenen Stiefvater (Lawrence Tierney) belästigt wird, haut sie von zu Hause ab. Auf der Straße begegnet sie den Jugendlichen Tom und Hank, die mit ihrem Kleinbus auf dem Weg nach Florida sind und sie kurzentschlossen mitnehmen. Weil sie aufgrund ihres klammen Geldbeutels gezwungen sind, Nahrungsmittel zu stehlen, ziehen sie das Interesse diverser Kleinstadtpolizisten auf sich. Diese sind jedoch das kleinere Übel: Was die Drei nicht ahnen, ist dass sie das Jagdgebiet einer derangierten Satanistenfamilie durchqueren …

Die Credits lassen zunächst einmal aufhorchen, denn die Crew von MIDNIGHT setzt sich zum Großteil aus Akteuren des Romero-Dunstkreises zusammen: Regisseur und Drehbuchautor Russo (der hiermit seine eigene Romanvorlage verfilmte) verfasste einst das Script zu NIGHT OF THE LIVING DEAD, Kameramann und Editor Paul McCollough schrieb das Drehbuch zu THE CRAZIES, für den auch Soundmann Eric Baca schon das Mikro schwang, das Make-up besorgte Tom Savini, Friedhofszombie Bill Hinzman fungierte als „additional still photographer“ und in einer nicht unwichtigen Nebenrolle agiert John MARTIN Amplas. Hollywood-Altstar Lawrence Tierney vervollständigt den illustren Reigen, der einiges für den folgenden Film erwarten lässt, was dann jedoch leider nicht ganz eingelöst wird. Aber von vorn.

Russo verknüpft in MIDNIGHT Backwood-Elemente mit dem vor allem in den Siebzigern reüssierenden Satanismus-/Okkulthorror, der hier zudem ganz entschieden vom Treiben der Manson-Family inspiriert worden sein dürfte. Die hübsche Eröffnungssequenz – eine Rückblende – zeigt, wie eine unter dem Befehl der fanatischen Mutter stehende Kinderschar ein Mädchen ermordet, das in eine Bärenfalle getappt ist. Danach belädt eine effektiv abgelichtete Beichtszene den Zuschauer mit katholischer Schicksalsschwere, bevor die Credits warme Erinnerungen an das Exploitationkino der Siebziger wecken und die Marschrichtung vorgeben. Der Tisch scheint gedeckt, doch leider hat Russo in der Folge ein ganz entschiedenes Problem damit, das Niveau zu halten. Es dauert eine gute Stunde, bis es zur Konfrontation der Protagonistin mit der mittlerweile erwachsenen und einer mumifizierten Mutter gehorchenden Mordbande kommt und womit Russo den Film bis dahin füllt, ist nicht eben „zwingend“ zu nennen. Bei mir machte sich recht bald schon Ungeduld breit, die auch von den immer wieder eingestreuten Mordszenen nicht abgemildert wurde, weil diese nur in losem dramaturgischem Bezug zum Haupthandlungsstrang stehen: Die Opfer werden nur für diese Szenen eingeführt und man weint ihnen entsprechend keine Träne nach, wenn sie kurz darauf wieder abtreten müssen.

Fairerweise muss man MIDNIGHT zu Gute halten, dass sein Budget gegen Null tendiert haben dürfte und Russos Möglichkeiten somit von vornherein beschränkt waren: Die bis auf wenige Ausnahmen mäßigen Darsteller lassen die Drehbuchschwächen überhaupt erst so deutlich hervortreten, die Settings sind zweckmäßig bis unansehnlich, der Soundtrack wartet mit einem grausligen Softfolk-Titelsong auf und untermalt die eklige Szene, in der Nancy von ihrem Stiefvater begrabscht wird, mit vollkommen unpassender Fahrstuhlmusik. Auch dass MIDNIGHT mit belanglosen Szenen auf Länge gebracht wird, teilt er mit vielen seiner Exploitation-Artgenossen, und ist an und für sich noch kein Grund zur Kritik, weil man solche Unzulänglichkeiten als Freund des ungewöhnlichen Films doch eh längst als essenzielle Bestandteile einer „anderen“ Ästhetik zu schätzen gelernt hat. Die Schwächen des Films ließen sich somit allesamt positiv umdeuten: Der ganze Film sieht in seinen herbstlich-schmutzigen Erdtönen und seiner Kleinstadttristesse herrlich roh und ungestriegelt aus, und dass alles so unspektakulär, ja geradezu unfilmisch abläuft, hat durchaus einen eigenen Reiz. Warum MIDNIGHT zumindest gestern bei mir trotzdem einfach nicht zünden wollte, liegt darin begründet, dass Russo seine Limitierungen eben nicht als Chance begriffen und einen vollkommen übersteuerten kleinen Schocker inszeniert hat, der sich einen Dreck um die Konventionen schert, sondern stets von dem Bemühen bestimmt ist, ernst genommen zu werden. Ich habe die lustvollen Überschreitungen des guten Geschmacks vermisst, die grellen Überzeichnungen, das formale Chaos, den Wahnsinn. Gut möglich, das eine Zweitsichtung mit entsprechend korrigierter Erwartungshaltung diesen Wahnsinn noch zu Tage fördert. Bis dahin gilt: Leider nur mittelprächtig. Aber immerhin gibt es einen vollbärtigen Killerfettsack mit Latzhose, was mich doch ein wenig versöhnlich stimmt.

Die fünf befreundeten Ärzte in den besten Männerjahren Harry (Hal Holbrook), Mitzi (Lawrence Dane), Martin (Robin Gammell), Abel (Ken James) und D. J. (Gary Reineke) treffen sich jedes Jahr zu einem gemeinsamen Ausflug. Diesmal geht es in die kanadische Wildnis, zu einem gewaltigen, von üppiger Vegetation bewachsenen Krater, über den die Indianer sagen, der Mond habe dort seinen Abdruck hinterlassen. Zu den schwelenden Streitigkeiten zwischen den an verschiedenen Problemen – von ganz normaler Midlife Crisis über Alkoholismus bis hin zu Minderwertigkeitskomplexen – laborierenden Männern gesellen sich bald ganz handfeste Nöte: Schon nach der ersten Nacht in freier Natur sind die Wanderstiefel der Männer verschwunden. Und der unbekannte Dieb entpuppt sich nur wenig später als rücksichtsloser Mörder …

Von RITUALS las ich zum ersten Mal in Trebbins „Die Angst sitzt neben dir“, wo der in Deutschland  offiziell nie erschienene Film eine euphorische Bewertung erhielt. Ich war überglücklich, als ich in Holland ein altes Videotape des Films ergattern konnte, das seine besten Zeiten allerdings schon lang hinter sich hatte. Trotzdem ist mir der Film, dessen Dialogen ich ob der miserablen Tonqualität nur sehr mühsam folgen konnte, wegen seiner unangenehmen, fremdartigen Atmosphäre und seiner starken Bilder in Erinnerung geblieben. Für meine Backwood-Reihe habe ich mir jetzt das X-Rated-Bootleg „gegönnt“ (besser wäre: erlaubt), das eine deutsche Erstveröffentlichung darstellt und den Film in zwar arg mitgenommener, aber doch akzeptabler Bild- und Tonqualität und versehen mit auf erwartbar schlechten Englischkenntnissen basierenden deutschen Untertiteln päsentiert. Diese Hindernisse änderten aber kaum etwas an dem Eindruck, den der Film auch diesmal bei mir hinterlassen hat. Von Beginn an, wenn deutlich geworden ist, dass es mit der Freundschaft der Männer längst nicht mehr so weit her ist, macht sich Unbehagen breit, das mit zunehmender Spieldauer immer stärker wird, bevor es als gewaltiger Schatten über dem Geschehen liegt. Großen Anteil daran hat die Kameraarbeit von René Verzier, der die Protagonisten vor der übermächtigen Naturkulisse zu hilflosen Zwergen degradiert und die im Laufe des Films immer karger, sowohl unwirtlicher als auch unwirklicher werdende Landschaft zum mythischen Ort der Selbsterfahrung überhöht.

Die Frage, wer der Killer ist und welches Motiv er hat, tritt immer weiter in den Hintergrund, je näher seine Enttarnung rückt. Es zieht mehr und mehr die Gewissheit herauf, dass diese Männer verloren sind, weil sie im Clinch mit ihren inneren Dämonen liegen, die in der Gestalt des Mörders nur ihre manifeste Repräsentation angenommen haben. Das für den Backwood-Film typische Umkippen ins Surreale habe ich schon bei DELIVERANCE und FINAL TERROR hervorgehoben: Carter geht in RITUALS noch einen Schritt weiter, wenn der aufkeimende Wahnsinn seiner Protagonisten auch die Oberfläche seines Films zu befallen scheint. Das Finale ist ein einziger fiebriger Albtraum, bei dem sich Plausibilitätsfragen gar nicht mehr stellen. Die Grenzerfahrung, die der Backwood-Film immer wieder thematisiert, überträgt Carter durch die konsequente formale Gestaltung und sein schroffes Drehbuch, das sich keine Mätzchen erlaubt, ungebrochen auf den Zuschauer. Vielleicht gelingt ihm dies von allen Backwood-Filmen sogar am besten. Ein toller Film!

Der Anwalt Rob (Robert Taylor) unternimmt mit seiner französischen Ehefrau, der Künstlerin Pia (Nadia Farés), einen Angelausflug vor der Küste einer australischen Insel. Ein spontaner Abstecher in die nahe gelegenen Mangroven entpuppt sich als großer Fehler, als das Benzin ausgeht und nicht nur die Dunkelheit hereinbricht, sondern auch noch ein Sturm aufzieht. Die Suche nach Unterschlupf führt das Paar in ein heruntergekommenes Haus, das offensichtlich einer Bande von Marihuanapflanzern gehört. Als diese nur wenig später vor der Tür stehen und sich höchst unerfreut über die Eindringlinge zeigen, beginnt für Rob und Nadia eine Nacht der Demütigungen und Schmerzen …

STORM WARNING habe ich 2008 auf dem Fantasy Filmfest in einer noch nicht fertig gestellten Rohschnittfassung gesehen und seitdem schon an mehreren Orten (unter anderem in der Splatting Image) mein Loblied auf ihn gesungen. Die erste Sichtung des „richtigen“ Films hat mich jetzt in meiner Meinung glücklicherweise bestätigt: STORM WARNING ist ein exzellenter Backwood-Schocker, der dem Genre zwar nichts wesentlich Neues hinzufügt, aber auf der Grundlage der bekannten Elemente seine eigenen Akzente zu setzen weiß. Den Zivilisation-vs.-Natur-Topos des Backwood-Films wirft Blanks komplett über Bord, konzentriert sich ganz auf den Einbruch der Gewalt in ein bürgerlich-gesättigtes Leben, was er noch dadurch verschärft, dass es ein gut situiertes Ehepaar ist, das sich seiner Haut gegen versiffte Rednecks erwehren muss. Das macht den Blick frei für das, worum es Blanks eigentlich geht: STORM WARNING erzählt vom Schwinden männlicher Dominanz und zeigt deutlich auf, worin die Final-Girl-Fantasie des Slasherfilms eigentlich besteht.

Die Errungenschaften der Zivilisation haben den Mann weich gemacht. Rob wird gleich zu Beginn von Pia dafür gerügt, dass er in einem Fall klein beigegeben hat, in dem er doch eigentlich im Recht war, anstatt weiter zu kämpfen. Zwar ist er es, der wenig später den von Pia gefangenen Fisch erschlägt, während sie sich angeekelt wegdreht, aber er kann das nur, weil es zur Konvention des Angelns gehört, dass dabei Fische sterben: „That’s fishing!“, wie er sagt. Als diese Klammer später aber fehlt, Gewalt nicht mehr in einem gesellschaftlich legitimierten Rahmen stattfindet, es kein Spiel mehr ist, sondern ums nackte Überleben geht, ist Rob unfähig, die Initiative zu ergreifen. Der starke Mann entpuppt sich als handlungsunfähig, entfremdet, impotent (die Hälfte des Films verbringt er mit einem gebrochenen Bein am Boden liegend). Es ist an der Frau, das Heft in die Hand zu nehmen: Und sie tut das mit einer Entschlossenheit, die ihren Gatten wie ein kleines Kind erscheinen lässt. STORM WARNING reiht sich somit (zusammen mit Blanks ebenfalls großartigem letztem Film, dem gleichnamigen Remake von LONG WEEKEND) in den Gender-Diskurs ein, der den Vormarsch der Frau konstatiert und den Mann als Verlierer der modernen Gesellschaften sieht, weil dezidiert „männliche“ Eigenschaften nicht mehr gefragt sind und ihm keine Möglichkeiten bleiben, sich auszuleben und zu entfalten. Der Anwalt Rob ist förmlich zu Tode zivilisiert: Er kann sich aus seiner Lethargie noch nicht einmal befreien, als es um sein Leben geht. Implizit hat der Horrorfilm davon – wie erwähnt – schon oft erzählt: Aber so drastisch und deutlich wie hier, wo Pia die ihr bevorstehende – genreübliche – Vergewaltigung antizipiert und eiskalt die Schritte unternimmt, die nötig sind, um ihren Gegner an seiner verwundbarsten Stelle zu treffen, wurde das höchst selten ins Bild gesetzt. Man sollte sich STORM WARNING aber keineswegs als kopflastigen Problemfilm vorstellen: In erster Linie zielt er dorthin, wo es wehtut, ist Bauchkino vom Feinsten. Die Härte, mit der Pia Rache nimmt, ist von ganz anderem Kaliber als die infantilen Späße des Splatterkinos. Und so entlässt Blanks einen auch nicht mit der schönen Katharsis im Handgepäck, sondern mit einem reichlich mulmigen Gefühl im Magen. Ein Sturm zieht auf, sein Name ist Frau.

Auf nächtlicher Straße steht plötzlich eine nur mit einem Nachthemd bekleidete attraktive junge Frau vor Roberts (Alain Duclois) Auto, die sich ihm als Elisabeth (Brigitte Lahaie) vorstellt. Sonst kann sie sich an nichts erinnern und auch ihr Kurzzeitgedächtnis ist schwer beeinträchtigt: Nachdem Robert sie mit zu sich nach Hause genommen hat, hat sie bereits wieder vergessen, wie sie zu ihm gekommen ist. Als sie am nächsten Morgen allein in Roberts Wohnung ist, taucht ein Mann dort auf, der sich als Doktor Francis (Bernard Papineau) vorstellt und die verwirrte junge Frau wieder dort hinbringen will, von wo aus sie geflohen ist: ein „Schwarzer Turm“ genanntes Hochhaus, in dem der Doktor mehrere Patienten behandelt, die wie Elisabeth am schleichenden Verfall ihres Gehirns leiden …

LA NUIT DES TRAQUÈES macht es auch dem Rollin-erprobten Seher zunächst nicht leicht: Ist man von dem französischen Filmemacher doch sonst eher barocke Schauerszenarios gewohnt, die erst durchs Brennglas der Psychedelia gebrochen und dann mit den Groschenheftelementen Sex & Crime angereichert werden, führt einen dieser Film auf das für Rollin eher ungewohnte Terrain des kühlen apokalyptischen Science-Fiction-Films. Statt von einsamen Friedhöfen, verfallenen Schlossruinen oder nebligen Küstenlandstrichen wird LA NUIT DES TRAQUÈES von den geraden Linien gläserner Hochhäuser und der betongewordenen Tristesse einer modernen Großstadt bestimmt, die Rollin mit seiner gewohnt poetischen Bildsprache zu einem modernen Massengrab verzeichnet. Dem Sujet nach gehört LA NUIT DES TRAQUÈES dem in der Schnittmege von Horror und Science Fiction angesiedelten Subgenre des Seuchenfilms an und es lassen sich durchaus Spuren solcher moderner Klassiker wie Romeros DAWN OF THE DEAD oder Cronenbergs SHIVERS in ihm auffinden. Doch Rollin interessieren etwaige gesellschaftskritische Subtexte nur sofern sie sich in Bilder und Emotionen verwandeln lassen: Mehr als ein Film über die Einsamkeit des Menschen in der Konsumgesellschaft des ausgehenden 20. Jahrhunderts ist LA NUIT DES TRAQUÈES ein Film über die Einsamkeit schlechthin. Seine gewissenlosen Ärzte, die  in eine beiläufig-banale Dialogzeile gebannte Ursache der Krankheit – ein Unfall in einem Kernkraftwerk -, sie dienen lediglich als Wegweiser, damit sich der Zuschauer in Rollins Welt, die ganz und gar Poesie ist, zurechtfindet. Schon sein Versuch eines Ökohorrorfilms LES RAISINS DE LA MORT abstrahierte von der konkreten Bedrohung, die ihm nur noch den Anlass für seine elaborierten Horrortableaus bot, LA NUIT DES TRAQUÈES geht aber noch einmal einen Schritt weiter.

Gerade deshalb erweist sich die Verortung des Films innerhalb eines ziemlich fest umrissenen Genre auch hinderlich für eine unvoreingenommene Betrachtung, weil sie Erwartungen schürt, die Rollin gar nicht einzulösen gedenkt. Und die ungewohnte Illusionslosigkeit seiner Bilder steht in hartem Kontrast zu den Gefühlswallungen, von denen die umständlich-ausschweifenden Dialoge künden. Unter eher technischen Gesichtspunkten der Erzählökonomie betrachtet, muss die Entscheidung, seinem schwungvollen (und mit einer Lahaie-Sexszene garnierten) Auftakt eine Reihe ellenlanger Dialogszenen folgen zu lassen, in denen wieder und wieder dasselbe berichtet wird, als geradezu katastrophal bezeichnet werden. Es macht – zumindest nach der ersten Sichtung – den Eindruck, als sei auch Rollin einer der Infizierten, die sich in der Welt (des modernen kommerziellen Erzuählkinos) zunehmend fremd fühlen, das, was um sie herum passiert, nicht mehr verstehen: als habe er diesen Film nicht kontrolliert, sondern als sei er ganz impulsiv, ungefiltert, unrefelektiert aus ihm herausgeflossen. Aus dieser Perspektive bertrachtet ist LA NUIT DES TRAQUÈES extrem spannend, auch wenn er dies eigentlich gerade nicht ist. Wie alles von Rollin: eigenartig, erst nach einer weiteren Sichtung halbwegs verlässlich einzuordnen.