Mit ‘Fritz Wepper’ getaggte Beiträge

Episode 237: Nachtgebete (Theodor Grädler, Deutschland 1994)

Ulrike Berger (Monika Baumgartner), Angestellte im Nachtclub der Ganoven Cottbus (Robert Jarczyk) und Sacko (Hanno Pöschl), wird ermordet, weil sie „auspacken“ will. Vorher benennt sie den Kunsthistoriker Dr. Roth (Gerd Anthoff) als leiblichen Vater ihrer jugendlichen Tochter Marianne (Joschka Lämmert). Roth ist erstaunt: Zwar hat er die Berger bei einem Kuraufenthalt kennengelernt und sich mit ihr angeregt unterhalten, aber sonst war da nichts. Bei einem Treffen mit Marianne erlebt er, wie Cottbus und sein Schläger versuchen, das Mädchen aus der Wohnung zu prügeln. Er schaltet die Polizei ein und nimmt die Vormundschaft an. Doch damit zieht er den Zorn der Verbrecher auf sich …

So langsam erinnern die Serie und Derricks Funktion darin an den Michael-Landon-Heuler EIN ENGEL AUF ERDEN. Und zur angemessenen Bewertung müsste ich eigentlich ein neues Kriterium einführen: Als Krimiepisode versagt NACHTGEBETE auf ganzer Linie, es gibt auch keine inszenatorischen oder schauspielerischen Glanzlichter oder Kunststückchen zu bestaunen, stattdessen regiert die zu dieser Zeit typische Biederkeit. Dennoch geht von der Folge eine enorme Faszination aus: Es ist schon erstaunlich, auf welche dramaturgischen Irrwege sich Reinecker begibt, um seine Weltanschauung und Moralphilosophie unters Volk zu bringen. Er diagnostiziert einen Zustand allgemeiner „Gleichgültigkeit“ gegenüber dem nächsten, der sich dem Drehbuch zufolge auch in der Weigerung des Dr. Roth widerspiegelt, die Vaterschaft für ein ihm völlig unbekanntes Mädchen von einer flüchtigen Bekanntschaft unterjubeln zu lassen. Aber er wird von Engel Derrick ja dann doch auf den Pfad der Tugend geführt: In einer nur als bizarr zu bezeichnenden Wendung, nimmt der Historiker (der noch mit seine Mama zusammenwohnt) Marianne bei sich auf wie ein Heiliger, führt sie in sein Haus und konstatiert: „Hier wohnst du jetzt.“ Warum? Weil das langweilige Spießerleben zwischen ledergebundenen Wälzern die Nachtclubangestellte – wer bezahlt eigentlich deren Kur? – so nachhaltig beeindruckt hat, dass sie es als Zukunft für ihre Tochter herbeivisioniert, wissend, dass sie bald den ihren letzten Atem aushauchen wird. Die letzten fünf Minuten, in denen Dr. Roth und seine Familie im dunklen Haus das Auftauchen der Killer erwarten, sind sogar ganz spannend, beim Rest kann man nur den Kopf schütteln. Dafür gibt es aber eine der überzeugenderen Disco-Szenen in der an solchen nicht gerade reichen Serie und Hanno Pöschl, der mit weiß geschminktem Gesicht und rotem Pagen-Jackett Frauen versteigert.

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Episode 238: Abendessen mit Bruno (Alfred Weidemann, Deutschland 1994)

Die Unternehmer Mandy (Wolf Roth) und Martin Sasse (Sebastian Koch) haben ein Problem: Sie werden von ihrem Angestellten Simon (Thomas Schücke) erpresst: Dafür, dass er ihnen belastendes Material überlässt, will er Teilhaberschaft im Unternehmen. Es kommt zur Auseinandersetzung, bei der Sasse den Emporkömmling erschlägt. Den Mord schieben die Sasses – der Vater (Ernst Jacobi) und Martins Schwester Ingrid (Sosa Macdonald) – ihrem geistig behinderten Bruder Bruno (Phillip Moog) in die Schuhe. Derrick glaubt aber nicht an dessen Schuld und entlässt den jungen Mann zurück in die Obhut der Verräter …

Nach dem KAFFEE MIT BEATE nun also das ABENDESSEN MIT BRUNO. Mehr als an den Whodunit aus den Siebzigerjahren erinnert die Folge aber an eine andere und Reinecker macht sich noch nicht einmal die Mühe, das Vorbild zu Verschleiern: Einen geistig Behinderten namens Bruno gab es bereits schon einmal bei DERRICK und auch damals wollte dessen feine Familie ihm den Mord des Bruders in die Schuhe schieben, weil er sich nicht wehren konnte: Die Rede ist von ANSCHLAG AUF BRUNO von 1979, in der Dieter Schidor die Rolle des wehrlosen Tropfes übernahm. Wer DERRICK seit den Anfängen verfolgt, weiß bereits, dass die Serie in der Darstellung von psychischen Erkrankungen die Grenze zur Fantasy mitunter lustvoll überschreitet. Das ist auch hier so: Moog, der seine Popperfrisur gegen einen einem Behinderten offensichtlich angemesseneren Dreidollarhaarschnitt, die Barbour-Jacke gegen einen beigefarbenen Opablouson eingetauscht hat, interpretiert den Bruno als dumpf ins Leere starrenden, schweigenden Forrest Gump mit Teddybär. Seine Erkrankung bestehe darin, erklärt der Arzt (der ihn aus seiner Obhut entlässt, weil er seine Klinik schließen will, um sich anderen Dingen zu widmen!), dass Bruno „alles auf einmal“ wisse und verstehe. Möglicherweise sei er damit ja sogar gesünder als die vermeintlich „Normalen“. Der Kniff Derricks, den vermeintlichen Mörder zu entlassen, um so den Druck auf die von Schuldgefühlen geplagten Sasses zu erhöhen, ist ebenfalls alt: Das gab es schon einmal in der KOMMISSAR-Episode DREI BRÜDER von 1974. Weil Reinecker damals aber noch Krimis schrieb statt moralphilosophisch verquaste Kammerspiele, wurde die Kapitulation der Täter da glaubwürdig herbeigeführt. Hier verliert der Mörder schon am ersten Abend beim Anblick seines Bruders die Nerven und versteigt sich in eine peinliche Zornrede. Wie schon oben konstatiert: Als Krimi zum Vergessen, als Blick in die Reinecker’sche Gedankenwelt faszinierend.

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Episode 239: Katze ohne Ohren (Horst Tappert, Deutschland 1995)

Als Karina (Svenja Pages), die Freundin des Drogenhändlers Manfred Mauser (Peter Kremer) im Fernsehen ein Interview mit dem Physiker Kostiz (Karlheinz Hackt) hört, in dem dieser die Jugend dazu ermahnt, die drängenden Aufgaben zur Verbesserung der Erde anzugehen, verlässt sie ihren Partner. Wenig später wird er in seiner Tiefgarage erschossen.

Der Titel klingt wie ein frühes Draft einer Til-Schweiger-Erfolgskomödie, bezieht sich aber auf den Vortrag des Wissenschaftlers: In Südafrika habe er eine Frau gesehen, die eine Katze fütterte, der das Ozonloch die Ohren „weggebrannt“ habe. Das Bild hat den Mann so erschüttert, dass er darüber seinen Wissenschaftlerjob an den Nagel gehängt hat, um nun als Mahner und Aufrütteln durch Fernsehshows, Schulen und andere Einrichtungen zu tingeln und die Jugend an ihre große Verantwortung zu erinnern. Die Episode dieser Tage zu schauen, sorgt für ein interessantes Déjà-vu und erinnert zum einen daran, dass die letzten rund 25 Jahre in Sachen Klima- und Umweltpolitik leider ziemlich verschlafen wurden, zum anderen, dass man von Reinecker in dieser Phase seines Schaffens offensichtlich keine spannenden Fernsehkrimis mehr erwarten darf. Die Figur des Wissenschaftlers kann man vielleicht als Alter ego des Autors verstehen, der seine Tätigkeit als Erfinder von Kriminalfällen niedergelegt hat, um seine Zuschauer über den Status quo der Welt und des menschlichen Daseins zu ermahnen. So ehrlich das auch gemeint sein mag: KATZE OHNE OHREN steht sich bei seinem Anliegen mit ihrer bisweilen bizarren Weltfremdheit mehr als einmal selbst auf den Füßen. Da ist zum einen der Drogendealer Kremer, der freudestrahlend vom Treffen mit den „großen Bossen“ kommt und seiner Freundin mitteilt, dass sie ihm nun alle Münchener Schulen überlassen haben, aber in seiner Wohnung abgepacktes Heroin rumliegen hat und zum Verkauf schon einmal abgerissene Junkies wie Andreas Klausen (Robinson Reichel) bei sich begrüßt. Dann ist da der Wissenschaftler, der mit seiner Karriereentscheidung beruflichen Selbstmord begeht. Warum es der Betreiber einer Drogenklinik für eine gute Idee hält, einen Weltverbesserer vor Junkies darüber schwadronieren zu lassen, dass sie vor der Wirklichkeit wegrennen, anstatt die Welt zu retten, sei dahingestellt. Sehr rührend fand ich die Idee, dass Kostiz seine Vorträge auf Kassetten aufnimmt und dann kostenlos an seine Zuhörer verteilt. Das Geschäftsmodell scheint mir nicht wirklich durchdacht. Aber was weiß ich schon.

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Episode 240: Anruf aus Wien (Alfred Weidenmann, Deutschland 1995)

Babette (Sibylle Widauer), die Tochter des geschiedenen Ehepaars Bach (Peter Fricke & Jutta Kammann), wird entführt, die Entführer fordern eine Million DM. Panisch vor Sorge willigt Bach ein, ergreift bei der Lösegeldübergabe schließlich zur Waffe und erschießt den Boten. Bevor Derrick und Klein Bach festnehmen können, müssen sie aber erst noch eine Möglichkeit finden, Zeit zu gewinnen und die Entführer aus der Reserve zu locken. Sie holen Charlotte (Veronika Fitz), die Ehefrau des Toten, in ihr Boot und fordern sie auf, den Partnern ihres Mannes zu erzählen, er sei nach Wien gereits, um mit ihr dort ein neues Leben anzufangen, und sie erwarte seine telefonischen Instruktionen. Sie macht bei dem Spiel mit – aber wohl vor allem, weil sie im Schock glaubt, ihr Mann sei wirklich nach Wien gereist …

Die letzten Folgen waren ja schon viel, viel besser als das, was Reiencker uns sonst so im Jahr 1994 aufgetischt hatte, doch ANRUF AUS WIEN kommt einem Quantensprung gleich. Nicht nur, dass dem Mann nach gut drei jahrzehnten Fließbandkrimiarbeit noch einmal etwas Neues eingefallen ist: Die Folge ist tatsächlich sauspannend. Zunächst mal geht das alles sehr normal los: Es wird ein etwas zu harmonisches Papa-Tochter-Idyll gezeichnet und die Mama als Buhmann aufgebaut. Fricke zieht dann seine Masche durch und wird immer erratischer und panischer, während seine Ex-Gattin bemüht ist, die Nerven zu behalten. Richtig interessant wird das alles, als Derrick hinzustößt und seinen raffinierten Plan ausheckt. Reinecker zieht die Spannung hier sehr geschickt aus dem nicht zuletzt von Harry geschürten Zweifel, dass Charlotte begreift, was auf dem Spiel steht und mitspielt. Veronika Fitz ist toll als völlig abgeschaltete Gattin, die nach dem Schock der Todesnachricht in einen Zustand der Trance gerät und kurzzeitig Trost in dem von Derrick inszenierten Spiel findet. Aber der Zustand ist natürlich immens fragil: Bei jedem Anruf der Ganoven bei ihr erwartet man, dass sie aus ihrem Trancezustand aufwacht, sich verrät, die Täuschung auffliegen lässt und so den Tod des Mädchens verursacht. Clever gescriptet, gut umgesetzt, toll.

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Episode 241: Ein Mord, zweiter Teil (Alfred Weidenmann, Deutschland 1995)

Der Gefängnispsychologe Dr. Grossler (Stefan Wigger) sucht Derrick auf: Rudolf Kollau (Wolf Roth), den Derrick vor sieben Jahren wegen des Mordes am Geliebten seiner Ehefrau Agnes (Gudrun Landgrebe) festgenommen hatte, steht kurz vor seiner Entlassung wegen guter Führung. Doch Grossler glaubt nicht an den trügerischen Frieden: Für ihn ist Kollau der „absolute Verbrecher“ und nur darauf aus, sich an seiner Ex-Gattin zu rächen, die mittlerweile mit dem biederen Beamten Arno (Edwin Noel) verheiratet ist und in dem Haus wohnt, das Kollau noch zur Hälfte gehört. Tatsächlich bittet er Agnes, seine Bücher bei ihr im Keller unterstellen zu dürfen, bis er eine Bleibe gefunden hat, doch dann steht er wieder vor ihrer Tür, bezieht erst einen Kellerraum und beginnt von dort aus seinen Keil zwischen die Eheleute zu treiben. Derrick sind die Hände gebunden. Was hat Kollau vor?

Reinecker klaut wieder beim Besten: sich selbst. In DER UNTERMIETER war es Peter Kuiper, der sich nach der Haftentlassung in der Wohnung seiner mittlerweile wieder verheirateten Ex-Freundin breitmachte und dabei unter anderem deren Untermieter drangsalierte. Hier wie dort wird Derrick von einem befreundeten Beamten auf den Schurken aufmerksam gemacht, ist der Neue an der Seite der Verflossenen vom Typus des Reinecker’schen Waschlappens. Den wesentlichen Unterschied markiert hier die Besetzung der Schurkenrolle, denn der großartige Wolf Roth legt seinen Eindringling nicht wie Kuiper als zudringlichen, bullyhaft-einschüchternden Gewaltmenschen an, sondern als intelligenten, äußerlich betont kontrollierten, innerlich aber brodelnden Psychoterroristen, dessen immenses Drohpotenzial fast auschließlich zwischen den mit einem süffisanten Lächeln ausgesprochenen Zeilen liegt. Und der Roth hat Freude an dieser Rolle, uiuiui. Er ist ja fast immer super, aber hier ist nahezu jeder seiner Auftritte zum Niederknien. Wenn er seine schlotternde Ex beim Frühstück mit dem Gatten stört und scheißfreundlich nach einem Kaffee fragt oder immer wieder fallen lässt, dass das Haus, das sie bewohnen, ja zur Hälfte ihm gehöre, spürt man den ganzen über die Jahre aufgestauten Zorn und die Freude, die ihm das Wissen verschafft, dass schon seine bloße Anwesenheit die beiden verrückt macht. Mit Derrick liefert er sich hingegen scharfe Wortgefechte, in denen er seine Verachtung für den Beamten nicht zurückhält: Derrick, sonst nie um eine schlagfertige, altersweise Antwort verlegen, wird hier auffällig wortkarg. Wenn es etwas zu meckern gibt – neben der Tatsache, dass die Episode ein Dreiviertelremake ist -, dann ist es wahrscheinlich das Ende. Die Idee ist zwar gut, aber trotzdem fühlt es sich ein bisschen wie ein Letdown an. Egal, Wolf Roth rockt!

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Episode 242: Teestunde mit einer Mörderin? (Alfred Weidenmann, Deutschland 1995)

Der attraktive Roland Ortner (Thomas Kretschmann) ist auf dem Weg zu seiner attraktiven Geliebten Isabel (Christina Plate), die pikanterweise die Pflegerin von Rolands schwerkranker, schwerreicher, aber deutlich älterer Ehefrau Agnes (Ursula Lingen) ist. Bei seiner Ankunft ist Isabel tot, erschossen, und für Roland kann es keinen Zweifel geben, wer als einziger als Mörder in Frage kommt: seine Ehefrau, die ihm die Affäre einst zugestanden hatte, weil sie spürte, dass sie ihrem jungen Ehemann nicht mehr bieten konnte, was er brauchte.

Das ist eine reine Schauspielfolge, in der vor allem Ursula Lingen viel Raum erhält, um ihre würdevolle Grande Dame zu geben. Sie verfügt über große Präsenz, macht den Schmerz ihres Charakters greifbar, der spürt, dass seine grenzen- aber eben auch körperlose Liebe nicht mehr in gleichem Maße erwidert wird und deren Rettungsanker letztlich zur totalen Entzweiung führt. Thomas Kretschmann, Anfang 30 erst, aber bereits mit einigen nennenswerten Produktionen im Rücken, funktioniert gut als ihr deutlich weniger in sich ruhender, vor Lebenslust vibrierender Ehemann, der sich nach eigenem Bekunden von ihr hat kaufen lassen. Das wird leider zu wenig ergründet: Man erhält einen kurzen Einblick in ihre gemeinsame Vergangenheit, aber man erfährt nie, was der junge Mann an der Frau, die seine Großmutter sein könnte, fand. Die ganze Beziehung wird nicht richtig glaubwürdig, auch wenn sich die beiden Darsteller alle Mühe geben. Hinzu kommt der wenig spektakuläre Verlauf: Man weiß schnell, wer der Mörder ist und eine richtige Überraschung bleibt aus. Trotzdem: gehobener Durchschnitt, wie ich ihn mir gefallen lasse.

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Episode 243: Ein Mord und lauter nette Leute (Theodor Grädler, Deutschland 1995)

Die Geschäftsleute Kelpe (Sky DuMont), Bienert (Klausjürgen Wussow) sowie dessen Sohn Hans (Christoph Eichhorn) finden das Callgirl Ruth tot in ihrem Appartement. Alle drei Männer hatten eine Beziehung mit der Frau, zahlten ihr die Miete und ermöglichten ihr auch, ihre Schwester Lona (Julia Dahmen) auf ein Internat zu schicken. Derrick holt das junge Mädchen nach München und berichtet ihr, wer ihre Schwester war. Lona möchte unbedingt die Liebhaber Ruths kennenlernen und dabei helfen, den Mörder zu finden.

Das ist natürlich etwas, was Reinecker nicht versteht: Wie eine Frau sich mehreren Männern gleichzeitig darbieten kann, wie diese Männer sie auch noch untereinander teilen – und wie sogar deren Ehefrauen und Geliebte damit einverstanden sind, weil diese Ruth so ein wunderbarer Mensch war. Und weil er das nicht versteht – was ja vor allem sein Problem ist -, müssen diese Männer und Frauen ölig-verschlagene Schmierlappen sein, denen die falsche Betroffenheit nur so aus jeder Pore tropft – und eine(r) von ihnen natürlich ein Mörder, bei dem es mit der Polyamorie dann doch nicht so weit her war. Was grundsätzlich trotzdem ein Superansatz für 60 Minuten stimmungsvolle Unterhaltung wäre, wenn Reinecker nicht viel zu viel Gewicht auf die Trauerbewältigung der hübschen, aber langweiligen Lona legen würde. Sky DuMont spielt seine Masche runter, Klausjürgen Wussows onkelige Schmierigkeit wird vollkommen verschenkt. Gut, dass Christine Buchegger noch da ist, die Kelpes Sekretärin und Geliebte mit der devoten Strenge einer zärtlichen Domina versieht.

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Episode 244: Kostloffs Thema (Dietrich Haugk, Deutschland 1995)

Der selbsternannte Theaterinhaber, Schauspiellehrer, Stückeschreiber, Regisseur und Philosoph Kostloff (Gert Anthoff) führt die Polizei zur Leiche eines seiner „Schüler“ in einem Steinbruch, nachdem er ihn als vermisst melden wollte. In den Steinbruch schickte er seine Eleven, um ihre Stimme zu schulen. Derrick und Klein ist er damit sofort verdächtig: Und tatsächlich tut der selbstverliebte, von sich selbst überzeugte Sohn einer schwerreichen Mutter (Maria Becker) nichts, um diesen Verdacht zu zerstreuen. Im Gegenteil: Mit seinen seltsamen Theorien darüber, dass jeder Mensch ein Opfer sei und töte, was er liebe, liefert er sich gewissermaßen auf dem Präsentierteller. Nur Beweise gibt es nicht. Also liefert ihm Derrick einen Undercover-Beamten (Nikolaus Gröbe) als neuen „Schüler“ …

Das ist schwierig. Auf der Habenseite hat die Episode ein paar interessante formale Kniffe vorzuweisen, die ich in diesem Stadium von an Leichenstarre erinnernder Routine, in den die Serie zumindest inszenatorisch eingetreten ist, schon nicht mehr erwartet habe. Da dröhnt ein theatralischer Score über die rauschhaft-beknackten Monologe von Kostloff, gibt es eine mit Handkamera inszenierten Film-in-Film, wird das Finale im Steinbruch mit harten Schnitten zum Videoclip. Putzig ist wieder einmal Reineckers unverhohlen zur Schau getragene Verachtung für all diese Kunstfuzzis mit ihren überkandidelten Konzepten und Ideen: Wie schafft man es unter diesen Voraussetzungen, über 30 Jahre lang am Fließband Drehbücher zu schreiben, ohne sich selbst zu hassen? Das macht Spaß, das gefällt. Weniger sicher bin ich mir bei Gert Anthoff, der in der Serie sonst meist den Typus des bürgerlichen Waschlappens verkörpert, der mal positiver, mal negativer angelegt ist, und hier von der Leine gelassen wird. Er dreht ziemlich auf als Kostloff, stolziert wie ein Pfau in einer unglaublichen Hausjacke herum, trinkt Likör mit abgespreiztem Finger, schwadroniert, redet sich in Rage, zitiert Wilde, wedelt affektiert mit den Händen herum und umgarnt am Schluss den neuen Schüler in deutlich homoerotischer Intention. (Da fiel mir nach rund vier, fünf Jahren Derrick und 244 absolvierten Folgen zum ersten Mal auf, wie abwesend das Thema Homosexualität in der ganzen Serie ist.) Das finde ich prinzipiell gut, aber zum einen nehme ich Anthoff die Rolle einfach nicht ab, zum anderen ist dieser Kostloff als Figur – oder so, wie Anthoff ihn anlegt, viel zu comichaft für die Serie. Bei allem, was es zu kritisieren gibt, eins kann man KOSTLOFFS THEMA Nicht vorwerfen: dass die Episode langweilig oder routiniert wäre. Das gibt bei der Erstsichtung einen Bonus.

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Episode 245: Derricks toter Freund (Theodor Grädler, Deutschland 1995)

Arno Beckmann (Walter Renneisen), ein ehemaliger Kleinkrimineller, wird durch die Tür seiner Wohnung erschossen. Das Appartement hatte ihm die wohlhabende Martha Hauser (Christiane Hörbiger) zur Verfügung gestellt, eine platonische Freundin des Opfers. Wie Derrick herausfindet, hatte der auf Anraten seines Zellenkameraden, des Heiratsschwindlers Leo Körner (Jürgen Schmidt), Frauen angeschrieben, um an Geld zu kommen, das ihm aufgrund fehlender Ausbildung und mangelnden Selbstbewusstseins fehlte. Beckmann machte mit seiner Hilflosigkeit, aber auch mit seiner Offenheit nicht nur Eindruck auf Martha, sondern auch auf deren verheiratete Tochter Helga (Roswitha Schreiner) und ihre Freundin Ilse (Gertrud Jesserer). Alle drei Frauen hatte von ihren Männern nicht mehr viel Zuneigung zu erwarten.

Die irreführend betitelte Episode – Derrick kannte Beckmann gar nicht, fühlt sich ihm dann aber durch die Berichte der Frauen verbunden, eben als sei er ein Freund – macht aus dem traurigen Tropf das männliche Gegenstück zu all den unschuldigen weiblichen Zauberwesen, die vor allem in den Siebzigern regelmäßig die Köpfe alternder Männer in DER KOMMISSAR und DERRICK verdrehten. Beckmann ist in der Interpretation von Renneisen ein bemitleidenswerter Trottel, eine Art treudoofer Straßenhund, den man adoptiert, um ihn gesund zu pflegen, aber seine Unbedarftheit und Wärme öffnet ihm den Weg in die Herzen der Damen, die von ihren patriarchischen Männern keine Liebe mehr erfahren. DERRICKS TOTER FREUND passt zu Reineckers Altersthema der zunehmenden Vereinsamung, das im Zentrum dieser späten Jahrgänge steht, aber die Folge scheitert an Renneisen. Dass wohlhabende Frauen ihn als Sozialexperiment adoptieren, mag ja noch angehen, doch dass sich Roswitha Schreiner in diesen linkischen Hampelmann verliebt, sich auch eine körperliche Beziehung zur platonischen wünscht, ist dann doch etwas zu viel des Guten. Renneisen overactet gnadenlos und was liebenswert und unvoreingenommen wirken soll, wirkt tölpelhaft und peinlich. Es liegt an Traugott Buhre, der Marthas autoritären Gatten spielt, dass das Konstrukt halbwegs funktioniert. Wenn es Renneisen schon nicht gelingt, seinen Beckmann zur überirdischen Sympathiefigur zu machen, so schafft Buhre es, allen Hass auf sich zu ziehen. So ist die Episode kein Totalreinfall – und als faszinierender Blick ins vernebelte Oberstübchen von Sozialmärchenonkel Reinecker eh faszinierend.

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Episode 246: Eines Mannes Herz (Alfred Weidenmann, Deutschland 1945)

Der Geschäftsmann Ludwig Dalinger (Walter Schmidinger) sucht die Familie um Dr. Kirchheimer (Ralf Schermuly) auf: Die Tochter des Hauses war vor zwei Jahren spurlos verschwunden und Dalinger zeigt große Anteilnahme an ihrem Schicksal. Wenig später wirft er sich vor einen fahrenden Zug und in seinem Abschiedsbrief, der den Kirchheimers zugeht, erklärt er ihnen, dass er das Herz ihrer Tochter in der Brust trage. Der Mann hatte nach dem Engagement seines Geschäftspartners Bertram (Wolf Roth) ein neues Herz erhalten, für das offensichtlich ein junger Mensch sterben musste …

Kein echter Kriminalfall, weil der Mord an der Verschwundenen nicht geklärt wird, aber eine ziemlich faszinierende und spannende Geschichte. Im Unterschied zu vielen anderen von Reineckers offen „humanistischen“ Folgen, ist EINES MANNES HERZ ausnahmsweise mal nicht gnadenlos verlabert und moralinsauer, sondern tatsächlich involvierend und bewegend. Das Schicksal sowohl der Kirchheimers als auch Dalingers lässt nicht kalt, wird durch die Leistungen der Darsteller nachvollziehbar und greifbar. Und der Verzicht auf einen Schurken, der alles Übel dieser Welt verkörpern muss, tut der Sache gut. Bertram, der der Anforderung an einen Bösewicht noch am ehesten entspricht, ist eigentlich auch ein armes Schwein, das nicht wusste, dass seine Bemühungen, das Leben seines Freundes zu retten, zum Tod eines anderen führen würden. Das Schlussbild, das ihn zeigt, wie er mit einem Phantombild des vermeintlichen Mörders die Gäste eines Münchener Nachtclubs anspricht – zuvor hatten wir erfahren, dass er sein Geschäft aufegegeben habe und nicht mehr erreichbar sei – ist gleichermaßen tragisch wie bewegend und eine schöne Abwechslung zum sonst vorherrschenden Reinecker’schen Pessimismus.

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Episode 247: Dein Bruder, der Mörder (Hans-Jürgen Tögel, Deutschland 1995)

Musterknabe Randolf Basler (Holger Handtke) hat Scheiße gebaut: In seinem Bett liegt eine tote Prostituierte. Seine patente Löwenmutter (Eva Kotthaus) will die Zukunft des Sohnes um jeden Preis retten, also überredet sie dessen Bruder Hubert (Peter von Strombeck), die Leiche mit ihr gemeinsam wegzuschaffen. Anstatt sie aber einfach irgendwo abzuladen, legt Hubert sie sorgfältig vor ihrer Haustür ab und sucht gleich am nächsten Tag die Familie der Toten auf. Dabei erfährt er, dass sie eine von den Großeltern unerwünschte Tochter hinterlässt, um die sich nun Vera (Carin C. Tietze), die Schwestern der Toten, kümmern muss. Hubert bietet ihr seine Hilfe an und zieht so die Aufmerksamkeit Derricks auf sich, der großes Interesse an dem Mann zeigt, weil er spürt, dass er mit dem Mord zu tun hat. Das gefällt Randolf natürlich überhaupt nicht …

Die Episode passt zu Reineckers humanistischer Mission. In Folge um Folge proklamiert er die Gleichgültigkeit gegenüber dem anderen als das Übel unserer Zeit, das sich in DEIN BRUDER, DER MÖRDER wieder einmal darin niederschlägt, dass Mutter und Sohn für sich entscheiden, dass seine Zukunft wichtiger ist als die Gerechtigkeit, eine Prostituierte letztlich niemand vermisst und seine Tat am Ende nur ein Unglück war, für das man ihm die Zukunft nicht versauen sollte. Mitgefühl: Fehlanzeige. Hubert, als „Versager“ apostrophiert, kann und will da nicht mitgehen: Er spürt eine Verantwortung für die Tote und das Bedürfnis nach Wiedergutmachung. Die Sympathien sind klar verteilt, auch weil Holger Handtke und Eva Kotthaus in ihren Rollen nahezu ohne positive Eigenschaften auskommen dürfen. Man kann kaum etwas gegen die Konstruktion der Episode sagen, die wieder ein bisschen an die Anfangstage der Serie erinnert, aber ohne den Furor auskommen muss, den Derrick damals noch an den Tag legte. Reineckers Hauptaugenmerk liegt auch nicht mehr bei den Schurken und ihrer Überführung durch den Kriminalbeamten, sondern beim Altruismus des Bruders. Weil seine Wohltätigkeit aber weniger aus einem Schuldgefühl hervorgeht, sondern beinahe instinktiv aus ihm kommt, und wir als Zuschauer bemerken, in welche Gefahr er sich damit begibt, ist die Folge dann doch recht spannend.

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Episode 248: Die Ungerührtheit der Mörder (Helmuth Ashley, Deutschland 1995)

Professor Weiland (Wolf Roth), Lehrer einer Abiturklasse, ist fasziniert vom Mord und was er in unserem Gehirn anstellt. Für einen Aufsatz lädt er den soeben aus der 15-jährigen Haft entlassenen Frauenmörder Ali Klais (Michael Mendl) in die Schule ein, damit seine Schüler ihm Fragen stellen können. Die Begegnung mit dem ungerührten Mann hinterlässt einen starken Eindruck bei den jungen Leuten und sie suchen ihn nach Schulschluss in der Kneipe auf, in der er kellnert. Auch an der Polizeipsychologin Sophie Lauer (Marion Kracht), die als junges Mädchen Opfer einer Vergewaltigung war, gehen die Worte Klais‘ nicht spurlos vorbei. Als Klais erschossen wird, befürchtet Derrick das Schlimmste …

Im Zentrum der Episode steht ein interessantes Spannungsverhältnis, das auf Erzählebene aber leider nicht wirklich zufriedenstellend eingebunden wird: Mir ging als Betrachter das Messer in der Tasche auf angesichts der Selbstgerechtigkeit, mit der Weiland den völlig verstörten, intellektuell deutlich unterlegenen Mörder vorführt und die Schüler dann mit ihrem begrenzten Weltbild auf ihn einprügeln lässt, und auch Derrick und Klein sind zu Recht angewidert von dem Schauspiel. Zum Teil wird der moralische Furor der Schüler aber durch die angebliche „Ungerührtheit“ Klais‘ gerechtfertigt: Er zeigt weder Reue noch ist er überhaupt in der Lage, seine Tat annähernd zu reflektieren. Dem Drehbuch nach zu urteilen, soll das tatsächlich auf seine Gleichgültigkeit gegenüber fremdem Leben schließen lassen, auch wenn eine andere Erklärung angesichts der Situation, in der er sich befindet, ja viel naheliegender scheint: Nach 15 Jahren Haft eben erst auf freiem Fuß (er wird von Weiland am Knast abgeholt und direkt in die Schule gebracht) sieht er sich als „Ausstellungsstück“ einem Tribunal gegenüber, das von dem völlig unvorbereiteten Mann nicht nur Auskunft über längst vergangene Gefühle und Gedanken, sondern sogar eine Art erneutes Schuldgeständnis einfordert. Dass die Jugendlichen mit der Situation ebenso überfordert sind wie er, ist verständlich (passenderweise erklärt ihnen der von der Begegnung mit dem Mörder geradezu berauschte Lehrer, was sie zu denken und am besten auch zu schreiben haben), aber dass eine Polizeipsychologin nicht in der Lage ist, einen Schritt zurückzutreten und ihre eigenen Befindlichkeiten außen vor zu lassen, disqualifiziert sie eigentlich für ihren Beruf. Abgesehen von der interessanten Ausgangssituation gibt die Folge leider sonst nicht viel her. Aber sie ist auch kein Schuss in den Ofen.

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Episode 249: Herr Widanje träumt schlecht (Alfred Weidenmann, Deutschland 1995)

Herr Widanje (Henry van Lyck) wird vor seinem Haus erschossen. Der Mann pflegte einen ausgeprägten Vergwaltigungs-Fetisch, den er auch vor seiner Gattin (Eleonore Weisgerber) nicht verheimlichte und den er dann auch aktiv auslebte. Kergal (Edwin Noel), Vater der jungen Dina (Julia Brendler), die Widanje zum Opfer fiel, zog die Anzeige zurück, weil der Unternehmer ihm im Gegenzug einen Arbeitsplatz in seiner Firma anbot. Zu den Verdächtigen gehören außerdem Agnes Voss (Gudrun Landgrebe), die Therapeutin von Widanjes Gattin, sowie der junge Staatsanwalt Dahlau (Philipp Moog), der ein Foto von Dina auf dem Schreibtisch stehen hat, um das ungesühnte Verbrechen nicht zu vergessen …

Ich habe mich noch nicht so recht zu einer echten Einschätzung dieser Episode durchringen können, die einige interessante Elemente und Details aufweist – hier wären einmal die schwarzweißen Behandlungsvideos zu nennen, die Dr. Voss Derrick von ihren Patienten vorführt – und damit überrascht, dass der Mord am Ende nicht aufgeklärt werden kann. Das Problem ist, dass sie keinen echten Drive entwickelt. Nicht dass, die Serie zu diesem Zeitpunkt sonst ein Ausbund an Spannung und Intensität wäre, aber Weidenmann gelingt es einfach nicht, die verschiedenen Ansätze hier unter einen Hut zu bringen und seine Story so geradlinig zu entwickeln wie das nötig wäre. Am Ende macht sie einen etwas überladenen, ungeordneten Eindruck und sie steht sich dabei selbst im Weg. Was schade ist, denn eigentlich hat die Prämisse großes Potenzial, das man aber nur hier und da aufblitzen sieht.

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Episode 250: Mitternachtssolo (Helmuth Ashley, Deutschland 1995)

Arthur Bolz (Edgar Walther), der Inhaber eines Nachtclubs, wird von seinem Geschäftsführer Prasko (Winfried Glatzeder) erschossen, als er ihn der Unterschlagung von Geldern bezichtigt. Bevor Prasko und seine Mitarbeiter die Leiche fortschaffen können, werden sie vom Nachtwächter Randel (Udo Samel) erwischt. Der sieht seine große Chance: Doch er will kein Geld für sein Schweigen, sondern Praskos Ehefrau Inge (Susanne Uhlen) …

Die Standard-Ausgangssituation nimmt mit Randels Forderung leider keine Wendung ins Bizarre, sondern in ein wenig überzeugendes Melodram: Natürlich verliebt sich Inge, deren Ehemann ein absolutes Arschloch ist, in den biederen Nachtwächter, weil der echtes Interesse an ihr zeigt. Ein Happy End darf es aber nicht geben, weil sich Inge wie einst Winnetou in einen auf Old Shatterhand Randel abgefeuerten Schuss wirft. Derrick guckt drein, als wollte er sagen: „Kinders, was macht ihr immer nur für Sachen.“ Glatzeder ist gut als schwitzender Schurke, aber die Episode ist nicht mehr als unterer Durchschnitt.

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Episode 251: Die zweite Kugel (Horst Tappert, Deutschland 1996)

Johannes Kahlert (Dirk Galuba) erpresst Schutzgeld von italienischen Gastronomen. Veronese (Peter Bertram) weigert sich zu zahlen, also schickt Kahlert seinen Laufburschen Valentino (Götz Hellriegel), um ihn einzuschüchtern. Der nimmt seinen Freund mit, Kahlerts Sohn Konrad (Oliver Hasenfratz). Im Gasthaus des Opfers kommt es allerdings zu einem Schusswechsel, bei dem Konrad durch eine Kugel am Arm verwundet wird und Veronese daraufhin erschießt. Weil er medizinische Versorgung benötigt, aber nicht riskieren kann, dass die Schusswunde der Polizei gemeldet wird, wendet er sich an den Priester Figges (Philipp Moog), um vor diesem die Beichte abzulegen und somit auf das Beichtgeheimnis bauen zu können. Tatsächlich erklärt sich der Pfarrer bereit, einen Arzt (Lambert Hamel) zu organisieren, der dichthält. Derrick kommt der Sache schnell auf die Spur, aber er möchte den Täter identifizieren, ohne den Pfarrer zum Verletzen des Beichtgeheimnisses zu zwingen.

Vielleicht ist diese Folge die ultimative Neunziger-DERRICK-Episode: Philipp Moog spielt einen Pfarrer und Derrick agiert als Hebamme der Wahrheit mit Respekt vor einem heiligen Gelübde. Erzählt wird in getragenem Tempo, alle Schauspieler sind mit großem Ernst bei der Sache, der sich in einer respektvollen Behutsamkeit niederschlägt, so als hätten sie Angst, Reineckers fragile Prosa könne sonst zerbrechen. Selbst Galuba, sonst der verlässliche Mann fürs Grobe, reißt sich sichtlich am Riemen: Anstatt seinem dämlichen Sohn gründlich den Arsch zu versohlen, schluckt er den Ärger herunter. Heraus fällt allerdings eine Actionszene, wahrscheinlich eine von insgesamt drei überzeugenden in 30 Jahren DERRICK: Aus einem fahrenden Auto wird mit einer Maschinenpistole auf den holzhackenden Pfarrer geschossen (Moog im weißen Shirt und Latzhose vorm Holzstapel), der sich mit einem Hechtsprung in Sicherheit bringt. Hatte Tappert als Vorbereitung etwa John Woo studiert?

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Episode 252: EInen schönen Tag noch, Mörder (Alfred Weidenmann, Deutschland 1996)

Der Buchhalter Dannhof (Gerd Burkard) kommt mit schlechten Nachrichten auf die Großbaustelle seines Chefs, des Bauunternehmers Kottler (Volker Lechtenbrink): Dessen Geschäft steht kurz vor dem Konkurs, das Überleben hängt von frisierten Zahlen ab, die Dannhof aber nicht liefern will. Kottler nimmt den Buchhalter mit auf einen kleinen Spaziergang und stößt ihn dann in die Baugrube. Rudolf (Stefan Kolosko), Sohn des Kranführers Alex Hasinger (Stefan WIgger), hat wie sein Vater alles gesehen, doch der Ältere zwingt den Jungen zur Falschaussage: Alles sei ein Unfall gewesen, Kottler habe versucht, den stürzenden Dannhof festzuhalten. Dannhofs Kinder, Albert (Philipp Brammer) und Erika (Natali Seelig), sind am Boden zerstört. Aber Derrick gibt nicht auf und bringt Kottler dazu, die Kinder des Toten auf einen großen Empfang einzuladen.

Volker Lechtenbrink ist gut, Philipp Brammer nervt und Reinecker war beim Verfassen des Scripts wohl nicht durchgehend im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte. Im Streitgespräch mit Dannhof, bei dem auch Kottlers engste Mitarbeiter anwesend sind, gesteht der Unternehmer, dass er „derzeit schwach“ sei, aber diese Schwäche garantiert nicht zeigen werde: Was damit, dass er es ausgesprochen hat, ja irgendwie hinfällig ist. Viel Zeit wird darauf verwendet, das Leid des trantütigen Geschwisterpärchens einzufangen: Vor allem diese Erika ist grauenvoll, sagt in der ganzen Episode kein Wort, guckt lediglich deprimiert aus der Wäsche und lässt sich von ihrem Bruder in den Arm nehmen. Was soll das?

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Episode 218: Ein sehr trauriger Vorgang (Theodor Grädler, Deutschland 1993)

Der schüchterne, zurückhaltende Horst (Holger Handtke) wird von seiner Clique mit ins Bordell genommen und dort unter großem Buhei entjungfert. Beim anschließenden Umtrunk macht sich Anführer Albert (Werner Hochholdinger) einen Spaß daraus, Inge (Dorothee Hartinger), die insgeheim für Horst schwärmt, anzurufen und ihr die Neuigkeiten brühwarm zu erzählen. Wenig später klingelt es an der Tür: Albert geht hinunter, um zu öffnen und wird von einer unbekannten Person erschossen.

Eine impertinente Episode, die wieder einmal vom haarsträubenden Moralismus Reineckers zeugt. Ich spoilere gnadenlos: Als Mörder entpuppt sich Frau Hohner (Christiane Hörbiger), die Lehrerin der Jungs und von Inge, die damit die „Verführung“ des so reinen, unschuldigen Horst durch die Rowdies um Albert bestrafen will. Zwar entgeht sie ihrer Strafe nicht, aber Reineckers Sympathien liegen schon eindeutig bei ihr. Mit dem Besuch im Puff ist der erste Schritt ins Höllenfeuer gemacht, der in seiner Langweiligkeit doch so schützenswerte Horst ist mit der gemachten Erfahrung gewissermaßen dem Untergang geweiht, zumindest aber einfach nicht mehr derselbe. Das ist einfach hoffnungslos albern, verkennt biologische Realitäten und wird noch zusätzlich dadurch befeuert, dass Freund Albert wirklich ein saumäßig unsympathisches Arschloch ist. Diese Gemengelage macht „Ein sehr trauriger Vorgang“ als Kuriosum sehenswert, aber leider fehlt der Inszenierung jeder Hang zum Sleaze, der ein ähnliches Szenario in den Siebzigern noch zum Schenkelklopfer erster Güte gemacht hätte. Das Ding ist einfach nur kreuzbieder.

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Episode 219: Mann im Regen (Alfred Weidemann, Deutschland 1993)

Ilse Lohmann (Claudia Lössl), die als Dienstmädchen im Haus der wohlhabenden Brüder Luis (Hans Georg Panczak) und Hans (Burkhard Heyl) arbeitet, wird morgens tot in ihrem Bett aufgefunden, ihr Körper zeigt Spuren von sexuellem Missbrauch. Pikanterweise hatte sie mit beiden Brüdern ein sadomasochistisches Verhältnis. Der werte Papa (Hans Korte) verschafft ihnen jedoch ein Alibi, indem er angibt, sie seien zur Tatzeit bei ihm gewesen. In die Ermittlungen schaltet sich Robert Lohmann (Ulrich Matthes) ein, der Bruder der Toten. Er ist in psychiatrischer Behandlung und scheint verwirrt.

Ein Reinecker’sches Psychodrama, dessen titelgebendes Bild (das auch die Schlusscredits noch einmal unterlegt) sehr reizvoll ist, das aber etwas an seiner Ziellosigkeit krankt. Lohmann ist ein in sich gekehrter Träumer und was das eigentlich für eine Disposition sein soll, die er da mit sich herumschleppt, wird nie so ganz klar. Trotzdem eine der besseren Episoden aus dieser insgesamt eher problematischen Phase, mit einem sympathisch aufspielenden Matthes. Und Hans Korte ist eh immer super.

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Episode 220: Langsamer Walzer (Helmuth Ashley, Deutschland 1993)

Inge (Jennifer Kitsch), die im Wäschesalon von Kubik (Gerd Baltus) arbeitet, nimmt abends entgegen allen Warnungen die Abkürzung durch den Park – und kommt nie zu Hause an. Neben ihrer Leiche sitzt ein Hund, die Polizei findet außerdem einen Walkman, auf dem eine Kassette einen langsamen Walzer spielt. War Kubik der Täter, der ein Auge auf Inge geworfen hatte und zudem von seiner bettlägerigen Gattin (Hannelore Hoher) gepiesackt wird?

Die Szenen, in denen Derrick und Harry hochkonzentriert der Musik aus dem Walkman lauschen, sind alles: Nicht nur weil fraglich ist, was sie aus dem fürchterlich synthetischen Stück Musik eigentlich herauszuhören hoffen, sondern auch, weil Regisseur Ashley offensichtlich nicht wusste, dass man für einen Walkman einen Kopfhörer benötigt. Das passt zu einer Folge, der ich gern das Prädikat „verstrahlt“ geben würde, wenn die Inszenierung nicht so furchtbar bieder und eigenschaftslos wäre. Nicht auszudenken, wäre „Langsamer Walzer“ in den Siebziger- oder Achtzigerjahren entstanden, denn eigentlich ist hier alles drin: Der dunkle, gefährliche Park, durch den Mädchen des nachts nicht mehr gehen sollten, der geile alte Tropf, der jungen Mädchen nachstelzt, die boshafte Ehefrau (Hannelore Hoger), die ihn aus dem Bett herumkommandiert und eifersüchtig ist auf die jungen Dinger. In den letzten zehn Minuten wird dann auch noch Peter Fricke als Psychiater ausgegraben, der herausgefunden hat, dass grauenhafte Synthieklassik einen beruhigenden Effekt auf Psychopathen hat. Und Christian Berkel spielt das Versuchskaninchen in seinem Beweisvideo! Hier ist genug Stoff für drei Folgen drin – und selbst, wenn sie den Nineties-Muff nicht ganz abschütteln kann, sticht sie doch heraus.

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Episode 221: Geschlossene Wände (Theodor Grädler, Deutschland 1993)

Irene Solm (Constanze Engelbrecht), Ex-Supermodel und ehemaliges Objekt der Begierde der Regenbogenpresse, wird nach einem Selbstmordversuch sowie mehrmonatigem Alkohol- und Drogenentzug aus einer Heilanstalt verlassen und sucht ihren Lover, den Schauspieler Gaston Riemann (Hanns Zischler) auf. Doch der hat längst eine Neue und setzt die ausgebrannte Schönheit mitleidlos vor die Tür. Eingefangen wird das Spektakel vom Klatschreporter Rob SImon (Heiner Lauterbach), der Riemann danach in seinem Blatt an den moralischen Pranger stellt. Das Ergebnis folgt auf dem Fuße: Riemann wird vor den Augen von Irene in der Tiefgarage erschossen.

Reinecker polemisiert mal wieder gegen die sogenannte High Society und vor allem die Showbiz-Szene, deren eitlen Selbstdarsteller ihm alle suspekt sind, weil sie zarte Geschöpfe wie Irene ins Verderben stürzen. Die bildschöne Engelbrecht bekommt leider nicht viel zu tun, außer lebensmüde aus dem ungeschminkten Gesicht zu gucken. Am Ende darf Derrick dem Klatschreporter – in dessen Redaktionsbüro ein Poster von Jason Donovan hängt – die Moral von der Geschicht ins Mikro diktieren. Könnte lustig sein, wenn die Folge etwas mehr Drive hätte. So bleibt nur der furchtbare Song im Ohr, der in dem reichlich tristen Szeneclub immer gespielt wurde, wenn „sie“ den Laden betrat. Dann hätte ich mich allerdings auch in den Suizid gesoffen.

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Episode 222: Nach acht langen Jahren (Helmuth Ashley, Deutschland 1993)

Ein italienischer Gastwirt wird von einem Mafiakiller erschossen, nachdem seine Ehefrau (Cornelia Froboess) den Schutzgeldkassierer wenige Tage zuvor rausgeschmissen hatte. Hinter dem Mord steckt Andreas Heine (Michael Gwisdek), Deutscher im Dienste der Mafia, der nach dem Vorfall sofort aus Rom nach München geschickt wird, um die Sache gemeinsam mit Zensky (Werner Pochath) zu regeln. Vor Ort nimmt er auch Kontakt mit seiner Ehefrau (Rosel Zech) und seinen beiden Kindern auf, die er vor acht Jahren hatte sitzen lassen.

Das muss man sich mal vorstellen: La Famiglia entsendet wegen Cornelia Froboess‘ Aufmüpfigkeit einen Mann aus Rom! Diese völlig absurde Prämisse gibt einigen Aufschluss über die Irrwege, auf denen sich Reineckers Geist damals befunden haben muss. Auch diese Episode ist wieder sehr somnambul und träge, kaum einer verhält sich auch nur halbwegs menschlich – mit Ausnahme des aalglatten Heine, der aber trotzdem erst am Ende aus der Haut fährt, als ihm Harry auf Geheiß Derricks die Handschellen anlegt. Peter Bertram gibt mal wieder einen Italiener mit Klischeeakzent – ob er sich damals Hoffnung machte, den „Isch ‚abe gar kein Auto“-Spot zu bekommen?

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Episode 223: Die Lebensgefährtin (Günter Gräwert, Deutschland 1993)

Hilde Lussek (Krista Bosch) kommt vom Einkaufen nach Hause und findet ihren Lebensgefährten Walter Scholz (Udo Vioff) tot auf: Die beiden standen nur wenige Wochen vor ihrer Hochzeit. Hildes Freundin Vera (Jutta Kammann) macht die schockierte Frau darauf aufmerksam, dass sie mit völlig leeren Händen dastehen wird, sofern Walter sie nicht in seinem Testament benannt hat, doch alles, was die beiden finden, ist ein Säckchen mit wertvollen Juwelen, die Hilde der Freundin zum Schutz anvertraut. Wenig später gesteht der Arzt ihr, dass ihr Partner Opfer eines Mordes geworden ist, und. verständigt die Polizei. Kurz nach Derrick treffen auch Walters Bruder Egon (Christoph Bantzer) und dessen Sohn Udo (Philipp Moog) ein, die als Erben schon mit den Hufen scharren.

Erbschaften und die Streitigkeiten darum bieten Reinecker einen trefflichen Boden für seine Polemisierungen gegen bürgerliche Heuchelei, Verlogenheit und Gier. Im vorliegenden Fall geben Bantzer und der ewig schmierige Moog besonders ekelhafte Beispiele ab: Der Verwandte, der sie zu Lebzeiten nicht ausstehen konnte und sie hochkant rauswarf, ist noch nicht kalt, da gieren sie schon nach seinem Vermögen und ziehen über dessen Lebensgefährtin her, die durch keinerlei amtliche Papiere legitimiert ist. Derrick bleibt cool wie eine Hundeschnauze und lässt sich nicht beirren. Letztlich schaden sich die beiden nur selbst, denn sie drängen sich als Tatverdächtige natürlich geradezu auf. „Die Lebensgefährtin“ ist nicht gerade spannend, weil eigentlich von Anfang an kaum ein Zweifel daran besteht, wer hinter dem Mord steckt, aber sie funktioniert, weil Reinecker weiß, wie er die Affekte bedient. DERRICK-Regulars wie Christian Merkel und Christine Wodetzky mischen auch noch mit.

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Episode 224: Die seltsame Sache Liebe (Theodor Grädler, Deutschland 1993)

Ein junges Mädchen wird tot zwischen den Gleisen des Güterbahnhofs gefunden. Derrick und Harry sehen sofort, dass die Leiche dort nur abgelegt wurde. Es handelte sich um die Freundin des jungen Ulrich (Holger Handtke), den die Nachricht von ihrem Tod völlig aus der Bahn wirft. Sie arbeitete als Kellnerin in der Kneipe von Arnold (Claus Biederstaedt) und Helene Soske (Diana Körner) und war auch am Abend ihres Todes dort. In die Ermittlungen mischt sich der Alkoholiker Seidel (Wolf Roth), ein ehemaliger Kollege Derricks, der dringend eine Beschäftigung braucht, um sein Leben zu meistern.

Reinecker im pseudophilosophischen Schnarchmodus: Wieder einmal zeichnet er das weibliche Opfer als unschuldige Männerbeglückerin und die Liebe zwischen ihr und dem kreuzlangweiligen Ulrich als paradiesischen Zustand des sich gegenseitigen Anstrahlens. Ersteres steht natürlich im Konflikt zu Letzterem und deshalb gibt’s auch wieder ein paar alte Männer, die an einem dreißig Jahre jüngeren Mädel rumschrauben und am Ende doof aus der Wäsche gucken. „Die seltsame Sache Liebe“ ist wie so viele Episoden aus dieser Phase langsam und schnarchig, sodass auch die Reinecker’schen Geschmacksverwirrungen nicht wirklich zum Zuge kommen. Da können noch nicht einmal Biederstaedt und der wie immer großartige Roth das Steuer herumreißen.

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Episode 225: Zwei Tage, zwei Nächte (Zbynek Brynych, Deutschland 1993)

Kronau (Peter Ehrlich) findet durch einen Zufall heraus, dass sein Sohn Achim (Jacques Breuer) sein Geld als Drogendealer verdient und spült dessen Vorrat im Wert von 100.000 DM kurzerhand im Klo herunter. Der Sohn ist verzweifelt, denn nun steht er bei seinen Auftraggebern mit diesem Betrag in der Kreide. Anstatt ihm das Geld zu geben, fordert der Vater Achim auf, die Gauner mit der Tatsache zu konfrontieren und ihnen mit der Polizei zu drohen, um sie in Schach zu halten. Von der Unterredung kehrt Achim nicht zurück, wird erschossen in einer Unterführung gefunden. Der Vater bringt sich um und hinterlässt Tochter Sabine (Katharina Schubert), die nun mit Derricks Hilfe die Mörder des Bruders dingfest machen will.

Dass Ehrlich und Breuer schon nach kurzer Zeit „ausfallen“, ist ein Wermutstropfen, denn die beiden sind immer eine Schau. Die Episode krankt aber auch daran, dass die Täter keinerlei Rolle spielen, erst in der letzte Szene überhaupt in Erscheinung treten. „Zwei Tage, zwei Nächte“ bleibt dem Melodram verpflichtet, begibt sich dafür zwar in den sündigen Unterbauch Münchens – eine Pinte namens „Blue Movie“, in der Walter Renneisen den Zapfhahn bedien und die Junkies zugedröhnt an die Decke starren, während die Flipperautomaten klappern und DERRICK-Veteranin Ute Willing sich einen Schuss in die Wade setzt -, aber wir befinden uns eben in den Neunzigern und da ist alles mit diesem pastoralen Schmelz der Seriosität überzogen. Man merkt, das Brynych versucht, eine gewisse avantgardistische Artifizialität in seine Bildkompositionen zu bringen, aber der aalglatte Fernsehlook lässt alles billig, aseptisch und geleckt aussehen. Vielleicht müsste ich mich von meinen Erwartungen und Vorprägungen freimachen, um die eigenen Reize des Nineties-DERRICKs schätzen zu können, aber noch gelingt mir das nicht. Das Highlight für mich war das Tourposter von Nuclear Assault featuring Depressive Age, das in der Pinte an der Wand hängt.

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Episode 226: Nachtvorstellung (Helmuth Ashley, Deutschland 1993)

Drei Schüler (Oliver Hasenfratz, Nikolaus Gröbe und Philipp Brammer) besuchen die Nachtvorstellung eines Actionreißers im Kino, von der sie sich etwas mehr als nur einen Film versprechen. Sie behalten Recht: Während des Showdowns wird der Kartenverkäufer mitten im Saal unbemerkt vom Publikum erschossen. Derrick findet heraus, dass er mit Drogen handelte – und unter anderem für den Rückfall einer Mitschülerin der drei Jungs verantwortlich war.

Mal wieder eine Anti-Drogen- und Selbstjustizepisode – diesmal mit dem heutigen Rosamunde-Pilcher-Schwarm Francis Fulton-Smith als trauerndem Ex-Dealer und Christoph Bantzer als verständnisvollem Lehrer. Es gibt jede Menge steifer Dialoge, in denen den jugendlichen Zuschauern (hahaha!) erklärt wird, dass Drogen nur was für Feiglinge sind, die mit dem Leben nicht klarkommen (natürlich von Leuten, die das gar nicht beurteilen können), und Derrick beschwört mit starrem Blick das Leid des weiblichen Opfers, das bei seinem Besuch in der Entzugsklinik geschrieen habe „wie ein Tier“. Am besten gefallen haben mir aber die Angriffe auf das zeitgenössische Kino, in dem angeblich nur noch stumpf rumgeballert wird, darüber sind sich sowohl die Schüler als auch Harry einig, der Cineast. Über die Leinwand flimmert dazu etwas, was wie ein zweitklassiger französischer Actionfilm von 1984 aussieht, während im Foyer Poster von solchen Gewaltreißern wie SOMMERSBY und FOREVER YOUNG aushängen. Es ist eine verrückte Welt, dieses München anno ’93. Man muss wahrscheinlich dabeigewesen sein.

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Episode 227: Ein Objekt der Begierde (Zbynek Brynych, Deutschland 1993)

Karoline Hecht (Jeannine Burch) ist der Typ Frau, auf den Männer bei DERRICK immer gleich reagieren: Sie verlieben sich Hals über Kopf, benehmen sich daraufhin wie Fünftklässler mit Samenstau und werden zum Würger, wenn sich die ach so offenherzige, lebensfrohe und aufreizende Damen ihren Avance entzieht. Womit auch der Plot dieser Episode hinreichend skizziert wäre. In dem Mietshaus, in dem sie Nachhilfe vom Studenten Bleiweg (René Heinersdorff) erhält, wohnen gleich haufenweise Verehrer: der trottelige Ratinger (Hans Georg Panczak), der ölige Fotograf Tuball (Sky Dumont), der gescheiterte Schauspieler und Alkoholiker Kowalski (Stefan Wigger) sowie die Ehemänner Soost (Michael Mendl) und Kieler (Ralf Schermuly), die mit ihren Weibern nicht mehr glücklich sind. Eines abends liegt das Mädchen erwürgt im Treppenhaus und die ganze Baggage stürzt sich auf den armen Kowalski …

Das Schauspielerensemble reißt es raus, auch wenn Brynych Wigger nicht vom Overacten abhalten kann. Die Serie ist in dieser Zeit gleichermaßen betulich wie theatralisch, im Aufbau mutet das alles ein bisschen nach Provinztheater an, von der eigenen Bedeutungsschwere überzeugt, in der Unbeholfenheit aber oftmals unfreiwillig komisch. Das beginnt schon bei der Eröffnungsszene, die die ewig feixende Karoline zeigt, wie sie zu laut aufgedrehtem Eurodance im Cabrio durch München heizt, während die Passanten nur Kopfschütteln für sie übrig haben oder ihr gar den Vogel zeigen. Das Frauenbild der Serie, das habe ich ja schon mehrfach angedeutet, ist höchst faszinierend: Auf der einen Seite sind es meist die Männer, die die Kontrolle verlieren, aber die Opfer machen es ihnen auch geradezu unverschämt einfach. Nicht nur, dass sie bereits ersticken, wenn man sie zwei Sekunden lang am Hals berührt: Wie diese Karoline mit ihren lustigen Grübchen hier herumscharwenzelt, die peinlichen Ranwanzereien der älteren Herren für lediglich höfliche Harmlosigkeiten ohne Hintergedanken hält, ist schon sehr beachtlich. Und Tappert, als Derrick einst von gerechtem Furor, Hass für die Verlogenheit und boshafte Schadenfreude angetrieben, schlafwandelt müde durch die gut ausgeleuchteten Settings wie ein Priester, dem man Baldriantropfen in die Oblaten gemischt hat. Nach 227 Folgen der Dummheit und Niedertracht hat er alle Hoffnung längst fahren lassen.

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Episode 228: Das Thema (Alfred Weidenmann Deutschland 1994)

Der Student Werner Godel (Jochen Horst) bessert seine Kasse auf, indem er geklaute Autos für seinen Freund Ralf (Richy Müller) ins Ausland fährt. Bei einer Unternehmung gibt es Komplikationen, die dazu führen, dass Ralf einen Mann erschießt. Zur selben Zeit erhält Werner Besuch von seiner älteren Schwester Monika (Irene Clarin), einer Fotografin, die ihn zu ihrem nächsten Kunstprojekt machen will. Sie bemerkt, dass ihn etwas belastet und bedrängt ihn, sich mitzuteilen.

Es macht derzeit nicht mehr so richtig viel Sinn, die Episoden detailliert zu beschreiben. Manche sind schrecklich, manche lassen Ansätze erkennen, aus denen man zehn oder zwanzig Jahre zuvor noch etwas gemacht hätte, aber die meisten von ihnen sind wie diese hier einfach völlig egal, ohne jede Idee oder innere Spannung. Als das Bild am Ende einfriert und der bekannte Schriftzug eingeblendet wurde, war ich sehr verblüfft: Das war es schon? Dazu passt dann Irene Clarin, eine Schauspielerin, der ich nichts Böses will, die aber die ganze bräsige Mittelmäßigkeit verkörpert, die die Serie nun schon seit einiger Zeit fest umklammert hält.

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Episode 229: Nachts, als sie nach Hause lief (Helmuth Ashley, Deutschland 1994)

Der Buchhändler Jakob Meissner (Karlheinz Hackl) und seine Gattin Doris (Krista Posch) führen eine seltsame Beziehung: Er liebt sie abgöttisch und sie scheint auch ihn zu lieben, dennoch zieht es sie Abend für Abend raus in die Nachtclubs, wo sie sich anderen Männern an den Hals wirft, nur um dann zu Jakob zurückzukehren. Helene (Christine Buchegger), Jakobs Schwester, ist die Ehe ein Dorn im Auge, weil sie den Bruder enteiere, zum Gespött der Stadt mache und ihren guten Familiennamen in den Schmutz ziehe: Sie will, dass er sich von Doris trennt. Doch das ist nicht mehr nötig, als sie auf dem Heimweg von einer ihrer nächtlichen Exkursionen erschossen wird.

Dank des kruden Frauenbildes, das hier mal wieder abgefeiert wird, allerdings ohne dabei vollends in die Scheiße zu greifen, markiert Ashleys Episode einen kleinen Lichtblick. Krista Posch interpretiert die „lebenslustige“, „vergnügungssüchtige“ Frau (der Begriff „nymphoman“ wird erstaunlicherweise nicht benutzt) als Melancholikerin mit abrupten Stimmungsschwankungen. Einmal hat sie sich eigentlich mit ihrem Mann zum Italiener verabredet, da hört er während des Umziehens das schwermütige Trompetenstück, das sie immer dann auflegt, wenn sie einmal wieder das Bedürfnis überkommt, sich ins Nachtleben zu stürzen. Enttäuscht nimmt er sofort die Krawatte weder ab und storniert ohne jede weitere Absprache mit ihr die Reservierung. Die Szenen mit ihr im Nachtklub sind einigermaßen absurd, weil sie eher wie eine haltlose Schnapsdrossel agiert als wie eine heiße Verführerin, aber Hans Peter Hallwachs zeigt sich trotzdem beeindruckt. Die eigentlichen Schurken sind aber wieder mal Christine Buchegger mit einem weiteren ihrer eiskalten Erfolgsweiber und der gefällige Trottel Hans Georg Panczak, der von Derrick und dem traurigen Willi Berger mit einem echt doofen Trick hereingelegt wird, während Harry Nürnberg unsicher macht (von dem man aber leider nichts sieht).

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Episode 230: Das Plädoyer (Theodor Grädler, Deutschland 1994)

Als Lakonda (Klaus Herm), der vor Jahren seine untreue Ehefrau mit 40 Messerstichen ermordete, aus der Haft entlassen wird, sucht er sofort den Staatsanwalt Kolbe (Lambert Hamel) auf, der damals für seine Verurteilung verantwortlich war. Das Plädoyer, das dieser damals gesprochen und den Angeklagten darin der Gefühllosigkeit bezichtigt hatte, hat Lakonda niemals vergessen können. Er sinnt auf Rache, will, dass Kolbe nachvollziehen kann, wie er sich fühlte, als er zum Messer griff. Seine Rache zielt auf Kolbes Gattin Ingeborg (Sona MacDonald) ab …

Mit „Schubachs Rückkehr“ hatte Reinecker eine ganz ähnliche Geschichte schon einmal erzählt – allerdings deutlich besser. Trotzdem liegt „Das Plädoyer“ anno 1994 leicht über dem traurigen Durchschnitt, was wie meist in dieser Phase an der Besetzung liegt: Klaus Herm, sonst auf die Vollversager am Rande der Episoden abonniert, die beklagenswerten Hausmeister, neugierigen Nachbarn oder heuchlerischen Zeugen, darf hier mit dem Supernamen „Lakonda“ ausgestattet einen brutalen Mörder spielen, ohne die ihm eigene, gruselige Mittelmäßigkeit dafür abzulegen. Hamel ist ebenfalls gut als selbstverliebter Popanz, der sich auch nach 15 Jahren noch einen auf sein mit literarischer Ambition entworfenes Plädoyer abwedelt und sich gegenüber seiner zarten Gattin aufspielt. Ideal besetzt ist auch Philipp Moog, der in dieser Phase in gefühlt jeder zweiten Folge mitspielt: Als vermeintlich mitfühlender Charmeur und Frauenretter hat er eine kleine Seagal-Einlage, als er gleich drei Hools verjagt, und damit – sowie mit seiner armseligen CD-Sammlung und seinem Popperscheitel – das Herz von Ingeborg erobert. Leider ist das alles schrecklich unpointiert und sobald Derrick auftritt, fühlt man sich wieder wie beim Priesterseminar.

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Episode 231: Ein sehr ehrenwerter Herr (Zbynek Brynych, Deutschland 1994)

Nachdem Rosy (Monika Baumgartner) und Marta (Juliane Rautenberg), zwei Prostituierte, übel verdroschen wurden, wird ihr Zuhälter Albert Kallus (Hanno Pöschl) in seinem Wagen erschossen. Derricks Verdacht konzentriert sich auf Rosy, den Heilsarmee-Trompeter Buschler (Edwin Noël), der mit Rosy befreundet ist, sowie den Psychologen Fasold (Walter Schmidinger), der immer wieder Prostituierte bei sich aufnimmt und sie aus dem Milieu wegzuholen versucht.

Brynych war in den Siebzigern für einige der allerbesten DERRICK-Folgen verantwortlich. Man sieht immer noch Spuren des Stils, der seine Arbeiten 20 Jahre zuvor unverwechselbar machte: seine bewusst artifiziellen Bildkompositionen, seine überdrehte Melodramatik. Aber im Rahmen dieser plastikhaften, bräsigen Neunzigerjahrehaftigkeit und Reineckers pastoraler Schwafelei verlieren sie all ihre Energie. In „Ein sehr ehrenwerter Herr“ steckt eine gute Episode und mit Hanno Pöschl ist ein Akteur am Start, der mit einem guten Drehbuch ausgestattet in der Lage wäre, einigen Staub aufzuwirbeln, aber es fehlt einfach der Drive und Absonderlichkeiten wie der verfettete Loddel mit Pfedeschwanz, der in der zweiten Hälfte in Kallus‘ Fußstapfen tritt, ohne auch nur eine Zeile Dialog zu erhalten, wirken eher hilflos als inspiriert. Dazu kommt die rätselhafte Juliane Rautenberg, ein echtes DERRICK-Enigma, die ihren letzten Serienauftritt ebenfalls wortlos, dafür aber mit entrücktem Lächeln versieht. Ich gebe trotz aller Vorbehalte drei Sterne, weil man hier wenigstens ein paarmal kräftig mit dem Kopf schütteln kann.

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Episode 232: Eine Endstation (Alfred Weidenmann, Deutschland 1994)

Totgesagte leben länger – manchmal zur Enttäuschung der nächsten Verwandten. So ist es mit dem Unternehmer Robert Schreiber (Will Quadflieg). Nach einem schweren Unfall, der ihm eigentlich das Leben hätte kosten sollen, kommt er wieder auf die Beine. Doch seine Kinder – Sohn Konrad (Gerd Baltus) und Tochter Anna (Sissy Höfferer) und ihre Ehepartner Vera (Christiane Krüger) und Erich (Reinhard Glemnitz) – haben sich in der Zwischenzeit sein Haus und sein Vermögen unter den Nagel gerissen und schieben ihn in ein Altenheim ab. Der Mann bricht den Kontakt zu seinen Kindern daraufhin ab. Kurz darauf wird der Pförtner der Firma Schreiber erschossen, als er den Wagen von Konrad vorfahren soll. Der Sohn ist sich sicher, dass der Mordanschlag ihm galt und vom Vater ausgeübt wurde, aber der hat ein Alibi.War es vielleicht seine treue, langjährige Sekretärin Sänger (Hannelore Hoger)?

Auf der Habenseite stehen eine Geschichte, die nicht schon tausendmal erzählt wurde, Quadflieg, der seine Rolle mit viel Gravitas versieht und eine Besetzung, die viele bekannte DERRICK-Gesichter vereint. Baltus ist mal wieder das rückgratlose Weichei, Glemnitz weckt Erinnerungen an selige KOMMISSAR-Zeiten und mit Manfred Steffen ist außerdem einer meistbeschäftigten Synchron- und Hörspielsprecher am Start. (Krüger und Höfferer sind allerdings einfach nur mit dabei und haben nicht viel zu tun.) Als Kritikpunkt muss man wieder einmal Reineckers Bräsigkeit anführen: Wie so oft in den Neunzigerjahren interessiert er sich weniger für den Krimiplot und Derricks Ermittlungsarbeit als vielmehr für bedeutungsschwere Monologe und Exkursionen in die Moralphilosophie, die allerdings nur selten so tiefschürfend sind wie er das wohl meinte. Wieder einmal geht es um einen Menschen, der mit der „Moral“ abgeschlossen hat, am „Nullpunkt“ angekommen ist, wie es in einer älteren Episode mal hieß. Das könnte theoretisch schockierend sein, aber in Reineckers behäbiger Prosa und vor dem Hintergrund einer schmucklos-melodramatischen Inszenierung mutet es vor allem überkandidelt und theoretisch an. Trotzdem über dem Durchschnitt.

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Episode 233: Darf ich Ihnen meinen Mörder vorstellen? (Theodor Grädler, Deutschland 1994)

Bei einem Klavierkonzert macht Derrick die Bekanntschaft mit dem Geschäftsmann Sauters (Stephan Orlac), der sich sehr für den Job des Kriminaloberinspektors interessiert und ihn schließlich zu sich nach Hause einlädt, um ihm bei dieser Gelegenheit seinen Mörder vorzustellen, wie er kryptisch verspricht. Dieser Mörder in spe ist Ulrich Kemp (Peter Kremer), Sauters‘ Geschäftspartner, Liebhaber seiner Gattin (Eleonore Weisgerber) und Mitbewohner seines Hauses. Vor Jahren bewahrte Sauters Kemp vor dem Selbstmord, gab ihm einen Job und drehte sein ganzes Leben um: Allerdings nicht aus Menschenfreude, sondern eher als perfides Sozialexperiment. Nun erwartet er, von ihm umgebracht zu werden. Und so kommt es dann auch. Aber ist Kemp wirklich der Täter?

Ich hatte es eigentlich nicht mehr erwartet, noch einmal eine Episode zu Gesicht zu bekommen, die tatsächlich etwas Neues bietet – und das auch noch auf ansprechendem Niveau. Der Gag besteht hier darin, dass der Mord gewissermaßen von seinem Opfer geplant wird und zwar auf eine Art und Weise, dass der Verdacht zwangsläufig auf jemanden fällt, der eigentlich unschuldig ist. Da weht ein Hauch von Dostojewski durchs Reinecker’sche Drehbuch und Stephan Orlac – Papa Wichert von nebenan – hat sichtlich Spaß diesen begnadeten Misanthropen zum Leben zu erwecken. Zum Ende wird es dann noch einmal richtig tragisch und die Schlusseinstellung zeigt einen Derrick mit zwar bekanntem Gesichtsausdruck, doch die Empfindung, die dahinter liegt, ist neu. Nicht neu ist hingegen, dass der arme Harry hier mal wieder den besonders begriffsstutzigen Stichwortgeber mimen muss, der als Identifikationsfigur für die weniger intelligenten Zuschauer dient, denen Derrick dann alles noch einmal in Ruhe erklärt.

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Episode 234: Gib dem Mörder nicht die Hand (Theodor Grädler, Deutschland 1994)

Gerhard Schumann (Wolf Roth), Mitglied der Hongkonger Triaden, kehrt nach jahrelanger Abwesenheit für Geschäfte nach München zurück. Bald erfährt sein ehemaliger Freund, der alkoholkranke, arbeitslose Ex-Journalist Demmer (Hans-Peter Hallwachs), von dem Besuch. In der Hoffnung auf einen journalistischen Coup und den damit verbundenen Geldsegen konfrontiert er Schumann, als der seine Familie (u. a. Till Topf, Stefan Wigger, Klaus Behrendt und Liane Hielscher) besucht, und erpresst ihn schließlich. Das lässt sich Schumann natürlich nicht gefallen – er bringt Demmler kaltblütig um und seine Familie dazu, ihm ein Alibi zu geben.

Die Idee mit dem deutschen Mitglied des internationalen organisierten Verbrechens hat Reinecker schon einmal in „Nach acht langen Jahren“ (siehe oben) verbraten. Dank Wolf Roth ist dieses „Reboot“ aber deutlich interessanter und spannender. Wobei man „spannender“ in Anführungszeichen denken muss, denn eigentlich steht hier kaum etwas auf dem Spiel: Der Zuschauer weiß von Anfang an, dass Schumann ein Arschloch ist. Er weiß auch, dass er Demmer umbringen wird, als dieser zum ersten Mal auftritt. Wer mehr als eine Episode DERRICK verfolgt hat, weiß natürlich auch, dass Schumanns Sippe schön stillhalten wird, genauso wie dass am Ende Derrick obsiegt. Aber Wolf Roth macht eben den Unterschied: Den arroganten, sich selbst für einen über den Dingen stehenden Supermacker haltenden Snob hat er so gut drauf wie kaum ein anderer und sein giftig geführter Dialog mit dem Kriminaloberinspektor ist mal wieder vom Allerfeinsten. Am schönsten ist es, wie Derrick es genießt, diesen Typen mit seinen impertinenten Fragen auf die Palme zu bringen. Mein Lieblingsmoment ist wie Derrick, gar nicht beeindruckt von der Schumann’schen Aufschneiderei, den Namen der chinesischen Metropole ausspricht, um seinen Gegenüber zu ärgern: „HOngg-KOngg“. Der Clash dieser beiden Heavyweights fällt noch umso beeindruckender aus, als solche Langweiler wie Till Topf oder Irene Clarin sich daneben ausnehmen wie die Ersatzbesetzung eines Schultheaterstücks. Trotzdem hat die Episode eigentlich nur einen echten Fehler: Dass sich irgendjemand wirklich freuen könnte, einen so knallharten Egoisten und Angeber wie Schumann wiederzusehen, scheint reichlich unwahrscheinlich.

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Episode 235: Gesicht hinter der Scheibe (Dietrich Haugk, Deutschland 1994)

Ein rätselhafter Anruf geht in einer Polizeiwache ein: Der Anrufer fordert den Polizisten auf, einen gewissen Herrn Zeller zu kontaktieren, damit der wiederum in seiner Firma nach seiner Tochter schaue. Der Unternehmer (Klausjürgen Wussow) tut wie ihm geheißen und findet seine Tochter Monika (Muriel Baumeister) tot vor. Ihr Verlobter Arno Beckmann (Jacques Breuer zeigt sich nur wenig schockiert: Er inkriminiert den Filmstudenten Adrian Scholl (Philipp Moog), der mit Monika ein Filmprojekt hatte. Es stellt sich heraus, dass Monika sich sehr einsam fühlte und unter anderem von Kubanke (Winfried Glatzeder), einem Geschäftspartner des Vaters, sexuell missbraucht wurde …

Wieder einmal beschäftigt sich Reinecker mit dem Schicksal einer Frau, die für die ach so gemeine, verlogene Welt da draußen einfach zu gut ist und daran schließlich zugrunde geht. Muriel Baumeister – die ich total fürchterlich finde, was mir irgendwie leid tut – gibt das kulleräugige Zauberwesen, das beim menschgewordenen Popperscheitel Moog offene Türen einrennt. Das Material, das man von dessen Projekt zu sehen bekommt, ist grauenvoll amateurhaft, dazu gleichermaßen prätentiös wie planlos und sollte jeden verantwortungsbewussten Dozenten eigentlich dazu veranlassen, ihm eine andere Karriere nahezulegen – oder ihn mit einem zünftigen Arschtritt aus der Universität hinauszubefördern. In einer Vorlesung gibt es Ausschnitte aus einer frühen Regiearbeit von Bernd Eichinger zu sehen, in denen der Professor EInflüsse des klassischen amerikanischen Kinos erkennt. Klausjürgen Wussow steht in seinem Wohnzimmer und dirigiert zu Klassi von der Schallplatte. Die Rückblenden, die Kubankes Missbrauch an Monika zeigen, sind sehr artifiziell, in Zeitlupe gehalten und erinnern etwas an italienische Giallos. Evelyn Opela ist mal wieder umwerfend als verzweifelte Mutter der Toten, die gestehen muss, dass sie ihr Kind nicht kannte. Der Kriminalfall ist wie so oft in jener Zeit uninteressant, aber die Episode hat was.

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Episode 236: Der Schlüssel (Zbynek Brynych, Deutschland 1994)

Der Geschäftsmann Howald (Sky Dumont), der seine Gattin Susanne (Sunnyi Melles) mit seiner Sekretärin (Gundis Zambó) betrügt, wird nachts vor seinem Haus erschossen. Derrick findet schnell heraus, dass es sich um das Werk eines Auftragsmörders handelt, der schon mehrfach in München zugeschlagen hat. Er vermutet, dass Susanne den Mord an ihrem Gatten in Auftrag gegeben hat.

Alles aus! „Der Schlüssel“ ist endlich mal wieder Brynych vom Allerfeinsten, was bedeutet, dass sich die Merkwürdigkeiten die Klinke in die Hand geben. Das Drehbuch von Reinecker ist Quatsch mit Soße, aber Brynych schert sich nicht weiter darum und dreht alle Regler nach rechts. Nur Tappert schnallt nichts und ereifert sich angesichts des anno 1994 nun keinesfalls neuen Phänomens käuflicher Morde, als stehe der Untergang des Abendlandes nun aber wirklich kurz bevor. Er agiert ein bisschen wie die ahnungslosen Plastikgesichter in STARSHIP TROOPERS, die ja auch dachten, sie machen bei einem geilen Kriegsfilm mit, während sich Verhoeven einen Spaß mit ihnen erlaubte. Ihm gegenüber agiert die elfenhaft-elfenbeinerne Sunnyi Melles, als sei sie auf einem ganz seltsamen Trip, zwischen hypernervös-hysterisch und entrückt-ekstatisch. Es ist eine Performance, die sicher nicht im herkömlichen Sinne als „gut“ zu bezeichnen ist, aber viel zu dieser traumgleichen Atmosphäre beiträgt. Wenn jemals eine DERRICK-Episode in einer surrealen Parallelwelt angesiedelt war, dann diese. Pierre Franckh, Schutzpatron der DERRICK-Jammerlappen, spielt einen Undercover-Cop, Holger Petzold den Wirt in einem Nachtklub, in dem fünf Tänzer sich in ihrer Performance nicht von der laufenden Musik beschränken lassen und Frank Duval, Komponist zahlreicher DERRICK-Songs, den gedungenen Mörder. Sein mit Inbrunst am Klavier vorgetragenes Schlaflied, das in einer Variation auch als Titelsong fungiert, schlägt dem Fass den Boden aus. Während er totalen Nonsens mit der Stimme eines rituellen Beschwörers von sich gibt, bricht ihm der Schweiß aus und am Ende muss ihn seine Muse wieder aufrichten, wel er sich so verausgabt hat. Das ist alles nicht zu fassen. Ich bin unendlich dankbar für „Der Schlüssel“, denn nach Dutzenden von Folgen immergleicher Tranigkeit kommt sie einer auf Drogen durchgefeierten Nacht gleich.

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Episode 236: Das Floß (Helmuth Ashley, Deutschland 1994)

Elvira Nolte (Sona MacDonald) findet ihren Ehemann Hans (Will Danin) tot zu Hause vor. Geschockt oder gar traurig ist sie nicht: Ihr Gatte hatte regelmäßig Frauenbesuch, veranstaltete mit seinem Freund Wexler (Manfred Zapatka) Sexparties, zu der er die knackige Anna Bender (Christina Plate) einludt, die ihm deren Vater (Hermann Lause) verhökerte, um sich die Kasse aufzubessern. Wer war der Täter? War es die gedemütigte Ehefrau? Der emaskulierte Wexler? Anna selbst, ihr Freund Uli (Oliver Hasenfratz) oder doch Annas verständnisvoller Lehrer Borchert (Edwin Noel)?

Nach einmal Semi- und einmal Totalwahnsinn sind wir mit „Das Floß“ wieder zurück in der tristen DERRICK-Wirklichkeit des Jahres 1994. Reinecker bemüht sich noch nicht einmal, Interesse an seinem Kriminalfall vorzugaukeln, stattdessen konstruiert er mit den braven, unschuldigen „Teenies“ – die Plate war bereits 29 – und den korrupten Bürgerlichen mal wieder ein Gegensatzpaar, das keinerlei gesellschaftliche Wahrheiten mehr offenlegt, sondern nur noch Auskunft über den Grad der Verstaubtheit seines Oberstübchens gibt. Die Auflösung gleicht einer Unverschämtheit, das einzige, was die Folge rettet, sind die Brüste der Hauptdarstellerin.

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Die letzten KOMMISSAR-Sitzungen liegen lang, nämlich fast drei Jahre, zurück: Ein langes, kinderloses Wochenende schien mir der ideale Zeitpunkt, die Sichtung fortzuführen und erneut einzutauchen in die von Reinecker protokollierte, mit Zigarettenrauch und Bierduft durchwaberte Welt des Bürgertums. Mehr noch als DERRICK ist DER KOMMISSAR comfort food, perfekt für die bevorstehende Zeit um Feiertage und Jahreswechsel, wenn der geschäftige Trubel Platz macht für Vorfreude und Entspannung. Im Gegensatz zum kalten Stephan Derrick vermittelt Kommissar Keller (Erik Ode) diese altväterliche, kompromisslose, aber im Kern wohlmeinende Strenge – wie der Weihnachtsmann, der am Ende des Jahres mit prüfendem Blick in sein schlaues Buch die ungezogene Spreu vom artigen Weizen trennt. Mir fiel diesmal auf, dass DER KOMMISSAR manchmal fast wie eine Familienserie rüberkommt: Im Zentrum also der strenge Papa, der seine „Jungs“ (er nennt sie mehrfach wirklich so) Grabert, Heimes und Klein an der langen Leine laufen lässt, um sie aufs Leben vorzubereiten, am Rande das treue „Rehbeinchen“, das dazu Stullen und Bier serviert und manchmal auch einen guten Tipp hat. Die Serie ist wunderbar, gemütlich wie ein alter, vertraut müffelnder Sessel, toll auch, um dabei sanft wegzudösen – und immer wieder für Überraschungen, Begeisterung, Gelächter und offene Münder gut.

 

Episode 056: Tod eines Hippiemädchens (Theodor Grädler, Deutschland 1973)

Der Kollateralschaden der langen Pause: Diese Episode habe ich damals noch gesehen, aber dann vergessen, einen Text darüber zu schreiben.

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Episode 057: Das Komplott (Wolfgang Staudte, Deutschland 1973)

Der Büroangestellte Andreas Steintaler (Udo Vioff) ist nach Dienstschluss noch im Büro, als ihn sein Chef per Telefon zu sich bestellt. Steintaler findet Sekunden später nur noch die Leiche und einen leeren Tresor vor und verständigt die Mordkommission. Die nimmt ihm seine Geschichte aber nicht ab: Wie soll der Täter in der knappen Minute, die der Angestellte von seinem Arbeitsplatz ins Büro des Chefs brauchte, einen Mann erschossen, einen Tresor geleert, alle Spuren verwischt haben und dann auch noch unbemerkt entkommen sein? Als das vermisste Geld kurz darauf an Steintalers Arbeitsplatz gefunden wird, scheint er als Mörder überführt. Dennoch hält er an seiner Geschichte fest. Es scheint, als wolle jemand ihm den Mord in die Schuhe schieben.

Der Kriminalfall ist trickreich gescripteter Standard mit einer allerdings superabsurden Auflösung, die ich hier nicht verraten möchte, bei der aber der immer tolle Charles Regnier überaus passend zum Einsatz kommt. Reineckers Hauptaugenmerk liegt wieder einmal auf dem verlogenen großbürgerlichen Ringelpiez um den eigentlichen Mordfall und er fährt eine beachtliche Schar an suspekten Gestalten auf: Die mondäne Gattin des Toten (Ursula Schult) hat ein Verhältnis mit Steintaler und kann sich nicht im Geringsten dazu durchringen, die trauernde Witwe zu spielen. Dasselbe gilt für ihre beiden Töchter (Ingrid Steeger & Barbara Stanek). Ihr zur Seite steht der hypernervöse Dettmann (Leopold Rudolf), seit Jahrzehnten ein treuer Diener des Toten, dessen anfängliche Fassung immer mehr zum Teufel geht, bevor er in einer eindrucksvollen Szene vor seiner Familie komplett die Nerven verliert. Als sein arroganter, selbstverliebter und aufreizend ungerührter Sohn gibt Wolf Roth eine frühe Kostprobe jenes Typus, den er später noch einige Mal bei DERRICK perfektionieren sollte. Leicht über dem Durchschnitt angesiedelt, ist „Das Komplott“ eine gute Folge zum Wiedereinstieg.

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Episode 58: Schwarzes Dreieck (Theodor Grädler, Deutschland 1973)

In der Abwesenheit seiner Gattin Helga (Käthe Gold) verunglückt der Ehemann in der Badewanne, als ein elektrischer Rasierapparat ins Wasser fällt. Der vermeintliche Unfall wird zum Mord, als Untersuchungen ergeben, dass sich der Mann immer nur nass rasierte. Aber wer brachte den Mann um und verschwand dann unbemerkt aus der abgeschlossenen Wohnung? Neben der Gattin, die von ihren beiden Söhnen (Karl Walter Diese & Peter Fricke) bedrängt wird, die Anteile am Geschäft des Vaters an sie zu übertragen, gerät die rätselhafte Frau Böhle (Angelika Salloker) in Verdacht: Auch ihr Mann starb vor Jahren bei einem höchst sonderbaren Unfall.

Die Grundkonstellation erinnert ein klein wenig an Hitchcocks STRANGERS ON A TRAIN, aber interessanter sind Reineckers Betrachtung von Ehe und Alter im Hinblick auf die älteren Frauen, die im Mittelpunkt der Geschichte stehen. Die drei Damen, um die es geht, werden von ihren Gatten als bessere Hausbedienstete betrachtet und jeder liebevollen Zuwendung beraubt. Mehr noch: Auch Helgas Söhne interessieren sich nur so lange für ihre Mama, wie sie etwas von ihr haben wollen. Kaum hat sie ihre Unterschrift unter dem Vertrag hinterlassen, machen sie sich wieder aus dem Staub, haben noch nicht einmal die Zeit, ihren Kaffee zu trinken und ihr Stück Kuchen zu essen. „Die Ehe ist ein Kampf, den die Frauen verlieren“, sagt Frau Böhle gegenüber Kommissar Keller: eine Überzeugung, die sie dazu geführt hat, einen teuflischen Mordplan auszuhecken. DER KOMMISSAR (und später DERRICK) zeichnet sich nicht unbedingt durch ein besonderes Verständnis für Frauen aus: Reinecker weist ihnen meist eine feste, wenig flexible Rolle zu und verurteilt sie, wenn sie aus dieser ausbrechen. Für ältere Damen macht er aber eine Ausnahme, zumindest ist das der Schluss, zu dem man nach Betrachtung dieser traurigen Episode kommt. Das Schicksal von Helga bewegt, auch weil Käthe Gold eine sehr anrührende Darbietung gibt. Der Anblick der Rentnerinnen, deren größte Freizeitvergnügung es ist, Tauben im Park zu füttern, ist der Gipfel der Tristesse.

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Episode 59: Der Tod von Karin W. (Theodor Grädler, Deutschland 1973)

Die junge Karin Winter (Simone Rethel) wird in einer Kneipe niedergeschossen, nachdem sie noch versucht hat, ihre Mutter (Ida Krottendorf) anzurufen. Die Ermittlungen ergeben, dass Karin in einem Erziehungsheim war und mehrfach durch kleinere Vergehen aufgefallen ist. Die familiären Verhältnisse sind kompliziert: Die alleinstehende Mutter brachte regelmäßig Männerbekanntschaften nach Hause, unter anderem ihren Nachbarn Otto Pajak (Harald Leipnitz), was ihr bei dessen Schwester (Maria Schell) den Ruf der Schlampe einbrachte. Aber Pajak hatte nicht nur Interesse an der Mutter.

Die Folge bestätigt, was ich oben über Reineckers Frauenbild schrieb, denn dass Karins Mutter aktiv Ausschau nach Männern hielt und diese mitunter auch nach Hause brachte, wird ihr ausschließlich negativ ausgelegt. Gut, man mag darüber streiten, inwiefern die Tatsache, dass ihr Schlafzimmer direkt neben dem der Tochter liegt, nicht etwas mehr Zurückhaltung ihrerseits erfordert hätte, aber diese Einschränkung nimmt Reineckers Drehbuch eigentlich nicht vor. Es sind der „Egoismus“ und die Freizügigkeit der Mutter, die die Tochter zur Ladendiebin, Heiminsassin und schließlich zum Mordopfer machten. Pajaks Missbrauch einer Minderjährigen ist demgegenüber ein Kavaliersdelikt: Schließlich fungierte die Mama als Kupplerin. Diese Ausrichtung ist aus heutiger Sicht natürlich extrem streitbar, aber das macht diese und viele andere Episoden der Serie  ja auch so faszinierend. Es ist ein Stück deutscher Mentalitätsgeschichte, derer man da ansichtig wird. Und es ist beileibe keine schöne Geschichte. Harald Leipnitz, sonst meist als kerniger, schlagkräftiger Machotyp besetzt, gibt hier einen der typischen Reinecker-Waschlappen, einen Mann ohne Mumm in den Knochen, der voll unter der Fuchtel sowohl seiner herrischen Schwester als auch seiner Geliebten steht. Diese Charakterisierung ist natürlich zweischneidig: Man spürt Reineckers Verachtung für diese mummlosen Männer (in der man ebenfalls ein sehr traditionelles Männerbild erkennt), gleichzeitig entlässt er sie so auch ein Stück weit aus ihrer Verantwortung.

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Episode 60: Die Nacht, in der Basseck starb (Wolfgang Staudte, Deutschland 1973)

Der Nachtclubbesitzer Basseck (Jürgen Goslar) wird in seiner Wohnung von einem Unbekannten erwartet und erschossen. Keller und sein Team erfahren, dass der Mann regelmäßig junge Mädchen aus seinem Laden als Geliebte rekrutierte und dann wieder auf die Straße setzte, wenn er die Lust an ihnen verlor. Die letzte, die es getroffen hat, ist die schöne Dana (Evelyn Opela). Und dann ist da auch noch Günter Wagner (Jochen Bißmeier), ihr letzter Kunde und der Bruder eine von Bassecks Verflossenen.

Ich fand diese Episode nur mittelmäßig interessant: Sie verschenkt Horst Tappert (als Bassecks Geschäftspartner) und dessen Talent zum Schurkentum in einer völlig unterentwickelten Rolle und nervt zudem mit endlosen Musikeinspielungen der Les Humphries Singers, die als Attraktion des Nachtclubs eine Nummer nach der anderen zum Besten geben und dabei die Tanzfläche ganz allein für sich in Anspruch nehmen. Jürgen Drews, damals ein Mitglied der Combo, tanzt so am Rande mit und wirkt, als sei ihm das alles furchtbar unangenehm. Das zeugt von mehr Geschmack und Stil, als ich ihm zugetraut hätte, aber auch von einer fragwürdigen Arbeitsmoral. Diese breiten Musikeinlagen (neben dem penetranten Ohrwurm „Mamama-mamamalu!“ gibt es auch ein Liedchen über Mexiko, bei dem der Sänger natürlich einen Sombrero tragen muss) sind schon faszinierend – mit welch elender Scheißmusik man damals zu Ruhm und Geld kommen konnte -, aber verfehlen das Ziel, hier ein bisschen Glamour reinzubringen. Viel besser gelingt das der betörenden Evelyn Opela, deren tschechischer Akzent („Ich habe ein Dacksi gerufen.“) in Verbindung mit der markanten Mund- und Kieferpartie sowie dunkeln Augen und Haaren mehr Mystik in die Episode bringen, als alle Scriptwindungen Reineckers.

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Episode 61: Der Geigenspieler (Theodor Grädler, Deutschland 1973)

Der Geigenspieler Triberg (Günther Stoll) erhält eine Warnung, nach seinem Konzert auf gar keinen Fall wie gewohnt mit dem Zug nach Hause zu fahren. Er nimmt die Warnung zur Kenntnis, steigt dann aber doch in den Zug – und wird durch das Fenster erschossen. Seine Ehefrau Irene (Sonja Ziemann) kann am Bahnhof nur noch die Leiche in Empfang nehmen. Wie sich herausstellt, hatte sie ein Verhältnis mit dem mittellosen Maler Kolding (Heinz Bennent). Und der verfügt kurz nach dem Mord plötzlich über eine große Menge Geld, die ihm vom Irene Triberg überreicht wurde.

Ein weiterer Eintrag in Reineckers bis tief in die Neunzigerjahre reichende Abrechnung mit bürgerlichem Ehe-Ennui: Hier geht die Ernüchterung sogar so weit, dass der Ehemann die eigene Ermordung geradezu als Erlösung hinnimmt. Insgesamt ist „Der Geigenspieler“ nur Durchschnitt, was immerhin „gute Unterhaltung“ bedeutet, die zudem durch die Leistungen von Sonja Ziemann, dem immer großartigen Heinz Bennent, Elisabeth Flickenschildt und Erik Schumann in einer ungewohnten Rolle als gammliger Schmierlappen aufgewertet wird.

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Episode 62: Ein Funken in der Kälte (Wolfgang Staudte, Deutschland 1973) 

Die alternde Prostituierte Heide Hansen (Mady Rahl) wird ermordet und aus dem fahrenden Auto geworfen. Sie ging für den fiesen Zuhälter Schönau (Hans Brenner) auf den Strich und unterhielt zudem eine zärtliche Beziehung zu dem Säufer Alfons Schichta (Klaus Behrendt), vor dessen Kellerwohnung sie immer auf Freier wartete. Warum musste sie sterben?

Traurige Dramen im Milieu: Auch darauf verstand sich Reinecker, der hier eine besonders trostlose Geschichte erdachte. Alte Nutten, die keiner mehr haben will und die sich mit einer Erkältung im Kellerloch eines Alkoholikers aufwärmen, der jede Selbstachtung verloren hat, und ein Loddel, der Minderjährige als sein neuestes Geschäftsmodell entdeckt hat: Das sind die Zutaten dieser Episode, die es bundesdeutschen Fernsehzuschauern anno 1973 erlaubte, sich davon zu vergewissern, wie gut sie es selbst hatten, und sich nebenbei von Reineckers Elendstourismus einen wohligen Schauer über den Rücken jagen zu lassen. Vieles hier wärmte Reinecker später bei DERRICK wieder auf, am prominentesten sicherlich den Coup, Behrendt als Säufer im Endstadium zu besetzen. Die Folge ist nicht so spannend und ihr Highlight ist Brenner als schmieriger Zuhälter.

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Episode 63: Sonderbare Vorfälle im Hause von Professor S. (Wolfgang Becker, Deutschland 1973)

Die Haushälterin von Professor Steger (Hans Caninenberg) wird von einem Einbrecher umgebracht: Anstatt die Flucht zu ergreifen, legt er die Leiche in ihr Bett und macht es sich anschließend gemütlich. Er hört Musik, liest, macht sich sogar etwas zu essen. Der Professor, ein Psychiater, verdächtigt seinen Sohn Alfred (Matthieu Carriére), der einst selbst in Behandlung war, und verwischt deshalb alle Spuren. Doch dann gibt es einen ganz ähnlichen, zweiten Fall im Haus des Malers Erdmann (Günther Ungeheuer).

Ein Psychothriller! Die interessante Folge mit tragischer Auflösung bietet Carriére in seiner Paraderolle als aufmüpfig-arroganter, kalter Schnösel, den er eigentlich sein ganzes Leben lang spielte. Margarethe von Trotta bleibt lange im Hintergrund, was zwar die Überraschung am Ende vergrößert, aber hinsichtlich ihrer Figur Potenzial verschenkt. Dazu läuft Lobos Nummer-eins-Hit „I’d love you to want me“ in Dauerschleife, bis man sich die Ohren abreißen möchte. Wenn es um Popmusik und Jugendkultur ging, offenbarten sich Reinecker und mit ihm seine Produzenten meist als völlig Ahnungslose. Nun gut, Lobos Ohrwurm, der auch in den USA zum Hit avancierte, fand reißenden Absatz und dürfte auch bei Teenies für Verzückung gesorgt haben, aber dass die Platte im Haushalt eines Akademikers wie Steger Einzug hält, halte ich für einigermaßen unwahrscheinlich.

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Episode 64: Ein Mädchen nachts auf der Straße (Theodor Grädler, Deutschland 1973)

Die Studentin Inge Sobach (Uschi Glas) wird erwürgt in ihrer Wohnung aufgefunden. In dem erfolgreichen Unternehmer Harald Bergmann (Curd Jürgens) hatte sie einen wohlmeinenden Gönner – und einen Geliebten? Der Mann berichtet Keller, wie er Inge kennen lernte und welche Beziehung er zu ihr unterhielt. Brachte er sie um, weil sie sich in seinen Sohn Rolf (Amadeus August) verliebte? War Rolf der Täter, weil er es nicht ertragen konnte, sie mit dem Vater teilen zu müssen? Oder war gar Bergmanns erzürnte Gattin Elvira (Inge Birkmann) die Täterin?

Eine KOMMISSAR-Folge mit Curd Jürgens muss zwangsläufig ein Ereignis sein: Der „normannische Kleiderschrank“ gibt wieder eine seiner berüchtigten Darbietungen als ergriffen-lüsterner Onkel, der mit seiner einzigartig sonoren Stimme über die „Lebensfreude“ und den unbeirrbaren Optimismus des jungen Mädchens schwärmt, alle berechtigten Nachfragen über die möglicherweise sexuelle Natur seiner Bekanntschaft brüsk von sich weist, solche Unterstellungen als bornierte Fantasielosigkeit von Menschen kritisiert, die einfach keinen Einblick in die höheren Weihen wahrer, platonischer Liebe haben. Dass er einräumen muss, die schöne, reine, freudige und optimistische Inge, die seine Tochter sein könnte, dann doch auch mal gefickt zu haben (aber nur einmal!), ist in seinen Augen kein Widerspruch und schon gar nicht irgendwie anrüchig. Es ist ein Fest. Dass die Männer im KOMMISSAR (und auch später bei DERRICK) auffallend oft ganz selbstverständlich deutlich jüngere Geliebte haben, wird kaum hinterfragt – die Tatsache folgt eben ganz logisch aus der gesellschaftlichen Realität der BRD der Siebzigerjahre, in der die Männer die Karrieren hatten und sich dann jüngere, „repräsentative“ Frauen nahmen, die vom Wohlstand des Gatten schließlich nur profitierten – und mit denen sich vor den Geschäftsfreunden gut protzen ließ. Curd Jürgens führt die Denke, die hinter solchen Beziehungen steht, gnadenlos vor – gerade weil er sich so unreflektiert in seine Rolle wirft, die sich von seiner Lebensrealität wahrscheinlich kaum unterschied. Auch im echten Leben angelte er sich mit Vorliebe deutlich jüngere Mädchen, die seine müden Knochen mit ihrer „Lebensfreude“ munter machten und im Gegenzug in den Genuss seines luxuriösen Lebensstils und natürlich seiner großen Weisheit als Künstler kamen. Uschi Glas macht mit beim schmierigen Spiel, versieht ihre Inge mit großäugiger, reichlich naiver Unbedarftheit und Offenheit, und verleiht dem geilen alten Bock damit mehr oder weniger die Carte blanche. Wahnsinn.

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Episode 65: Sommerpension (Jürgen Goslar, Deutschland 1973)

Im Moor wird ein Toter neben seinem im Schlamm stecken gebliebenen Wagen aufgefunden. Ganz in der Nähe befindet sich die abgelegene Pension von Amalie Schöndorf (Marianne Hoppe), die ihre Zimmer an einige Rentner vermietet. Ihre Tochter Barbie (Gerlinde Döberl) hat ein lahmes Bein, seit die Mama sie zusammen mit ihrer Haushälterin Paula (Bruni Löbel) über den Haufen fuhr – und ihr so das Leben und die Tour bei den Männern vermasselte: Eigentlich hatte der Gasthof-Besitzer Schuster (Götz George) die Barbie schon als Ehefrau in spe auserkoren – bis er das Hinkebein zu sehen bekam. Aber was hat der Tote mit dieser Geschichte zu tun?

German Gothic mit komischen Untertönen, die vor allem auf das Konto der Rentner gehen, die Beweisstücke einsacken, sich über erkaltete Suppe beschweren, Keller zum Baden im Moorsee einladen und natürlich beim Mordfall schön die Klappe halten, weil sie nichts lieber wollen, als dass die brave Barbie endlich den Mann bekommt, der ihr zusteht. Götz George hat einen ca. drei Meter breiten Schnurrbart, aber ansonsten kaum mehr als einen ausgedehnten Gastauftritt, der ihn deutlich unterfordert. KOMMISSAR- und DERRICK-Profis sortieren die Folge als eines von mehreren Beispielen ein, in denen Menschen mit Behinderung äußerst schlecht wegkommen. Ob das nur Reineckers Sicht widerspiegelt oder sie damals dem bundesdeutschen Status quo entsprach, kann ich nicht befriedigend beantworten. Fest steht, dass Barbie durch ihre Behinderung „damaged goods“ ist, völlig unvermittelbar auf dem Ehemarkt. Der eben noch bis über beide Ohren verliebte Schuster schaut auf einmal drein, als habe ihm jemand kräftig in die Suppe gerotzt, als er das Humpeln der jungen Frau erblickt, und das Drehbuch gibt ihm mehr oder minder Recht: Was will ein Gastwirt auch mit einer lahmen Frau, die kann ja weder Gäste bedienen noch Bierfässer schleppen! Dann doch lieber gar keine Gattin! Es ist zum Verrücktwerden.

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Episode 66: Herr und Frau Brandes (Leopold Lindberg, Deutschland 1973)

Die Malerin – was hat Reinecker nur ständig mit Malern? – Gerda Brandes (Agnes Fink) hat soeben Besuch von einem ihrer Kunden, da zerreißt ein Schuss im nahegelegenen Wald die Stille. Wenig später wird ein Toter gefunden, ein junger Mann, der Frau Brandes Modell stand und außerdem ein Verhältnis mit ihr hatte. Der Verdacht fällt natürlich sofort auf ihren Mann Wolfgang (Bernhard Wicki), der von der Affäre weiß – und nach einem Tag des Nachdenkens auch ein Alibi hat, das ihm Ursula Becker (Gisela Stein) gibt, die Erzieherin des geistig behinderten Sohnes Ulrich (Andreas Seyferth), mit der wiederum er sich über die Entfremdung der Ehefrau hinwegtröstet. Dann malt der Junge ein Gewehr.

Zerrüttete Ehen, eines der Leib- und Magenthemen Reineckers. Die Überraschungen halten sich in Grenzen, die Episode lebt ganz von dem Zusammenspiel von Fink und Wicki, die auch im echten Leben verheiratet waren. Wicki beim Rauchen zuzuschauen, ist allein schon ein Fest und die Stimme der Fink, die sie unter anderem Katharine Hepburn und Ellen Burstyn lieh, lässt einen in Ehrfurcht erzittern. Auf der anderen Seite haben wir mit Ulrich wieder ein Beispiel für die erbarmungswürdige Darstellung von Menschen mit Behinderung. Nicht nur, dass der Junge als komplett schwachsinnig dargestellt wird, er wird auch von keiner der ihn umgebenden Personen als auch nur annähernd gleichwertig und zurechnungsfähig behandelt. Das ist aus heutiger Sicht einfach nur erschütternd.

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Episode 67: Tod eines Buchhändlers (Theodor Grädler, Deutschland 1973)

An einem Sonntagmorgen wird der Dorf-Buchhändler Kapp (Werner Bruhns) ersoffen am Ufer der Isar aufgefunden, unweit seines Autos. Im Ort scheint man sich sicher zu sein, dass der Tod Folge eines Unfalls ist, denn jeder weiß, dass Kapp sich samstags gepflegt einen hinter die Binde zu gießen pflegte – nur um danach seine schöne Gattin Herta (Judy Winter) zu verdreschen. Weil aber einige Indizien auf Fremdeinwirkung schließen lassen, nehmen Kommissar Keller und seine „Jungs“ die Ermittlungen auf. Die führen sie schnell zu Kapps Azubi Roland Beyfuss (Pierre Franckh): Der konnte es nicht ertragen, das Leid der Gattin seines Chefs mitanzusehen, denn er schwärmte für die junge Frau.

Wenn mich nicht alles täuscht, beginnt hier die lange Tradition Münchener Krimis mit Pierre Franckh in der Rolle des gutmütigen, treudoofen und schlappschwänzigen Pechvogels. Wer ihn wie ich bereits in Dutzenden von DERRICK-Episoden in Variationen dieses Typus gesehen hat, für den hält sich die finale „Überraschung“ ziemlich in Grenzen. Wobei „Tod eines Buchhändlers“ generell zu den eher vorhersehbaren Folgen des umfangreichen Reinecker’schen Schaffens gehört. Interessant ist sie vor allem hinsichtlich ihrer Haltung zu ehelicher Gewalt: Zwar wird der Gattinnenverprügler Kapp ziemlich deutlich als Unsympath gezeichnet, sein Handeln zudem noch dadurch verschlimmert, dass seine Fäuste die göttliche Judy WInter treffen, die damals wirklich zum Niederknien schön war, aber es ist dennoch auffällig, dass sich Reinecker eine eindeutige, explizite Bewertung verkneift. Keller äußert sich nie zu Kapps Entgleisungen, auch die Aussagen der Nebenfiguren in Richtung „Was andere Leute tun, geht uns nichts an“ bleiben unwidersprochen und am Ende wird der geschundenen Ehefrau gar der schwarze Peter zugeschoben, weil sie dem jungen Roland solche Flausen in den Kopf gesetzt hat. Problematisch, aber faszinierend.

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Episode 68: Domanns Mörder (Wolfgang Becker, Deutschland 1974)

Ernst Faber (Erich Schellow) und sein Sohn Ulrich (Peter Chatel) finden in der Familienvilla den toten Domann (Michael Maien) auf – und fangen sofort an, wilde Pläne zu schmieden und Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, damit die Polizei bloß niemanden verdächtigt. Weder Mutter Gerda (Gisela Uhlen) noch Tochter Hannelore (Gitty Djamal), Hausmädchen Luise (Gustl Halenke) oder die junge Irmi (Irina Wanka) sind da – was auch ein bisschen das Problem der Familie ist, deren Mitglieder alle ihre eigenen Wege gehen, ohne sich groß um die anderen zu kümmern. Die Mitglieder sind sicher, dass einer aus ihrer Mitte der Mörder ist, aber wer, warum und wieso, interessiert sie nicht. Hauptsache, sie gehen straffrei aus.

„Kann denn nicht endlich mal jemand an die Kinder denken!?“, pflegte Ned Flanders‘ Ehefrau bei den SIMPSONS auszurufen. Ihr Flehen könnte auch diese Episode überschreiben, in der Reinecker zeigt, wie die Eitelkeiten der Erwachsenen unsere süßen Kinderlein ins Unglück stürzen. Irina Wanka, die die nahezu stumme Irmi spielt, blieb dem Rollenbild, das sie hier im zarten Alter von 12 zeigte, auch in den folgenden zwei Jahrzehnten bei unzähligen DERRICK-Auftritten treu. Immer spielte sie den Unschuldsengel reinen Herzens, der durch das amoralische Treiben der Sünder um sich herum in tiefste Abgründe gestoßen wurde. Das ist ein fetter Spoiler, ich weiß, aber mehr als die Frage nach dem Täter interessiert in „Domanns Mörder“ die Sezierung großbürgerlicher Arroganz, die Reinecker mit blitzendem Skalpell vornimmt. Vor allem Erich Schellow ist großartig als Patriarch, dem der Gedanke, es mit der Wahrheit zu halten, nicht im Entferntesten in den Sinn kommt.

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Episode 69: Ein Anteil am Leben (Ullrich Haupt, Deutschland 1974)

Die Kellnerin Alma (Heidi Stroh) wird in ihrer Wohnung von ihrer männlichen Begleitung brutal erstochen. Ihre Arbeitskollegin, die Putzfrau Anna Bergmann (Käthe Gold), die bei Alma im Flur schlafen darf, weil sie ihre Wohnung verlor, überrascht den Mörder und lässt sich ihr Schweigen gut bezahlen. Keller ahnt, dass die Frau etwas weiß – und dass der Täter aus dem Kreise gut betuchter Münchener Geschäftsleute und Politiker stammen muss, die Alma jeden Freitag bediente. Keller versammelt die Männer im Brauhaus, doch die wissen, dass er ihnen nichts nachweisen kann.

Das Setting der verschworenen männlichen Saufgemeinschaft, die die mangelnde sexuelle Bereitschaft einer jungen Frau drastisch bestraft, griff Reinecker auch später bei DERRICK noch einige Male auf. Hier verbindet er es mit einer seiner Betrachtungen zur Einsamkeit im Alter. „Ein Anteil am Leben“ ist kein Highlight der Serie, was mehrere Gründe hat: Die ganze Prämisse wirkt überkonstruiert, das Verhalten der alten Dame unglaubwürdig und übertrieben, die Auflösung gegenüber dem Aufbau dann übereilt und zu allem Überfluss spielt auch noch Dieter Schidor mit, der einfach immer fehlbesetzt ist. So wird dann auch die Tragik von Anna Bergmanns Schicksal zunichte gemacht. Es ist schon bitter: Es muss erst jemand umgebracht werden, damit sie ein einziges Mal das Leben aus vollen Zügen genießen kann.

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Episode 70: Die Nacht mit Lansky (Erik Ode, Deutschland 1974)

Kommissar Keller und die „Jungs“ sind zum monatlichen Abendessen bei Heimes‘ Mutter (Ruth Hausmeister) eingeladen, als sie von der Nachbarin Frau Lansky (Heli Finkenzeller) um Hilfe gebeten werden: Ihr Ehemann Heinz (René Deltgen), ein Handelsvertreter, verhalte sich seltsam, sei abwesend und völlig außer sich. Doch der ältere Herr besteht darauf, dass alles in Ordnung sei und schickt die Kriminalbeamten wieder weg: Verdutzt bemerken diese aber Blutflecken an den Händen, den Koffern und am Steuerrad des Wagens des Mannes.

Reinecker sinniert mal wieder über das Alter, darüber wie Menschen irgendwann aufs Abstellgleis geschoben werden und dann dazu gezwungen sind, irgendwie weiterzumachen. In der fest gefügten Ordnung der Siebzigerjahre sind es natürlich vor allem die Männer, die dieses Schicksal trifft. Darauf gedrillt, als Versorger ihrer Familien zu wirken, fühlen sie sich plötzlich nutzlos und impotent. (Das Schicksal der Frauen ist es hingegen, ab einem gewissen Alter von ihren Männern sitzen oder links liegen gelassen zu werden: Auch das haben wir beim KOMMISSAR schon häufiger gesehen.) Im Falle des armen Lansky geht die Verzweiflung so weit, dass er der Familie ein ganzes Jahr lang eine Berufstätigkeit vorgaukelt, montags das Haus verlässt, in sein Auto steigt und dann am Freitag zurückkehrt. Die Tage füllt er mit Einbrüchen bei seinen ehemaligen Kunden, die das nötige Geld bringen und sicherstellen, dass er seine Fassade als Versorger zu Hause aufrechterhalten kann. Bis sein Nachfolger Kessler (Eckart Dux) ihm auf die Schliche kommt. Die Episode ist zermürbend, auch weil sie ziemlich lang auf der Stelle tritt. Keller und Kollegen wissen, dass Lansky etwas verbrochen hat, aber sie haben auch keinen echten Grund, gegen ihn vorzugehen – schließlich scheint es noch gar kein Opfer zu geben. Und alle Versuche, den Mann zum Rede zu bringen, scheitern – bis er dann schließlich doch irgendwann einbricht und seine Geschichte erzählt, die dem Zuschauer dann in Rückblenden serviert wird. Ich bin etwas unentschlossen: Deltgen ist toll, die Episode unendlich traurig, aber ihr Ende ist eben auch recht vorhersehbar.

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Episode 71: Spur von kleinen Füßen (Theodor Grädler, Deutschland 1974)

Ein junges Mädchen (Sabine Sinjen) wird erschossen und dann von einer Brücke geworfen. Sie war vor einem Jahr vom Land nach München gekommen und die lange Galerie ihrer Verehrer führte sie schließlich ins Drogenmilieu.

Die Episode, in der mehrfach die auffallend „kleinen Füße“ des Opfers angesprochen werden, ohne dass das eine echte Bedeutung hätte (Sabine Sinjens Füße sind darüber hinaus keineswegs besonders klein: Fehlbesetzung!), ist mal wieder eines der gruseligen Beispiele für Frauenmystifizierung und Altherrenerotik. Wie schon Uschi Glas in der Episode „Ein Mädchen nachts auf der Straße“ ist auch Sinjen hier das Objekt der haltlosen Idealisierung diverser Männer, die schon ans Pathologische grenzt. Reinecker lässt seine diversen Männertypen von der „reinen Lebenslust“ und einer „verdinglichten Erfahrung“, die das Zauberwesen verkörpere, fabulieren, dabei mit verträumtem Blick ins Leere starren, als könnten sie dort Einhörner beim Kopulieren sehen. Sinjen weiß mit diesem Quatsch offensichtlich gar nichts anzufangen und interpretiert die zarte Elfe als ständig enthusiasmiert grinsende, herumrennende oder wild hüpfende Kindfrau, die jedem Menschen bereits nach kürzester Zeit fürchterlich auf die Nerven fallen würde. Wie eine Biene fliegt sie von einem Mann zum anderen, weil die pure Lebenslust und Neugier sie antreibt. Zurück bleiben Peter Ehrlich als ihr mit seiner verdörrten Schwester zusammenlebender Chef, Martin Lüttge als junger Fotograf, Udo Vioff als eleganter, der Mama (Alice Treff) höriger Drogenhändler und Christian Reiner als Junkie. Keiner ist in der Lage, dieser Nymphe dauerhaft zu geben, was sie braucht. Und es ist klar, dass das nur mit dem Tode enden kann. Die Besetzung der Folge ist natürlich unfuckwithable, zumal auch noch der stets mürrische Günther Neutze als mies gelaunter Kneipenwirt mitmischt. In einer sehr rätselhaften Szene rufen einige junge Partygäste bei einem Telefonseelsorge an, um sich über den Selbstmordversuch eines anwesenden Freundes lustig zu machen. Jesus, what is it with these people?!

Wichtig ist die Folge aber noch aus einem anderen Grund: Es ist die letzte Episode mit Fritz Wepper als Harry Klein: Er wird zu Beginn in einer tatsächlich sehr rührenden Szene in die Obhut von Oberinspektor Derrick verabschiedet und präsentiert dann seinen Bruder Erwin (Elmar Wepper) als Nachfolger. Der erntet zwar sofort die Sympathien von Chef Keller (weil er erkennt, dass das Mordopfer auffallend kleine Füße hatte), steht aber im weiteren Verlauf mehrfach wie Falschgeld herum. Mal sehen, wie er sich entwickelt. Das gilt auch für die Serie insgesamt, die Reinecker doch mittlerweile merklich auf Autopilot betreibt.

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Episode 206: Die Reise nach München (Alfred Weidenmann, 1992)

Der arbeitslose Hugo Sassner (Stefan Wigger) reist nach München, um sich dort einen Job zu suchen – seine Frau droht, ihn zu verlassen, wenn er nicht langsam wieder in Lohn und Brot kommt. Doch Sassner hat wenig Erfolg. Dann schlägt das Schicksal zu: Im Nachbarzimmer der miesen Absteige, in der er sich eingemietet hat, bringt der unbeherrschte Berthold Holzinger (Michael Roll) eine Prostituierte um. Sassner hilft dem jungen Mann, seine Spuren zu verwischen und unbemerkt zu fliehen – und erpresst ihn anschließend: Sein Schweigen gegen eine Festanstellung. Holzingers Mutter (Ursula Lingen) lässt ihre Kontakte spielen und verschafft Sassner die ersehnte Stelle. Dessen sichtbare Freude weckt jedoch berechtigten Verdacht in Derrick …

Gute Episode, die mit ihren rücksichtslosen Egoisten thematisch den Bogen zu den Glanzzeiten der Serie schlägt. Das Zusammenspiel von Wigger – ein Waschlappen, der die Arschbacken zusammenkneift und ob seines Triumphes größenwahnsinnig wird -, Roll – schwitziger Totschläger, der noch schwitziger wird, als er merkt, dass sein vermeintlicher Wohltäter ihn in der Hand hat – und Lingen – cool kalkulierende Mutterfigur, die sich durch nichts aus der Ruhe bringen lässt, aber weiß, dass sie Derrick nicht an der Nase herumführen kann – ist der Schlüssel zum Erfolg. Lustig außerdem, wie vorsintflutlich die Welt eines Jobsuchenden im Jahr 1992 heute anmutet: Den Satz „Ich nehme mir ein Hotel in München, dann kann ich gleich morgens die Stellenanzeigen lesen, wenn die Zeitungen rauskommen“ muss man jüngeren Zuschauern wahrscheinlich erst einmal übersetzen.

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Episode 207: Ein seltsamer Ehrenmann (Zbynek Brynych, 1992)

Der Kleinkriminelle Krowacs (Claude-Oliver Rudolph) wird von Grigo (Henry van Lyck) beauftragt, den Studenten Berthold Masinger (Philipp Moog) umzubringen. Krowacs willigt ein, doch vor dem jungen Mann packt ihn das Gewissen. Als Masinger wenig später dennoch tot ist, sucht Krowacs Derrick auf …

Rudolph war in seinen DERRICK-Auftritten bisher immer gut, aber es haperte manchmal an den Rollen, die man ihm zuwies. Hier nun steht er ganz im Zentrum und begeistert als „seltsamer Ehrenmann“, sprich als Krimineller mit Ehrgefühl. Die Szene, in der er seinem Opfer gegenübertritt, sich dann aber anders entscheidet und schließlich auf einen Kaffee und ein Pläuschchen bleibt, ist großartig (auch wenn man sich kaum vorstellen kann, dass Rudolph sich freiwillig mit dem Popper Moog abgegeben hätte), nicht minder cool ist sein anschließender Anruf bei seinem Auftraggeber, dem er nur lapidar mitteilt, dass er es sich anders überlegt hat und seinen Lohn gern zurückgeben würde. Mit Tappert entwickelt Rudolph zudem eine unvorhergesehene Chemie und beim Schlussbild musste ich fast ein wenig an die Männerepen eines John Woo denken. Lediglich der Kriminalfall hinter dieser Männergeschichte ist nicht so prall. Macht aber gar nichts.

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Episode 208: Mord im Treppenhaus (Helmuth Ashley, 1992)

Frau Kollwitz wird im Treppenhaus ihres Wohnhauses ermordet. Ihr Ehemann (Rüdiger Vogler) ist erschüttert, auch wenn der Haussegen länger schon schief hing: Für den Unterhalt der Familie sorgte die Gattin in ihrer Nebentätigkeit als Luxusprostituierte. Als Sohn Martin (Holger Handtke) davon erfährt, ist er am Boden zerstört …

Es moralisiert mal wieder. Aus der Frau, die ihre Familie durch vollen Körpereinsatz ernährt, weil ihr Mann wieder einmal einer jener typischen DERRICK-Waschlappen ist, wird in den mitleidlosen Dialogen eine „Hure“, aus ihrem Tun eine moralisch verwerfliche Tat und ein Verrat an ihrem Mann und ihrem Sohn. Ihre Kunden sind ekelhafte Bonzen von zweifelhafter Lebensauffassung, die sich natürlich keiner Schuld bewusst sind und die gnadenlos an den Pranger gestellt werden, obwohl sie ja lediglich eine Dienstleistung in Anspruch nahmen – und diese ziemlich fürstlich bezahlten. Immerhin gibt es einen Auftritt von Harald Leipnitz als einer dieser eklen Freier.

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Episode 209: Die Festmenüs des Herrn Borgelt (Alfred Weidemann, 1992)

Der ältere Herr Borgelt (Ernst Schröder) reist nach dem Drogentod seiner Tochter (Svenja Pages) nach München und sucht die Männer auf, die er für verantwortlich für ihr Ende hält. Während er dann abends im Hotel ein üppiges Menü zu sich nimmt, finden sie ihren Tod. Mit wem arbeitet er zusammen?

Mal wieder eine Selbstjustizepisode: Auf der Habenseite sind der als distinguierter älterer Herr auftretende Ernst Schröder zu verbuchen, dessen vornehmen Ausführungen über guten Wein ich stundenlang zuhören könnte, sowie Henry van Lyck als Pornoproduzent: Der Einblick in den Dreh eines seiner Filme ist allein den Eintrittspreis wert. Dann natürlich die schöne Svenja Pages, die ihrem Papa regelmäßig Videotapes von sich schickt, von denen sie nun in Reinecker’scher Diktion direkt in die Kamera schwafelt. Der Besuch in einem sozialen Auffangbecken für Junkies ist auch amüsant und Irene Clarin als feuereifrige Sozialarbeiterin voll in ihrem Element. Man könnte sich das Ganze sehr gut als Schwarze Komödie aus Frankreich vorstellen. In Weidenmanns Inszenierung ist alles etwas biederer, aber letztlich bleibt eine gute Episode.

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Episode 210: Der stille Mord (Theodor Grädler, 1992)

Eine junge Frau wird in der Isar gefunden. Offenbar wurde sie bei einer Betriebsfeier ihres Arbeitgebers vergewaltigt und dann „entsorgt“. Als Verdächtige kommen ihre Vorgesetzten Weber (Dirk Galuba), Dowald (Robert Jarczyk) und Hahne (Gerd Baltus) in Frage. Bei den Ermittlungen kreuzt immer wieder Frau Zinser (Sonja Sutter) mit ihren beiden Töchtern Derricks Weg …

Man wünschte sich, dieses Drehbuch wäre in den Siebzigern verfilmt worden, mit bier- und zigarrenrauchgeschwängerten Eindrücken von der Betriebsfeier, bei der geile Männerfinger am jungen Praktikantinnen-Po herumfummeln, bis die schwitzigen Herrschaften schließlich auf eine Leiche herniederschauen. Anfang der Neunziger war man taktvoller und hüllte den Mantel des Schweigens über die Tat – zumindest verlegte man sie in die extradiegetische Vorvergangenheit der Episode. Zum Ausgleich führt Reinecker aber die drei Frauen ein, die schwarz gewandet wie Rachegeister durch die Geschichte wandeln. Wie schon in ISOLDES TOTE FREUNDE begeistert vor allem Juliane Rautenberg mit ihrem abwesenden Gesichtsausdruck. Selten hat Anti-Schauspiel so nachdrücklich gewirkt wie hier.

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Episode 211: Beatrice und der Tod (Theodor Grädler, 1992)

Derrick wird die Journalistin Beatrice (Elisabeth Trissenaar) zur Seite gestellt, die eine Story über die Arbeit der Mordkommission schreiben soll. Mit Mördern und ihren Opfern konfrontiert zu werden, fasziniert die Frau vielleicht etwas zu sehr …

Hier stimmt gar nichts und man fragt sich, ob Reinecker wirklich so ein schlechtes Bild von Journalisten hatte oder ob er sich schlicht einen Scheißdreck für Authentizität und Plausibilität interessierte. Anstatt den Lesern ihres Blättchens eine Story zu geben, die diese auch wirklich lesen wollen, verliert sich die Journalistin Beatrice in philosophischen Spekulationen über das Wesen von Mord als „intimstem Moment, den Menschen miteinander teilen können“ und anderen Spinnereien, die sie in nicht enden wollenden, Fremdscham auslösenden Monologen ausbreitet. Zu Papier bringt sie gar nichts und man fragt sich, für was sie von ihrem Chef eigentlich bezahlt wird bzw. wie der sich eine solche Mitarbeiterin leisten kann. Ihre Spinnerei ist dramaturgisch natürlich begründet, aber die Auflösung ist so doof, dass sie weder das Gesamtkonstrukt noch die Etablierung einer solch durch und durch nervtötenden Figur rechtfertigen würde. Und dass sich Reinecker hier zum dritten Mal innerhalb kürzester Zeit selbst kopiert, habe ich dabei noch gar nicht erwähnt. Die zwei Sterne gibt es nur, weil die Episode „Lena“ noch beschissener ist.

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Episode 212: Eine eiskalte Nummer (Helmuth Ashley, 1992)

Als der Geschäftsmann Rudger (Peter Fricke) von zwei Einbrechern überrascht wird und diese anschließend ihre Waffe bei ihm vergessen, schaltet er blitzschnell: Er nutzt die Pistole, um den wenig später bei ihm auftauchenden Partner umzubringen, der ihn wegen Betruges vor einen Richter zerren möchte, und schiebt den Mord den beiden Einbrechern in die Schuhe …

Peter Fricke ist mal wieder in seinem Element als manisch-arroganter Geschäftsmann, der andere mit weit aufgerissenen Augen taxiert, als wolle er sie hypnotisieren. Standardware bis zum Schluss, als Schauspieler Ullrich Haupt von Derrick die Rolle seines Lebens annimmt: Er kann die Stimme des Toten täuschend echt imitieren und ruft dann gewissermaßen aus dem Totenreich beim Mörder an. Es spricht aber ausnahmsweise nicht für die Inszenierung Ashley, dass vor allem jene Szene im Gedächtnis bleibt, in der eine kreuzpeinliche „Rock“-Band ihren schrottigen AOR-Sound am hellichten Tag in einer Kneipe probt – in Zimmerlautstärke.

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Episode 213: Tage des Zorns (Günter Gräwert, 1992)

Der Polizist Alfred Heckel (Klaus Grünberg) ist außer sich: Der Nachtclub-Betreiber Donath (Jürgen Schmidt), den er vor Jahren in den Knast gebracht hatte, hat ihm die Gattin (Jessica Kosmalla) ausgespannt. Er bittet Derrick um Hilfe …

Mal wieder etwas anderes, aber letztlich scheitert die interessante Episode an Reineckers fragwürdigen Moralvorstellungen und einem Drehbuch, dass es sich zu leicht macht. Wie spannend wäre es gewesen, wenn Henkels Ex-Frau und der schmierige Loddel tatsächlich eine ernsthafte Liebesbeziehung miteinander führen würden? Stattdessen darf das natürlich nicht sein, muss sich Donath dann eben doch als frauenhassender Drecksack und Manipulator herausstellen, der sich nur dafür rächen will, einst in den Knast gesteckt worden zu sein. Und Derrick hat es von Anfang an geahnt, weil eine Besserung einst straffällig gewordener Subjekte in Reineckers Welt einfach undenkbar ist. Dass die Folge dennoch eher positiv im Gedächtnis bleibt, liegt am herrlich geschmacklosen Setting, an Jürgen Schmidt, der in diesen Rollen einfach super ist (auch ohne Schnauzbart), und an Wepper, dessen Harry sichtlich Freude daran hat, sich während der Dienstzeit einen Whiskey am Tresen des Etablissements reinzugießen und dabei mit der Bardame (Krista Posch) zu plaudern.

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Episode 214: Die Frau des Mörders (Zbynek Brynych, 1992)

Der im Sterben liegende Abel (Gerd Baltus) lässt sich auf einen Deal ein: Er gesteht einen Jahre zurück liegenden Mord, um dem einsitzenden Täter (Christian Berkel) die Freiheit zu verschaffen – gegen ein stattliches Sümmchen, das Abels Gattin (Thekla-Carola Wied) zugute kommt. Doch Derrick ahnt, dass da etwas nicht stimmt.

Die Prämisse ist nicht uninteressant, aber wie so oft in den Neunzigern konzentriert sich Reinecker vor allem auf genau jene Aspekte der von ihm erdachten Geschichte, die eher nicht so aufregend sind. Hier ist das Derricks „Bearbeitung“ der Witwe, von der es abhängt, ob der wahre Mörder auf freiem Fuß bleibt. Dass Derrick die Täter immer wieder bedrängte, ihnen auf die Nerven ging, sie in die Enge trieb und ihnen wie eine Bulldogge am Hosenbei zerrte, gehörte in den ersten Jahren zu seinem bevorzugten Modus operandi – und seine sichtbare Freude daran übertrug sich unvermittelt auf den Zuschauer. Die Methode ist die gleiche, doch Derrick ist ungleich sanfter und wendet sich eher an die Opfer, die er – einem Priester oder Seelsorger gleich – dazu bringen möchte, sich von der Last der Schuld zu befreien. Hier ist es seine Strategie, die Witwe immer wieder damit zu konfrontieren, nun die Frau eines Mörders zu sein. Dass diese Maschen natürlich nur funktionieren kann, weil eine konservative Gesellschaft aus Reineckers eine Ehefrau in Sippenhaft für ihren Gatten nimmt, reflektiert er leider nicht. Das Problem unzähliger später DERRICK-Episoden: Sie funktionieren nur innerhalb Reineckers eng abgezirkelter Welt.

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Episode 215: Billies schöne, neue Welt (Wolfgang Becker, 1992)

Billie (Muriel Baumeister), die Tochter des dubiosen Diskothekenbesitzers Troyka (Bernd Herzsprung) wird immer wieder mit Drogentoten im Etablissements des Papas konfrontiert. Nachdem sie zusammen mit ihrem Freund Christian (Nikolaus Gröbe) eine Leiche in einem Waldstück entsorgen muss, erleidet sie einen Nervenzusammenbruch.

Hier gilt dasselbe wie für die vorangegangene Episode: Eine grundsätzlich interessante Prämisse wird zugunsten eines behelfsmäßig zusammengezimmerten Melodrams verschenkt. Das Setting – ein Familienbetrieb, in dem die lapidare Sterbehilfe für Drogenabhängige, die einem sonst Ärger machen könnten, so selbstverständlich ist, dass sogar die eigene Tochter in den Prozess der Leichenentsorgung involviert wird – ist so bizarr wie spannend, und es sind nicht zuletzt Bernd Herzsprung und der Thomas Schücke, die diese Idee verkaufen. Anstatt sich mehr auf diese Familie zu konzentrieren, entscheidet sich Reinecker aber, das junge Liebespärchen in den Mittelpunkt zu rücken und das wird mitunter schmerzhaft. Bei den gespreizten, artifiziell deklamierten Dialogen zwischen den beiden Liebenden am Ende fühlt man sich in bemühte Theaterinszenierungen mit pädagogischem Anspruch versetzt. Schlimm.

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Episode 216: Ein merkwürdiger Privatdetektiv (Helmuth Ashley, 1992)

Johann Raude (Peter Fricke) lässt seine junge Gattin (Heike Faber), die eine Affäre mit dem jungen Ingo (Tobias Hoesl) hat, vom Privatdetektiv Lippen (Richy Müller) beschatten. Dem ist das junge Liebespaar so sympathisch, dass er seinem Auftraggeber kurzerhand die Mitarbeit verweigert. Der kommt dem Betrug seiner Ehefrau trotzdem auf die Schliche und verprügelt sie brutal. Wenig später wird er erschossen. Und die beiden Hauptverdächtigen geben sich gegenseitig ein Alibi.

Auch hier schlittert Reinecker etwas unsicher auf dem Schmierfilm seiner unangenehm verklärten Weltsicht und bietet zudem eine enttäuschende Auflösung auf, aber insgesamt rettet er sich dann doch noch ins gehobene Mittelmaß – was er vor allem Richy Müller zu verdanken hat, der als idealistischer Privatdetektiv einfach sehr sympathisch rüberkommt und auch die kantigsten Dialogperlen Reineckers noch unfallfrei hervorbringt. Derricks Zurückhaltung angesichts der Misshandlung der jungen Frau stieß mir aber irgendwie sauer auf: Kann der da nicht mal klare Kante zeigen? Die latente Misogynie der Serie wird in diesen späten Jahrgängen immer deutlicher. Wie der Autor das mit seinem Gesäusel von der wahren Liebe zusammenbringt, ist mir ein Rätsel.

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Episode 217: Kein teurer Toter (Helmuth Ashley, 1992)

Der Rechtsanwalt Dr. Lohst (Will Dann) sucht Derrick mit einem Anliegen auf: Sein Klient, der Unternehmer Berger (Joachim Kemmer) erhält Morddrohungen per Telefon. Niemand wundert sich so recht darüber, auch der Betroffene selbst nicht, denn Berger ist ein Tyrann, der erst aufblüht, wenn alle um ihn herum vor Angst zittern. Doch dann wird er wirklich tot aufgefunden, erschossen und in den Maschinen seiner Firma zersägt …

Früher hätte sich Reinecker mit Lust auf den Charakter des brutalen Berger gestürzt, hätte Derrick sich mit der ihm eigenen Hartnäckigkeit an ihm abarbeiten lassen, sich einen Spaß daraus gemacht, dem Misanthropen den Spiegel vorzuhalten und ihn zu bestrafen. Aber leider befinden wir uns im Jahr 1992 und da darf Joachim Kemmer kaum mehr als einen Gastauftritt abliefern, in dem er bezeichnenderweise sympathischer rüberkommt, als all die Waschlappen und Angsthasen um ihn herum. Stattdessen rückt Lohst in den Mittelpunkt, der sich natürlich – das dürfte wirklich nur die wenigsten Zuschauer überraschen – am Ende als der Mörder herausstellt. Sein Motiv: Der Freund der Familie kann es einfach nicht ertragen, wie Gattin (Ingeborg Schöner) und Tochter (Juliane Rautenberg) unter dem Grobian leiden. Vor allem letztere, eine sensible und (zum zweiten Mal nach „Isoldes tote Freunde“) hochbegabte Kirchenorgelspielerin, droht unter dem Einfluss des Vaters förmlich zu zerbrechen, eine Tatsache, die Lohst immer und immer wieder in gewohnt steifer Reinecker-Sprache zu Protokoll gibt. Ich freue mich für Will Danin, dass er hier mal eine etwas größere Rolle übernehmen durfte, aber sein Lohst ist wirklich eine unfassbar freudlose Figur. Der Begriff ist ungut vorbelastet und eigentlich möchte ich ihn gar nicht benutzen, aber hier passt er wie die Faust aufs Auge: Er ist ein unerträglicher Gutmensch, dessen Eifer im Kampf für das Gute im Menschen und den Erhalt der grotesk idealisierten Reinheit seines Schützlings fast schon biblische Züge annimmt. Das wäre ja alles nicht so schlimm, wenn das letzte Drittel der Episode nicht nahezu ausschließlich aus Dialogen zwischen ihm und Derrick bestünde, in denen er sich um einen Dauerauftrag vom „Wort zum Sonntag“ zu bewerben scheint. Was für eine vertane Chance – vor allem vor dem Hintergrund, dass „Kein teurer Toter“ der einzige DERRICK-Auftritt des charismatischen Kemmer bleiben sollte.

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Episode 182: Kein Ende in Wohlgefallen (Theodor Grädler, 1990)

Ralf Kargus (Michael Roll) hört auf dem Anrufbeantworter die verzweifelte Stimme seiner Schwester, die ihren Selbstmord ankündigt. Seine Hilfe kommt dennoch zu spät: Er findet nur noch ihre Leiche. Von ihrem Chef und Geliebten Tessinger (Jürgen Heinrich), dem Geschäftsführer einer Werbeagentur, für die Kargus‘ Schwester als Model arbeitete, erfährt er, dass sie bei einer Betriebsfeier von zwei wichtigen Kunden vergewaltigt worden sei. Wenig später ist der erste der beiden mutmaßlichen Täter tot …

Die Neunzigerjahre beginnen mit einer angestrengten Episode, die – wie so oft bei Reinecker – nur die äußere Form eines klassischen Krimis hat, eigentlich aber das Psychogramm eines ganz normalen Mannes sein will, der zum Mörder wird und daran letztlich zerbricht. Es ist ein Kunstgriff, den Reinecker nicht zum ersten Mal versucht, der hier aber gründlich in die Hose geht. „Kein Ende in Wohlgefallen“ ist fürchterlich angestrengt und theatralisch: Natürlich fängt Kargus an zu trinken (Whisky, was denn sonst?), entwickelt tiefe Ringe unter den Augen und eine Neigung für fatalistische Monologe mit leerem Blick in die Halbdistanz. Natürlich weiß Derrick sofort, dass es sich bei Kargus um den Mörder handelt, auch wenn jegliche handfesten Beweise fehlen. So weit, so bekannt, aber während Reinecker das Katz-und-Maus-Spiel zwischen dem Kriminalisten und dem Täter sonst spannend zu gestalten weiß, schlägt er hier lediglich Zeit tot. Am Ende wirft Kargus ganz einfach das Handtuch und gibt zu, was Derrick von Anfang an wusste. Wirklich hervorstechend ist hier nur die modische Geschmacksverirrung, die beweist, dass die späten Achtziger/frühen Neunziger einfach die Hölle waren. Vor allem Susanne Uhlen sieht aus, als habe sie sich zum Karneval verkleidet.

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Episode 183: Tödliches Patent (Horst Tappert, 1990)

Dr. Curtius (Peter Simonischek) ist Mitarbeiter im Patentamt. Eines Tages bekommt er von Dorn (Peter Bongartz), der im Auftrag des Unternehmers Kastrup (Karl Heinz Vosgerau) handelt, ein verlockendes Angebot: Details über das gerade von ihm bearbeitete Patent sind Kastrup eine Million DM wert. Curtius ist empört – und wird nur wenig später tot im Archiv des Patentamtes aufgefunden …

Tapperts fünfte Regiearbeit ist etwas eigenwillig konstruiert, aber nicht ohne Reiz: Der Mörder ist dem Zuschauer bekannt, auch sein Motiv bleibt nicht lang verborgen und die Aufklärung kostet Derrick kaum mehr als eine Viertelstunde Spielzeit. Die Episode bezieht ihren Reiz aus dem im Rahmen der Serie noch nicht ganz so totgetretenen Thema der Wirtschaftskriminalität, aus dem breiten Inventar involvierter Figuren und dann natürlich aus Peter Bongartz‘ Darstellung des gewissenlosen Halsabschneiders, dem mit Udo Vioffs verzweifeltem Dr. Spitz wieder einmal ein besonders jämmerlicher Charakter gegenübersteht. Dazu kommen einige inszenatorische Absonderlichkeiten, wie die nicht gerade an die Eleganz von Peckinpah oder Woo erinnernde Zeitlupenstudie des Mordes, die Idee, dass sich der tödlich Verwundete mit letzter Kraft auf ein Transportband für Dokumente schleppt, mit dem er dann durchs Archiv gefahren wird, und die Untermalung eines Leichenfundorts – ein Canyon-artiger Steinbruch – mit dem Krächzen einer Krähe. Am Schluss gibt es – ebenfalls nicht unüblich zu dieser Zeit – die grobe Moralkeule: Die Aussage von Curtius Vorgesetztem, dass der Konkurrenzkampf unter den Dächern der Unternehmen bisweilen über Leichen führe, wird von Derrick mit der rhetorischen Frage gekontert, ob sich diese Aussage nicht auf alle Dächer verallgemeinern lasse, woraufhin die Kamera suggestiv über München schwenkt. Nein, man kann wirklich nicht sagen, dass 16 Jahre DERRICK Reinecker gelassener gemacht haben. Die Serie wird von Staffel zu Staffel resignierter.

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Episode 184: Judith (Zbynek Brynych, 1990)

Die Pianistin Judith Loska (Evelyn Opela), die sich gerade auf Welttournee befindet, nimmt in New York einen Anruf ihrer Tochter (Svenja Pages) entgegen: Die weint ins Telefon, dass „sie“ sie umbringen wollten, weil sie ihnen gedroht habe, sie anzuzeigen, wenn sie ihr keinen Stoff beschaffen. Sie schließt mit der Frage „Warum hast du dich nicht um mich gekümmert, Mama?“ Die Mutter ist entsetzt, bricht ihre Tournee ab und reist sofort nach München, wo ihr Professor Laux (Klaus Herm), Lehrer und Vertrauter der Tochter, die traurige Nachricht von ihrem Tode überbringt: Sie verstarb auf der Toilette einer miesen Absteige an einer Überdosis. Die mit Schuldgefühlen ringende Musikerin erstattet Anzeige wegen Mordes und beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln …

Eine wahrhaft unerhörte Folge, mit der Brynych der divenhaften Evelyn Opera ein Denkmal setzt. Ihr Abstieg in den Münchener Sündenpfuhl darf als das deutsche Fernsehäquivalent zu einem Ferrara-Film gelten, der darin kulminiert, dass die vornehme Dame sich sogar vom traurig-notgeilen Kellner Biber (Walter Renneisen) auf die schmuddelige Matratze seines ranzigen Appartements zerren lässt (nachdem sie mit ihm – na, was wohl? – Whisky aus schmutzigen Gläsern getrunken hat), um eine Information von ihm zu erhalten. Später wird sie dann noch von den Schergen des Drogendealers Niewald (Uli Krohm) in den Kofferraum eines Geländewagens und anschließend eine Böschung runtergeschmissen (Zeitlupe). Irgendwie drehen Reinecker und Brynych das aber so, dass der Abstieg von Judith Loska nicht sie beschmutzt, sondern den eigentlich ja ach so gutherzigen Loser Biber erhöht: Er beweist am Ende Rückgrat, als er Niewald mit seiner Aussage ans Messer liefert, bekommt dafür einen festen Händedruck von Derrick und ein tränenfeuchtes Lächeln der Musikerin. Sein geiles, lüsternes Keuchen, das ihm entweicht, als er die attraktive Milf in seiner Absteige begrüßen und sich dann schließlich auf sie werfen darf, hat man bei diesem „Happy End“ aber immer noch im Ohr und es terminiert den möglicherweise angestrebten Effekt nicht unwesentlich. Peter Kuiper spielt den Wirt besagter Pinte, Sabi Dorr mal wieder einen Drogenkriminellen, Holger Petzold den Drogenfahnder. Überraschender ist die Tatsache, dass Klaus Herm mal nicht den traurigen Hausmeister geben darf. Ja, und die Opela, die Meisterin der zitternden Stimme. Sie transzendiert diese Episode Brynychs zu einem Sleazemelodram allererster Güte. Epochal!

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Episode 185: Tossners Ende (Günter Gräwert, 1990)

Die dubiosen Praktiken des Immobilienhais Tossner (Günter Gräwert), der Häuser kauft und die Bewohner auf die Straße setzt, führen zum Selbstmord eine kleinen Jungen. Dessen Lehrer Kraus (Walter Plathe) versucht Tossner zur Rede zu stellen, wird aber ständig abgewimmelt und entwickelt darüber Hass und Mordgedanken: Allabendlich steht er vor dem Gittertor von Tossners Anwesen und überzieht den Kapitalisten mit Schmährufen und Morddrohungen, die er dann in seinen Träumen in die Tat umsetzt. Eine Tatsache, die er der Psychotherapeutin Anita Rolfs (Gaby Dom) gesteht und diese wiederum an ihren arbeitslosen Bruder Albert Thomas Fritsch) weitergibt. Der sieht nun seine Chance auf einen neuen lukrativen Job: Mit der Warnung vor einem Mordanschlag wird er bei Tossners Gattin Carola (Gila von Weitershausen) vorstellig. Was er nicht ahnt: Die will ihren Mann schon seit langem loswerden …

Man könnte die Handlung von „Tossners Ende“ als „konstruiert“ bezeichnen, zumindest ist sie ziemlich ehrgeizig für eine knapp einstündige Fernsehepisode. Das sieht man auch daran, dass deren Namensgeber, Kriminal-Oberinspektor Derrick erst nach der 30-Minuten-Marke seinen ersten Auftritt hat. Aber das ambitionierte Projekt gelingt, gerade weil Reineckers Drehbuch so viele Haken schlägt und Ideen für drei Episoden in eine packt. Was wie eine typische Rachegeschichte beginnt, verwandelt sich erst in die ebenfalls bekannte Story vom auf den eigenen Vorteil bedachten Emporkömmling, nur um dann in einer Paraphrase auf Fritz Langs DOUBLE INDEMNITY zu münden. Der Schlussgag ist für einen der Unglücksseligen richtig böse und zeugt wieder von Reineckers Verachtung für das Großbürgertum, das immer am längeren Hebel sitzt und über die finanziellen Möglichkeiten verfügt, sich von aller Schuld reinzuwaschen. Gila von Weitershausen ist wunderbar giftig als Münchener Variante der eiskalten Barbara Stanwyck, Thomas Fritsch hat bereits Erfahrung als schmieriger Egoist (komplett mit Telefon in Form eines Sportwagens), der sich für schlauer hält, als er tatsächlich ist, und Regisseur Günter Gräwert setzt seine mürrische Präsenz ebenfalls zu großem Effekt ein. Der melodramatische Aspekt um den Tod des kleinen Jungen ist das Schaumkrönchen obendrauf: Wenn der ergriffene Lehrer ein naives, simpel mit „Ich“ überschriebenes Selbstbildnis seines toten Schülers an seine Pinnwand heftet, surrt der Reinecker’sche Manipulationsmotor auf Hochtouren.

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Episode 186: Höllensturz (Günter Gräwert, 1990)

Der junge, etwas naive Azubi Benno Sebald (Philipp Moog) lernt auf einer Zugfahrt den charismatischen Betrüger Arnold Kiesing (Wolf Roth) kennen, der mit Druckplatten auf dem Weg nach München ist, um sich dort mit dem Falschmünzer Liebner (Hanno Pöschl) zu treffen. Als die beiden am Bahnhof auf eine Polizeikontrolle stoßen, übergibt Kiesing den Koffer mit dem wertvollen, aber illegalen Inhalt an Sebald, der dem Charme des Ganoven hoffnungslos erlegen ist. Doch dessen Vater alarmiert die Polizei, nachdem er die Geschichte des Sohnes gehört hat. Derrick, der gerade in einem Mordfall ermittelt, wird hellhörig, denn er findet heraus, dass der Tote ein alter Bekannter jenes Kiesings war, der nun so höchst dubios auffällig geworden ist. Doch der schmettert alle Verdächtigungen ab und beginnt in der Folge, den jungen Sebald und Liebners Schwester Kiwi (Jeannine Burch) mit seinem Geld zu verführen. Dahinter steckt eine Art philosophisches Experiment des Betrügers, der nur noch sechs Monate zu leben hat …

Das Erfolgsgeheimnis dieser Gräwert-Episode lässt sich in zwei Worte fassen: Wolf Roth. Der im deutschen Film leider sträflich unterbeschäftigte Schauspieler stellte sein endloses Schurkenpotenzial und diabolisch-schmieriges Charisma bereits in der Tappert-Folge „Entlassen Sie diesen Mann nicht!“ unter Beweis, wo er sich die Aufmerksamkeit allerdings noch mit Pinkas Brauns Psychopathen teilen musste. Hier steht er ganz und gar im Mittelpunkt und reißt mit seinem Spiel jede Szene an sich – allerdings ohne dafür auf prahlerische Taschenspielertricks zurückzugreifen. Vielmehr gelingt es ihm, jenes überbordende Selbstbewusstsein, den virilen Sex-Appeal, überlegene Intelligenz und nicht zuletzt jenen Style, gegen den Derrick und Klein einfach nicht anstinken können, zu verkörpern. Er erfüllt schon die kleinen Gesten und Aussagen mit einer immensen Autorität und zeichnet so höchst überzeugend einen Mann, der nichts dem Zufall überlassen mag, weil das Leben dafür zu kurz ist und er immer der Beste sein will. Die Moritat von der zum Bösen verführten Jugend wird durch seine Darbietung erst glaubwürdig: Es ist klar, dass Philipp Moog mit seinem Popperscheitel und Jeannine Burch mit ihrem Püppchengesicht und den Kulleräuglein keine Chance gegen ihn haben, und der Zuschauer weiß: In einer vergleichbaren Situation würde auch er den verführerischen Einflüsterungen dieses weltgewandten Herren hoffnungslos erliegen. Wenn Kiesing Derrick bei einem Ausflug in die Pinakothek philosophische Vorträge über das Wesen von Gut und Böse hält, ist es Roth, der Reineckers für eine Vorabendserie reichlich gespreiztem Einfall die Anmutung großen Kinos verleiht. Die Wendung mit der tödlichen Krankheit hätte es eigentlich nicht gebraucht und sie wirkt redundant, weil dieser Kiesing auch so jederzeit als neugieriger und experimentierfreudiger Spieler durchgeht, der Menschen nur aus Spaß und weil er es kann durch die Gegend schiebt wie Schachfiguren. Da erkennt man wieder Reineckers manchmal fehlgeleitetes Bedürfnis, allem einen existenzialistisch-pessimistischen Anstrich zu verleihen. Letztlich spielt das für den Erfolg von „Höllensturz“ aber keine Rolle. Nicht einmal eine Discoszene, in der Moog und Burch unbeholfen zum 89er-Sommerhit „Lambada“ schwofen, kann von Wolfs Leistung ablenken: Dessen Kiesing steht angenervt von der Mittelmäßigkeit seiner Spielzeuge an der Bar und kippt sich einen Drink rein. Es sei ihm gegönnt.

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Episode 187: Der Einzelgänger (Zbynek Brynych, 1990)

Weil der verdeckte Ermittler Ingo (Heiner Lauterbach) ein Date mit seiner Freundin (Katja Flint) hat, geht sein Freund und Partner Roth (Walter Platte) allein auf Ermittlungstour. In einer Kneipe stößt er auf Bollmann (Claude-Oliver Rudolph), der für den dubiosen Geschäftsmann Sundermann (Dirk Galuba) arbeitet – Mann, Mann, Mann – und Roth für eine illegale Lkw-Fahrt anheuert, von der der Cop jedoch nicht zurückkommt. Als seine Leiche zwei Tage später gefunden wird, ist Ingo außer sich. Gegen den Rat Derricks stellt er eigene Nachforschungen an und geht dazu eine Liaison mit der Kellnerin und Prostituierten Malikowa (Ute Willing) ein. Bald sucht Bollmann wieder einen Fahrer …

Seit den späten Siebzigern, in denen Lauterbach noch als Nebendarsteller in zwei DERRICK-Folgen aufgetaucht war („Ein Hinterhalt“ und „Anschlag auf Bruno“), war viel passiert: Mit Doris Dörries MÄNNER war der gebürtige Kölner zu einem der bekanntesten und beliebtesten deutschen Schauspieler aufgestiegen, der ein ganz anderes Prestige mitbrachte, wenn er in einer alteingesessenen Serie wie DERRICK auftauchte. Von daher ist es auch kein Wunder, dass Brynych sich hier sehr zurücknimmt und sich auf die Zugkraft seines Stars verlässt, der ja auch eine sympathische Darbietung abliefert. Seine Schuld ist es sicher nicht, dass „Der Einzelgänger“ am Ende trotz des großen Namens ein wenig nach Enttäuschung schmeckt: Die Story ist ein bisschen zu einfach gestrickt, die Bösen sind zu eindimensional und gesichtslos – auch wenn Claude-Oliver Rudolph als Gummibärchen essender Prolet mit Jackett und Halstuch schon ein Hingucker ist -, das große Finale ist trotz eifrig telegrafierter Hochspannung alles andere als nervenzerrend. Lediglich die Beziehung von Ingo zu Malikowa bringt etwas Leben in die klischierten Abläufe rein. Ute Willing ist dann auch die eigentliche Sympathiefigur und weil Reinecker das weiß, schreibt er ihr eines seiner manipulativ-zynischen Enden ins Drehbuch. Dieser Kniff lässt zwar noch einmal aufmerken, ist aber dann doch irgendwie durchschaubar und aufgesetzt.

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Episode 188: Des Menschen Feind (Günter Gräwert, 1990)

Die Obdachlose Lissy (Cornelia Froboess) wird erdrosselt am Bahnhof gefunden. Wessel (Otto Bolesch), ein Bekannter von ihr, berichtet Derrick, dass die Frau in den letzten Wochen regelmäßig prominenten Besuch hatte: Die alternde Schauspielerin Lotte Wegener (Ruth-Maria Kubitschek) suchte sie auf, um sich auf eine Filmrolle vorzubereiten …

Nach „Die Rolle seines Lebens“ ist „Des Menschen Feind“ schon die zweite im Filmgeschäft angesiedelte Episode, die ihr Potenzial leider nicht heben kann. Die Ursache ist in beiden Fällen die gleiche: Reinecker betrachtet Filmschaffende offensichtlich mit einigem Argwohn und ergeht sich deshalb in einer wahren Flut von überzogenen Klischees, über die man schmunzeln könnte, wenn da nicht seine beinahe heilige Ernsthaftigkeit und Herablassung wären, die sich nur schlecht mit unfreiwilligem Humor vertragen. Klar, wenn die von Ruth-Maria Kubitschek gespielte Diva da am laufenden Meter Spott, Demütigungen und Beleidigungen aus dem Mund des geckenhaften Regisseurs Kubik (Peter Sattmann) (und Harry!) über sich ergehen lassen muss – unter anderem wird über sie gesagt, dass sie durch keine Tür komme, die ihr nicht aufgehalten würde, dass sie „leer“ und „oberflächlich“ sei, eine „Nutte“ noch dazu -, ist das angesichts der immer etwas staatstragenden Aura, die die Kubitschek umweht, nicht ohne Reiz und Witz: Wenn mit jenem Regisseur zu diesem Zweck aber erst eine Figur konstruiert werden muss, in der wirklich alle Vorurteile, die der kleinbürgerliche Mob gegenüber Intellektuellen und Künstlern haben kann, vereint werden, ist der Preis dafür deutlich zu hoch. Auch davon abgesehen ist „Des Menschen Feind“ keine dichterische Glanzleistung Reineckers: Mit ihren ellenlangen Rückblenden ist die Geschichte ausgesprochen unelegant geschrieben und konstruiert. Die Episode ist steif und gemessen an dem haarsträubenden Unfug, der da verzapft wird, noch dazu übermäßig von ihrer eigenen Wichtigkeit überzeugt. Das ist zwar nicht ganz untypisch für die Episoden jener Zeit, in denen der Zeigefinger mit Nachdruck erhoben wird, fällt hier aber besonders unangenehm auf.

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Episode 189: Tod am Waldrand (Wolfgang Becker, 1990)

Robert Fischer (Stefan Reck) wurde von seiner Freundin Hetti (Mia Martin) verlassen und lässt sich deshalb volllaufen, bevor er auf die Idee kommt, ihr auf dem Heimweg vom Tanzunterricht nachzustellen. Wenig später kommt er völlig aufgelöst zu Hause an: Er habe Hetti umgebracht, wimmert er. Sein Vater (Traugott Buhre), ein Patriarch, wie er im Buche steht, trifft sofort Vorkehrungen, die Tat des Sohnes zu verschleiern. Dass der geistig behinderte Gärtner Manni (Rufus Beck) mit Hettis Fahrrad aufgegriffen wurde, passt ihm sehr gut ins Konzept …

„Tod am Waldrand“ ist mal wieder ein Rückgriff auf jene Episoden aus den Siebzigerjahren, in denen Reinecker das entitlement des Bürgertums, vor allem seiner stolzen Vaterfiguren, aufs Korn nahm, doch lässt er den Papa, der da vor Belastungszeugen mit dem Geld wedelt, um den Sohnemann vor dem Knast zu schützen, mit seiner Last-Minute-Auflösung vom Haken. Zwar liefert er mit dem mittelalten, notgeilen Tanzlehrer Fries (Volker Brandt in seinem traurigerweise einzigen DERRICK-Auftritt) einen anderen seiner Lieblings-Tätertypen ans Messer, aber das wirkt hier eher wie ein aus der Not geborener Drehbuch-Stunt, weil er sich nicht selbst kopieren wollte. Und die Inklusion des entrückten, in seiner eigenen Welt lebenden Naturburschen Manni mutet auch ein wenig zynisch an: Er ist nur dazu da, diese selbstsüchtigen Erfolgsmänner im Kontrast noch armseliger aussehen zu lassen, gerade weil sie in dem Behinderten gleich den unberechenbaren Psychopathen ausgemacht haben wollen. Ein paar kleine Details haben mir in dieser okayen Folge aber dennoch gefallen: So muss Harry den Fall allein lösen, weil Derrick wegen Kreislaufproblemen zu Hause weilt. Als er von seinem Schicksal erfährt, knickt er fast ein: „Wir brauchen dich! Die nehmen mir den Fall doch gleich weg!“ Wirklich traurig, dieses mangelnde Selbstbewusstsein, nach nun über 20 Jahren im Polizeidienst. Dann sind da die Szenen in der Tanzschule, bei denen kleinen Mädchen, die den Modetanz Lambada aufs Parkett legen, völlig enthemmt unter den Rock gefilmt wird: Das könnte man heute so definitiv nicht mehr bringen. Und dass zum Schluss „Shine on you crazy diamond“ von Pink Floyd erklingt, hätte ich auch nicht erwartet.

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Episode 190: Abgrund der Gefühle (Horst Tappert, 1990)

Ein Kellner wird auf offener Straße erdrosselt. Der zufällig vorbeikommende Arzt Dr. Schöne (Christian Kohlund) stellt den Tod fest und meldet sich fortan regelmäßig bei Derrick, um sich über den Fortschritt der Ermittlungen zu erkundigen und wertvolle Hinweise zu geben. Offensichtlich hatte der Tote gemeinsam mit zwei Partnern ein synthetisches Rauschmittel produziert …

Durchschnittsepisode, bei der Derrick und Harry viel zu spät auf die Idee kommen, dass der neugierige Helfer hinter den Morden stecken könnte. Reineckers Horrorfantasien über die Wunderdroge, die wie ein „Blitz“ ins Hirn schlägt und sofort alles auslöscht, wirken zudem wie die Wahnvorstellungen eines Ahnungslosen: In dem „Labor“, dass die Heisenbergs für Arme (Christoph Eichhorn und Christian Berkel) da im Keller aufgebaut haben, könnte man wahrscheinlich noch nicht einmal Placebos herstellen, geschweige denn eine sofort wahnsinnig machende Killerdroge. Der Besuch bei einem nur noch apathisch in die Gegend starrenden Drogenopfer endet in einem Schreikrampf und einer Attacke auf den Kriminaloberinspektor, die diesen sichtlich aus der Fassung bringt: Eine Szene, die Reinecker der deutlich besseren Episode „Der Todesengel“ entlehnt hat.

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Episode 191: Der Augenblick der Wahrheit (Alfred Weidenmann, 1990)

Der vorbestrafte Kurt Schenk (Jochen Horst) plant mit seinem Kumpan Hauk (Walter Renneisen) einen Bankraub, auf den er unbedingt seine Untermieterin und ihm hörige Geliebte Kati (Heike Faber) mitnehmen will. Doch dann geht alles schief: Erst ergreift die Freundin die Flucht, fällt dabei vor Zeugen auch ihr Name, dann erschießt Hauk einen zufällig Hinzugekommenen. Nicht der einzige ungute Zufall für die Täter: Katis Vater (Charles Brauer) ist Polizist, darüber hinaus mit Derrick bekannt und macht sich Sorgen um die Tochter, weil er weiß, dass sie mit einem Kriminellen zusammenlebt: Er ringt dem Kollegen den Gefallen ab, sich nach dem Wohlbefinden der Tochter zu erkundigen. Das tut Derrick und muss danach nur noch eins und eins zusammenzählen. Als Hauk davon erfährt, dass ein Polizist der Freundin des Partners nachschnüffelt, wird es gefährlich …

Die zentrale Verkettung von Zufällen muss man natürlich erst einmal schlucken, aber da Kunststück gelingt: Zum einen, weil Reinecker mit seinem Protagonisten selbst weiß, wie unwahrscheinlich das eigentlich ist, zum anderen, weil das moralphilosophische Meditieren Reineckers hier endlich einmal durch Plot und Charaktere getragen und nicht bloß über diese gestülpt wird. Im Zentrum steht Horsts Kurt Schenk: Der entpuppt sich im Verlauf der Folge immer mehr als skrupelloser Manipulator und Egoist, nachdem er in den ersten Szenen noch wie ein naiv-romantischer Träumer wirkte. Die Episode lebt wesentlich vom Spannungsverhältnis zwischen ihm und seiner Freundin sowie von der Frage, ob er bereit ist, einmal jemand anderen als sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Eine gut geschriebene Folge, die ohne die üblichen Reinecker’schen Manierismus auskommen darf und einfach läuft wie eine gut geölte Maschine. Schön. Auch die Szene, in der eine Figur offensichtlich ein Best-of von Wolfgang Fiereks Motorradszenen aus „Ein merkwürdiger Tag auf dem Lande“ im Fernsehen schaut.

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Episode 192: Beziehung abgebrochen (Zbynek Brynych, 1990)

Ilona Reichel (Evelyn Opela) hat mehrere Verhältnisse zu jüngeren Männern, unter anderem auch zu Gottlieb Kraus (Thomas Kretschmann), pikanterweise ein Student ihres Mannes, eines Philosophieprofessors (Michael Heltau). Als Gottlieb nur kurz nach einem Schäferstündchen mit der älteren Frau in seiner Wohnung erschossen wird, verdächtigt Ilona Reichel sofort ihren Gatten, zumal der einen Zettel mit den Namen ihrer Geliebten in der Schublade hat. Der überredet seinen Studenten Harald Bessemer (Stefan Reck), ihm ein Alibi zu geben …

Reinecker philosophiert mal wieder: Die Grenze zwischen seiner Verachtung für Herrenmenschen wie Reichel, die sich solchen banalen Dingen wie „Moral“ und „Rücksicht“ nicht länger verpflichtet fühlen, und seiner Faszination verwischt zusehends. Mit seinen selbstverliebten Ethikmonologen geht der Philosophieprofessor locker als Alter ego des Drehbuchautors durch, der kaum noch verhehlen kann, dass ihn das schnöde Krimigedöns eigentlich kaum noch interessiert. Bis zu seinem schönen, inspirierten Schlusstwist, der die allgemeine Hoffnungslosigkeit wie ein Lichtstrahl durchbricht, ist „Beziehung abgebrochen“ eher uninteressant, lebt einzig von seinem wirklich hassenswerten Antagonisten, dem Heltau eine arrogante Visage zum Reinschlagen verleiht, und der mal wieder theatralisch leidenden Gattin, gegeben von der unnachahmlichen Evelyn Opela.

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Episode 193: Solo für Vier (Franz Peter Wirth, 1990)

Die vier Rentner Steckel (Carl Raddatz), Larossa (Peter Pasetti), Koppel (Klaus Herm) und Labuch(Gisela Uhlen) haben keine Lust auf ein trauriges Leben im Altersheim. Also beschließen sie, einen Bruch zu begehen: Koppel kundschaftet seinen alten Arbeitgeber aus, die von Steckel beschafften Profis Kessler (Ralph Herforth) und Steiner (Michael Diekmann) setzen in die Tat um. Blöderweise funkt ihnen ein Wachmann dazwischen und wird von ihnen erschossen. Derrick kommt den Rentnern schnell auf die Spur …

Mal wieder eine Rentnerfolge, deren dank des gutgelaunten Spiels der alten Herrschaften – vor allem Raddatz und Pasetti haben sichtlich Freude an ihren saftigen Parts als Ex-Cop bzw. Ex-Bühnenstar – über weite Strecken beschwingter Ton von Reineckers Philosophiererei erfolgreich torpediert wird. Sogar Harry verliert angesichts dieses ständigen Gelabers über das Wesen des Menschen langsam die Nerven: Als Derrick anfängt, darüber zu schwadronieren, dass die Rentner „den Endpunkt“ erreicht hätten – einen Zustand, in dem sich der Mensch von jeder Moral verabschiedet -, entgegnet Harry nur: „Ich glaube, du spinnst!“ Und da hat er ja auch wirklich Recht. Ich war richtig stolz auf den ewigen Hiwi.

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Episode 194: Caprese in der Stadt (Alfred Weidenmann, 1991)

Nein, hier geht es nicht um vergiftete italienische Antipasti: Familie Runold (Gerd Anthoff und Esther Hausmann) wird vom Mafiosi Caprese (Reno Remotti) bedroht, dem Großvater der Runold-Tochter. Er möchte das Kind zu sich holen, weil er sich seit dem Tod ihres leiblichen Vaters einsam fühlt. Gaug (Wolf Roth) und ein Anwalt (Hans Korte) fungieren als seine Handlanger vor Ort.

„Caprese in der Stadt“ hat das Pech, zu einem Zeitpunkt entstanden zu sein, als Reinecker offensichtlich unter dem Einfluss von zu viel Rotwein und nur halbverstandener Nietzsche-Lektüre stand. Statt geiler Mafia-Action gibt es also einen TV-Auftritt Derricks, in dem dieser über den Zustand der Menschheit und der Zivilisation schwadroniert, und den Waschlappen Gerd Anthoff, der die ganze Episode über rumjammert und am Ende sogar ernsthaft überlegt, ob es die Stieftochter beim Mafia-Opa wirklich so schlecht hätte. Wolf Roth wird total verschenkt und der einsame „Höhepunkt“ ist der peinliche Auftritt einer angeblich sizilianischen Popgruppe, die gerade mächtig die Szene aufmischt, was angesichts ihres lahmen Valium-Pops kein gutes Licht auf das Kulturangebot im München der frühen Neunziger wirft. Das Ende soll bewegend sein, ist aber ziemlich ekelhaft.

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Episode 195: Gefährlicher Weg durch die Nacht (Günter Gräwert, 1991)

Auf dem Heimweg wird Benno Hauke (Rufus Beck) Zeuge, wie Jürgen Klose (Christian Berkel) von zwei Männern attackiert und angeschossen wird. Der Sterbende schleppt sich mit Bennos Hilfe in eine Telefonzelle, von der aus er einen gewissen Dr. Schöler (Gerd Baltus) anruft und diesem schildert, der Koffer, den er bei sich trage, sei ihm abgenommen worden. Anschließend übergibt er ihn dem jungen Mann mit der Ergänzung, dass es sich bei dem darin enthaltenen Geld um Drogengeld handele, mit dem er machen solle, was er will. Benno nimmt den Koffer mit nach Hause und meldet den Mord dann der Polizei – den Koffer erwähnt er vorerst nicht …

Nette Episode, die kommt und geht, ohne große Spuren zu hinterlassen. Nett ist, dass der Protagonist angesichts des zum Greifen nahen Reichtums nicht alle Überzeugungen über Bord wirft, sondern die Beute benutzt, um die Schurken in die Falle zu locken. Nach all den Folgen voller bedeutungsschwangerem Moral-Geraune ist es sehr wohltuend, diesmal davon verschont zu bleiben.

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Episode 196: Das Penthaus (Theodor Grädler, 1991)

Anna Dehmel (Andrea Schober), Bewohnerin eines schicken Penthauses, wollte eigentlich nur ihr Auto ins Parkhaus fahren, da wird sie im Aufzug ermordet. Da nichts gestohlen wurde, ist für Derrick klar: Der Täter muss sich unter den Mietern befinden. Es bietet sich eine Reihe von Verdächtigen an, zuvorderst der Philosophie-Professor Schönfelder (Ernst Schröder), der einem beeindruckend negativen Menschenbild anhängt und der Meinung ist, jeder sei zu einem Mord fähig. Als „Belohnung“ hatte er kurz vor dem Mord 5000 DM in seinem offenen Briefkasten deponiert …

Reinecker befindet sich ganz offenkundig in einem solipstischen Wurmloch. Folge um Folge kreist er um die immer gleichen Ideen und reproduziert fröhlich seine eigenen Ideen. „Penthaus“ ist mit seinem wahnhaften Philosophen und seinem sozialen Experiment das gespuckte Ebenbild der Episode „Kein Risiko“ von 1988, lediglich gehüllt in das Gewand eines klassischen Whodunits, das er kurz zuvor bereits für „Die Stimme des Mörders“ und „Schrei in der Nacht“ (in der auch schon Christine Buchegger mitwirkte) erfolgreich bemüht hatte. Die Hoffnungen, er thematisiere hier vielleicht eine lesbische Beziehung – das Mordopfer lebt mit einer Freundin (Irina Wanka) in nicht näher expliziertem Verhältnis zusammen – oder aber wie Cronenberg in SHIVERS das Penthaus-Gebäude mit seinen zahlreichen kommerziellen Angeboten und Vorzügen, zerschlagen sich schnell. Die Enttäuschung hält sich in Grenzen, weil Grädler seine Story in angemessenem Tempo erzählt, die Auflösung – oder vielmehr die Enttarnung des Täters – ist allerdings extradämlich.

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Episode 197: Wer bist du, Vater? (Helmuth Ashley, 1991) 

Der Polizist Hauser (Manfred Spies) wird erschossen im Zimmer eines zwielichtigen Etablissements aufgefunden, nachdem er Derrick am Telefon von einem thailändischen Mordopfer berichtet hatte. Es stellt sich heraus, dass Hauser ein Verhältnis mit einer asiatischen Prostituierten hatte: Wie hängen die beiden Tode zusammen? In die Ermittlungen mischt sich auch Hausers Tochter Ariane (Birgit Doll) ein, die kein allzu gutes Bild von ihrem Vater hat …

Mit dem Abstieg ins Rotlicht-Milieu und der Einbindung eines Vater-Tochter-Dramas geht zwar eine leichte Qualitätssteigerung einher, die im Titel angedeuteten melodramatischen Gipfel erklimmt Ashley mit diese Episode dennoch nicht: zu lahm und selbstgefällig sind die Scripts von Reinecker in dieser Phase, zu lethargisch und routiniert das Spiel der beiden Hauptakteure und des Ensembles um sie herum, die meist ebenfalls bereits über eine DERRICK-Geschichte verfügen. Da taucht Sissy Höfferer in einem Minipart als Prostituierte auf, die ihr Töchterchen während ihrer Arbeit auf die Treppe der miesen Absteige schick, die sie bewohnt. Eigentlich ein wunderbarer Anknüpfungspunkt, der in den Siebzigern noch weidlich ausgeschlachtet worden wäre, hier aber ebenso von der Vorabend-Betulichkeit befallen ist wie Horst Tappert. Man muss „Wer bist du, Vater?“ nur mal mit einer Milieufolge wie „Tote Vögel singen nicht“ vergleichen, um den Niveauverlust und die Müdigkeit zu bemerken. (Wobei das natürlich etwas unfair ist, denn Vohrers Beitrag ist einer der besten zur gesamten Serie.) Trotzdem: Der Ausflug in ein trauriges Striplokal und Birgit Dolls engagiertes Spiel reißen es einigermaßen raus. Dass Reinecker hier mal auf seine moralphilosophischen Vorträge verzichtet (ein kleines Nietzsche-Zitat darf dennoch nicht fehlen), ist ebenfalls als Pluspunkt zu verbuchen. Also: Tendenz steigend, aber das liegt auch daran, dass die letzten Folgen allesamt nur mäßig interessant waren.

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Episode 198: Verlorene Würde (Theodor Grädler, 1991)

Bei der Beschattung des Drogendealers Sonst (Will Dann) wird der junge Polizist Gerhard Kühner (Philipp Moog) in einer Kneipe erstochen. Sein Vater (Peter Ehrlich), ein ehemaliger Polizist und Ex-Kollege von Derrick, ist erschüttert. Soost streitet jede Schuld ab und auch Lubich (Claude-Oliver Rudolph), der Wirt der einschlägig bekannten Kneipe, will nichts damit zu tun haben. Was wissen die beiden Drogenabhängigen Holger (Ulrich Matthes) und Dina (Jessica Kosmalla), die zur Tatzeit vor Ort waren?

Judas Priest („Painkiller“) und Pantera („Cowboys from Hell“) scheppern vom Soundtrack und aus dem Kassettendeck der beiden Junkies und versetzen Nachbarn wie Vermieter (Klaus Herm mal wieder als lüsterner Schmierlappen) in Aufruhr: Der Auftakt ist gut und die Anwesenheit von Rudolph und Ehrlich auch immer ein Grund zur Freude. Leider gibt es sonst nichts Positives zu vermelden. Reineckers Script ist ultraschnarchig und moralinsauer, mehr als um die Aufklärung des Mordes geht es ihm darum, die beiden Junkies auf den Pfad der Tugend zurückzuführen, was Derrick mit eindringlich-väterlichen Ansprachen zu bewerkstelligen versucht, die dem Zuschauer bald schon genauso auf die Nerven gehen wie den Adressaten. Allerdings wecken die mit ihrer trauerklößigen Art auch nicht gerade das Bedürfnis, ihnen zur Seite zu stehen. Die coolste Socke ist Claude-Oliver, der aber kaum etwas zu tun bekommt. Einsamer Höhepunkt ist seine hingeworfene Handgeste, mit der er drei Schläger dazu auffordert, Papa Kühner aufs Maul zu hauen. Die Auflösung ist so lazy, dass ich sie eigentlich nicht so nennen möchte. Das Format „Krimi“, das merkt man in dieser Phase in jeder Sekunde, interessierte Reinecker nicht nur nicht mehr, es langweilte ihn. Dumm nur, dass das, was er lieber machen wollte, noch dröger war.

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Episode 199: Offener Fall (Zbynek Brynych, 1991)

Der alternde Säufer Walter Bolitz (Günter Mack) wird von Kurt Kubian (Edwin Noel) in einer Kneipe aufgegriffen. Zu Hause gesteht Kubian dem verdutzten Trinker, dass er einen Mordauftrag und 10.000 DM für dessen Erfüllung erhalten habe. Er überlässt Bolitz einen Anteil und schickt ihn nach Hause, wo der Mann seiner Tochter, der Journalistin Manuela (Maja Maranow), von seiner Begegnung berichtet. Die sucht Derrick auf, der Kubian allerdings tot vorfindet: erschossen. Weitere Ermittlungen erhärten den Verdacht, dass der Chemieunternehmer Nessler (Thomas Holzmann) das Opfer des Anschlags werden sollte …

Der Titel der Episode nimmt das Novum bereits vorweg: Es ist, wenn ich mich richtig erinnere, die bislang erste Folge, die nicht mit der Verhaftung (oder Erschießung) des Täters endet. Da es wieder einmal um internationale Verwicklungen und Industriespionage geht, sprich um eiskalte Profis, hat Derrick am Schluss keine Handhabe, auch wenn er weiß, auf wessen Konto der Mord an Kubian geht. Eine ebenfalls schöne Abwechslung stellt der Verzicht auf die zu dieser Zeit inflationär zum Einsatz kommenden Moralpredigten dar. Dennoch lässt „Offener Fall“ innere Spannung weitestgehend vermissen. Es gibt ein paar schöne Momente, etwa wenn Derrick den blasierten Großbürgern im Verhör gegenübertritt und diese sich auf geradezu aufreizende Art und Weise decken. Eine seltsame Liebesgeschichte gibt es auch wieder, aber sie wirkt im Unterschied zu anderen Brynych-Episoden wie angeklebt, wird nicht weiter entwickelt. Ein Schritt in die richtige Richtung, aber insgesamt doch zu verschnarcht.

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Episode 200: Der Tote spielt fast keine Rolle (Horst Tappert, 1991)

Der Juwelier Kaminski (Peter Fricke) lädt die schöne Andrea Zoller (Michéle Marian) mit eindeutigen Absichten zu einem seiner Galaempfänge ein. In der Hotelsuite, indem sie ihn empfangen soll, entdeckt sie aber einen Toten. Kaminski lässt die Leiche verschwinden – und muss sich später Derrick stellen …

Viele Ansätze, die nirgends hinführen. Fricke, der mich immer an Howard Carpendale erinnert, schaut manisch und mit aufgerissenen Augen in die Kamera. Peter J. Behrendt gibt den in Selbstmitleid versinkenden Ehemann der Schönen, der noch dazu mit dem HIV-Virus infiziert ist. Am Ende war mal wieder Jacques Breuer der Mörder.

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Episode 201: Störungen in der Lust zu leben (Theodor Grädler, 1991)

Im Auftrag des Immobilienhais Karau (Hanns Zischler) mischen Kinser (Richy Müller) und Marder (Torsten Münchow) eine Kneipe auf. Der Wirt (Hannes Kaetner) verstirbt an den Folgen der Auseinandersetzung. Auf der Flucht läuft Kinser seiner alten Bekannten Magda (Liane Hielscher) in die Arme. Um sich ihres Schweigens zu versichern, beginnt er eine Liebesbeziehung mit ihr. Auch als sie von dem Mord erfährt, hält sie dicht, sehr zum Missfallen ihrer Tochter (Katja Amberger) …

Endlich geht es etwas aufwärts: Richy Müller bringt Energie in die vorherrschende Bräsigkeit, die sich vor allem im unmöglichen Titel widerspiegelt. Ihm ein Verhältnis mit Liane Hielscher anzudichten, ist mutig, aber auch irgendwie passend und trägt nicht unwesentlich zum Gelingen bei. Nur Derrick selbst gefällt sich weiterhin darin, seinen Gesprächspartnern mit Trauermiene ins Gewissen zu reden. Wo ist er nur geblieben, der gerissene Fuchs, der seine Opfer genüsslich in die Ecke treibt und dann zappeln lässt?

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Episode 202: Ein Tod auf dem Hinterhof (Zbynek Brynych, 1991)

Eine Prostituierte wird ermordet. In die Ermittlungen mischt sich immer wieder die Krimiautorin Doris Mundt (Hannelore Hoger) ein, die Derrick gesteht, den Fall in ihrem nächsten Roman verarbeiten zu wollen …

Einigermaßen interessant, auch wenn man Reinecker den Vorwurf machen muss, sich hier gnadenlos selbst zu kopieren. Die Geschichte erinnert frappierend an Episode 190, „Abgrund der Gefühle“ (s. o.), in der ebenfalls Christian Kohlund mitwirkte. Hier trägt er fast ständig einen Bademantel über seiner Schrankwand-Figur. Und Christian Berkel, der einen schmierigen Zuhälter gibt, hört Patrick Swayzes „She’s like the Wind“.

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Episode 203: Der Schrei (Helmuth Ashley, 1991

Kaum ist der Raubmörder Simon Krüger (Wolf Roth) aus der Haft entlassen, empfängt ihn Harry. Der hatte damals die Befragung Krügers durchgeführt und es dabei nicht geschafft, dem Mann den Namen des Partners zu entlocken. Ein Versäumnis, dass ihn auch zehn Jahre später noch wurmt. Aber Krüger hat kein Interesse daran, heute auszupacken. Wenn nur dieser Schrei nicht wäre, der ihn seit jener Nacht verfolgt …

Wolf Roth und Rolf Zacher in einer Episode, letzterer auch noch als öliger Rotlicht-Impresario: Was kann da schief gehen? Richtig, nichts. Auch die Tatsache, dass diesmal Harry im Mittelpunkt steht, tut sehr gut, wird man aus diesem Grund doch mit langweiligen Ethik-Monologen aus dem katholischen Mädchenpensionat verschont. Wie er Krüger nachstellt, erinnert nicht wenig an die Strategie seines Vorgesetzten aus alten Zeiten, nur dass er eine menschlichere Komponente einbringt. Der Schluss ist vorhersehbar, aber hübsch. Nur dass es Derrick sein muss, der die Festnahme durchführt, ist irgendwie krass ungerecht. Er erinnert dabei an den egoistischen Stürmer, der den Ball, der auch so über die Linie gerollt wäre, noch einmal anzutippen, damit das Tor auf sein Konto geht. Kann er den Harry nicht einfach mal machen lassen?

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Episode 204: Das Lächeln des Doktor Bloch (Günter Gräwert, 1991)

Derricks Hausarzt Dr. Bloch (Hans-Michael Rehberg) ist erschüttert, als seine Gattin (Evelyn Opela) ihn zugunsten ihres Liebhabers Brunner (Peter Sattmann) verlässt. Doch der hat gar keine Lust auf eine feste Beziehung und setzt die Frau mit ihren Taschen und Koffern auf die Straße. In Tränen aufgelöst ruft sie ihren Mann an, dann setzt sie sich in den Wagen und fährt gegen einen Brückenpfeiler. Selbstmord. Nur Bloch sieht das anders und er will Brunner zur Strecke bringen.

Die Episode ist gut, weil das impertinente Intrigenspiel Blochs und die zunehmende Entnervtheit Brunners ausreichend Stoff für spannende Vorabendunterhaltung bieten. Der finale Gag lässt sogar zu, Reinecker gar als Vorläufer des modernen Plottwists zu adeln. Ein bisschen erinnert das an Finchers SEVEN, auch wenn Gräwerts Episode erwartungsgemäß nicht ganz so düster ist. Was mit dem Kopf schütteln lässt, ist hingegen mal wieder das Geschwafel Derricks: Wie kann man jemandem, der den Selbstmord der Gattin zum Mord umdeuten will und damit offenkundig eine Art Absolution sucht, entgegenkommen, indem man sagt, es handele sich um einen „Mord im übertragenen Sinne“? Wie kann man dem Drangsalierten nicht empfehlen, sich mittels einer Unterlassungsklage gegen die Nötigungen zu wehren? Derrick lässt alles auf die Katastrophe zulaufen, nur um dann am Ende bedröppelt in die Gegend zu schauen, weil das zementierte Menschenbild mal wieder bestätigt wurde. Außerdem: Der finale „Mord“, der dem Täter laut Harry zehn bis 15 Jahre einbringen wird, ist meines Erachtens auch eher Totschlag. Aber mit solchen Petitessen wollen wir uns nicht aufhalten.

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Episode 205: Isoldes tote Freunde (Helmuth Ashley, 1991)

Isolde (Juliane Rautenberg) ist eine hochbegabte Pianistin, der der Lehrer Sudhoff (Volkert Kraeft) eine güldene Zukunft voraussagt, so sie immer gut behütet wird. Das hat sich ein Mensch besonders zu Herzen genommen, denn zwei junge Männer, mit denen Isolde ein Verhältnis hat, werden erschossen …

Endlich mal wieder etwas Abgründig-Schmieriges! Es sind die Zeichnung der Isolde als nymphenhaftes Naturwesen, das sich ohne jede Scheu vor ihren zahlreichen Bewunderern entblättert, und das Spiel der nur bei DERRICK und den WICHERTS VON NEBENAN in Erscheinung getretenen Rautenberg, die hier mehr als einmal zucken lassen. Als Isolde blickt sie gern wie unter Drogen ins Leere oder scheint ihr Gegenüber mit ihren Reizen zu provozieren. Interessant daran ist vor allem, dass ihre durch und durch seltsame Art nicht ein einziges Mal im Dialog thematisiert wird. Für mich ist sie ein klares Missbrauchsopfer, aber Reinecker lässt dieses Fass fest verschlossen und begnügt sich mit der Mär von der Durchschnittsfamilie, die die Prinzessin in ihrer Mitte um jeden Preis schützen will. Chance vertan, ja, aber trotzdem eine Superfolge.

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Episode 171: Wie kriegen wir Bodetzki? (Horst Tappert, 1988)

Ein Mann namens Loss wird mittels einer heimtückischen Zyankali-Injektion getötet. Die vermeintlichen Mörder nehmen wenig später Kontakt zum Vater des Toten auf, einem in einem Altersheim lebenden Greis (Paul Hoffmann), um sich mit ihm zu treffen, doch der alte Mann erliegt vorher einem Herzanfall. Derrick rekrutiert daraufhin den aus dem Dienst geschiedenen Ex-Kollegen und Trinker Jonas Velden (Hans Putz) als Ersatz: Der bekommt es mit einer Gruppe von Naturwissenschaftlern – Tubeck (Volker Lechtenbrink), Korte (Hans Georg Panczak) und Brandeck (Helmut Staus) – zu tun, die beteuern, dass ein gewisser Bodetzki (Gert Haucke) Loss auf dem Gewissen habe. Es handele sich bei diesem um einen ostdeutschen Agenten, der dafür verantwortlich sei, dass Tubecks Vater wegen Fluchthilfe in einem ostdeutschen Gefängnis inhaftiert ist …

Der Versuch einer Inhaltsangabe macht schon deutlich, dass es sich bei Tapperts vierter Regiearbeit zumindest storytechnisch nicht um eine konventionelle DERRICK-Folge handelt. Reinecker bewegt sich mit seinem Drehbuch mal wieder auf das Terrain des Agententhrillers, das ihn zwar nicht allzu oft, aber in den vergangenen 14 Jahren dann doch einige Male lockte. So richtig kommen seine Talente vor dem Hintergrund politischer Verwirrung nicht zum Tragen: Wenn es um Konflikte auf solch abstrakter Ebene geht, sind Fragen nach individueller Moral und Verantwortung irgendwie deplatziert. Oder besser: Sie werden von anderen überlagert, von denen er sich nicht freimachen konnte. Wie dem auch sei: Die Folge kommt nicht richtig in die Gänge und ist mit dem Tod des Vaters und dem daraufhin engagierten Ersatz äußerst umständlich konstruiert, vor allem, wenn man dann sieht, dass Velden im letzten Drittel, nachdem er seine Schuldigkeit getan hat, völlig aus der Geschichte verschwindet. Diese gespreizte Konstruktion ist auch deshalb ärgerlich, weil mit Haucke – 13 Jahre nach seinem unvergesslichen Auftritt in Brynychs Hammerfolge „Alarm auf Revier 12“ – ein erstklassiger Schurke am Start ist, der mit seinem Zyankali-Injektionsring inszeniert wird wie einer der henchmen, mit denen es James Bond auf dem Weg zum Oberbschurken immer zu tun bekommt. Man hätte gern mehr von ihm gesehen, aber so hat er kaum etwas zu tun. Stattdessen wieder einmal Volker Lechtenbrink, dessen goldblonder Dreidollarhaarschnitt mich noch aus jeder Episode, in der auftauchte, rausschmeißt. Schade auch, dass die Ost-West-Thematik für kaum mehr als einen Aufhänger genutzt wird. Generell muss man sich darüber wundern, dass die Teilung nie thematisiert, im Gegenteil fast peinlich beschämt totgeschwiegen wurde. Ob es ein Zufall ist, dass Reinecker nur ein Jahr vor dem Mauerfall plötzlich auf die Idee kommt, eine Geschichte mit Fluchthilfe und Stasi-Agenten aufzutischen oder ob er die Zeichen der Zeit gewittert hatte, kann ich natürlich nicht beurteilen. Es ist in jedem Fall eine auffällige Koinzidenz.

Abseits solcher Meta-Überlegungen zeigt „Wie kriegen wir Bodetzki?“ einige putzige Marotten, über die man sich aber wahrscheinlich nur freuen kann, wenn man die Serie von vorn bis hinten durchguckt und den Blick daher zwangsläufig auf Minidetails lenkt, wenn es denn sonst nicht viel zu bestaunen gibt: Zum einen fällt die Rückkehr zum Alkoholismus der Bier- und Cognac-getränkten Siebziger auf, die die Serie nach Jahren der ostentativ zur Schau getragenen Abstinenz durchmacht. Plötzlich wird wieder zu jeder Gelegenheit „Wiski“ angeboten und verköstigt, wahrscheinlich, weil mit der bloßen Nennung des Gesöffs der Anschluss an die großen Hardboiled-Vorbilder aus Übersee geknüpft wird. Ein guter Korn? Fehlanzeige, es muss „Wiski“ sein, dessen Name einerseits intoniert wird, als handle es sich dabei um einen wahren Wundertrank, der seinen Konsumenten Schönheit und Intelligenz verleiht, der aber andererseits immer in Reichweite ist und auch von solchen Leuten getrunken wird, die mit genannten Eigenschaften gerade nicht im Übermaß ausgestattet sind. Dann prahlt Derrick am Anfang einmal völlig aus dem Zusammenhang gerissen von einem Kriminalmuseum, das er mal besucht habe, in Rom oder Paris, er wisse es nicht mehr, es sei aber auch egal. Nun, nicht egal genug, um nicht eine Dialogzeile darauf zu verschwenden. Und Derricks fixe Idee, der Mord könne mit einem speziellen Siegelring verübt worden sein, erweist sich natürlich als Faktum: Er weiß sogar genau, welche Form und Gestalt der Ring haben muss – weil er eben mal einen in einem Kriminalmuseum gesehen habe, in Paris oder Rom, weiß er nicht mehr so genau, ist aber auch egal. Wunderbar auch eine Szene, in der sich Derrick und Harry mit gezückten Pistolen und gut sitzenden getönten Sonnenbrillen in ein Haus schleichen wie eine hüftsteife, maximal uncoole Version von Crockett und Tubbs. Überhaupt hat man bei Harry in dieser Phase immer das Gefühl, er versuche auf Gedeih und Verderb genauso zu werden wie sein Vorgesetzter: Allein es reicht nicht, er sieht immer aus, wie der Trittbrettfahrer, der im Windschatten des großen Vorbilds nun einmal bestenfalls wie der arg bemühte Abklatsch wirkt. Man möchte ihn immer in den Arm nehmen und ihm auf die Schulter klopfen oder ihm über den Schopf streichen. Er wird nie aus dem Schatten seines Vorgesetzten treten. Wäre er am Ende vielleicht doch lieber bei Kommissar Keller geblieben? Ich denke, er fühlte sich ganz wohl bei Stephan Derrick. Und der scheint ja auch ein echt netter Chef zu sein.

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Episode 172: Kisslers Mörder (Wolfgang Becker, Deutschland 1989)

Rudolf Kissler (Peter Bongartz) betreibt ein exklusives Bordell und Irene Stubach (Evelyn Opela) ist nicht nur seine Geliebte, sondern auch das beste Pferd im Stall. Das passt ihrem Sohn Ralf (Maximilian Held) überhaupt nicht und auch sein Opa (Hans Caninenberg) ist vom Engagement seiner Tochter alles andere als begeistert. Als Kissler erschossen vor seinem Haus aufgefunden wird, muss Derrick nach Verdächtigen nicht lang suchen: Ralf steht ganz oben auf seiner Liste, zumal der mit seiner Clique ja sogar mit Schießübungen auffällig geworden ist …

Ein Knaller, das wird schon in den ersten Sekunden klar, wenn die lustigen Ballereien von Ralfs Clique in einer Kiesgrube mit Prince‘ „Alphabet Street“ unterlegt werden. (Im weiteren Verlauf heizen neben weiteren Tracks vom „Lovesexy“-Album auch die damaligen Ethnopop-Größen Mory Kanté mit „Yeke Yeke“ und Ofra Haza mit „Im nin‘ alu“ ein.) Abseits solcher Oberflächenreize entspinnt sich ein stark ödipal angehauchtes Mutter-Sohn-Drama mit einer verzweifelten Evelyn Opela, der Ava Gardner des deutschen Fernsehkrimis, dem ihr tränennass am divenhaften Busen hängenden Maximilian Held und Hans Caninenberg, dem deutschen Bruder von Paul Kersey, zumindest wenn es nach Herbert Reinecker geht, der dem alten Herren nun schon zum dritten oder vierte Mal selbstjustiziale Tendenzen anhängt. Die Ausflüge in den mit unerträglichem Eighties-Pomp ausgestatteten Edelpuff, in dem Hackfresse Uli Krohm seinen Dienst verrichtet und mit Pommeslocken ausgestattete Damen barbusig der Arbeit nachgehen, fungieren als Stimmungsaufheller in einer Geschichte, die Reinecker mit seiner unnachahmlichen Bedeutungsschwere ausstattet. Wie in „Die Nacht in der Ronda starb“ besteht Ralfs Clique wieder einmal aus hintersinnig grübelnden Umstürzlern, die die Welt am liebsten von allem Unrat befreien würden und dabei eine unangenehme Intensität entwickeln. Zwischen dem militaristischen Intellektuello von Christoph Mainusch und dem jugendlichen Wutbürger von Robinson Reichel ist auch noch Platz für Janna Marangosoff, die mit süßem Schmollmund um die Gunst des schönen Ralf buhlt. Ich sage nichts Neues: Der Kriminalfall ist so lala, aber das ganze Drumherum lässt frohlocken. Evelyn Opela!

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Episode 173: Der zweite Mord (Zbynek Brynych, 1989)

Aus dem Jugendheim entlassen stolpert Ursula Kieler (Esther Hausmann) dem kriminellen Hans Seelmann (Claude-Oliver Rudolph) in die Arme. Der plant am Abend einen großen Deal: Er will ein Kilo Heroin an Hans Landrut (Ulli Kinalzik) und dessen Partner, den drogenabhängigen Rolf Hauser (Frank Hessenland), verkaufen und nimmt Ursula in weiser Voraussicht als Zeugin mit. Es kommt, wie es kommen muss: Der panische Rolf schießt Hans nieder, wie vom Donner gerührt bleibt Ursula zurück. Sie gerät ins Fadenkreuz der Hausers, die ihren Spross um jeden Preis vor dem Gefängnis bewahren wollen. Zu diesem Zweck macht sich Rolfs Bruder Bruno (Philipp Moog) an Ursula ran …

Eine Folge mit dem jungen Claude-Oliver Rudolph kann unmöglich schlecht sein, schon gar nicht, wenn sie von Brynych inszeniert wurde. Zwar muss der „beste Bösewicht der Welt“ (BamS) und Promi-Box-Versager nach dem ersten Akt weichen, aber er nutzt die ihm gegebene Zeit auf seine ihm eigene Art. „Der zweite Mord“ ist nicht wahnsinnig spektakulär, aber zum einen hat sie mit den Hausers mal wieder eine dieser Bürgertums-Familien, deren Entitlement einem die Galle hoch treibt – der graue Patriarch (Stefan Wigger) wird dabei von einer besonders biestigen Gattin (Ursula Dirichs) gestützt. Ein Hauch von“Romeo und Julia“ durchweht die sich anbahnende Liebesbeziehung zwischen Ursula und Bruno – sie führt hier allerdings nicht zum Doppel- sondern nur zum Einzelselbstmord. Das treibt Derrick richtiggehend auf die Palme, denn er entwickelt starke väterliche Gefühle für die völlig auf sich allein gestellte Jugendliche – für die die damals gut 30 Jahre alte Darstellerin Esther Hausmann deutlich zu alt war. Reinecker DERRICK und die Jugend: Das ging selten zusammen. Sehr zum Wohle des Zuschauers, der sich über eine weitere seltsame Episode freuen darf.

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Episode 174: Blaue Rose (Zbynek Brynych, 1989)

Auf der Flucht vor der Polizei dringt der Drogendealer Oswald (Sabi Dorr) in die Wohnung der Rentnerin Frau Hässler (Brigitte Mira) ein und erschlägt sie. Sie kann noch ihren Enkel Jürgen (Jochen Horst) verständigen und teilt ihm mit, dass ihr Mörder eine blaue Rose auf das Handgelenk tätowiert hat. Der begibt sich kurzerhand selbst auf Mörderjagd – und lernt in einem Nachtclub die vergnügungssüchtige Rubina (Sissy Höfferer) kennen. Was er nicht weiß: Sie ist die Schwester von Oswald …

Gute, wenn auch nicht herausragende Folge, aus der die geilen Discoszenen mit der aufgebrezelten Höfferer herausstechen. In einer Szene wirft sie eine Mark in einen Arcade-Automaten, um eine Runde des Flugzeug-Shooters „Afterburner“ zu spielen, wofür Derrick nur ein gelangweiltes Augenrollen übrig hat. Dann rastet sie auf der Tanzfläche ihrer Diskothek völlig aus, ein wilder Wirbel aus toupierten Locken, mit Glitzersteinen besetzten, fingerlosen Lederhandschuhen, Stirnband, Minirock und High-Heel-Boots im Trockeneis-Nebel. Derrick guckt nur durch seine getönte Sonnenbrille, wie ein uralter Gott, dem die menschlichen Irrungen und Wirrungen fremd sind.

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Episode 175: Die Stimme des Mörders (Theodor Grädler, 1989)

Ein Bankräuber zwingt zwei Frauen – Mutter (Lotte Ledl) und Tochter (Lena Stolze) – ihn nach vollbrachter Tat im Auto mitzunehmen. Die Mutter erkennt den Täter an der Stimme, was sie ihm auch mitteilt: Er erschießt sie und verwundet die Tochter schwer. Der einzige Hinweis, den Derrick hat: Die Mutter kannte den Täter vermutlich aus einem Gasthaus, in dem sie sich oft aufhielt. Dort stehen neben dem Wirt (Henry van Lyck) auch der Handelsvertreter Erich Kugler (Uwe Friedrichsen), der vorbestrafte Pianist Ruge (Hans Peter Hallwachs) sowie einige Bedienstete (Gert Burkard, Werner Asam, Ernst Hannawald) als Verdächtige zur Verfügung …

Mal wieder ein klassischer Whodunit, der von den herausragenden Darstellern getragen wird. Das Wirtshaus, in dem sich Derrick und Harry zur Ermittlung einfinden, ist ein dumpfbraune Stube deutscher Tristheit, die auch die Beziehung der unfallgeschädigten Tochter erfasst: Als deren Verlobter erfährt, dass seine Zukünftige möglicherweise für den Rest ihres Lebens eine Krücke (!) brauchen wird, nimmt er ob dieser Aussicht sofort Reißaus, Das Drehbuch kann den Verdacht, dass Reinecker diese leichte Gehbehinderung tatsächlich für einen massiven Einschnitt hält, nicht gänzlich entkräften. Ansonsten bezieht die Episode ihren nicht unbeträchtlichen Reiz aus den Akteuren, von denen vor allem Friedrichsen eine echte Schau ist. Er scheint mit seinem Kugler wirklich Spaß gehabt zu haben und auch Hallwachs ist – hier mal in einer sympathischeren Rolle – eine Bank.

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Episode 176: Rachefeldzug (Theodor Grädler, 1989)

Auf Derrick wird geschossen, er entgeht dem Attentat nur knapp. Sein Verdacht fällt auf den Geschäftsmann Renzi (Günther Ungeheuer), der ihm am selben Tag die Todesanzeige seines Sohnes geschickt hatte: Jener hatte sich in seiner Gefängniszelle, in die ihn einst Derrick gebracht hatte, erhängt.

Der Titel „Rachefeldzug“ verspricht Action, eisigen Thrill und brutale Gewalt: Ist es wirklich eine Überraschung, dass Reinecker diese Erwartungshaltung krass unterläuft? DERRICK war nie bekannt für seine Geschwindigkeit, Körperlichkeit und zupackende Härte, aber hier ist das Missverhältnis zwischen dem, was der Titel verspricht und dem, was Grädler dann liefert, schon besonders eklatant. Die Folge ist endlos geschwätzig, der Täter von Anfang an mehr oder weniger bekannt und womit da eigentlich die Spielzeit gefüllt wird, reichlich rätselhaft. Symptomatisch ist eine Szene, in der Derrick und Harry ins Auto steigen und einen panischen Warnruf von Kollege Willi (Willy Schäfer) erhalten: Unter gar keinen Umständen sollen sie den Wagen starten, denn es sei eine Bombe darin. Die beiden steigen aus, die Bombenentschärfer kommen und teilen den beiden nach getaner Arbeit mit, dass der Timer auf eine halbe Stunde gestellt war. Man kann noch nicht einmal sagen, dass diese potenziell spannende Szene an der Umsetzung gescheitert sei: Reinecker hat vielmehr gar nicht versucht, so etwas wie Suspense zu erzeugen. So kaut man sich als Betrachter nicht etwa auf den Nägeln, weil man mit dem Ermittler bangen würde, sondern vielmehr weil dessen Seelenruhe und die „Ich sage nichts“-Stoik des Täters an den Nerven zerrt. Meine Lieblingsszene ist die, in der Derrick seinen Gehilfen Harry dazu auffordert, seine „berühmten“ Spaghetti zu kochen: Mich hat die Intensität, mit der Harrys Künste gelobt werden, an die Kaffee-Szenen aus PULP FICTION oder TWIN PEAKS erinnert. Gleichzeitig wirkt es einfach nur niedlich, wie Derrick den Hiwi abfeiert und dieser dabei einen gefühlten Meter größer wird. Insgesamt habe ich „Rachefeldzug“ als einen Tiefpunkt der Serie empfunden, aber dann ist dieser Verschnarchtheit auch wieder höchst faszinierend. Einem guten Reißer alle Zähne ziehen: Das konnte nur Reinecker so formvollendet.

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Episode 177: Schrei in der Nacht (Günter Gräwert, 1989)

Eine Prostituierte wird tot im Englische Garten aufgefunden. Die Spur des Mörders führt zu einem Mietshaus mit mehreren Verdächtigen: der Vermieterin Dr. Kolbe (Christine Buchegger), die den Tod ihres Mannes betrauert, dem Studenten Hessler (Horst-Günther Marx), der seltsamen Law-and-Order-Fantasien nachhängt, dem Pornohefte lesenden Hausmeister (Klaus Herm), dem Kaufmann Bracht (Jürgen Schmidt), der seine Ehefrau „nicht in Anspruch nimmt“, wie er selbst sagt, und dem hysterischen Krimiautoren Wickrt (Udo Vioff). Weil auch die Freundin (Roswitha Schreiner) der Toten nicht den entscheidenden Hinweis geben kann, schleust Derrick eine Undercover-Agentin (Svenja Pages) dort ein …

Wie schon kurz zuvor „Die Stimme des Mörders“ ein klassischer Whodunit mit schönem Giallo-Einschlag. Die Besetzung ist vielleicht nicht ganz so spektakulär, aber dennoch erlesen: Klaus Herm wurde für dirty old man im Hauskittel gewissermaßen geboren (seine mit Geschmacklosigkeiten und Tittenheften zugepflasterte Kellerwohnung ist ein feuchter Ausstattungstraum), Udo Vioff ist toll als wahnhafter Dichter mit Edgar-Allan-Poe-Porträt an der Wand, dem in der Erregung die Stimme entgleitet, Jürgen Schmidt eh ein unsung hero der deutschen Krimiserie: Wie er beschwipst Svenja Pages (hinreißend!) anschmachtet, sich gerade noch eine Dummheit verkneift, das ist einfach großartig in seiner ganzen bemitleidenswerten Jämmerlichkeit. Die Auflösung kommt dann mit einer für Reinecker eher ungewohnten Annäherung an den Zeitgeist, während die Studentenfigur mit ihren Herrenmenschen-Ambitionen mittlerweile Tradition hat. Die Folge bleibt vor allem im Gedächtnis, weil sie so schön schlüpfrig ist, Tappert reichlich Gelegenheit bietet, mit den Augen zu rollen, und die süße Roswitha Schreiner als Bordsteinschwalbe mit Schaftstiefeln und Minirock aufbietet. Titelsong von Dieter Bohlen.

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Episode 178: Die Kälte des Lebens (Helmuth Ashley, 1989)

Der kleine Zuhälter Rossner (Claude-Oliver Rudolph) wird auf der Herrentoilette eines Nachtclubs ermordet, der zum Revier seines Konkurrenten Badeck (Winfried Glatzeder) gehört, weil er es gewagt hatte, mit seinen beiden Nutten Rosa (Ursela Monn) und Libeta (Tushka Bergen) dort aufzutauchen. Libeta war ganz in der Nähe, hat die Mörder aber nicht gesehen. Gegenüber Derrick behauptet sie etwas anderes: Sie sehnt sich nach der Nähe eines Mannes, der sich wirklich um sie kümmert. Mit ihrer Aussage zieht sie allerdings Gefahr auf sich …

Ashleys Folge reizt das sich früh andeutende Potenzial leider nicht ganz aus, muss aber trotzdem als gelungen bezeichnet werden. Wie häufiger in dieser Zeit, zieht sich ein resignativer, pessimistischer Ton durch die Episode, der sich ja auch schon im Titel niederschlägt. Und wieder einmal baut Derrick eine Beziehung zu einer Zeugin auf, was für rare Momente der Wärme sorgt, die sich aber am Ende als wertlos erweisen. Rudolph ist mal wieder super als größenwahnsinniger Kleinganove mit Rockabilly-Koteletten, Ursela Monn sehr überzeugend als erfahrene, sich keine Ilusionen mehr machende Nutte. Lotte Ledl gibt die barsche Vermieterin, die schon beim Frühstück ihre erste Schachtel Kippen aufraucht und Glatzeder überzeugt als Schwerverbrecher ebenfalls auf ganzer Linie. Dazu gibt’s einen stilechten Frank-Duval-Themesong und fertig ist ein trübes Glanzlicht der späten Achtziger.

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Episode 179: Mozart und der Tod (Zbynek Brynych, 1989)

Die Geigenspielerin Marion Scholz (Heike Faber) und ihr Lehrer Justus Roth (Christoph Eichhorn) werden nach einer Geigenstunde überfallen, die junge Frau vergewaltigt. Mithilfe des Spitzels Eckler (Hermann Lause) werden die drei Täter ausfindig gemacht. Doch aus Angst behaupten die Opfer bei der Gegenüberstellung, niemanden zu erkennen …

Ich mag Brynychs Zeichnung des traurigen Milieu-Pärchens Eckler und seiner Nachbarin, der Prostituierten Wanda (Monika Baumgartner), und die Gegenüberstellung mit den beiden Hochkultur-Kindern, aber insgesamt fehlt etwas zum großen Glück. An Reineckers Moralvorstellungen, die mal wieder schwer zu verteidigen sind, sind nicht Schuld daran: Er spielt die beiden Pärchen hart gegeneinander aus und schlägt sich dabei natürlich auf die Seiten der Unterprivilegierten, auch wenn Marion und Justus ja gar nix dafür können, dass sie auf der Sonnenseite des Lebens geboren wurden – was das Mädchen immerhin auch nicht davor bewahrt, brutal vergewaltigt zu werden. Nein, der Kriminalfall selbst ist ein bisschen öde und die Bösen (Jürgen Schornagel, Volker Bogdan und Hans Zander) kaum mehr als Pappkameraden, allerdings besonders verachtenswerte. Egal, ich mag diese Milieufolgen, in denen Derrick immer besonders angeekelt ist.

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Episode 180: Ein kleiner Gauner (Helmuth Ashley, 1989)

Alfred Kochem (Oliver Rohrbeck) lebt in einem Zelt auf dem Campingplatz und versucht sich eher erfolglos als Taschendieb. Sein Nachbar, der Ex-Einbrecher Düsberg (Kurt Sowinetz), setzt ihm einen Frosch ins Ohr und schlägt ihm vor, in eine der im Sommer leerstehenden Villen einzusteigen. Gesagt, getan, doch vor Ort wird Kochem von drei Männern überrascht, die den Mord an einem Physiker (Hans Quest) besprechen. Kochem fährt zum vereinbarten Ort des Geschehens, doch kann er den Mord nicht verhindern. Dafür wird er selbst gesehen und gilt nun als einer der Verdächtigen. Doch Derrick glaubt seiner haarsträubenden Geschichte …

Eine relativ leichte, sommerlich Episode, die ohne große moralphilosophische Diskurse oder Trauermiene von Derrick auskommen muss. Das ist mal sehr angenehm, auch wenn Reinecker andere Mittel und Wege hat, allzu gute Laune zu verhindern. Sein Protagonist Kochem ist jedenfalls ein ziemlich passiv-aggressiver Stinkstiefel und braucht eine halbe Ewigkeit, bevor er sich anderen gegenüber mal normal benimmt. Die Schurken fallen kaum ins Gewicht, genauso wenig wie Christiane Krüger in ihrem vorletzten von neun DERRICK-Auftritten.

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Episode 181: Diebachs Frau (Alfred Weidenmann, 1989)

Karl Diebach (Gerd Anthoff) wird von seiner Ehefrau Maria (Irene Clarin) mit dem wohlhabenden Haffner (Hanns Zischler) betrogen. Beistand in der Krise leisten ihm Pfarrer Bohl (Werner Schnitzer) und sein Sohn Herrmann (Stefan Reck). Wenig später ist Haffner tot und Maria kehrt zu ihrem Gatten zurück …

Mal wieder eine Folge, in der ein waschlappiger Ehemann von seiner Gattin auf geradezu boshaft offenherzige Art und Weise betrogen wird: Anthoff spielt fast exakt denselben Charakter, den er schon in „Ende einer Illusion“ gegeben hatte. Wenn man sich daran erinnert, ist die Auflösung auch nicht mehr so überraschend. Okayer Standard mit melodramatischem Einschlag.

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Episode 182: Ein merkwürdiger Tag auf dem Lande (Wolfgang Becker, 1989)

Der Bankräuber Jobst Huber (Wolfgang Fierek) verschwindet, nachdem er aus einem Dorf aus seinen Bruder (Michael Fitz) angerufen hat. Gemeinsam mit seiner Schwägerin (Svenja Pages) versucht er, seine Spur aufzunehmen. Vor Ort stoßen sie aber nur auf Ablehnung – und finden den Motorradhelm des Verschollenen. Ein fürchterlicher Verdacht drängt sich ihnen auf: Gemeinsam mit Derrick kehren sie in das Dorf zurück …

Die Achtzigerjahre enden mit einer Spitzenfolge von Wolfgang Becker, einer bayrischen Vorabendvariante von 2000 MANIACS, in der Reinecker mal wieder die Gier der kleinen Leute thematisiert, die sie alle moralischen Grundsätze vergessen lässt. Tappert, der damals bereits stramm auf die 70 zuging und nicht mehr den Enthusiasmus der ersten DERRICK-Jahrgänge an den Tag legte, dreht hier noch einmal auf, genießt es mit Haifischgrinsen, die verlogene Kleinbürgerbrut in die Enge zu treiben: Wie er sie sich vorknöpft und mit seinen Suggestivfragen löchert, ist einfach eine helle Freude. Ihm steht aber auch ein tolles Schurkenensemble gegenüber: Martin Semmelrogge tritt alles los, Gerd Baltus gibt den Wortführer, DERRICK-Regulars Karl Renar, Toni Berger und Willy Schultes vervollständigen den Reigen. Wolfgang Fierek ist unerwartet perfekt als freundlicher Bankräuber auf dem Motorrad, der mit der feinen Gesellschaft ein Saufgelage lostritt, das er nicht überlebt. Über allem scheint die Sonne und zwitschern die Vögel. Toll!

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Episode 158: Mordfall Goos (Franz Peter Wirth, 1987)

Ingrid Goos (Irene Clarin) entgeht nur knapp einem Mordanschlag. Ihr Ehemann Thomas (Martin Benrath) hat seinen Bruder Gregor (Robert Atzorn) und seinen Vater (Martin Held) im Verdacht. Die beiden haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass Ingrid, Tochter einer Schaustellerfamilie, nicht in ihre wohlhabende Familie passt und zeigen sich auch jetzt vor allem um die Familienehre besorgt statt um die Gesundheit ihrer Schwägerin bzw. Schwiegertochter. Dann erfolgt ein zweiter Anschlag und Ingrid ist tot …

Basic stuff, eine weitere Geschichte um eine weitere dieser großbürgerlichen Familien, die sich zur Wahrung ihrer eigenen, meist materiellen Interessen auch über Gesetze hinwegsetzen. Das hat es zu diesem Zeitpunkt schon etliche Male gegeben: Die große Begeisterung verursacht „Mordfall Goos“ nicht, aber die Umsetzung ist dann doch zu gut, um die Episode ganz abzuschreiben. Martin Benrath ist sehr gut als an der Unmenschlichkeit seiner Familie verzweifelnder Haderer, ebenso Martin Held als Patriarch im Hausmantel. Und dass Atzorn nach einer veritablen Karriere als DERRICK-Schurke mit dem Dr. Specht den Imagewandel schaffte, darf als das unerzählte Heldenepos der deutschen Fernsehgeschichte durchgehen. Ebenfalls mit dabei: Liane Hielscher und Beatrice Richter.

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Episode 159: Fliegender Vogel (Wolfgang Becker, 1987)

Die junge Bettina Rudolf (Dana Vavrova) wird aus der Haft entlassen, die sie für ihren Zuhälter und Liebhaber Horst Wilke (Claude-Oliver Rudolph) abgesessen hat. Derrick, der den für ihn noch ungeklärten Mordfall auflösen will, bringt die Frau bei der Bewährungshelferin Dr. Kordes (Christiane Hörbiger) und ihrer Familie unter. Doch auch Wilke hat von der Entlassung seiner Freundin Wind bekommen; und er hat gar nicht vor, sie loszulassen …

Die ganze Wir-nehmen-eine-Bedürftige-bei-uns-auf-Geschichte um die Familie Kordes, deren männlicher Spross Walter (Stefan Reck) sich dann auch noch in die junge Frau mit den Pferde- und Möwen-Postern über dem Bett verliebt, ist ziemlich cheesy. Das dachte wohl auch Claude-Oliver Rudolph, der seinen Wilke als Hommage an seinen Charakter aus Eckhard Schmidts ALPHA CITY anlegt und sich hier ähnlich ins Zeug legt. Es ist eine einzige Wonne, ihm beim Gepose zuzuschauen. Dass ausgerechnet Brillenschlange Gert Burkard seinen Bruder gibt, der ihm mit dem Chor der Heilsarmee nachstellt, um ihn mit frommen Lieder auf de Pfad der Tugend zurückzuführen, ist eine Idee, die auch nur Reinecker (oder war es Becker?) haben kann.

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Episode 160: Mordträume (Gero Erhard, 1988)

Max Binder (Mathieu Carrière) hat seine Ehefrau bei einem Unfall verloren, die Schuldige beging Fahrerflucht, wurde jedoch von dem Passanten Stockey (Karl Renar) gesehen. Der Ehemann trägt sich mit Rachegedanken, träumt Nacht für Nacht vom Morden und durchstreift schließlich mit dem Augenzeugen die einschlägigen Lokale auf der Suche nach der Täterin. Derrick versucht vergeblich, dem Mann seine Rachefantasien auszureden. Dann wird Stockey fündig: Er erkennt die Prostituierte Annette Schilling (Constan Engelbrecht) wieder …

Schöne, intensive Selbstjustiz-Geschichte, der der gewohnt manische Carrière immense Glaubwürdigkeit verleiht. Seine Staredowns und philosophischen Debatten mit Derrick geben den Extrakick, die schöne, viel zu früh verstorbene Constanze Engelbrecht gibt es als Bonus. Und Renar ist einer dieser DERRICK-Regulars, über die man sich immer wieder freut, wenn man einmal sein Herz an die Serie verloren hat.

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Episode 161: Eine Reihe von schönen Tagen (Wolfgang Becker, 1988)

Die Rentnerin Anna Beermann (Käthe Gold) beobachtet einen Mord in den Büros des Import/Export-Handels im Haus gegenüber. Ihr Schweigen lässt sich der Mörder, der Wind bekommen hat von dem Augenzeugen, etwas kosten: Gemeinsam mit ihrem Gatten (Hans Caninenberg) lässt es sich die alte Dame gut gehen, derweil Derrick den Mörder sucht. Ein mögliches Motiv kennt der Sohn des Toten: Sein Vater hatte von dubiosen Geschäften seines Arbeitgebers gesprochen und davon, dass seine Kollegen über Leichen gingen …

Typische Becker-Folge, die die Krimihandlung mit einem herzlichen Subplot um die beiden alten Leute auflockert und darüber hinaus schön fotografiert ist. Eine gewisse moralische Scheinheiligkeit ist unübersehbar: Man muss gewiss nicht lange suchen, um eine Episode zu finden, bei der das eigennützige Schweigen über ein Verbrechen auf weniger Verständnis vonseiten des Kriminaloberinspektors stößt als hier, wo die beiden Rentner mit größter Warmherzigkeit gezeichnet werden. Ändert aber nichts daran, dass die Folge sehr gut reinläuft und neben den Sympathieträgern Gold und Caninenberg auch auf Schurkenseite mit Jürgen Schmidt, Dieter Eppler, Uli Krohm und Stefan Behrens exzellent besetzt ist.

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Episode 162: Kein Risiko (Alfred Weidenmann, 1988)

Der ausgebrannte Roland Weimann (Hannes Jaenicke) ist von dem Psychologen Ingo Wecker (Klaus Schwarzkopf) gefragt worden, ob er einen Mord gegen Bezahlung durchführen würde: Da er das Opfer nicht kenne, bestünde keine Gefahr, gefasst zu werden. Weimann sucht Derrick auf, doch wenig später gibt es dennoch ein Mordopfer zu beklagen: Der Gatte von Ariane Budde (Eleonore Weissgerber) wird erschossen aufgefunden. Derrick verdächtigt sofort den „Freund des Hauses“ Harald Körner (Volkert Kraeft), der sich sogleich an die Witwe ranwanzt …

Reineckers Script, eine Mischung aus STRANGERS ON A TRAIN und „Schuld und Sühne“, hätte locker Stoff für drei Folgen gegeben. Doch Hannes Jaenicke, der am Anfang noch wie die Hauptfigur eingeführt wird, taucht nach der Halbzeitmarke überhaupt nicht mehr auf und macht Platz für die etwas austauschbare Geschichte um den Witwentröster Kraeft, der deutlich weniger interessant ist. Auf der Habenseite steht aber ein Auftakt in wunderbaren Grau- und Brauntönen, eine Herbstsonate, die an die DERRICK-Episoden der Siebzigerjahre erinnert, unterlegt von einem schwermütig-kitschigen Score. Die guten Ansätze heben die Folge leicht über den Durchschnitt.

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Episode 163: Auf Motivsuche (Zbynek Brynych, 1988)

Erich Karo (Will Danin) begibt sich für eine Filmproduktion auf Motivsuche. In der Nähe eines Bahnhofs wird er fündig, doch nach einem entsprechenden Rückruf ist er für mehrere Stunden nicht auffindbar. Als er dann wieder auftaucht, wirkt er tief erschüttert und gedankenverloren, was er auf einen Kreislaufzusammenbruch schiebt. Sein Freund und Kollege Willy Laufen (Pierre Franck) will rekonstruieren, was Erich widerfahren ist und sucht das Gelände auf, das dieser gesichtet hatte. Am nächsten Tag findet man seine Leiche …

Brynych bedient sich für seine erste DERRICK-Folge nach drei Jahren („Familie im Feuer“) ausgiebig beim Mystery- und Horrorfilm. Da ist zuerst das trist-marode Setting verlassener Hinterhöfe, dann natürlich Karos Gesichtsausdruck und Verhalten, als er wieder auftaucht. Eine Weile scheint es tatsächlich möglich, er könne von Außerirdischen gekidnappt worden sein oder er habe ein schleimiges, leichenfressendes Monstrum in einem Keller entdeckt: Brynych genießt es offenkundig, seine Zuschauer im Dunkeln tappen und allerlei Spekulationen anstellen zu lassen. Die Auflösung ist dann natürlich doch ganz weltlich, aber ihren entrückten Tonfall behält die Episode dennoch bei. Es gibt nach langer Zeit mal wieder eine dieser seltsam lethargischen „Action-Szenen“, eine wilde Schießerei, bei der tatsächlich nicht einer der Beteiligten auch nur verletzt wird (Harry führt allerdings erleichtert ein Loch im Ärmel seines Mantels vor), sowie eine Liebesszene zwischen Karo und der in den Fall verwickelten Karla (Beate Finckh), die den Fokus der Episode deutlich über den Kriminalfall hinaus erweitert. Zu sagen, Derrick und Harry seien nur Nebenfiguren, wäre überzogen, aber man merkt dennoch, dass Brynych die Ermittlungstätigkeit des Oberinspektors nicht für den interessantesten Aspekt der Folge hielt. So fällt „Auf Motivsuche“ angenehm aus dem homogenen Ganzen heraus und verpasst dem geneigten Betrachter mal wieder einen kleinen Stromstoß.

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Episode 164: Da läuft eine Riesensache (Zbynek Brynych, 1988)

Die Nadelstreifenganoven Mario (Hans Peter Hallwachs) und Kolowski (Gert Burkard) lassen aus Italien einen schönen Schauspieler Gregor (Amadeus August) einfliegen: Er soll das Erbe des despotischen Unternehmers Wegmüller antreten (dem die beiden ohne langes Federlesen die Kerzen auspusten), weil er einem Spross der Familie (der tatsächlich verstorben ist, wovon aber niemand weiß) zum Verwechseln ähnlich sieht. Unter Druck gesetzt, willigt der Mime ein, doch als er sich in seine „Cousine“ Ruth (Sissy Höfferer) verliebt, beißt ihn das Gewissen.

Noch mehr als in Brynychs vorangegangener Episode steht hier die keimende Liebe zwei junger Menschen im Mittelpunkt und verbannt das Gespann Derrick und Harry auf die hinteren Ränge. Die Episode ist nur wenig aufregend, auch weil die „Guten“ nie wirklich in Gefahr geraten, wie man zu Beginn vielleicht noch annimmt. Trotzdem macht „Da läuft eine Riesensache“ Spaß, weil sie sehr rund inszeniert ist und über einen dramatischen Bogen verfügt, den die sehr funktional eingerichteten DERRICK-Folgen in der Regel vermissen lassen. Der einstige Mädchen-Schwarm und BLUTIGER FREITAG– sowie später sogar DALLAS-Akteur Amadeus August war zum Zeitpunkt der Ausstrahlung bereits 46 und alles andere als ein Jüngling, präsentiert sich hier aber braungebrannt und mit beeindruckend gut austrainiertem Brustkasten. Er hatte sein Spielfilmdebüt 18 Jahre zuvor in O HAPPY DAY absolviert, unter keinem Geringeren als … Zbynek Brynych. Nur vier Jahre später, im Alter von 50 Jahren, verstarb August, dessen markanten Gesichtszüge ihn eigentlich zum Westerndarsteller prädestiniert hätten, an den Folgen einer HIV-Infektion.

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Episode 165: Das Piräus-Abenteuer (Zbynek Brynych, 1988)

Hanna (Ute Christensen), eine Stewardess und Bekannte von Harry, kontaktiert diesen in großer Angst: In Piräus sei sie von einem Mann angesprochen und dazu überredet worden, einen Koffer nach Deutschland zu bringen. Im Koffer habe sich Rauschgift befunden, dass sie noch in Griechenland entsorgt habe. Nun fürchtet sie sich vor der bevorstehenden Übergabe. Derrick und Harry sagen ihr ihre Hilfe zu …

Die letzte von drei Brynych-Folgen hintereinander hat – wie schon der direkte Vorgänger – erneut eine recht interessante und für die Serie ungewöhnlich „filmartige“ Geschichte. Und was man zu Beginn für lediglich etwas steif und unbeholfen hält, weitet sich dann doch langsam, aber sicher zur echten Brynych’schen Seltsamkeit aus, wenn diese einen auch nicht sofort anspringen mag: Bei diesem gruseligen Score – eine sparsame, fragile, aber gleichzeitig unheimliche Melodie wird mit unterschwelligen, aber deutlich vernehmbaren Atem- und Keuch-Geräuschen untermalt, wie eine avantgardistische Variation von Manfredinis FRIDAY THE 13TH-Thema – glaubte ich zunächst an einen technischen Defekt meines DVD-Players. Beatrice Richter bekommt eine ganz und gar rätselhafte Rolle, bei der sie u. a. in einem ranzigen Nachtclub zu Billy Idols „Sweet Sixteen“ tanzt und den anwesenden Heroin-Chic-Ladies laszive Küsse auf die Wange haucht (ohne dass sie dabei offen als Homosexuelle identifiziert würde). Der Handlungsverlauf ist kaum vorhersehbar und der spärlich entwickelte, eigentlich nur so als Behauptung mitschwingende Subplot um Harrys romantische Verbindung zu Hanna, wirkt in Brynychs Inszenierung, bei der er ja gern auf Romanzen zurückgreift, wie ein Fragment. Harry kommt auch bei Brynych nicht über den Status des Stichwortgebers hinaus, auch wenn man Ansätze bemerkt, ihn zu etwas Größerem aufzubauen. Sehr schön sind außerdem die Beamten, die sich in Derrick Auftrag an die Fersen der Verdächtigen heften, dafür in die Verkleidung von Pennern schlüpfen und immer wieder am Rande des Geschehens auftauchen. Kein totaler Augenöffner, aber doch sehr interessant.

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Episode 166: Die Stimme (Helmuth Ashley, 1988) 

Der geschiedene, zurückgezogen lebende Unternehmer Lippert (Ernst Jacobi) erhält einen Anruf von einer jungen Frau, die ihn vor einem bevorstehenden Mordanschlag warnt. Lippert ist verwundert, schlägt die Warnung aber in den Wind – nur um dann tatsächlich nur knapp einem Attentat zu entgehen. Nachdem er die Kriminalpolizei hinzugezogen hat, erfolgt ein zweiter Mordversuch, den er erneut knapp überlebt. Derrick und Harry wissen, dass die Anruferin der Schlüssel zur Ergreifung der Täter ist, denn weder ist ein Verdächtiger noch ein Motiv in Sicht …

Ashley setzt die schöne Tradition gelungener und in angenehmem Maße origineller Episoden in den späten Achtzigerjahren fort. Diese hier ist nicht wirklich spektakulär, lebt aber von der Ruhe der Erzählung und ihres wichtigsten Charakters, dem der unterschätzte Jacobi viel Würde und eine unterschwellige Tragik verleiht. Fritz Wepper darf mit der rehäugigen Roswitha Schreiner flirten, Christoph Eichhorn tritt als Lipperts am Rande der Kriminalität wandelnder, intellektueller Neffe in die Fußstapfen von Thomas Schücke. Die Folge endet eher verhalten, dafür aber mit einem die Grenze zum Horror überschreitenden Bild: Hinter der Telefonstimme verbirgt sich niemand geringeres als Irina Wanka, die bei DERRICK immer zur Stelle ist, wenn es ätherisch-feengleiche Frauenfiguren zu besetzen gibt. Ihr entrückter Blick aus schwarzen, weil erblindeten Augen ist ein eindringliches Schlussbild, das mich spontan an Michael Winners THE SENTINEL erinnert hat. TATORT-Kommissar Miroslav Basic ist in einer Nebenrolle zu sehen, ebenso wie Sky DuMont als blasierter Lover und Lambert Hamel als Säufer.

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Episode 167: Das Ende einer Illusion (Günter Gräwert, 1988)

Helga Weigert (Cornelia Froboess) arbeitet als Animierdame im Nachtklub der zwielichtigen Brüder Schwenke (Günther Ungeheuer und Hanno Pöschl) die im Nebenhaus auch ein illegales Spielkasino betreiben. Einer ihrer Kunden ist Erich Rieger (Gerd Anthoff), frisch verwitwet und spielsüchtig. Die Schowenkes setzen ihre Angestellte auf den Mann an: Sie soll herausfinden, was er tut, wie viel Geld er hat. Frau Weigert folgt dem Befehl und freundet sich mit dem depressiven Mann an, der jeden Antrieb völlig verloren hat. Dass er außerdem sowohl einen wohlhabenden Bruder hat als auch eine hohe Lebensversicherungssumme ausgezahlt bekommt, macht ihn für ihre Arbeitgeber interessant. Als Riegers Bruder erschossen wird, warnt sie ihren „Patienten“. Sie vermutet, dass die Schowenkes dahinterstecken …

Die damals 45-jährige Cornelia Froboess als Animierdame zu akzeptieren, ist eine kleine Hürde, aber sie macht ihre Sache eigentlich ganz gut. Ihr etwas spröder „Charme“, der mir bei der Identifikation mit ihren Figuren („Das Ende einer Illusion“ ist bereits ihr vierter DERRICK-Auftritt) immer etwas im Wege steht, ist für ihre Helga Weigert, die sich nach anfänglichem Unwillen voll in ihre Rolle als Haushälterin und Seelsorgerin einfindet, genau richtig. Auch Gerd Anthoff ist gut, weil er exakt die gemischten Gefühle hervorruft, die die Episode benötigt: Auf der einen Seite bemitleidet man ihn wegen seines Schicksals und der Unfähigkeit, seine Trauer zu überwinden, auf der anderen stößt genau diese Unfähigkeit aber auch ab. Die finale Wendung ist nicht die allergrößte Überraschung der Fernsehgeschichte, aber sie geht in ihrer Wirkung über den bloß pfiffig gescripteten Plot-Twist hinaus. Hanno Pöschl ist in seiner gewohnten Paraderolle als Rotlicht-Krimineller natürlich eine Bank: Die mit der Rückhand abgefeuerte Ohrfeige für die Froboess kommt mit beeindruckender Leichtigkeit und Beiläufigkeit, entbirgt den mitleidlosen Gewalttäter hinter der Fassade des Geschäftsmanns. Leider bekommt er sonst nicht so viel zu tun. Günther Ungeheuer hat gar keine Szene, in der er so glänzen könnte, aber er macht das mit seiner natürlichen Präsenz wett, die ihn für Schurkenrollen prädestinierte. Nicht nur zu seiner Freude: 1988 war auch das Jahr, in dem er sich mit Auftritten in den Hallervorden-Komödien DIDI AUF VOLLEN TOUREN und DER EXPERTE von seinem Image als Bösewicht zu lösen versuchte. Vielleicht, weil er in guter Erinnerung bleiben wollte: Ungeheuer starb nur ein Jahr später, im Herbst 1989, an Lymphdrüsenkrebs.

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Episode 168: Mord inklusive (Helmuth Ashley, 1988)

Am Abend bevor die Kripo seinen Wagen mitsamt seiner Leiche aus einem Weiher ziehen, ruft der Werbemann Breuer (Peter von Stromberg) bei Derrick an, um ihm mitzuteilen, dass sein Geschäftspartner Kranz (Philipp Moog) ihn umbringen wolle. Beim Besuch bei Kranz findet Derrick jedoch einen sympathischen jungen Mann vor, dem der Tod des Freundes sehr nachzugehen scheint. Bei weiteren Ermittlungen macht Derrick Bekanntschaft mit Kranz‘ Clique zu der auch die Krankenschwester Via (Beate Finckh) gehört, die die schwerkranke sowie steinreiche Frau von Wedel (Alice Treff) pflegt. Und die hat Kranz und Konsorten ihr gesamtes Vermögen überschrieben …

Nach vielen guten und sehr guten Episoden ist diese hier eher wieder als durchschnittlich zu bezeichnen. Es fehlen echte Überraschungen, sowohl der Kriminalfall – bezeichnend, dass er sich mehr oder weniger von selbst löst – als auch die Charaktere sind ziemlich uninteressant. Komisch, dass Christoph Waltz hier eine total nichtssagenden Rolle abbekommen hat, mit vielleicht einer Dialogzeile, nachdem er zwei Jahre zuvor in (der allerdings ebenfalls nicht so tollen Folge) „Schonzeit für Mörder“ bereits eine Hauptrolle in DERRICK bekleiden durfte. Moog hingegen war in „Mordfall Goos“ (siehe oben) noch Derricks jungblutiger, heißsporniger Untergebener. Er sollte sich in den kommenden Jahren ins Stammrepertoire der Serie spielen, mit immerhin 16 Einsätzen. Die meisten kennen vermutlich seine Stimme, denn neben seinen TV-Einsätzen ist er heute als gut beschäftigter Synchronsprecher von u. a. Guy Pearce, Owen Wilson, Ewan McGregor oder Orlando Bloom unterwegs. Ihr seht schon, wie ich Zeilen schinde. Aus einem nicht ganz unerheblichen Grund ist „Mord inklusive“ dann aber doch wieder sehenswert: Harry hat nämlich eine Liebesszene mit der „zärtlichen Cousine“ Anja Schüte! Er erobert sie natürlich mit Hintergedanken – sie ist Kranz‘ Schwester -, schmeißt sich an sie ran, indem er erst ihr Auto repariert, das er zuvor höchstselbst manipuliert hatte und schenkt ihr dann eine selbst aufgenommene Sade-Kassette, der alte Charmeur. Dass er dann mit einem potthässlichen, in Neonfarben bedruckten Shirt mit der Aufschrift „Cricket“ neben ihr im Bett liegt, während sie ihre einst von Weichzeichner-Veteran David Hamilton in Szene gesetzten Brüste zeigt, habe ich als harten Stilbruch und ästhetisches Verbrechen empfunden. Ach so, die Kamera bediente Franz X. Lederle, der in den Sechziger- und Siebzigerjahren zusammen mit Regisseur Ashley manche Sau durchs Bahnhofskino trieb.

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Episode 169: Die Mordsache Druse (Alfred Weidenmann, 1988)

Der Modefotograf Bernd Druse (Jochen Horst) will seiner Freundin, der Modedesignerin Lore Hauk (Birgit Doll) helfen, vom Heroin wegzukommen. Aus diesem Grund stellt er ihrem Stammdealer Armin Rasche (Edgar Selge) nach und wird wenig später von zwei Männern erstochen: Er verstirbt, als er Lore mit letzter Kraft aus einer Telefonzelle anruft. Lores Vater (Charles Brauer), ein Alkoholiker, rät seiner Tochter, Stillschweigen zu bewahren. Rasche, der ebenfalls von dem Mord erfährt, sieht sich und sein Geschäft in Gefahr und überlässt seiner Kundin gleich einen guten Vorrat der Droge. Derweil nehmen Derrick und Harry Klein die Ermittlungen auf.

Es gibt vier Sorten von guten DERRICK-Folgen: Die einen verfügen über ein geschliffenes, wendungsreiches Script von Reinecker. Andere begeistern mit interessanten, ungewöhnlichen Figuren und den Darstellern, die sie zum Leben erwecken. Wieder andere bauen auf Atmosphäre oder verwirren mit rätselhaften Einfällen. Und im Idealfall verbinden sich all diese Faktoren. „Die Mordsache Druse“ hat leider nahezu gar nichts. Es gibt mehrere Ideen und Ansätze, aber keiner wird halbwegs befriedigend entwickelt. Spannung kommt nicht auf, weil es keine Fallhöhe gibt. Die Auflösung fällt den Ermittlern so in den Schoß, ohne dass sie sich besonders anstrengen müssten. Positiv hervorzuheben ist am ehesten noch Edgar Selge, heute ja selbst Fernsehkommissar, aber seine Figur bleibt unterentwickelt. Birgit Doll gibt als Lore Hauk die wohl gesündeste Heroinsüchtige der TV-Geschichte und die Beziehung zu ihrer Mutter (Karin Anselm) erinnert etwas an das KOMMISSAR-Meisterwerk „Grau-roter Morgen“. Die inhaltlichen Gemeinsamkeiten verdeutlichen aber nur, wie unbefriedigend das hier alles ist. Sky DuMont ist der Oberschurke, hat aber nur zwei kurze Szenen, in denen er sich darauf beschränkt, dieses selbstverliebt-blasierte Lächeln aufzusetzen, mit dem er durch das Gros seiner DERRICK-Folgen auf Autopilot manövriert. Die mit einigem Abstand schwächste Folge seit geraumer Zeit.

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Episode 170: Eine Art Mord (Günter Gräwert, 1988)

Nach 18-jähriger Haftstrafe nimmt der Raubmörder Werner Rutger (Siegfried Lowitz) als erstes Kontakt zu seinem Sohn Karl (Manfred Zapatka) auf. Der ist mittlerweile Oberstudienrat und legt großen Wert darauf, nichts mehr mit dem Vater zu tun haben zu wollen. Rutger akzeptiert, lässt aber dennoch nicht locker. Der Grund: Er vermutet, dass der Sohn sich die eine Million D-Mark, die er nach seinem Bruch in einem Wald vergraben hatte, unter den Nagel gerissen hat. Und er hat große Lust darauf, den „feinen Herrn“ für seine Scheinheiligkeit bloßzustellen …

Das Ende kommt wie so oft etwas überstürzt: Manchmal wirkt es so, als habe Reinecker eigentlich für vollwertige Spielfilme geschrieben und wenn ihm dann einfiel, dass ihm ja nur knapp 60 Minuten zur Verfügung stehen, einfach aufgehört. Der Freude tut das in diesem Fall keinen echten Abbruch. „Eine Art Mord“ lebt ganz von der Darbietung Lowitz‘, der als Rutger seine besten Jahre im Bau verbringen musste und nun müde und alt ins Leben zurückschlurft. Jede Szene mit ihm ist ein Highlight, aber besonders schön, ist sein ernüchterter Kommentar, als er eine junge Prostituierte (Ute Willing hat nach längerer DERRICK-Abstinenz mal wieder eine kleine Rolle) nach dem gemeinsamen Schäferstündchen an der Rezeption seiner Pension verabschiedet: „Das ist auch nicht mehr so wie früher“, sagt er nur und erntet dafür ein verständnisvolles Lachen seiner Gastwirtin. Manfred Zapatka läuft ebenfalls zu großer Form auf: Er ist ganz aufbrausende, schwitzige Nervosität und fühlt sich sichtlich unwohl, als er dem ihm aus mehreren Gründen unangenehmen Vater gegenübertreten muss. Man leidet als Zuschauer einerseits mit ihm, andererseits möchte man ihm eine kräftige Backpfeife verpassen, damit er sich mal entspannt. Zapatka ist mit seinem kantigen Gesicht, der zum Zerreißen gespannt wirkenden Haut und den dünnen Lippen perfekt für dieses vibrierende, unter enormem Druck stehende Etwas. Der Kontrast zwischen den beiden, da der alte, gebeugte Mann, den nichts mehr aus der Ruhe bringen kann, hier der schwitzende Zappelphilipp, der alles zu verlieren hat, ist der Motor von Reineckers Episode. Und wie er es dreht, dass der alte Rutger am Ende noch trauriger in den Lebensabend schreitet, ist schon toll. Gern hätte man noch mehr von Lowitz gesehen, wie er versucht, sich nach 18 Jahren im Leben zurechtzufinden, aber nach einer Stunde ist es eben vorbei.

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Episode 139: Der Augenzeuge (Theodor Grädler, 1986)

Der arbeitslose Erich Schuster (Klaus Herm) wird Zeuge, wie ein Nachtwächter von zwei Juwelenräubern auf der Flucht erschossen wird. An die Gesichter der Flüchtigen kann er sich nicht erinnern, aber er fällt Derrick danach durch sein seltsames Verhalten auf, genauso wie der Sohn der Mordopfers (Dieter Schidor). Derricks Verdacht: Die beiden kennen den Täter und lassen sich ihr Schweigen von ihm teuer bezahlen …

Noch so ein DERRICK-Standard: arme Tröpfe, die ihre Chance wittern und sich dabei die Flossen verbrennen. Nicht viel Neues hier, lediglich Bewährtes routiniert dargeboten. Dass Sky DuMont in einer absoluten Nullrolle verbraten wird, ist allerdings doppelt kontraproduktiv: Nicht nur verschenkt man einen erstklassigen Schauspieler, der nicht auf den Kopf gefallene Zuschauer weiß auch, dass er nur eine Erklärung für diesen zweifelhaften Coup geben kann. Und so ist es dann auch.

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Episode 140: Das absolute Ende (Alfred Vohrer, 1986)

Herta Kolka (Marion Kracht) wird nach ihrer Gitarrenstunde erschossen. Die Ermittlungen führen Derrick und Klein in eine höchst sonderbare Familie: Der Vater (Günther Mack) ist am Boden zerstört, sein Bruder Rolf (Volkert Kraeft) seltsam hysterisch und unsouverän. Dann sind da noch Rolfs Gattin (Reinhild Solf), die mit ihrem Bruder (Wolfgang Müller) vor der argentinischen Militärdiktatur floh, als die ihren Eltern das Leben kostete, und die den alten Kraft (Konrad Georg) pflegt, der dem Wahnsinn anheimgefallen ist …

Ein bisschen erinnert die Episode an das Serien-Highlight „Die Entscheidung“ von 1980. Zwar ist Vohrers Folge am Ende deutlich „sauberer“ und nicht ganz so deliriös wie Grädlers Meisterstückchen, aber auch hier gibt es reichlich Stoff zum Staunen: Dass ausgerechnet Schwiegertochter Drombusch Marion Kracht in ihrer Rolle als Stern des Münchener Nachtlebens gezeichnet wird, dem alle Männer erlegen sind, ist da nur der Anfang. Volkert Kraeft trägt sich mit einer Glanzleistung in die lange Ahnengalerie DERRICK’scher Waschlappen ein, Konrad Georg verbringt seine zwei, drei Kurzauftritte rammdösig in die Kamera grunzend und Reinhild Solf agiert mit der sympathischen Verve eines depressiven Exekutionsroboters. Als trauriger Millionär und Schickeria-König Rocco Gretschkow ist Michael Heltau zu sehen: Sensationell, wie er die zu einer Spontanparty in seine Villa eingeladenen Gäste ebenso spontan und grob wieder rausschmeißt, als er die Lust verliert. Frank Duvalls todessehnsüchtig-weggetretener Titelsong „Liebe und Tod“ dudelt dazu in geschmacksresistenter Endlosschleife. Aber schon das Startbild ist super: ein tristes, marodes Haus auf einem Schotterplatz, darüber der Titel „Das absolute Ende“. Dass das Haus nicht der Schauplatz des Münchener Kettensägen-Massakers, sondern einer Gitarrenstunde beim Musiklehrer Thomas Astan ist, weist aber schon auf die kleineren Verfehlungen der Episode hin, die in erster Linie auf das Konto von Reinecker gehen. Zwischen Wahnsinn, Münchener Nachtleben und argentinischer Militärdiktatur verliert er ein bisschen den Fokus. Warum die beiden Morde „das absolute Ende“ darstellen sollen, habe ich jedenfalls nicht so ganz verstanden, auch wenn ich die Idee sehr reizvoll fand. Unterm Strich bin ich geneigt, über die Schwächen hinwegzusehen und „Das absolute Ende“ als Vertreter der so liebenswerten und in den Achtzigern selten gewordenen DERRICK-Verstrahlung zu betrachten.

Filmhistorisch ist die Epsiode darüber hinaus bedeutsam, weil es sich um die letzte Regiearbeit des wunderbaren Alfred Vohrer handelte: Er wurde von seinem Regieassistenten tot in einem Berliner Hotelzimmer entdeckt. Man hatte sich gewundert, warum er nicht am Set seiner DER ALTE-Episode erschienen war …

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Episode 141: Der Charme der Bahamas (Jürgen Goslar, 1986)

Der Kunsthistoriker Gerhard Brosch (Jürgen Behrendt) erhängt sich, nachdem er sein ganzes Vermögen an den miesen Finanzhai Müller-Brode (Karl-Michael Vogler) verloren hat. Broschs Sohn Franz (Till Topf) will den Betrüger zur Rede stellen, der sich am Telefon von seiner Gattin Carina (Evelyn Opela) verleugnen lässt und sich dann panisch an seinen Anwalt Dr. Schwede (Thomas Fritsch) wendet. Als Franz bei Müller-Brode ankommt, findet er den Mann tot vor …

Fritsch und Vogler sind super, aber die schwere Bürde namens Till Topf, eine der größten Trantüten in der langen DERRICK-Tradition lappiger Charaktere, machen auch sie nicht wett. Egal, die Episode kann man so weggucken.

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Episode 142: Die Nacht, in der Ronda starb (Theodor Grädler, 1986)

Der Lehrer Dr. Schenk (Klaus Schwarzkopf) wird von seiner Frau (Ursula Lingen) offen mit dem Gymnastiklehrer Ronda (Paul Neuhaus) betrogen. In seiner Not vertraut er sich nicht nur seinem Nachbarn Derrick, sondern auch seinen Schülern an. Die stehen dem Lehrer in einer Nacht mit Schnaps bei und treiben ihn dazu an, gegenüber Ronda klare Kante zu zeigen. Am nächsten Tag ist der Liebhaber seiner Frau tot …

Gleich mehrere Details lassen hier den Autor Reinecker erkennen: Kinder und Jugendliche sind seltsam alterslos, fast schon abgebrühter als die Erwachsenen und immer gut dafür, plötzlich zu rechtsphilosophischen Monologen anzuheben, die den Derrick-Erfinder seit je her faszinierten. Dann gibt es mal wieder ein waschlappiges Opfer, das unter dem stetig wachsenden Druck notgedrungen irgendwann übers Ziel hinausschießt. Seine Frau ist ein besonders grausamer Vertreter der Spezies, hält es nicht mal mehr für nötig, ihre Affäre irgendwie vor dem Ehemann zu verbergen. Der Lover empfängt den gehörnten Gatten sogar schon am Frühstückstisch! Es fällt wieder auf, dass sich Reinecker für Spannung und Suspense, eigentlich ja wichtigster Charakterzug des Krimis, nur noch sporadisch interessiert. Klar, die Folge lebt wesentlich von der Frage, ob es nun der angestachelte Schenke oder die Schüler selbst waren, die Ronda über die Klinge springen ließen, aber es bleibt kein Zweifel, dass die Reflexionen über Moral das sind, was Reinecker antrieb.

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Episode 143: Ein eiskalter Hund (Theodor Grädler, 1986)

Luise Lohbach (Christine Buchegger) leidet in ihrer Ehe mit Jakob (Klaus Löwitsch). Aus seiner Gleichgültigkeit für die Ehefrau macht der gar keinen Hehl, er behandelt sie wie Luft und betrügt sie mit einer Kellnerin im familieneigenen Wirtshaus. Als Luise in ihrem Ferienhaus einem Mordanschlag zum Opfer fällt, ist Jakob für viele, die das Leiden der Frau mitansehen mussten, der Hauptverdächtige. Doch der hat ein hieb- und stichfestes Alibi …

Unvergessen ist Löwitschs schauspielerischer Amoklauf in der frühen Episode „Hoffmanns Höllenfahrt“. DERRICK hat sich seitdem immens verändert, Klaus Löwitsch nicht so sehr. Seine Jakob Lohbach agiert zwar nicht annähernd so fiebrig wie der panische Hoffmann, aber der Schauspieler genießt es sichtlich, ein unentschuldbares Arschloch geben zu dürfen. Der Zuschauer, der es in dieser Phase der Serie fast ausschließlich mit selbstmitleidigen Jammerlappen als Täter zu tun hat, natürlich auch. In Nebenrollen sind Axel Milberg und Horst Michael Neutze zu sehen.

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Episode 144: Der Fall Weidau (Alfred Weidenmann, 1986)

Der junge Klaus Weidau wird morgens tot in seinem Bett auf dem elterlichen Gutshof aufgefunden, vergiftet mit Blausäure. Die Weidaus sind so erschüttert wie Derrick und Klein anschließend ratlos: Die Familie lebte in tiefster Harmonie, sich in Respekt und Liebe zugetan. Nicht einmal der Anflug eines Streits oder Konflikts zeigt sich. Dann der zweite Mord, diesmal an Sohn Hubert (Ekkehard Belle). Und die erschütternde Erkenntnis: Der Mörder muss aus den Reihen der Familie selbst kommen …

Das Leben auf dem Hof der Familie Weidau gerät im Zusammenspiel von Weidenmanns Regie und Reineckers Drehbuch zur bizarren Utopie: einer Utopie mit Haken, denn wie Derrick weiß: „Jeder Mensch hat irgendeine Macke.“ Und wenn alles perfekt ist, dann besteht natürlich die Gefahr, dass es damit bald vorbei ist. Wie immer, wenn Reineckers philosophische Reflexionen besonders spannend geraten, fungiert die Auflösung als Spielverderber. Nicht, dass sie hier wirklich ärgerlich wäre, aber die Identifizierung eines Täters mutet am Ende einer solch apokalyptischen Geschichte einfach furchtbar banal und zweitrangig an. Viel lieber hätte man gesehen, wie alle Weidaus am Ende tot auf ihrem Hof liegen, ihre Gesichter in Ratlosigkeit eingefroren und keine Antwort auf die drängende Frage in Sicht.

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Episode 145: Schonzeit für Mörder? (Gero Erhardt, 1986)

Der geniale Automobil-Ingenieur Bothe wird in seinem Haus erschlagen. Vor den Augen Derricks haucht er in der Ambulanz eines Krankenhauses sein Leben aus. Wer ist der Mörder? Seine junge Gattin Helene (Lena Stolze) oder Bothes Sohn Eberhard (Christoph Waltz), der ein Verhältnis mit seiner nur ein Jahr älteren Stiefmutter hatte? Grund hätten auch Bothes Bruder Georg (Horst Bollmann) oder dessen Sohn Ralf (Volker Lechtenbrink) gehabt, denn Bothe pflegte seine Verwandten zu behandeln wie Diener …

Debütant Gero Erhardt ist mit einem eher mittelprächtigen Script ohne Glanzpunkte geschlagen. Christoph Waltz ist gut, sonst bleibt nicht viel hängen.

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Episode 146: Die Rolle seines Lebens (Alfred Weidenmann, 1986)

Nach überstandener Alkoholsucht kehrt Schauspieler Martin Theimer (Franz Boehm) zurück: Er will sich die Rolle seines Lebens angeln, doch die hat ihm sein Konkurrent Kranz (Karl Heinz Vosgerau) vor der Nase weggeschnappt. Als der Opfer eines Mordanschlags wird, ist der Weg für Theimer frei: Sehr zur Freude von Regisseur Bracht (Peter Bongartz), aber auch von Theimers Gattin Lydia (Sonja Sutter) und Tochter Dinah (Roswitha Schreiner) …

Die Idee mit der doppelten Rolle des Lebens ist gut, aber den durchschlagenden Erfolg verhindert Weidenmanns etwas lahmarschige Regie. Die Szenen am Filmset wirken richtiggehend albern, gekünstelt und theatralisch, was in hartem Widerspruch zu den Lobeshymnen steht, die Bracht über seinen Star singt. Einmal sitzt der Regisseur sogar direkt neben seinem Hauptdarsteller, als die Kamera schon längst wieder läuft. Hätte was werden können, so aber leider zu nix zu gebrauchen.

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Episode 147: Entlassen Sie diesen Mann nicht! (Horst Tappert, 1986)

Der Wissenschaftler Dr. Kroll (Pinkas Braun) war nach einem Mordanschlag auf seine Gattin (Reinhild Solf) vor fünf Jahren wegen Schizophrenie in eine Heilanstalt gesperrt worden. Nun soll er zur großen Überraschung aller damals Involvierten wieder freigelassen werden: Für seine Gesundheit verbürgt sich vor allem Krolls Arzt Kraus (Wolf Roth). Kroll hat es sich in den Kopf gesetzt, seine Ex-Frau zurückzuerobern, doch die hat keine Lust, ihn wiederzusehen. Als ihr Schwager Kroll zur Rede stellen will, wird er umgebracht …

Horst Tappert bringt als Regiedebütant tatsächlich frischen Wind. Die kurze Auftaktsequenz, die das geschäftige Treiben in der Dienststelle zeigt, ist eindeutig von Police Procedurals wie STAHLNETZ beatmet, der betont altmodische Score erinnert aber auch an die Edgar-Wallace-Filme, in denen Pinkas Braun einst gern gesehener Gast war. Die Story ist auch stark: Dr. Kroll wird zu einem deutschen Vorläufer von Hannibal Lecter und Wolf Roth ist immer eine Schau. Tappert treibt der Episode die Reinecker’sche Steifheit aus und akzentuiert die pulpig-makabre Note seines Scripts mit einigem Erfolg. Klasse!

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Episode 148: Mädchen in Angst (Horst Tappert, 1986)

Harry kommt der jungen Anja (Sona Mac Donald) zur Hilfe, die vor der Tür eines zwielichtigen Etablissements von Franz Belter (Henry van Lyck) verdroschen wird. Er nimmt die junge Frau bei sich auf, die auf die schiefe Bahn geraten ist und sich als Prostituierte verdingt, und versucht, sie aus den Fängen Belters, der mit dem ebenfalls dubiosen Rotter (Stefan Behrens) zusammenarbeitet, zu befreien. Dabei fängt er sich eine heftige Tracht Prügel ein, bei der er seine Dienstwaffe verliert. Wenig später ist Belter tot: Erschossen mit Harrys Revolver. Die Indizien sprechen gegen Derricks Kollegen …

Unterhaltsame Folge, die Harrys bisweilen ans Unprofessionelle grenzenden Übereifer in den Mittelpunkt rückt. Manchmal meint man, es sei das Mitleid seiner Ausbilder gewesen, das ihm den Job bescherte. Die Verlagerung des Fokus auf den Assistenten sorgt für willkommene Abwechslung, auch wenn Derrick die drohende Inhaftierung recht schnell abwenden kann. Hier hätte die Spannungsschraube ruhig etwas straffer gedreht werden dürfen.

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Episode 149: Die Dame aus Amsterdam (Helmuth Ashley, 1986)

Der Privatdetektiv Hufland (Raimund Harmstorf) kann seinen Bekannten Derrick eben noch darüber in Kenntnis setzen, dass er in eine ganz große Sache reingestolpert sei, da wird er von Maschinengewehrsalven zerrissen. Die Ermittlungen führen Derrick zu Dr. Soest (Ernst Jacobi), einem Chemiker, der sich mit seiner holländischen Geliebten (Elisabeth Augustin) in einem Hotel verlustierte und dabei im Auftrag seiner Gattin (Gustl Halenke) von Hufland beobachtet wurde. Hinter dem Mord steckt aber viel mehr als Eifersucht: Soest arbeitete an einem hochpotenten Insektizid …

Lang ist’s her, seit Derrick das letzte Mal in einem Fall des internationalen Verbrechens ermittelte, anstatt sich mit den niederen Instinkten des Bürgertums auseinanderzusetzen. „Die Dame aus Amsterdam“ ist ein gelungenes Beispiel für diese etwas unterrepräsentierten Episoden, von Ashley temporeich inszeniert und bis zum Ende spannend. Das Finale ist bitterböse und setzt dem Ganzen ein makabres Krönchen auf.

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Episode 150: Anruf in der Nacht (Theodor Grädler, 1986)

Ein Pfarrer (Horst Sachtleben) wird nachts zu einem im Sterben liegenden Unfallopfer gerufen: In seinen letzten Atemzügen ringt der Sterbende dem Geistlichen einen Gefallen ab. Der macht sich sofort auf den Weg, ohne jemanden in den Zweck seiner Mission einzuweihen. Am nächsten Morgen wird er tot aufgefunden. Einer der Verdächtigen ist Erich Bronner (Thomas Fritsch), der Bruder des Verunglückten, der Sexreisen veranstaltet …

Die Episode ist streng genommen nichts Besonderes, aber weil lange im Dunkeln bleibt, worum es geht, dennoch spannend. Die Auflösung ist eher ungewöhnlich, da wie schon bei „Die Dame aus Amsterdam“ eine internationale Komponente in den Fall hineinspielt. Richtig glaubwürdig ist das Ganze nicht, aber immerhin kommt der Zuschauer in den Genuss eines Gastauftritts von Jess-Franco-Regular Paul Muller als südamerikanischem Drogenbaron.

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Episode 151: Absoluter Wahnsinn (Horst Tappert, 1987)

Eine Frau wird in ihrem Haus ermordet, nachdem sie ihrem Bruder per Telefon noch mitgeteilt hat, dass „er“ sie töten wolle. Für den ist der Fall klar: Als Mörder kommt nur ihr Ehemann (Robert Atzorn) in Frage, der aus seiner Verachtung für die Gattin keinen Hehl machte und von ihrem Tod finanziell zudem erheblich profitiert. Doch seine Freundin Susi (Ingrid Steeger) gibt ihm ein Alibi. Wenig später meldet sich der traurige ältere Herr Mertens (Horst Bollmann) geständig. Der freundliche, sanftmütige Mann ist ein denkbar unwahrscheinlicher Mörder, aber welchen Grund sollte er haben, die Schuld auf sich zu nehmen, wenn er nicht der Täter ist?

Horst Tappert macht sich wirklich nicht schlecht als Regisseur. „Absoluter Wahnsinn“ zeichnet sich durch eine Mischung aus Witz und Tragik aus – eine Eigenschaft, die die Episode allein schon aus dem Rahmen fallen lässt, auch wenn der eigentliche Kriminalfall wieder recht typisch ist. Ingrid Steeger hat als Atzorns gereizte Freundin eine echte Sahnerolle abbekommen, die sie mit Verve ausfüllt. Dass sie noch etwas ungeschliffen agiert, tut der Sache keinerlei Abbruch, eher sogar im Gegenteil. Und Derricks Reaktionen auf die unfreundliche, misstrauische und missmutige Person sind einfach großartig. Viel zu selten darf Tappert als Derrick diese Seite zeigen: Meist stapft er ja als regungslose Gerechtigkeitsmaschine durch die bundesdeutsche Tristesse und selbst die Anflüge von Abscheu und Schadenfreude, die er in frühen Episoden regelmäßig so effektiv an den Tag legte, sind einer desillusionierten Routine gewichen. Aber das ist nicht alles: Das Ehepaar Mertens – neben Bollmann agiert Eva Kotthaus nahezu stumm, aber vielleicht auch deshalb so wirkungsvoll – bildet das Herz der Geschichte, demütig, bescheiden, zurückhaltend, freundlich. Ihr Schicksal geht nicht spurlos am Betrachter vorüber. Vielleicht ist es der einzige Fehler der Episode, dass das Schlussbild nicht den Eheleuten gehört, die da stumm, Arm in Arm in ihr Leben zurückkehren, sondern dem doofen Atzorn.

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Episode 152: Der Tote auf der Parkbank (Theodor Grädler, 1987)

Auf einer Parkbank wird ein Mann gefunden – erschossen und dann am Isar-Ufer abgesetzt. Es handelt sich um einen Herrn Lindemann, den Inhaber einer Werbeagentur, über den wirklich niemand etwas Positives zu sagen hat. Weder die Gattin (Gisela Peltzer), die wusste, dass er sie mit dem Fotomodel Patricia (Ursula Karven) betrog, noch sein Sohn (Christian Hellenthal), seine Angestellten oder der Arbeitslose Ulrich (Ulrich Matthes), der sowohl mit Patricia als auch mit Frau Lindemann befreundet war …

Mittelmäßig interessante Folge, in der Reinecker mal wieder der Philosophie frönt und dabei einige seltsame Ideen hat. Es ist ausgerechnet der humanistische geprägte Ulrich, dessen Fantasien über einen besseren, überlegenen Menschen den Mord inspirieren und Derrick am Ende zu mahnenden Worten veranlassen. Da frohlockt der AfDler, der im Linksliberalismus die Wurzel allen Übels sieht.

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Episode 153: Die Nacht des Jaguars (Jürgen Golsar, 1997)

Die hübsche Gisela Trabuhr (Ursula Buchfellner) wird neben einer Telefonzelle erschossen aufgefunden. Sie war mit dem weichlichen Albert (Volkert Kraeft) verheiratet, der dieses Ausbund an Lebenslust nicht zu bändigen wusste. Gisela war, so erfährt Derrick, sehr freigiebig: Er bezeichnet das als „nymphoman“, wird aber zurechtgewiesen. Nein, diese Gisela war so voller Liebe, dass ein Mann einfach zu wenig für sie war. Wer war also der Täter? Einer ihrer Freier, Alberts Bruder Harald (Christian Kohlund), der um den Ruf der Familie besorgte Vater (Hans Korte) oder die von einem beinahe religiösen Furor erfüllte Mutter (Doris Schade)?

DERRICK-Standard mit dem üblichen Waschlappen im Zentrum und der dysfunktionalen Familie um ihn herum. Nichts Besonderes, aber bei Weitem kein Totalausfall. Bester Moment: Der Close-up auf Kortes Gesicht, nachdem sein stolzes Weib wieder einmal einen denkwürdigen Auftritt hingelegt hat, dann seine hämischen Mutmaßungen, dass Moses die Gesetzestafeln wahrscheinlich hier im Haus versteckt habe und seine Gattin darauf knie, wenn sie sich zum Gebet niederlasse. Boah. Das allein lohnt das Ansehen.

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Episode 154: Ein Weg in die Freiheit (Gero Erhardt, 1987)

Herr Wilke wird spätabends in seinem Büro erschossen, wo er sich mit seinem Vorgesetzten Ewald Potter (Michael Degen) verabredet hatte. Derrick mutmaßt, dass der Mordanschlag möglicherweise den Falschen getroffen habe. Wenig später, im Haus der Potters, scheint sich dieser Verdacht zu bestätigen, denn es passiert ein zweites Attentat, diesmal jedoch erfolglos. Der Verdacht fällt auf eine Gruppe von Musikern um Harro (Volker Lechtenbrink), die in einer der Kneipen Potters engagiert war, bevor der sie rauswarf. Oder hat der mit ihnen befreundete Potter-Sohn Hans (Christoph Eichhorn) etwas damit zu tun?

Eine unterdurchschnittlich Episode. Liegt vielleicht aber auch daran, dass ich Volker Lechtenbrink nicht so mag, schon gar nicht in der Rolle eines bebrillten Smooth-Jazz-Musikers, der mit 20 Jahre jüngeren Menschen in einem Kellerproberaum abhängt. Fun Fact: Das ist nach „Kranzniederlegung“ und „Das absolute Ende“ schon die dritte Folge in kurzer Zeit, in der ein Jugendlicher obsessiv immer wieder denselben Song hört. Ein neuer, aber leider kein guter Einfall: Henry van Lyck als Clubbesitzer mit Zwirbelschnurrbart.

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Episode 155: Nachtstreife (Dietrich Haugk, 1987)

Bei einer Streife wird ein junger Polizist erschossen. Sein Partner, der erfahrene Marx (Hans Brenner), macht sich danach schwere Vorwürfe, gibt jedoch zu Protokoll, dass er nichts gesehen habe. Einen Tag später ändert er seine Meinung: Er schwört, in einem der Flüchtenden den einschlägig bekannten Conny de Mohl (Frank Hoffmann) gesehen zu haben. Doch dessen Familie – Anton Diffring und Herbert Boetticher – gibt ihm ein Alibi …

Haugk hat viele tolle Episoden gedreht: Diese hier entfaltet leider nicht ganz das ihr innewohnende Potenzial, aber die Ansätze reichen. Aus dem eingeschworenen Männerbund und vor allem aus der Verbindung von Diffring und Boetticher hätte man viel mehr machen müssen – gerade letzterer bekommt unerklärlicherweise kaum etwas zu tun -, aber eine in Fotoschnappschüssen aufgelöste Sequenz, in der die drei Verbrecher sich nach einem kurzen Knastaufenthalts Connys wiedertreffen, die Arme euphorisch in die Luft werfen und triumphierend ins Objektiv grienen, ist schon ziemlich geil. In einer Nebenrolle als Marx‘ Ehefrau ist Witta Pohl zu sehen, die im besten DIESE DROMBUSCHS-Stil Freudlosigkeit und Verkniffenheit verkörpert. Veit Harlan hätte bestimmt einen großen Star aus ihr gemacht.

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Episode 156: Koldaus letzte Reise (Franz Peter Wirth, 1987)

Nachdem er eine 20-jährige Haftstrafe abgesessen hat, kommt der Auftragskiller Martin Koldau (Peter Ehrlich) nach München zurück. Er will hier ein letztes Mal seinem Beruf nachgehen – und seine große Liebe Franziska (Liane Hielscher) wiedertreffen, die mittlerweile mit dem Alkoholiker Miele (Klaus Herm) verheiratet ist. Das Wiedersehen der beiden Liebhaber verläuft traumhaft: Die Funken fliegen und Koldau schwört, den aktuellen Auftrag nicht auszuführen, um mit Franziska ein neues Leben anzufangen. Doch das nimmt ihm sein Auftraggeber sehr übel: Franziska findet Koldau erschossen vor. Vom Mörder hat sie nur eine Hand gesehen …

John Ford, Jean-Pierre Melville, John Woo, Michael Mann: Alle hätten sie diesen Stoff verfilmen können. Stattdessen war es Franz Peter Wirth im Rahmen von Deutschlands erfolgreichster Fernsehserie, deren Hüftsteife in diesem Kontext einen sonderbaren Reiz entfaltet. Peter Ehrlich ist mir eines der liebsten DERRICK-Gesichter und er ist toll als Profikiller Koldau, der sich in eine so gar nicht glamouröse, sondern ganz und gar bodenständige Frau verliebt. Es ist schon traurig, dass „Koldaus letzte Reise“ nicht einfach die Liebesgeschichte zweier Menschen jenseits der 40 erzählen kann, sondern natürlich irgendwann zum Kriminalfall werden muss, der niemanden mehr so richtig interessiert. Aber Franziska und Martin, wie sie nach 20 Jahren neuen Mut schöpfen, die bleiben im Gedächtnis.

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Episode 157: Nur Ärger mit dem Mann aus Rom (Helmuth Ashley, 1987)

Arthur Dribald (Burkhard Driest) hat vor Jahren einen Mann erschossen, konnte aber nie gefasst werden. Jetzt entdecken ihn Derrick und Harry wieder und heften sich an seine Fersen. Was sie nicht wissen: Dribald weilt im Auftrag der Herren Scholler (Sieghard Rupp) und Zoller (Siegfried Rauch) in München, um einen Bruch zu begehen …

Helmuth Ashleys Kinovergangenheit kommt auch dieser Serienepisode zu Gute, die wie schon „Koldaus letzte Reise“ etwas „größer“ wirkt. Der Plot ist für die Serie ungewöhnlich und nur wenig vorhersehbar: Abwechslung, die DERRICK zu dieser Phase sehr gut zu Gesicht steht. Siegfried Rauch und Sieghardt Rupp als „Stars“ zu bezeichnen, geht vielleicht etwas zu weit, trotzdem hat ihr gemeinsamer Auftritt hier den Duft von Fernsehereignis. Burkhard Driest ist als selbstverliebter, ständig auf Schürzenjagd befindlicher Macho-Krimineller aber auch ziemlich toll: Die Szene, in der er sich per Videoaufzeichnung die MIsshandlung der barbusigen Uschi Buchfellner in Zeitlupe ansieht und dabei lüstern grinst, ist für deutsche TV-Verhältnisse schon ziemlich weit draußen und erinnert zudem an John McNaughtons ungefähr zur selben Zeit erschienenen HENRY: PORTRAIT OF A SERIAL KILLER.

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Episode 127: Wer erschoss Asmy? (Jürgen Goslar, 1984)

Der letzte Eintrag in dieser Reihe ist über ein Jahr alt. Diese Episode von Jürgen Goslar, in der Anne und David Bennent ein Geschwisterpaar spielen, das in einen Mordfall verwickelt wird, hatte ich noch damals gesehen – und dann nichts darüber geschrieben. Verlässliche Auskunft kann ich darüber nicht mehr geben, aber ich glaube, ich fand die Episode nur so mittelprächtig, auch wenn Bennent als Zigaretten rauchendes, altersweises Kind mit Schiebermütze dafür sorgt, dass sie nicht allzu „normal“ ist.

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Episode 128: Das tödliche Schweigen (Theodor Grädler, 1985)

Derrick erhält zu Hause einen Anruf: Eine junge Frau namens Helga Södern bittet um Hilfe, sie werde von zwei Männern bedroht. Als Derrick und Harry – der Gehilfe lässt extra einen Science-Fiction-Film im Kino sausen – bei der Dame (Irina Wanka) nach dem Rechten sehen, ist angeblich alles in Ordnung: Das jedenfalls behauptet Udo (Jacques Breuer), der vorlaute Freund der Frau. Wenige Stunden später werden Derrick und Harry zum Tatort eines Mordes gerufen: Eine ältere Frau erlitt bei einem Angriff von wahrscheinlich zwei Männern in ihrer Wohnung einen Herzanfall. Der Sohn (Arthur Brauss) ist ratlos. Eine Eingebung von Harry bringt den entscheidenden Tipp: Helga Södern war eine Arbeitskollegin der Toten …

Eigentlich keine spektakuläre Folge, aber sie hat mir trotzdem sehr gut gefallen. Erstens weil der Fall gegen Ende eine Dimension annimmt, die über Einzelschicksale hinausgeht, zweitens weil das Setting einer stillgelegten, ruinösen Chemiefabrik, die da im Münchener Spätherbst vor sich hin modert, einfach wahnsinnig stark ist.

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Episode 129: Ein unheimlicher Abgang (Jürgen Goslar, 1985)

Der Anlageberater Diebolz (Dirk Galuba) jagt sich mit seinem Boot auf dem Starnberger See in die Luft. Grund dazu hatte er: Das eigene Unternehmen war tief verschuldet, seine Gattin Liane (Christiane Krüger) hat eine Affäre mit seinem Freund Kolewski (Peter Bongartz). Als es um die Identifizierung des Toten geht, erkennen alle Diebolz wieder. Was sie nicht wissen: Der erlag nicht etwa den Verbrennungen, sondern wurde zuvor erschlagen. Aber das ist nicht die einzige große Überraschung des Falls: Der Tote ist nämlich gar nicht Diebolz, wie Derrick herausfindet. Warum aber identifizierten ihn seine Angehörigen dann auf dem Seziertisch?

Der Fall ist wendungsreich genug, um über die volle Laufzeit das Interesse wachzuhalten. Dazu kommt wieder einmal das bitterböse Drehbuch von Reinecker, der das Bürgertum so sehr hasst, dass er seine Mitglieder selbst dann noch in alle ihrer Verlogenheit bloßstellt, wenn sie eigentlich unschuldig sind.

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Episode 130: Schwester Hilde (Theodor Grädler, 1985)

Anita Henk (Susanne Uhlen) ist dem Rotlichtmilieu Hamburgs erfolgreich entflohen und hat sich in München eine neue Existenz aufgebaut – samt neuem Liebhaber und Ehemann in spe (Ekkehard Belle). Doch dann findet Kusich (Andreas Fricsay), ihr ehemaliger Zuhälter, sie wieder und will sie mit zurück nach Hamburg nehmen. Anita ruft Schwester Hilde (Inge Meysel) an, die ihr damals geholfen hatte, ein neues Leben anzufangen. Die alte Dame kommt sofort nach München, um den Loddel von seinen Plänen abzubringen. Wenig später ist er tot …

Der Auftritt von Inge Meysel in der beliebtesten und erfolgreichsten deutschen Fernsehserie war damals wahrscheinlich das, was man heutzutage ein „TV-Event“ nennen würde. Ich, der ich die alte Dame immer eher anstrengend fand, sehe hier trotzdem nur eine eher mittelmäßige Episode, die durch den vermeintlichen Besetzungscoup nicht unbedingt besser wird, auch wenn die Meysel zugegebenermaßen überzeugend agiert. Noch besser hat mir aber Andreas Fricsay gefallen, der mit platinbloner Vokuhila-Dauerwelle an seine markige Rolle in ZWEI NASEN TANKEN SUPER erinnert.

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Episode 131: Lange Nacht für Derrick (Dietrich Haugk, 1985)

Der etwas weichliche Anwalt Dr. Bomann (Klaus Schwarzkopf) steht vor der unangenehmen Aufgabe, den brutalen Berufsverbrecher Rotter (Wilfried Baasner) zu verteidigen. Der Kriminelle erwartet trotz erdrückender Beweislage nichts Geringeres als einen Freispruch. Er scheint zu ahnen, dass daraus nichts wird, denn einen Tag vor Urteilsverkündung wird Bomanns Tochter (Marion Kracht) entführt. Bomann soll seinem Klienten vor der Verhandlung eine Waffe überreichen und ihm so zur Flucht verhelfen.

LANGE NACHT FÜR DERRICK verlässt wieder einmal die ausgetretenen Pfade, die die Serie nach über zehn Jahren zumeist beschreitet und verdichtet die Ereignisse auf einen Zeitraum von wenigen Stunden und die zwei Räume der Mordkommission, in denen Derrick und seine Leute einen HInweis auf den Verbleib der Komplizen von Rotter finden müssen, um die Katastrophe zu verhindern. Auf Dietrich Haugk, der einige der besten DERRICK-Folgen auf dem Kerbholz hat, ist dabei Verlass. Die Beschränkungen von Zeit und Raum weiß er perfekt zu nutzen. Die Episode erinnert ein wenig an Dominik Grafs FAHNDER-Episode BIS ANS ENDE DER NACHT (die einige Jahre später ausgestrahlt wurde), was jeder meiner Leser als großes Lob zu verstehen weiß.

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Episode 132: Kranzniederlegung (Zbynek Brynych, 1985)

Der abgewrackte Gerichtsreporter Trosse (Herbert Stass) sucht Derrick auf: Er weist den Kriminalbeamten auf den jungen Heinz Lissner (Eduard Erne) hin, dem er einen Mord zutraut. Die Freundin des Jungen ist den Drogen zum Opfer gefallen und Heinz nun fest entschlossen, ihren Tod zu rächen.

Keine der Glanzstunden von Brynych: Die Folge bleibt in erster Linie wegen Trosse bzw. Stasses Darbietung im Gedächtnis, der Kriminalfall verblasst dagegen. Derrick und der vom Alkohol gezeichnete Ex-Reporter haben einige starke gemeinsame Szenen, die interessanter sind als die blutleer bleibende Selbstjustizgeschichte. Auf der Habenseite stehen aber einige Impressionen aus dem Münchener Nachtleben inklusive Breakdance, tanzenden Djs und Rollschuhdisko. Das will man dann doch nicht verpasst haben.

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Episode 133: Tod eines jungen Mädchens (Theodro Grädler, 1985)

Eine Inhaltsangabe verkneife ich mir, denn die Episode ist ungefähr so einfallsreich, wie das der Titel bereits vermuten oder eher befürchten lässt. Wenn es einen Standard-DERRICK-Plot gibt, dann diesen: Hübsches Mädchen wird umgebracht, als sie sich verweigert, verlogene Großbürger decken sich gegenseitig. Um das Klischee perfekt zu machen, ist Pierre Franckh als rückgratloser Sohn dabei, der gegen seinen eigenen Impuls dem schmierigen Onkel ein Alibi verschaffen muss. Dieser Onkel reißt es dann wieder raus: Claus Biederstädt ist einfach perfekt in der Rolle. Absolut hassenswert darin, wie er chefmäßig das Ruder übernimmt, um sicherzustellen, dass ihm nichts passiert. Ach ja, Peter Kuiper und Hans Korte sind auch dabei und tun das, was sie immer tun. Das ist gut so.

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Episode 134: Die Tänzerin (Zbynek Brynych, 1985)

Beim Versuch, die Internatsschülerin Katrin May (Dietlinde Turban) zu erschießen, wird der Mörder überrascht und bringt stattdessen den Hausmeister um. Es stellt sich heraus, dass Katrin eine Affäre mit dem Geschäftsmann Dr. Rohner (Heinz Bennent) hatte. Somit kommen gleich zwei Verdächtige in Frage: Rohners Gattin, eine ehemalige Tänzerin (Ingrid Andree), und Katrins Ex-Freund (Robert Jarczyk).

Die Hoffnung, Brynych habe Argentos PHENOMENA in einer DERRICK-Folge vorweggenommen, bewahrheitet sich leider nicht. Auch sonst ist die Episode kein Highlight, lediglich leicht gehobener Durchschnitt. Heinz Bennent ist tatsächlich sehr bewegend als alternder Herr, der neues Liebesglück findet und dabei aufblüht. Schön ist auch der Auftritt eines sich betont seriös gebenden Privatdetektivs (Peter Moland), der von Derrick in dessen unnachahmlich autoritärer Art in seinem Enthusiasmus gleich auf Maß zurechtgestutzt wird.

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Episode 135: Familie im Feuer (Zbynek Brynych, 1985)

Familie Bohl hat eine echte Pechsträhne: Tochter Anna (Beate Finckh) sitzt seit einem Unfall im Rollstuhl, Vater Walter (Henry van Lyck) ist arbeitslos, genauso wie Sohn Ulrich (Hans Georg Panczak), und die Mutter Thea (Ida Krottendorf) ist ausgezogen, weil ihr Mann sich in zwielichtigen Kneipen herumtreibt. Dabei hat er den Schwerverbrecher Weiler (Dirk Galuba) kennen gelernt, der ihn zu einem Bruch überredet. Bevor es losgehen kann, wird Weiler jedoch erschossen. Der Verdacht der Bohls fällt auf Anna und es gilt, sie vor Derrick zu schützen …

Brynych zeigt in der Episode sehr schön, wie eine kurz vor der Implosion stehende Familie durch den neuen Konfliktfall wieder zusammenrückt. Es ist seinem eigenen Inszenierungsstil, aber auch Reineckers plakativer Drehbuch-Prosa und Panczaks zum Overacting neigenden Spiel zu verdanken, dass „Familie im Feuer“ in den Szenen, in denen das neue Familienglück gezeigt wird, übers Ziel etwas hinausschießt. Trotzdem: Gehobener Durchschnitt, nicht zuletzt weil Henry van Lyck exzellent und Dirk Galuba einfach ein Riesenarsch ist. Detail zum Kopfschütteln: Die Poster 1985 gnadenlos überkommener Blues- und Jazzrock-Kapellen im Zimmer des „Musikfans“ Ulrich (das Plakat von „Jon Hiseman’s Tempest“ konnte man schon in DERRICK-Episoden aus den Siebzigern bewundern).

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Episode 136: An einem Montagmorgen (Jürgen Goslar, Deutschland 1986)

Drei Bankräuber verunglücken bei der Flucht mit dem Wagen und retten sich in eine nahegelegene Wohnsiedlung, wo sie ins Haus der Familie Heilmann eindringen …

Wieder einmal ein Episode, die vom klassischen „Whydunit“, das die Serie sonst beschäftigt, abweicht. Abwechslung ist immer willkommen und diese Folge profitiert erheblich davon, dass sie etwas anderes versucht, auch wenn sie dabei nicht übermäßig spektakulär ist. Die Exposition im Stile von „Aktenzeichen XY“ mutet ein bisschen bemüht an, aber der Rest ist von Goslar dann doch recht spannende inszeniert. Wilfried Baasner ist ein erstklassiger Schurke, von dem es in Zukunft hoffentlich noch mehr zu sehen gibt.

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Episode 137: Naujocks trauriges Ende (Alfred Vohrer, 1986)

Der Geschäftsmann Naujocks wird erschossen, als er mit seiner Geliebten aus der Wohnung kommt, die ihm sein Freund Tass (Karl Heinz Vosgerau) als Liebesnest zur Verfügung gestellt hat …

Die fragwürdigen sexuellen Gelüste älterer Herren haben DERRICK schon häufiger beschäftigt, so auch hier. Der freundliche Herr Tass etwa hält es für selbstverständlich, eine Liebesbeziehung mit seiner Stieftochter (Sissy Höfferer) zu führen. Und sein Kumpel Naujocks verlustiert sich mit der Tochter seines Fahrers. Alles gar kein Problem? Denkste. Deutlich angepisster ob dieses Verfalls der Sitten ist Tass‘ Stiefsohn Walter, gegeben von einem Sascha Hehn mit zurückgeschleimten Haaren. Der war bestimmt nur sauer, dass das Drehbuch ihn nicht zum Stich kommen ließ.

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Episode 138: Geheimnis im Hochhaus (Wolfgang Becker, 1986)

Der Maler und Fixer Erich (Ekkehard Belle) braucht dringend Geld, also bricht er in eine Wohnung ein. Zu seinem Entsetzen findet er dort den Leichnam einer jungen Frau: Als er Stimmen hört, kann er gerade noch fliehen. Nach einem Geständnis bei der Polizei ist die Leiche verschwunden und der Wohnungsbesitzer Hauweg (Gerd Baltus) zeigt sich überrascht. Derrick glaubt dem Drogenabhängigen, obwohl es keinen Beweis für dessen Aussage gibt …

Eine schöne Episode, in der Ekkehard Belle, der Mann mit dem Babyface und dem unvorteilhaften Wuschelkopf, sich endlich einmal beweisen kann. (Heute wissen wir, was er draufhat: Er ist immerhin die deutsche Synchronstimme von Steven Seagal.) Die Geschichte ist durchweg interessant, zumal sie nicht sklavisch am Kriminalfall klebt, sondern sich dem Schicksal des Fixers annimmt und Derrick die Gelegenheit gibt, seine menschliche Seite zu zeigen. Sehr gut ist auch Traugott Buhre als Erichs gehbehinderter Vater, der gesteht, er lasse sich von seinem Sohn waschen, damit der wenigstens noch eine tägliche Verpflichtung habe. Diana Körner und Bernd Herzsprung sind etwas verschenkt, Hans Peter Hallwachs zeigt dafür endloses Potenzial als oberschmieriger Zuhälter, der sich als „Unternehmensberater“ ausgibt.

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Episode 104: Tödliches Rendezvous (Jürgen Goslar, 1983)

Ein Bankräuber kann in einem Taxi vor dem ihn verfolgenden Derrick fliehen. Der Taxifahrer Walter Hagemann (Peter Ehrlich) erkennt den Maskierten jedoch an seiner Stimme und schlägt ihm einen Deal vor: sein Schweigen gegen einen Anteil der Beute. Doch das finanzielle Glück hat einen hohen Preis: Als nämlich ein junger Mann, den der Bankräuber im Verlauf seines Überfalls niedergeschlagen hatte, seinen Verletzungen erliegt, bringt der Täter den nun gefährlichen Hagemann kurzerhand um …

Nach ein paar etwas lustlos und unausgegoren anmutenden Folgen hatte ich ja schon die Befürchtung, die Zeit der DERRICK-Herrlichkeit sei vorbei. „Tödliches Rendezvous“, die erste von Jürgen Goslar inszenierte Episode, ist zwar kein Klassiker, aber ein merklicher Schritt hin zur alten Stärke. Die Episode zeichnet sich durch ein klar strukturiertes Drehbuch mit einem nachvollziehbaren Konflikt und diese spezielle Dynamik aus, die den Betrachter dazu zwingt, mit den zu Tätern gewordenen Normalos zu zittern. Thomas Schücke ist mal wieder mit von der Partie, als Sohn des Taxifahrers, der um jeden Preis an dem Geld festhalten will, und natürlich ideal für den Typus des sich für obercool und intelligent haltenden Schnösels, dem dann merklich die Düse geht, wenn er dem Terrier namens Derrick gegenübersitzt. Die Besetzung ist eh vorzüglich: Peter Ehrlich sehe ich immer gern, neben Schücke ist mit Verena Peter ein weiterer DERRICK-Regular dabei (als Tochter), das Todesopfer wird gegeben von Robinson Reichel, der seinen ersten von sieben Auftritten im Rahmen der Reihe absolviert, und ein sehr verfallener Erik Schumann wirkt in einer zwar kurzen, aber doch sehr wichtigen Rolle mit. Und Goslar inszeniert mit einem Drive, der anderen DERRICK-Machern eher abgeht. Das reicht.

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Episode 105: Lohmanns innerer Frieden (Jürgen Goslar, 1983)

15 Jahre hat Alex Lohmann (Martin Benrath) unschuldig im Gefängnis gesessen. An seiner Stelle hat der eigentliche Täter, Lohmanns alter Freund Schorff (Sieghardt Rupp), Hanna (Christiane Krüger), Lohmanns Ex, geheiratet, die ihm auch das entscheidende Alibi verschafft hatte. Nun wird Lohmann entlassen, doch nichts könnte ihm ferner liegen als Rache. Das kann wiederum seine Familie, bei der er untergekommen ist, überhaupt nicht nachvollziehen. Vor allem sein Schwager Willi (Udo Thomer) und sein Neffe Ludwig (Stephan Reichel) sticheln ohne Unterlass …

Goslar brauchte genau zwei Folgen, um sich mit seinem ersten Meisterwerk einen Platz in den DERRICK-Annalen zu sichern. „Lohmanns innerer Frieden“ wirkt wie eine Variation auf „Der Untermieter“, was nicht die schlechteste Ausgangsbasis ist, hat ein tolles Thema, in Martin Benrath einen exzellenten Hauptdarsteller, ein paar schicke, wunderbar zeitgenössische Inszenierungseinfälle und dazu ein ordentlich reinknallendes, perfides Ende. Zugegeben, Reinecker übertreibt es in dem Bemühen, den vermeintlich „Normalen“ ein schlechtes Zeugnis auszustellen, hier ein wenig: Dass Lohmanns Verwandte ihn förmlich zur Rache anstacheln, wirkt genauso übertrieben wie die Szene, in der der empfindsame Ex-Knacki durch einen Besuch in der Spielhalle und die dort auf ihn einprasselnden Pixelgrafiken desensibilisiert wird. Aber irgendwie ist das auch wieder egal, denn a) ist Udo Thomer einfach super als sensationsgeiles, schadenfrohes und missgünstiges Teufelchen auf Lohmanns Schulter und b) kommen schnell geschnittene Videospiel-Montagesequenzen aus jenen Tagen einfach immer gut. Und dann ist da ja noch dieses Ende …

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Episode 106: Attentat auf Derrick (Zbynek Brynych, 1983)

Auf Derrick wird ein Mordanschlag verübt. Während der Oberinspektor im Krankenhaus liegt, beginnt Harry seine Ermittlungen: Er vermutet die inhaftierte Unterweltgröße Korda hinter dem Mordversuch und zieht den Ex-Polizisten und V-Mann Jacobsen (Karl Renar) hinzu. Der schlägt Harry wiederum vor, sich an Michael (Till Topf), den ahnungslosen Sohn Kordas, zu wenden, um sein Vertrauen zu gewinnen. Harry macht sich als Anwalt an den Jungen ran, der sich von dem vermeintlichen Juristen Informationen über seinen Vater erhofft …

Geile Episode, in der Reinecker’scher Moralismus, Brynych’sche Wildheit und die in den frühen Achtzigern wie aus der Zeit gefallen annmutende Melodramatik der Serie zusammen einen kräftig-sämigen Eintopf ergeben. Die Szenen mit Harry am Krankenbett des bewusstlosen Derrick sprühen wieder vor unterschwelliger Homoerotik: Es ist auffällig, dass die immer dann in den Vordergrund tritt, wenn das Drehbuch dem Assistenten den Vortritt lässt. Auch nach über 100 Episoden ist Harry über den Status des Hiwis nicht hinaus: Ganz schön bitter, wenn man bedenkt, dass er Kommissar Keller einst verließ, um den nächsten Karriereschritt zu machen. Aber auch rätselhaft, dass Wepper davon nie genug zu bekommen schien. Möglicherweise konnte er sich andere Rollen nach 15 Jahren Assistententum nicht gerade aussuchen, aber dass sich seine Funktion bei DERRICK eigentlich darauf beschränkt, den Oberinspektor im direkten Vergleich besser aussehen zu lassen, kann schauspielerisch nicht besonders befriedigend gewesen sein.

Doch zurück zum Thema: Das Zusammenspiel zwischen Harry und Jacobsen hat durchaus etwas vom US-Großstadtkrimi (Harry trägt einmal einen grünen Armeeparka und eine schwarze Strickmütze und sieht damit aus, wie der Schwager vom Exterminator), auch wenn das mafiöse Empire von diesem Korda, dessen Keimzelle ein ultraschäbiger Nachtclub ist, in dem ein vogelscheuchenartiger DJ seinen Job als Mischung aus Ausdruckstanz und Kirmesanimation interpretiert, dann doch eher provinziell und unambitioniert anmutet. Es gibt am Schluss eine schier unglaubliche, gewissermaßen an das platonische Höhlengleichnis angelehnte Montagesequenz, die die Eindrücke zusammenfasst, die auf den armen Michael einprasseln und ihm zeigen, wer sein Vater wirklich war: eine Collage von blinkenden Neonlichtern, blitzenden Spielhallen, bestrumpften Beinen in High-Heels, die auf regennassem Kopfsteinpflaster auf und ab gehen, krass geschminkten Nuttengesichtern und halbseidenden Proleten vor glänzenden Luxusautos. Das Ganze endet, natürlich, mit dem Close-up auf den schreienden Michael, den Harry nach der Tour durchs Münchener Nachtleben erst einmal auf einen Absacker in eine Pinte mitgenommen hat: Das nennt man Fürsorge.

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Episode 107: Die Schrecken der Nacht (Zbynek Brynych, 1983)

In Giesing geht ein Serienmörder um, der nachts dunkelhaarige Mädchen erwürgt. Während Derrick sich in Reha befindet, tut sich Harry mit dem Giesinger Polizeiveteranen Ludewig (Dirk Dautzenberg) zusammen. Die Ermittlungen führen sie ins „Blaueck“, die Pinte von Bandener (Michael Toost), wo das letzte Opfer sich kurz vor seinem Tod aufgehalten hatte. Als alle Versuche, den Täter aufzuspüren, nicht fruchten, setzt Harry die Kollegin Carla Meissner (Monika Baumgartner) als Lockvogel ein …

Eine Serienmörderfolge, die wie der Vorgänger Vergleiche mit US-Vorbildern herausfordert und Harry einen Partner zur Seite stellt, ohne den er scheinbar keinen Fall lösen kann. Ist der liebenswerte, manchmal etwas naive Harry in der Zusammenarbeit mit Derrick lustigerweise der spießigere der beiden, wird er hier vom Traditionalisten Ludewig auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, als er modernen Schnickschnack wie Monitor, Überwachungskameras und Richtmikrofone anschleppt, aber am Ende fast den Tod seines Lockvogels verschuldet. Dieses Ende ist der einzige Wermutstropfen in einer ansonsten sehr stimmungsvollen Episode: DERRICK ließ pfundige Actionszenen fast immer vermissen, auch wenn sie manchmal den letzten Kick gegeben hätten, und Brynych ist erstaunlicherweise einer derjenigen, die in dieser Hinsicht regelmäßig versagen. Das Finale mutet in seiner Hölzernheit eher unfreiwillig komisch statt spannend oder gar erschreckend an, kann den positiven Gesamteindruck aber zum Glück nicht schmälern. Mit Thomas Asam und Volker Eckstein spielen zwei Dauerbrenner mit.

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Episode 108: Dr. Römer und der Mann des Jahres (Theodor Grädler, 1983)

Ein Wissenschaftler wird in seinem abgesicherten Labor erschossen. Zeugen erklären, dass der Mann, den sie kurz zuvor in das Gebäude hatten gehen sehen, der ehemalige Mitarbeiter Dr. Römer (Erich Hallhuber) war, der drei Monate zuvor in der Nervenheilanstalt von Prof. Rotheim (Ernst Schröder) verstorben ist. Bei seinen Ermittlungen findet Derrick heraus, dass Römers Arbeitgeber an der Herstellung künstlicher Intelligenz arbeitet und Römer – wie auch sein Arzt Rotheim – der Meinung waren, die Erfindung stürze die Menschheit in den Untergang …

Theodor Grädler ist für mich ja der heimliche Held von DERRICK. Haugk, Brynych oder auch Vohrer mögen die größeren Einzelepisoden hervorgebracht haben, aber Grädler ist wohl derjenige, der den Ton der Serie nicht nur am verlässlichsten trifft, sondern ihn durch bloße Beharrlichkeit und Beständigkeit auch ganz entschieden geprägt hat. „Dr. Römer und der Mann des Jahres“ ist ein gutes Beispiel. Die Episode ist ein bisschen tranig, konzeptschwer und sperrig, dabei aber immer auch wieder seltsam trashig und pulpig: Der Computerraum, in dem der initiale Mord verübt wird, würde jedem Jess-Franco- oder David-DeCoteau-Film zur Ehre gereichen. Und das Ende knallt einem mit seinem Retrofuturismus, der philosophischen Message und den programmatisch stummen Credits voll in die Fresse. DERRICK ist unverkennbar ein Kind der plüschig-muffigen Siebziger, reckt sich von seinem grünbraunen Ohrensessel immer wieder ambitioniert nach den unerreichbaren Klassikern der linken Kulturrezeption, nur um auf halbem Weg an der Gesamtausgabe von Heinrich Böll hängenzubleiben, nachdem es sich am Hirschgeweih den Kopf gestoßen hat. Dass ungefähr zur selben Zeit, ein paar Tausend Kilometer weiter westlich, eine Serie wie MIAMI VICE entstand, kann man kaum glauben, wenn man sich das hier zu Gemüte führt. Grädlers „Dr. Römer und der Mann des Jahres“ wirkt wie aus einer anderen Galaxie. (Schon allein der Titel!) Toll.

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Episode 109: Das Mädchen in Jeans (Theodor Grädler, 1984)

Alwin Hauff wird in seiner Wohnung vergiftet aufgefunden. Offensichtlich hatte jemand ein paar präparierte Pralinen in seiner Wohnung hinterlassen, die den Aussagen von Nachbar Martin (Otto Bolesch) zufolge immer offenstand. Als sich herausstellt, dass Alwins Schwester und Mitbewohnerin Rita (Anja Jaenicke) ein Verhältnis mit dem viele Jahre älteren, beruflich erfolgreichen und gesellschaftlich hoch gestellten Wissenschaftler Prof. Joachim von Haidersfeld (Herbert Fleischmann) hatte, vermutet er, dass die Pralinen nicht für den Bruder gedacht waren …

Die Besetzung von Anja Jaenicke in der Rolle Ritas darf man wohl „kongenial“ nennen: Es tut mir schrecklich leid für die Schauspielerin, aber ich kann ihre Fresse einfach nicht ertragen. Schon damals bei DIESE DROMBUSCHS ging sie mir als „Yvonnche“ massiv auf die Nerven mit ihrer ständig Bocklosigkeit zum Ausdruck bringenden Visage. Die Verachtung, die sie vonseiten der Frauen um den Professor – seiner Gattin (Elisabeth Müller), seiner Mutter (Alice Treff) und seiner Haushälterin (Anaid Iplicjian) – auf sich zieht, kann ich demnach nur zu gut nachvollziehen. Die Beziehung zwischen ihr und Fleischmann wirkt einfach lächerlich. Aber das ist wohl auch der Sinn der Sache: Man soll das nicht verstehen, lediglich die Tatsache akzeptieren, dass so etwas passieren kann. Und versuchen, die Sehnsucht nachzuvollziehen, die ein Mann des Geistes und der Hochkultur nach einem Menschen entwickelt, der mit viel basaleren Bedürfnissen beschäftigt, weniger in gesellschaftliche Zwänge und überkandidelte Bräuche involviert ist. Bei der Zeichnung des Haiderfeld’schen Haushalts ist Reinecker voll in seinem Element, lässt Alice Treff über „das, was man heute so Musik nennt“ geifern und die hüftsteifen Würdenträger zu einem im heimischen Salon veranstalteten Streicherkonzert auflaufen. Wie sich die feinen Herrschaften da anmaßen, über einfache Leute zu urteilen, lässt einem den Kopf schon rot anlaufen, aber ein bisschen mehr Geschmack hätte der Haiderfeld durchaus an den Tag legen dürfen.

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Episode 110: Die Verführung (Helmuth Ashley, 1984)

Der Schüler Erich Wobeck (Hans-Jürgen Schatz) macht die Bekanntschaft von Knut (Helmut Dauner), der den jungen Mann in seine Clique einführt. Man weiß früh, dass sie einen bösen Plan verfolgen und so kommt es dann auch: Willi (Werner Stocker) überredet Erich, ihm bei einem Einbruch zu helfen. Erich willigt ein, nur um wenig später als Einbrecher und Mörder verhaftet zu werden. Sein Vater (Gert Günther Hoffmann), selbst Polizist, ist entsetzt – und bittet Derrick um Hilfe. Der muss aber zur Kenntnis nehmen, das zwei Männer Willi ein Alibi für die Tatzeit geben. Einer von ihnen ist Karl Georg Zander (Karl Obermayr), den Wobeck vor Jahren ins Gefängnis gebracht hatte …

Die Folge von Ashley kehrt strukturell in die Anfangszeiten der Serie zurück, was bedeutet, dass es ziemlich lang dauert, bis Derrick auftritt. Bis dahin folgt der Zuschauer dem naiven Erich, der keine Freunde hat und auf die Zuwendung vom coolen Knut und seinen noch cooleren Kumpels entsprechend anspringt. Hans-Jürgen Schatz, der wenig später als Karteikarten pflegender Kollege Fabers in DER FAHNDER bekannt werden sollte, ist auch ohne Brille die Idealbesetzung für den blässlich-uncoolen Typen, der auf die Manipulationen der Übeltäter gnadenlos hereinfällt. Besonders schön an dem Anfangsdrittel sind die Nachtszenen in München, vor allem eine Motorradfahrt durch die beleuchteten Straßen hat mir gut gefallen. Der anschließende Fall ist dann weniger knifflig, als es zunächst den Anschein hat, weil Derrick auf den ersten Blick sieht, dass Erich weder ein Einbrecher noch ein Mörder ist. Dass es trotzdem nicht langweilig wird, liegt vor allem an Karl Obermayr, dessen Zander einer jener Schurken ist, die man mit Begeisterung hassen kann. Seine ätzende Schadenfreude, die Herablassung für Wobeck und die Arroganz, mit der er seinen vorübergehenden Triumph auskostet wird durch seinen zumindest für Preußen wie mich unerträglichen Dialekt noch gehörig verstärkt. Was für ein Arschloch!

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Episode 111: Manuels Pflegerin (Helmuth Ashley, 1984)

Der München-Reisende Dr. Masilke (Alf Pankarter) wird in seinem Hotel erschossen. Sein Freund, der Bauunternehmer Dr. Wolfgang Rohm (Herbert Fleischmann), steht vor einem Rätsel, hatte sich Masilke doch schon vor Jahren aus allen Geschäften zurückgezogen, nachdem er sich wegen der Industriespionage seiner damaligen Sekretärin verantworten musste. Zeitgleich bändelt Rohms jüngerer, querschnittsgelähmter Bruder Manuel (Sascha Hehn) mit seiner neuen Pflegerin Ingrid (Susanne Uhlen) an …

Ach, herrje. Ich habe ja durchaus ein Faible für den Schmierschmalz, der in DERRICK mitunter zelebriert wird. Wenn Hehns Manuel seine Ingrid in der schwerfälligen Reinecker’schen Prosa anschmachtet und dazu tiefmelancholische Klaviermusik ertönt, übt das durchaus einen gewissen perversen Reiz auf mich aus, aber Ashley versäumt es mit „Manuels Pflegerin“ leider, den passenden Kontrapunkt zu solch fragwürdiger Romantik zu finden. Dass der ganze Kriminalfall irgendwie holprig konstruiert und insgesamt unglaubwürdig ist, hilft auch nicht gerade.

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Episode 112: Drei atemlose Tage (Alfred Vohrer, 1984)

Die beiden arbeitslosen Kumpel Harald (Ekkehardt Belle) und Karl (Stefan Flemming) vertreiben sich ihre Tage mit postpubertärem Gehabe, das die Grenzen dessen, was man Sympathieträgern noch nachsieht, auch schon einmal überschreitet. Als sie ein Auto klauen, in dessen Kofferraum sich Heroin befindet, will Karl es zurückgeben. Doch von dem Treffen mit den Verbrechern kommt er nicht mehr zurück. Harald verschweigt gegenüber Derrick, was er weiß, denn er will den mutmaßlichen Täter Jablonski (Sky DuMont) selbst zur Strecke bringen.

Ekkehardt Belle hat sich endlich einen menschenwürdigen Haarschnitt zugelegt. Die geradezu väterliche Zuneigung, die ihm Derrick entgegenbringt, macht die Folge sehr warm und menschlich, auch wenn Harald und Karl diese Sympathie aus heutiger Sicht nicht unbedingt rechtfertigen. Beide sind zwar keine schlechten Menschen, aber ihr Halbstarkengetue und das, was sie als „Dampfablassen“ bezeichnen, würde heute sicherlich auf nicht mehr ganz so viel Nachsicht und Verständnis stoßen. Trotzdem: Die Szenen, in denen sich Derrick das Vertrauen des jungen Mannes förmlich erkämpft, sind sehr schön, und wenn er Harald am Ende in letzter Sekunde noch vor den Schurken retten kann, zugibt, sich Sorgen um ihn gemacht zu haben, offenbaren sich ganz neue Seiten an Derrick. Es hätte mich nicht gewundert, wenn er Harald anschließend adoptiert hätte. Ute Willing ist auch wieder dabei und sieht erneut fantastisch aus, Sky DuMont ist hingegen mal wieder ein bisschen verschenkt – sieht aber auch fantastisch aus.

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Episode 113: Tödlicher Ausweg (Alfred Vohrer, 1984)

Sehr zum Missfallen seiner Familie – Gattin Antonia (Reinhild Solf) und Sohn Rudolf (Pierre Franckh) – will Günter Hauser (Udo Vioff) die viele Jahre jüngere Hanna (Olivia Pascal) heiraten. Doch dann wird das Mädchen ermordet und der wie gelähmte Hauser kehrt zu seiner Familie zurück. Der Mordverdacht fällt zunächst auf den exaltierten Rudolf, einen Kindergärtner, der sehr genaue Vorstellungen davon hat, was richtig und falsch ist …

Olivia Pascal ist leider schon tot, bevor sie einen wirklich bleibenden Eindruck hinterlassen kann. Immerhin gibt es eine Aerobicszene mit ihr. Ansonsten gehört diese Folge ganz Pierre Franck, dem DERRICK-Veteran. Ein bisschen unheimlich ist er ja immer, aber hier wird das ihm inhärente Psychopotenzial erstmals voll ausgeschöpft. Wenn er da über die Erziehung von Kindergartenkindern schwadroniert, seinen Beruf offensichtlich nicht nur mit großer Inbrunst ausübt, sondern eine echte Lebensphilosophie darauf aufbaut, sieht man schon den kommenden Serienmörder vor sich. Natürlich ist er dann doch nicht der Täter. Die Episode bietet nicht allzu viele Überraschungen, aber diese Folgen, in denen sich der ganz normale Horror in den vermeintlich vornehmen Familien entbirgt, zählen mit zu meinen liebsten. Das ist eine davon.

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Episode 114: Keine schöne Fahrt nach Rom (Alfred Weidenmann, 1984)

Martin Maurus (Thomas Schücke) will gemeinsam mit seiner Freundin Sabine (Beate Finckh) per Anhalter nach Rom fahren. Sie endet allein in einem Lkw, Martin versucht ihn mithilfe eines vorbeikommenden Autofahrers Henschel (Heinz Reincke) zu stoppen, doch der Mann bekommt kalte Füße und wirft den jungen Mann raus. Wenig später findet man die Leiche von Sabine, der Lkw, in dem sie mitfuhr, stellt sich als gestohlen heraus. Derrick glaubt, dass der Mann, der Martin mitnahm, möglicherweise mit den Lkw-Dieben unter einer Decke gesteckt haben könnte.

Hier bekommt Thomas Schücke, der schon ein paarmal mit von der Partie war, viel Raum. Und wie er da vor sich hin brütet, man lange Zeit nicht so genau weiß, was er eigentlich im Schilde führt, prägt die Folge von Weidenmann, der es leider gegen Ende ein bisschen versäumt, noch eine Schippe draufzulegen. Aber das ist ja auch nichts Neues bei DERRICK: So ’nen richtig geilen Showdown hatte die Serie bisher noch nicht in petto. Aber gut, Heinz Reincke mal als Bösewicht und Ulli Kinalzik als Mörder mit den Jeans in den Cowboystiefeln hat ja auch was.

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Episode 115: Ein Spiel mit dem Tod (Theodor Grädler, 1984)

Der alternde Safeknacker Kussloff (Horst Wessely) wird beim Einbruch in das Haus des Unternehmers Hossner vom Alarm überrascht, kann aber noch fliehen. Den Schreck erlebt er am nächsten Morgen, als er in der Zeitung lesen muss, dass er wegen Mordes gesucht wird: Der Hausbesitzer wurde tot vor dem offenen Safe gefunden. Für Derrick stimmt etwas nicht an der Geschichte, die ihm Hossners Gattin Agnes (Kristina Nel), sein Bruder Ulrich (Wolf Roth) und sein Angestellter Muschmann (Edwin Noel) erzählen. Dass ihn Kussloffs Tochter Lena (Verena Peter) aufsucht und die Unschuld ihres Vaters beteuert, der auf einen Tipp hin in Hossners Haus einstieg, passt da gut ins Bild …

Gute Durchschnittsepisode, die meines Erachtens besser geworden wäre, wenn Wessely als alter Gewohnheitsverbrecher, der keine Hoffnung auf ein normales Leben sieht, noch länger hätte mitmachen dürfen. Die Hossners sind wieder eine dieser durch und durch verkommenen Unternehmerfamilien, in denen jeder zu allem fähig scheint, aber alle es perfekt verstehen, nach außen den schönen Schein zu wahren. Wolf Roth trägt Halstücher unter dem Hemd und hat einen mondänen Gehstock, weil er eine Beinprothese trägt.

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Episode 116: Ein Mörder zu wenig (Alfred Vohrer, 1984)

Walter Kramer (Wolfgang Wahl) fordert seinen Arbeitskollegen Alois Bracht (Dirk Dautzenberg) dazu auf, einen Lottoschein auszufüllen. Die Freude bei Bracht ist grenzenlos, als er feststellt, tatsächlich sechs Richtige getippt zu haben. Doch Kramer, der den Schein unter seinem Namen eingereicht hat, denkt gar nicht daran, den Freund zu beteiligen. Ist seine folgende Ermordung die Strafe für den Betrug? Oder hat doch Kramers scheidungswillige Gattin (Karin Baal) etwas damit zu tun?

Die Folge gefällt, weil die Ausgangssituation wirklich schmerzhaft gemein ist: Dautzenberg ist genau der richtige Typ, um ihm einen Millionengewinn auf diese Art und Weise vorzuenthalten. Die Folge ist lange Zeit spannend, weil es wirklich gelingt, mehrere Figuren verdächtig erscheinen zu lassen. Karin Baal, Dautzenberg und der ewige Loser Volker Eckstein: Jedem traut man den Mord zu. Dass dann doch noch ein anderer Täter aus dem Hut gezaubert wird, ist eigentlich schon ein bisschen zu viel des Guten.

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Episode 117: Angriff aus dem Dunkel (Jürgen Goslar, 1984)

Nach einer Reihe mysteriöser Anrufe trifft der Mordanschlag nicht Ute Reiners (Birgit Doll), sondern deren Freundin. Die junge, elterlose Frau ist völlig fassungslos: Wer könnte ihr etwas antun wollen? Ein Telegramm, mit dem sie aufgefordert wird, einen ihr völlig unbekannten sterbenden Mann im Krankenhaus zu besuchen, macht die Sache nur noch rätselhafter …

Gute Folge, die lange im Dunkeln lässt, worin die Verbindung zwischen der jungen Frau und dem Mann im Krankenhaus eigentlich besteht. Als das dann offengelegt wird, wird’s ein bisschen herkömmlich, aber es reicht immer noch für eine überdurchschnittliche Episode.

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Episode 118: Ende einer Sehnsucht (Michael Braun, 1984)

In einem Hotelzimmer wird ein junger Mann tot von einem von Derricks Kollegen Merck (Robert Kappen) aufgefunden. Bei dem Toten handelt es sich um einen ehemaligen Freund von Mercks Tochter Irene (Marion Martienzen). Die beiden waren unzertrennlich, zusammen auf der Suche nach spiritueller Erfüllung um die Welt gereist und hatten dabei wohl auch mit Drogen experimentiert …

Die Sichtung dieser Folge liegt mittlerweile Monate zurück und ich kann mich nur noch sehr dunkel an sie erinnern. Herausragend ist in jedem Fall der Auftritt eines Gitarristen, der aussieht, als sei er in eine Kiste mit den schlimmsten Klamotten der Achtziger gefallen.

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Episode 119: Gangster haben andere Spielregeln (Alfred Vohrer, 1984)

Ein Student (Jan Niklas) lässt sich von einem ehemaligen Arbeitskollegen, dem wankelmütigen Dr. Blunk (Klausjürgen Wussow), zu einem Einbruch in die Wohnung von Dr. Balthaus (Hans Korte) überreden, um dort wertvolle Unterlagen zu stehlen. Erst wird er von Balthaus‘ Gattin Ruth (Evelyn Opela) erwischt, wenig später ist er tot …

In Erinnerung geblieben ist mir Wussow, der sich als Blunk beim Besuch von Derrick erst mal ganz unverdächtig einen steifen Drink eingießt. Derricks Frage, ob Blunk Alkoholiker sei, ist angesichts der Anzahl von Cognacs, Whiskeys und Weißbieren, die der Oberinspektor in den zehn Jahren seiner Fernsehtätigkeit im Dienst verköstigt hat, ziemlich unverschämt und lässt Blunk dann auch prompt aus der Haut fahren: Da steht jemand gehörig unter Stress. Schön ist auch die dysfunktionale Ehe zwischen Balthaus und seiner Frau: Als sie ihm den Scheidungswunsch serviert, mahnt er sie dazu, noch einmal gut darüber nachzudenken, was sie alles verlieren werde. Dann dreht er sich um und verlässt den Raum.

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Episode 120: Das seltsame Leben des Herrn Richter (Theodor Grädler, 1984)

Der Versicherungsvertreter Richter (Klaus Behrendt) wird während eines Treffens mit seinem Sohn (Edwin Noel) im Park von einem Unbekannten erschossen. Es stellt sich heraus, dass der brave Richter ein Doppelleben in Saus und Braus führte: Er verdiente sich etwas zu seinem kargen Gehalt, indem er einen Einbrecherring über die versicherten Vermögen informierte …

Interessante Episode, weil die Idee des Doppellebens mal was Neues ist und Jürgen Behrendt der richtige Darsteller dafür: Er ist genau der Typ Biedermann, dem man so etwas nie zutrauen würde und der genau deshalb damit Erfolg hat. Klaus Höhne und Peter Bertram sind die Schurken.

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Episode 121: Der Klassenbeste (Theodor Grädler, 1984)

Wolfgang Anders (Ralf Schermuly) verursacht auf dem Heimweg von seinem Klassentreffen einen Unfall mit Todesfolge. Zwei Anhalterinnen (Helga Anders & Anne Bennent) helfen ihm, die Spuren zu tilgen und überreden ihn zur Fahrerflucht: Später erpressen sie ihn und nisten sich bei ihm in der Wohnung ein …

Sehr stressige Folge, weil man dem braven Anders ständig zurufen möchte, dass er sich doch gegen das böse Spiel der beiden Mädels – zu denen auch noch die passenden Typen aus dem Milieu gehören – wehren möge. Aber er ist natürlich viel zu schwach, um sich durchzusetzen. Der schlimmste Moment ist sicher der, als er seiner Verlobten verzweifelt versucht zu erklären, warum da zwei halbnackte Frauen in seiner Wohnung hausen.

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Episode 122: Stellen Sie sich vor, man hat Dr. Prestel erschossen (Zbynek Brynych, 1984)

Der Staatsanwalt Prestel (Peer Augustinski) wird vor seiner Wohnung aus einem Auto erschossen. Er war in Begleitung von Dora Kolberg (Ursula Lingen), der Ehefrau des gehbehinderten Verlegers Alexander Kolberg (Armin Müller-Stahl). Der Anwalt hatte auch im Fall Kolbergs die Verhandlungen geführt und ihm darüber die Frau ausgespannt. Ein Motiv gibt es, aber Kolberg ist unfähig ein Fahrzeug zu führen …

Diese Folge habe ich unter denkbar ungünstigen Umständen in mehreren Etappen gesehen und kann deswegen kein verlässliches Urteil abgeben. Richtig umgehauen hat sie mich nicht, aber vielleicht ändert sich das bei einer zweiten Sichtung.

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Episode 123: Der Mann aus Antibes (Jürgen Goslar, 1984)

Eine junge Frau (Irina Wanka) wird erstochen. Die Spur führt zu ihrem Geliebten Limbach (Sky DuMont), einem schmierigen Filou, der die Frauen wechselt wie andere die Unterwäsche und keinerlei Mitgefühl angesichts der Todesnachricht zeigt. Wenig später taucht mit Bondeck (Christian Kohlund) ein zweiter Ex-Geliebter der Toten auf: Er ist der festen Überzeugung, dass Limbach der Mörder ist und will Derrick helfen, ihn dingfest zu machen.

Sky DuMont ist alles in dieser Folge: Limbachs Wohnung ein Albtraum neureicher Geschmacksverirrung, er selbst das Paradebeispiel eines selbstverliebten Lackaffen. Bondeck ist demgegenüber der Kumpeltyp in Turnschuhen, ein echter Mann, der im Einklang mit seinen Gefühlen ist und deshalb natürlich die Sympathien auf seiner Seite hat. Man ahnt allein aufgrund dieser Konstellation, dass Limbach nicht der Mörder sein kann, aber die Episode ist trotzdem ganz gut.

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Episode 124: Gregs Trompete (Jürgen Goslar, 1984)

Der Musikstudent Joachim Lutze (Ekkehardt Belle) kommt an einem Unfallort vorbei und nimmt das Opfer, eine junge Frau, mit ins Krankenhaus. Sie überantwortet ihm eine Tasche und bittet ihn, diese bei einem Herrn Berkhahn (Karl Renar) abzugeben, was Lutze auch tut. Als er das Unfallopfer, das er im Nachhinein als die Musikerin Susanne Loon identifiziert, im Krankenhaus besuchen will, erfährt er von Oberinspektor Derrick, das sie tot ist. Offensichtlich war Loon in Drogengeschäfte involviert …

Wie immer, wenn sich Drehbuchautor Reinecker mit Popmusik auseinandersetzt, wird es seltsam. Susanne Loon soll wohl eine Art Popstar sein, aber die Musik, die man von ihr hört, ist dann eher was für angegraute Musikexpress-Leser. Auf einem Plattencover, das in die Kamera gehalten wird, steht außerdem groß drauf, dass „Greg Norman“ die Trompete spielt, als könne man mit einem solchen Hinweis anno 1984 die Kids ködern. Naja. Pierre Franckh taucht auch wieder mal auf, genauso wie Wolfgang Müller, beide als Muckerkumpels besagten Gregs (Dieter Schidor), der als Heroinsüchtiger nichts anderes tut, als schwitzend in der Ecke einer gammeligen Bude zu sitzen. Der Schurke ist Sieghardt Rupp und die ganze Folge kommt trotz netter Einfälle nicht über Durchschnitt hinaus.

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Episode 125: Raskos Kinder (Theodor Grädler, 1984)

Michael (Volker Eckstein) und Anja Rasko (Anja Jaenicke) überreden den Kriminellen Alwin Docker (Peter Kuiper) zu einem Überfall auf einen Geldboten. Das pikante Detail: Der Geldbote ist ihr Vater (Peter Ehrlich), der dann auch prompt sein Leben lässt, als er sich gegen Docker zur Wehr setzt. Wenig später ist auch Docker tot, erschossen in seinem Motel, dass er zusammen mit seiner Geliebten Evelyn (Lisa Kreuzer) und dem Portier Kurt (Andreas Seyferth) führt …

Peter Ehrlich, die deutsche Antwort auf Ed Lauter, ist für mich das Highlight dieser schönen Folge. Wie er seinen beiden aus der Art geschlagenen Kindern versucht gut zuzureden, dass sie etwas machen sollen aus ihrem Leben, anstatt darauf zu hoffen, dass ihnen das große Geld in den Schoß fällt, ist sehr schön, genauso wie seine Unfähigkeit, ihnen ihre Faulheit wirklich übel zu nehmen. Peter Kuiper, sonst immer der Gewaltverbrecher, mit dem man sich bloß nicht anlegen sollte, darf hier einmal Schwäche zeigen: Sehr toll, wie ihn plötzlich die Angst überkommt, dass die beiden Amateure, mit denen er sich da eingelassen hat, ihn verpfeifen könnten. Und Eckstein und Jaenicke sind natürlich auch perfekt als verwöhnte, naive, letztlich furchtbar rückgratlose Jammerlappen.

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Episode 126: Toter Goldfisch (Zbynek Brynych, 1984)

Roland Marks (Hans Georg Panczak) und sein Geliebter Andreas Hessler (Gerd Böckmann) leisten sich ihren Lebensstil, indem ersterer sich auf die Annoncen älterer, wohlhabender Frauen meldet und diese dann nach Strich und Faden ausnimmt. Sein letztes Opfer hat sich daraufhin umgebracht, ein Umstand, der den mit Selbstmorden betrauten Lapper (Robert Naegele) zu Derrick führt, dem der weinerliche, lappenhafte Kollege zuwider ist. Marks hat indessen das nächste Opfer ins Auge gefasst: Julia Stettner (Elisabeth Wiedermann), die dem Charme des Studenten nach anfänglicher Skepsis und trotz Intervention ihres Sohnes Ingo (Thomas Astan) erliegt. Als Marks sie eines Abends in seine Wohnung bringt, liegt sein Freund Andreas tot auf dem Boden: Er ist durch die Tür erschossen worden …

Mal wieder ein echtes Meisterwerk von Brynych. „Toter Goldfisch“ hat alles, was eine DERRICK-Episode braucht: einen ultrakitschigen Titelsong von Frank Duvall, einige sehr bizarre Szenen sowie Darsteller, die am Rande des Nervenzusammenbruchs agieren. Panczak verbringt die letzten zehn Minuten im Zustand tränengeschüttelter Auflösung, Naegele entlockt mit seiner psychotisch-schlappschwänzigen Art einen Ausdruck des Ekels und des Widerwillens auf Derricks Gesicht, der absolut einmalig ist. Außerdem toll: Wie sich Derrick in der Kantine Maggi auf seine Semmel träufelt.

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