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wörthersee und exploitation

Veröffentlicht: Dezember 28, 2017 in Film, Zum Lesen
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„Wörthersee & Exploitation“: Bei Schwerenötern, Leichtfüßern, Kurschatten aus Bad Spenzer und natürlich Lesern meines Blogs schrillen hier alle Alarmglocken. Tatsächlich schließt Band 2 der vom Filmarchiv Austria herausgegebenen Reihe „Film Geschichte Österreich“ mit dem Werk über die LISA-Film eine bislang schmerzhaft klaffende Lücke. In dem reich bebilderten Buch gibt es u. a. einen ausführlichen Aufsatz über die Geschichte der deutsch-österreichischen Produktionsfirma, eine komplette LISA-Filmografie – und drei Texte von mir zu ausgesuchten Schönheiten des Schaffens der findigen Filmschmiede (oder doch eher „schmierigen Filmfinde“?). Verantwortlich für die Schönheit ist der liebe Florian Widegger aus Wien, Besuchern des ofbauer-Kongresses vertraut als Adrian Hoven der Cinephilie. Das 100 Seiten starke Buch kann und sollte man hier bestellen: http://filmarchiv.at/produkt/woerthersee-exploitation/ Bei einem Preis von schlappen 9,90 Euro kann man nun wirklich nichts falsch machen. Das gibt’s nur einmal, das kommt nicht wieder!

dienacktegraefin4Als die eben der Minderjährigkeit entwachsene, aber den ganzen Film über als ebenso orientierungs- wie zügellos gezeichnete junge Gattin des perversen Graf Anatol (Wolfgang Lukschy), die titelgebende „nackte Gräfin“ Verena (Ursula Blauth), am Ende endlich mit einem gleichberechtigten und gleichaltrigen Partner im Bett gelandet ist, einem, der sie nicht für irgendwelche manipulativen Sexspielchen benutzt, dem braven Kfz-Mechaniker Toni (Gunther Möhner), greift der nach einem Metalldöschen neben dem Bett. „Nicht,“, sagt die Schöne mit plötzlich ganz ernstem, besorgtem Tonfall, um bedeutungsschwer anzufügen: „Das ist Hasch.“ Er, ganz entspannt im Hier und Jetzt, den süßen Geschmack von Sex inklusive Ehebruch und also „Sünde“ genießend, antwortet nur etwas gleichgültig: „Na und? Ist doch OK.“, woraufhin sie, berührt von einer neuen Ernsthaftigkeit, wie sie eindeutiges Symptom der wahren Liebe sein muss, entgegnet: „Ich will das nicht.“ Der Kontrast zwischen dem Wörtchen „Hasch“, das so klingt, als sei in ihm alles Übel der Welt geronnen, von dem man weit, weit Abstand halten sollte, und seiner inhärenten Verlockung, das Wechselspiel von push and pull also, ist charakteristisch für den „aufklärerischen“ Sexfilm, wie er im Zuge des SCHULMÄDCHEN-REPORT populär wurde, und somit auch für Kurt Nachmann DIE NACKTE GRÄFIN, der sich aber stilistisch vom Gros des Genres deutlich unterscheidet.

Der Film beginnt mit dem Bild eines unterhalb einer Marienfigur am Abhang einer Böschung liegenden Sportwagens, an dessen Steuer ein Toter liegt, eben jener Kfz-Mechaniker Toni, den nicht die eigenen Fahrkünste, sondern eine Kugel aus dem Leben gerissen hat. Kommissar Gabriel (Kurt Nachmann), der die Ermittlungen leitet, landet schnell auf dem Anwesen des Grafen, dem der Sportwagen gehörte: In den psychedelisch eingerichteten Räumen seines Hauses, deren Zentrum ein Triptychon von Hieronymus Bosch bildet – Nachtigall, ick hör dir trapsen -, findet gerade ein Get-together lauter verkommener Bonzen statt, das ganz gewiss einer entfesselten Orgie vorausgeht. In der eifersüchtigen Hausdienerin und dem angewiderten Butler findet der Kriminalbeamte zwei redselige Zeugen, die ihm die einzelnen Episödchen, aus denen der Film montiert ist, diktieren. Da ehelicht der Graf nach dem Tod seiner ersten Frau ein einfaches Bauernmädchen, von dem der ganze Ort weiß, dass sie „gut zu bumsen“ ist, macht er sich im Folgenden einen Spaß daraus, sie seinem erweiterten Freundeskreis anzudienen – gegen Bezahlung natürlich – und sie in zahlreiche seltsame Spielchen zu verwickeln, an denen er stumm mit Fotoapparat und Filmkamera teilnimmt. Einmal zieht er eine Glasscheibe im Schlafzimmer ein, lässt sie auf der einen Seite ein nacktes Tänzchen aufführen, während die Handwerker auf der anderen mit ans Glas gedrücktem Gemächt um ihre Gunst buhlen, ein andermal müssen sich drei arme Trottel (unter ihnen Michel Jacot) durch einen Raum voller Luftballons kämpfen, um als erste zu ihr zu gelangen.

In Szene gesetzt ist das unter großzügiger Zuhilfenahme von Weitwinkelobjektiv und mit zahlreichen Montagesequenzen aus collagenartig zusammengesetzten, oft ans surreale grenzenden Bildern, die in aufdringlichem Symbolismus Gedanken und vergangene Ereignisse repräsentieren oder auch einfach nur mitteilen, wie man das Gezeigte gefälligst einzuordnen hat. Heute (bzw. bis vor ca. zehn Jahren) würde man wohl von Videoclipstil sprechen, damals war das stilistische Vorbild wahrscheinlich eher in den sich im Umfeld von linker Studentenbewegung und Hippiekultur entwickelnden Kunstrichtungen zu suchen, die – ich versteige mich mit Blick auf des Regisseurs sonstiges Schaffen zwischen Heimatfilm und Schlagerkomödie zu dieser Aussage – Nachmann wahrscheinlich eher nicht verstand. Der von ihm verkörperte Gabriel versteht auch nicht viel, was ihn aber nicht daran hindert, am Ende trotzdem ein sehr eindeutiges Urteil über die Sexsüchtigen um den Grafen Anatol zu fällen. „Sie bestrafen sich selbst“, ist alles, was der wie sieben Tage Regenwetter dreinguckende Lustfeind zu sagen weiß.

Na gut, Anatol und seine ekelhafte Bonzenschar – ihre Party wird von einem klagenden Schlager über die sieben Todsünden untermalt – sind tatsächlich nicht satisfaktionsfähig. Lukschy gibt sich alle Mühe, den alternden Grafen als mephistophelischen Versucher zu zeichnen, der die arme, beeinflussbare Verena ins Unglück geführt hat, aber es ist ja nicht die chauvinistische Unterwerfung der Frau, die ins Fadenkreuz der Kritik gerät, sondern die Freude an Sex und Ausschweifung generell. Das urtümliche eichenholzige Wirtshaus, wo zu Beginn der tote Toni aufgebahrt liegt, wird in deutlichem Kontrast zur New-Age-Abscheulichkeit von Anatols Lustschloss inszeniert: Es ist der Ort, an dem sich Nachmann/Gabriel sichtlich wohlfühlen, ein Ort voller ehrlicher Einfach- und Bescheidenheit, ein Ort, an dem nicht der Schein das Sein überlagert, ein Ort, wo alte Werte und Überzeugungen gehegt und gepflegt werden, man sich sicher sein kann, sein Bier nicht mit einem Hasch rauchenden Sex- und Geldprotz trinken zu müssen, dessen schädlicher Einfluss einen womöglich mit in den Höllenschlund zerrt. Aber diese Spießigkeit ist natürlich voll im Rahmen des deutschen Sexfilms jener Zeit und mithin kein Argument gegen DIE NACKTE GRÄFIN. Im Gegenteil: In seinem Stilwillen ist er schon ziemlich bemerkenswert. Und darüber hinaus toll anzuschauen.

Meiner Erfahrung nach kann Jess Franco eines nicht: Formelkino. Das hatte sich zuletzt bei meiner Sichtung von MONDO CANNIBALE gezeigt, der das Desinteresse seines Regisseurs an den blutigen Schweinereien, die die unique selling proposition des Kannibalenfilms sind, nicht verhehlen konnte, und das zeigt sich auch in DIE SÄGE DES TODES, Francos Ausflug in das 1981 noch in voller Blüte stehenden Slasherkino. Zwar meidet der Film die Niederungen des vorgenannten Rohrkrepierers, darf durchaus als „sauber inszeniert“ bezeichnet werden, doch echter Thrill will auch hier nicht aufkommen. Man muss zu Francos Eherenttung sagen, dass sich europäische Filmemacher mit der US-amerikanischen Erfindung des Slasherfilms generell etwas schwertaten (jedenfalls kann ich mich spontan an keinen einzigen wirklich gelungenen Euroslasher erinnern): Die seinen Vertretern inhaltlich zugrundeliegenden gesellschaftlichen Eigenheiten ließen sich nur schlecht oder gar nicht auf europäische Verhältnisse übertragen und auch das dem Horrorfilm zugeneigte Publikum scheint mir in unseren Breiten ein anderes. Die jugendliche Begeisterung für Scare Flicks, in denen man seine Angebtete in den Arm nimmt (oder sich von seinem Angebeteten in den Arm nehmen lässt) ist in meinen Augen jedenfalls eine US-amerikanische Institution. Das ist zugegeben nur eine Theorie von mir, die ich nicht wirklich mit belastbarem empirischem Datenmaterial untermauern kann, aber sie könnte erklären,warum FRIDAY THE 13TH in Deutschland gerade mal eine knappe halbe Million Zuschauer ins Kino lockte, während ihn sich in den USA fast 15 Millionen Menschen reinpfiffen (die Zahl habe ich aus dem Box Office Gross und dem durchschnittlichen Ticketpreis des Jahres 1980 errechnet). Übertragen auf DIE SÄGE DES TODES bedeutet das, dass man es hier mit einem der Struktur nach auf ein jugendliches Publikum zugeschnittenen Film zu tun hat, der aber nie ein echtes Gespür dafür entwickelt, was dieses Publikum eigentlich ausmacht. Zumindest in der englisch synchronisierten Fassung ist die Diskrepanz frappierend.

Die austauschbare Story handelt von der Mordserie an einer Mädchenschule in Spanien, auf die auch die schöne Angela (Olivia Pascal) besucht. Als Hauptverdächtiger kommt der unter einem besonders hartnäckigen Fall von halbseitiger Kuhfladen-Akne leidende Bruder der Schulleiterin in Frage, der bereits vor Jahren einmal ein Mädchen in einem fehlgeleiteten Versuch des Liebesspiels erdolchte und mich irgendwie an den jungen Michel Houllebecq erinnerte. Er wird unter Vorbehalt des Arztes (Jess Franco) wieder auf die Menschheit losgelassen und taucht im Folgenden immer dann auf, wenn sich etwas zusammenbraut, schaut mit Vorliebe durchs Fenster der feschen Angie, und – der Kenner weiß es sofort – scheidet allein aufgrund dieser Offensichtlichkeit schon als möglicher Täter aus. Otto W. Retzer, der als geistig minderbemittelter Hausmeister ebenfalls den Mädel hinterhergeiert ebenso, weil er einfach zu unbedeutend ist. Aber da gibt es ja noch einen Erbschaftsstreit zwischen der Schulleiterin und ihrer alten, im Rollstuhl sitzenden Tante, der das ausladende Haus und Grundstück gehört …

Wie seine US-Vorbilder wird auch DIE SÄGE DES TODES durch allerhand banales Zeug auf Länge gebracht, bevor immer dann, wenn man wegzupennen droht, ein fieser Mord an einer der nur zu diesem Zweck ins Drehbuch geschriebenen Nebenfiguren eingestreut wird. Dem piece de resistance in dieser Hinsicht verdankt der Film dann auch seinen Titel, aber was vor 35 Jahren bei Zartbesaiteten vielleicht noch für Entsetzen und spontanes Erbrechen gesorgt haben mag, sieht für den Splatterfilmerprobten von heute einfach nur reichlich unbeholfen und fadenscheinig aus. So schlafwandelt DIE SÄGE DES TODES überaus hölzern auf sein erwartbares Ende zu, mit seiner öligen Grundschmierigkeit in erster Linie die Fans des Eurosleaze ansprechend, die sich an der schmissigen Discomusik von Gerhard Heinz und Frank Duval, den Klamotten oder der liebgewonnenen Franco-Gewohnheit, auf alles ein paar Sekunden zu lang drauzuhalten, erfreuen. Es gibt durchaus ein paar gelungene Spannungsmomente, denen man ansieht, dass Franco eher zum klassischen Suspense-Thriller oder Mystery-Grusler tendierte und da mehr Erfolg gehabt hätte, aber sie werden durch das typische Teenie-Einerlei um Tanzparties, Liebesspiel und Herzschmerz vollkommen neutralisiert. Das größte Manko des Films ist sicherlich, dass man mit den Figuren rein gar nichts verbindet. Der Slasherfilm ist gewiss nicht mit einem Übermaß an unverwechselbaren Charakterköpfen gesegnet, aber in den USA versteht man sich einfach sehr gut darauf, eindimensionalen Pappcharakteren mit wenigen Pinselstrichen wenigstens Zweidimensionalität zu verleihen. Das bleibt hier völlig aus: Alle diese Mädels gleichen sich wie ein Ei dem anderen, sind oberflächlich, leer und leblos. So verflüchtigt sich dann auch jedes Interesse am eh vorhersehbaren Ausgang des Ganzen. Schade, denn es gibt wie gesagt ein paar hübsche Szenen: die Morddrohung auf einem Sprachtonband ragt als bizarrer Einfall heraus.

Was ich damit meinte, als ich SIggi Götz in meinem Text zu DREI SCHWEDINNEN IN OBERBAYERN als Philantropen zeichnete und ihn damit als humanistischen Gegenentwurf zu den deutschen Sexkomödien-Zynikern erklärte, kann sich zum Vergleich mal DREI SCHWEDINNEN AUF DER REEPERBAHN vom filmischen Gas-Wasser-Scheiße-Experten Walter Boos anschauen. Schon der Titel ist Ausdruck jenes merkantilen wolfzehhartwig’schen Übereifers, der es mit Ehrlichkeit und Redlichkeit nicht ganz so genau nimmt: Zwar wird die jugendliche Protagonistin Lil (Tanja Scholl) als gebürtige Schwedin ausgegeben, aber das war es auch schon mit dem Skandinavien-Bezug. Im Film besuchen drei stinknormale deutsche Internatsschülerinnen – und drei Internatsschüler – die Elbmetropole, um am Wochenende mal einen drauf zu machen. Lil erhofft sich, dort ihren Schwarm, den Erdkundelehrer Heilmann (Carlos Stafford), klarzumachen, Pit (Mick Werup) hingegen will sie selbst erobern und hofft ihr zuvorzukommen. Ihre beiden jeweiligen Anhängsel stromern indessen durch St. Pauli und suchen verzweifelt nach einer Gelegenheit, sich die Hörner abzustoßen – mit den in dieser Art von Film unvermeidlichen Folgen.

DREI SCHWEDINNEN AUF DER REEPERBAHN ist leidlich unterhaltsam, auch weil er es noch nicht einmal bis zur 80-Minuten-Marke schafft, aber nie auch nur einen Hauch originell oder annähernd witzig. Tobias Meister (damals dicklicher Depp in zahlreichen LISA-Filmen – u. a. DIE SCHULMÄDCHEN VOM TREFFPUNKT ZOO,  ZÄRTLICH, ABER FRECH WIE OSCAR oder EIN KAKTUS IST KEIN LUTSCHBONBON – heute Synchronsprecher von Tim Robbins) geht stets mit Enthusiasmus voran, kriegt aber immer einen auf den Deckel, vor allem von dem muskulösen Seemann, dem er in einem unlustigen Running Gag andauernd in die Quere kommt. Die beiden Mädels werden hingegen in einer Tittenbar abgezockt und ziehen dann für einen lüsternen Senator (Walter Kraus in einer LISA-Paraderolle) blank, um sich ein paar Scheinchen zu verdienen. Außerdem latscht dann noch ein schrulliges Schweizer Touristenpaar durch den Film, das mit „bewährtem“ Dialekt-Humor auftrumpft und im entscheidenden Moment tatkräftig eingreifen darf. Am Ende gibt es eine lustige Verwechslung, als Lils Edelnutten-Freundin Rita (Bea Fiedler) im Ganzkörper-Netzstrumpf bei einem braven Politikerpärchen aufläuft, während Heilmanns liebe Pädagogen-Freundin vom Senator und seiner geilen Alten im Haus nebenan zu einem flotten Dreier gezwungen wird. Pit schließt seine Lil in die Arme und die beiden Jungs erkennen, was für heiße Feger die beiden Mädels sind, nachdem diese sich mit geschmacklosem Nuttenfummel aus Ritas Kleiderschrank von hübschen Mädchen in aufgetakelte Schreckschrauben verwandelt haben. Das bizarrste Element sind aber sicherlich die Tagtraumsequenzen, in denen Lil mit ihrem Lehrer zwischen, sorry, Buschnegern im Lendenschurz in der afrikanischen Pampa herumtanzt: Der mehr als lose Bezug besteht darin, dass in Lils Erdkundeunterricht gerade Kenia durchgenommen wird, aber dass das offensichtlich schon den Dreh on location in Afrika rechtfertigte, verwundert dann doch. (Wäre es nicht günstiger gewesen, im Drehbuch einfach „Kenia“ durch „Helgoland“ zu ersetzen?) Selbst wenn man einräumt, dass diese Szenen den Schauwert des Films steigern und man damit im Trailer gut prahlen konnte: Welcher Zuschauer braucht in einen Film namens DREI SCHWEDINNEN AUF DER REEPERBAHN vollkommen sinnloses Afrika-Footage bzw. wer lässt sich davon ernstlich beeindrucken? Ich halte es für mehr als unwahrscheinlich, dass auch nur einer der Kinobesucher, die sich bemüßigt fühlten, anderen danach von ihrem Erlebnis zu berichten, zu Protokoll gab, wie „atemberaubend“ und „bereichernd“ die Aufnahmen aus Kenia waren. Ich hatte zuerst instinktiv vermutet, dass der findige Produzent Karl Spiehs hier einfach Material aus einem anderen Film zweckentfremdet hat, aber das kann nicht sein, denn weder Tanja Scholl noch Mick Werup standen je für ein weiteres LISA-Erzeugnis vor der Kamera. Es muss tasächlich so gewesen sein: Man verfrachtete die Crew für einige Drehtage nach Afrika, um dort die ca. vier Minuten Tagtraumsequenzen für DRE SCHWEDINNEN AUF DER REEPERBAHN zu drehen. Wahnsinn.

Das – und LIls scheußliche Walt-Disney-Jacke, sehr wahrscheinlich die scheußlichste Jacke, die je in einem Film getragen wurde, und das schließt das Gesamtwerk von Steven Seagal ausdrücklich mit ein – macht DREI SCHWEDINNEN AUF DER REEPERBAHN zwar zum Anwärter auf die zinkene Gaga-Krone, aber bezeichnenderweise immer noch nicht interessant genug, um hier eine Empfehlung auszusprechen. Eher trist.

To cut a long story short: DREI SCHWEDINNEN IN OBERBAYERN ist ein Meisterwerk, zumindest aber die Gottwerdung des offensichtlichen Humors. Siggi Götz versteht es wie vielleicht kein anderer, Szenen anzubahnen, bei denen man sich denkt: „Nein, das macht er jetzt nicht, das kann er nicht machen, bittebitte, lass es ihn nicht machen“, nur um es dann doch zu tun – und damit einen Volltreffer nach dem anderen zu landen. Auf die Distanz von 90 Minuten entfaltet diese Methode, die Erwartungen wirklich kein einziges Mal zu unterlaufen, sondern sie wirklich immer punktgenau, gewissermaßen in vorauseilendem Gehorsam, zu bedienen, jede Pointe genau den entscheidenden Sekundenbruchteil zu spät zu setzen, einen unwiderstehlichen Reiz. Es gehört immenses Timing und Können dazu, diese Masche nicht nur einen ganzen Film lang durchzuhalten, sondern auch zur gewinnenden Strategie umzudeuten.

DREI SCHWEDINNEN IN OBERBAYERN hat alles, was man dem deutschen Lustspiel der Siebziger- und frühen Achtzigerjahre üblicherweise vorwirft – Mundart und Dialekt, Schwulenwitze, Verwechslungen,“lustige“ Soundeffekte (alles, wirklich alles bekommt ein lustiges Geräusch), Verfolgungsjagden und Keilereien, tumbsten Slapstick, Grimassen, dämliche Kalauer und natürlich Zoten, Zoten, Zoten – aber Götz schafft es, diese Ausprägung niederen Humors hier zur Kunstform zu erheben. Seine Attacken auf das Zwerchfell werden mit äußerster Brutalität, Ausdauer und Durchschlagskraft geführt. Am Ende liegt man winselnd darnieder, weiß nicht, ob man traurig darüber sein soll, dass es „schon“ vorbei ist, oder dankbar dafür, noch am Leben zu sein.

All das entspringt dabei nicht dem Zynismus, der Menschen nur als Material betrachtet und Zuschauer als bodenlose Fressmaschinen, die möglichst billig möglichst schnell möglichst voll zu stopfen sind, sondern einer allumfassenden Menschenliebe. Das macht der Prolog ganz deutlich, der im Geiste des konservativen Heimatfilms von der „Überfremdung“ des schönen Oberbayerns faselt, in das die Ortsfremden und Ausländer einfallen und alles kaputtmachen. Der Film zeigt dann, dass es eigentlich ganz anders ist: Die „Fremden“ bringen erst frischen Wind mit und sorgen dafür, dass die Einheimischen sich nicht gegenseitig auf die Nerven gehen, von den neuen sinnlichen Reizen mal ganz zu schweigen. DIe drei Schwedinnen – kaum mehr als anonyme Platzhalter – verkörpern die Verheißungen dieses Fremden, das ja auch und nicht zuletzt ein Neues ist. Sie müssen kaum mehr tun, als da zu sein, um den Ort komplett auf den Kopf zu stellen und festgefahrene Strukturen neu zu ordnen.

Über Details will ich gar nicht viel sagen, zumal der Wahnsinn, den die Handlung darstellt, eh kaum nachvollziehbar zusammenzufassen ist, nur zwei Sachen: DREI SCHWEDINNEN IN OBERBAYERN hat zwei Geheimwaffen, die man aus dem LISA-Oeuvre zwar kennt, die aber vielleicht nie so wertvoll waren wie hier, nämlich Alexander Grill, der wenig mehr machen muss, als dumm zu gucken und gewissermaßen den ruhenden Pol in dem ganzen Irrsinn zu geben (man kann ihn sich ein bisschen als den Patrick Star für Gianni Garkos Spongebob vorstellen), und den spindeldürren Jacques Herlin. Den hat die Synchro hier herrlicherweise mit Berliner Akzent und einer aufdringlichen „Bruhargh“-Lache ausgestattet, die den Film fast allein sehenswert macht. Die Szene, in der er sich dutzendweise rohe Eier in ein Glas schlägt und trinkt, um für den Fick am Abend genug Druck auf dem Füller zu haben, ist alles, einfach alles, und die Krönung dieses Monumentalwerks, das man wenigstens einmal gesehen haben muss.

zaertliche_chaoten_dEine „romantische Komödie“, geschrieben von Thomas Gottschalk, das ist tatsächlich so krank und pervers, wie es sich anhört. Ricky (Thomas Gottschalk), Walker (Michael Winslow) und Schmidgruber (Helmut Fischer) fliegen vom Set des neuen Winnetou-Films – Hauptdarsteller: Pierre Brice, Regie: Harald Leipnitz –, wo sie als Old Shatterhand, Soundmann und Caterer versagt haben. Auf der Heimfahrt begegnen sie der Blondine Rosi (Dey Young), die völlig hilflos neben ihrem liegengebliebenen 2CV steht. Die drei sind sofort hin- und weggerissen von der dümmlich-netten Dame und machen ihr fortan den Hof, betrachten das gleichzeitige Buhlen als eine Art Wettbewerb, den sie vor ihr noch nicht einmal verheimlichen. Rosi schaltet mitnichten die Polizei ein, um sich die drei Stalker vom Leib zu halten, sondern findet ihr Verhalten offensichtlich ganz normal und sogar „süß“. Nach einer gemeinsam durchsoffenen Nacht, bei der die Freunde eine Art „Nichtangriffspakt“ abschließen, heuern sie im Schlosshotel am Wörthersee an, wo sie bald eine Nachricht von ihrer Holden bekommen: Sie ist schwanger und hat keine Ahnung, wer der Vater ist. Die Drei entscheiden, Rosi bis zur Entbindung gemeinsam zu unterstützen, dann soll der Schuldige für den „Vertragsbruch“ von den beiden anderen verdroschen werden. Doch bis dahin sind noch viele Hürden zu nehmen, weil unqualifizierte Vollhonks auf dem Arbeitsmarkt nicht gerade gefragt sind …

ZÄRTLICHE CHAOTEN ist, wie oben erwähnt, der (gleichermaßen spektakulär wie kläglich gescheiterte) Versuch einer leichten romantischen Komödie, der deutlich von dem französischen 85er-Erfolgsfilm TRES HOMMES ET UN COUFFIN inspiriert ist (dessen US-Remake THREE MAN AND A BABY im selben Jahr wie ZÄRTLICHE CHAOTEN in die deutschen Kinos kam). Dem traditionellen Rollenverständnis und dem Schmelz dieses Genres setzen Gottschalks analphabetisches Drehbuch und Gottliebs mechanistische Regie aber ein geradezu soziopathisches Liebesverständnis und puren Autismus entgegen, der die Sexfilme eines Jürgen Enz wie aufrichtige Sozialdokumentationen erscheinen lässt. Wie die drei Hauptfiguren vom Fleck weg ihr Herz an diese durch und durch langweilige Person verschenken, dann miteinander in einen offenen Wettbewerb um sie treten, bei dem die Auserwählte, überglücklich über die Zuneigung dreier verhaltensgestörter Komplettversager, auch noch mitspielt, ist schon befremdlich genug, aber die typischen LISA-Film-Beigaben setzen dem ganzen noch die Kotkrone auf. Mit dem „Umzug“ ins bekannte Schlosshotel beginnen die episodischen Zoten mit ihrem berückend simplizistischen Humor, den popkulturellen Referenzen – der damalige Bayern-Torwart Jean-Marie Pfaff ist Teil einer besonders blöden Slapstick-Nummer – und den wahllos hineingeworfenen Gimmicks. Der beste Wortwitz ist Gottschalks Kommentar zu einem alten Paar Turnschuhe, das er im neuen Quartier der Freunde findet: „Turnschuhe gebraucht, Marke: Gorgonzola“. Aber was will man auch von einem Film erwarten, der ein One-Trick-Pony wie Michael Winslow zu seinem „Star“ macht? Der Amerikaner hatte seine Masche 1987 bereits in vier POLICE ACADEMY-Filmen ausgereizt und darüber hinaus nicht viel zu bieten. Neben einem Antischauspieler wie Gottschalk sieht er freilich immer noch wie die schwarze Reinkarnation Robert DeNiros aus, aber das Lustigste an ZÄRTLICHE CHAOTEN ist eigentlich der indignierte Gesichtsausdruck von Helmut Fischer, der mit zunehmender Resignation vergeblich versucht, seine Würde zu bewahren.

Die finale Pointe schlägt dem Fass dann endgültig den Boden aus: Es stellt sich heraus, dass die brave Rosi in jener alkoholberauschten Nacht mit ihren drei Verehrern nicht etwa nur von einem, sondern gleich von allen dreien begattet wurde. Mit viel Goodwill könnte man das ja als Ja zu einem nicht-traditionellen Familienbild und zur polygamen Beziehung werten, aber damit täte man diesem Film, bei dem Harry Nilssons anästhesiertes Liebesbekenntnis „Without you“ in Dauerschleife rotiert, entschieden zu viel des Guten. Man weiß nicht, ob die Masterminds hinter dem Film schier zu blöd waren, um die eindeutige Implikation hinter ihrem genialen Plottwist zu bemerken, oder ob nicht doch eher Gottschalks eigenes höchst konservatives Rollenbild dahintersteckt: Für die Dreifach-Befruchtung einer betrunkenen Frau durch drei verschiedene (miteinander befreundete) Männer in einer Nacht hätten Rechtsanwälte sicherlich einen passenden strafrechtlich relevanten Begriff parat, der ironischerweise auch beschreibt, was ZÄRTLICHE CHAOTEN mit dem Zuschauer anstellt. Kein Wunder, dass das Offensichtliche nicht ausgesprochen wird, denn in Rosis dumpfer Dankbarkeit, Empfänger eines lupenreinen Gangbangs geworden zu sein, spiegelt sich ja auch die schafherdengleiche Blödheit des deutschen Publikums, das in Scharen ins Kino rannte und dafür sogar mit einer Fortsetzung belohnt wurde. ZÄRTLICHE CHAOTEN ist so vollkommen idiotisch und bescheuert, dass man ihn sich als Bewohner dieses Landes wenigstens einmal angesehen haben muss. Empfindsame Seelen sollten jedoch Abstand von der Sichtung nehmen oder sich dafür wenigstens qualifizierten Beistand suchen.

Um den Elefanten im Raum direkt anzusprechen: Ich halte GELD ODER LEBER für die Sternstunde dieser speziellen Ausprägung der deutschen Blödelkomödie, wie sie in den Achtzigern populär war (und meist der geschäftstüchtigen Produktionsschmiede der LISA-Film entstammte). Es ist der Film, in dem sich die üblichen Zutaten unter Zufügung einer schwierig zu isolierenden Geheimzutat zu einem Gesamten addieren, das deutlich größer ist als die Summer seiner Einzelteile. Dieter Pröttels Film sollte eigentlich nicht funktionieren, tut es aber überraschenderweise doch – und mehr noch: Hier wird nicht nur der Gaga-Humor endgültig zur Kunstform erhoben, hier wird man am Ende, wenn man schon völlig überrollt im Sessel hängt, gar noch Zeuge, wie sich die Zotenparade vor den eigenen Augen in einen geradezu magischen Liebesfilm verwandelt, das Genre gewissermaßen überwunden wird und etwas bleibt, das wirklich berührt. Die bizarren Verwicklungen der vorangegangenen 80 Minuten sind vergessen, und wie das Protagonistenpärchen da in den idyllischen Sonnenuntergang stapft, sich zärtlich seiner gegenseitigen Liebe versichert, der Score nach Dauerbeschallung mit den Hits der Ersten Allgemeinen Verunsicherung zum ersten Mal zurückschaltet, überträgt sich diese glücksselige Entspanntheit auch auf den Zuschauer, der nun endgültig nicht mehr weiß, wie ihm da geschehen ist.

GELD ODER LEBER bedient sich zunächst einer Struktur, wie man sie vielleicht aus den Komödien aus der Zucker-Abrahams-Zucker-Schmiede oder auch, um in Deutschland zu bleiben, den Hauptfilmen aus Didi Hallervordens TV-Sendung NONSTOP NONSENS kennt. Jede Szene bzw. gar jede Einstellung kulminiert in einem Gag, der mal eher verbaler, mal bildlicher Natur ist. Im Unterschied zu den erstgenannten US-Komödien hebt diese Strategie den Film aber nicht auf eine von der „Realität“ abgelöste Metaebene, vielmehr dient sie der Charakterisierung der beiden Hauptfiguren und der Beziehung, die diese zur Welt unterhalten – oder eher: nicht unterhalten. Dem Wirbel, den die Welt um sie herum entfacht, sind Mike und Susanne Juing (Mike Krüger & Ursela Monn), ein seinem ganz eigenen Rhythmus folgendes Ehepaar, nämlich überhaupt nicht gewachsen. Beide sind arbeitslos und nicht in der Lage, ihre durchaus vorhandene Energie in die gesellschaftlich akzeptierten produktiven Bahnen zu lenken. Die als alternativer Lebensentwurf auserkorene Karriere als Bankräuber scheitert aber immer wieder an ihrer grenzenlosen Liebenswürdigkeit. MIt Spielzeugpistolen bewaffnet, werden sie entweder gar nicht ernst genommen oder lassen sich durch unvorhersehbare Ereignisse von ihrem Vorhaben abbringen. Mehr durch Zufall als Geschick kommen sie dann aber doch in den Besitz wertvollen Geschmeides, das sie auf der Flucht vor der Polizei in einer ausgenommenen Gans verstecken, die jedoch wenig später bereits verkauft ist. Sie erhalten sieben Adressen, wo sich die gesuchte Gans verstecken könnte, die sie im Folgenden nacheinander abklappern; bis kurz vor Schluss ohne Erfolg. Die anhaltende Pechsträhne führt zu einer vorübergehenden Trennung, schließlich gar zu einem Gefängnisaufenthalt, bis die Erkenntnis, dass Reichtum die Liebe nicht ersetzen kann, sie zu einem Happy End zusammenführt. Der Film ist in seinem episodischen Verlauf gespickt mit deutschen Stars, denen die passenden Rollen auf den Leib geschneidert wurden: Barbara Valentin spielt eine reiche Gräfin, die einen verzogenen Bengel ihren Sohn nennt. Lotti Krekel und Ernst H. Hilbich sind als altes Camperehepaar zu sehen, Jochen Busse als versnobter Spaziergänger, Hans Clarin als Chirurg und Christine Schuberth als seine liebeshungrige Assistentin, Bernd Stephan gibt einen großmäuligen, aber dummen Feldwebel (bester Spruch: „Sie haben wohl Elefantenarsch mit Birne gegessen!“), Corinna Genest eine Gefängnisdirektorin in Lack und Leder und Werner Kreindl einen Kommissar. LISA-Dauergäste wie Otto W. Retzer, Alexander Grill oder Kurt Weinzierl dürfen ebenfalls nicht fehlen. Besonders absurd sind aber die Auftritte von Raimund Harmstorf als Kapitän eines Ausflugsdampfers, der seine Dialogzeilen auf eine Art und Weise intoniert, die nahelegt, dass er bereits in ganz anderen Sphären weilte, und natürlich jener von Falco. Der Österreicher reißt den Film mit seinem exaltierten, wahrscheinlich koksbeflügelten Auftritt komplett an sich und führt ihn weit über die Grenzen von Absurdistan: In seinem Gefolge befinden sich neben den obligatorischen Bikinischönheiten auch ein Karateka und ein Rambo-Double, komplett mit Stirnband und Panzerfaust. Mike Krüger schleicht sich als sein Double auf dessen Anwesen, auf dem bald auch Rotkäppchen (Simone Brahmann) eintrifft, um dem exaltierten Popstar Wein und eben eine Gans zu bringen, und dann schließlich Susanne, als Pippi Langstrumpf verkleidet. Man muss es sehen, um es zu glauben. Das Ende des Falco-Auftritts besorgt dann noch ein Livemitschnitt von seinem Hit „The Sound of Music“ in schöner Amphitheater-Kulisse, der mir große Lust auf seine Platten gemacht hat. Epochal, das Sahnehäubchen auf einem rundum denkwürdigen Film.

Diese Beschreibungen, wenn sie dem ein oder anderen geneigten Leser vielleicht auch Lust auf den Film machen mögen, sind aber immer noch nicht geeignet, GELD ODER LEBER in seiner Gänze zu erfassen. Da passiert eben noch etwas hinter dem Klamauk, hinter den Episödchen, hinter den popkulturellen Verweisen, neben dem Zusammenspiel von Filmbild und EAV-Soundtrack. Der Film ist als abstruse Nummernrevue einerseits total künstlich, fühlt sich andererseits aber sehr organisch und warm an. Er ist sehr direkt und manchmal natürlich frontal blöd, dabei aber auch sehr liebenswert und einfühlsam. Er hat einerseits rein gar nichts mit der Realität zu tun, sagt auf der anderen Seite eine ganze Menge über sie. Sein größter Verdienst ist es wohl, dass es ihm trotz seiner für Immersion eigentlich denkbar ungeeigneten Form gelingt, echte Sympathie für seine beiden so unperfekten Protagonisten zu wecken, für die Art, wie sie versuchen, das Leben zu meistern, für die Energie, mit denen sie gegen den unerbittlichen Strom anschwimmen. Ich muss hier unbedingt auf Ursela Monn eingehen, die wirklich großartig ist, sowohl die leicht nervöse Lebenskünstlerin als auch die liebevolle und, ja, auch erotische Gattin überzeugend verkörpert, mal verletzlich und mädchenhaft, dann aber auch sehr resolut und entschlossen agiert. (Man vergleiche ihre Figur nur mal mit den Love Interests, die Gottschalk in den vier SUPERNASENFilmen angehängt wurden.) Ich glaube, die halbe Miete des Films ist ihre Stimme, für die ich seit den „Kleine Hexe Klavi-Klack“-Hörspielen meiner Kindheit eine große Schwäche habe, und die sowohl die schrille Komik wie auch das zarte, beruhigende Säuseln draufhat. Möglicherweise stehe ich mit meiner Meinung über diesen Film total allein, die verheerende IMDb-Wertung mit kläglichen 3,9 Punkten spricht dafür, aber ich finde ihn wirklich, wirklich toll. Viele der deutschen Gaga-Komödien genießen gerade unter Leuten meines Jahrgangs heute Kultstatus, erfahren von ihnen eine Wertschätzung, die über das verächtliche So-bad-it’s-good-Getue hinausgeht, aber GELD ODER LEBER wird da seltsamerweise nie genannt. Wenn ich hiermit einen kleinen Sichtungsanreiz geben konnte, bin ich zufrieden.

Die_Einsteiger_DVD_(de)-FrontThomas Groh nennt diesen Film gern „die deutsche Antwort auf VIDEODROME“ und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Nachdem die Supernasen Thommy und Mike in PIRATENSENDER POWERPLAY unter Siggi Götz‘ Regie noch die bevorstehende Privatisierung des Rundfunks antizipiert hatten, widmen sie sich nun der medientechnischen Revolution namens „Heimvideo“. Der Tüftler und Videofan Mike hat einen „Video-Integrator“ gebastelt, mit dessen Hilfe man sich direkt in einen Film seiner Wahl hineinbeamen kann, sofern man die dazugehörige Fernbedienung besitzt. Fortan vertreiben und sein Kumpel und Mitbewohner Thommy die Zeit, indem sie in Italowestern, Indiana-Jones-Filme, Polanskis TANZ DER VAMPIRE, ROCKY und andere Werke aus Mikes umfangreicher VHS-Sammlung „einsteigen“ und dort echte Abenteuer und Heldentaten erleben, die eine willkommene Abwechslung zu ihrem tristen Alltag sind. Natürlich bekommt ein japanischer Elektronikhersteller Wind von der Erfindung und versucht, das Gerät an sich zu bringen. Außerdem bahnt sich eine sanfte Liebesgeschichte zwischen Thommy und der schönen Linda (Anja Kruse) an, die ihren Ex-Gatten, den Firmenchef Kapellusch (Gerd Baltus), dazu bringen will ein Testament zugunsten des gemeinsamen Sohnes aufzusetzen. Aber die Handlung von DIE EINSTEIGER ist eigentlich nur mäßig interessant und raubt dem Film gerade in der zweiten Hälfte einiges von dem Drive, mit dem er aus den Startlöchern kommt und die Enttäuschung über den schwachen ZWEI NASEN TANKEN SUPER sofort vergessen macht. DIE EINSTEIGER ist ganz bei sich, wenn er Filmwelten rekonstruiert und von zwei deutschen Humorterroristen überfallen lässt: Da zeigt sich eine nicht von Ehrfurcht, sondern Partizipation geprägte Liebe für das Kino, die typisch ist für das Videozeitalter.

Interessant ist überdies, welches Verständnis von Film hier zugrundeliegt: Wer „einsteigt“, nimmt nicht als eine Art embedded viewer am Film teil, sondern tatsächlich als handelnder und im Stile des Films ausstaffierter Charakter. Im Italowestern sollen Mike und Thommy sogleich gehängt werden, im Indiana-Jones-Film teilen sie sich die Protagonistenrolle als ungleiches Duo, im Boxfilm steigt Mike in den Ring, während Thommy als Trainer außen vor bleibt, und im Südseeinsel-Setting verwandelt sich Mike einmal gar in einen Menschenaffen. Die anderen Handelnden merken nicht, dass da plötzlich neues Personal mitwirkt und das Drehbuch ändert, alle passen sich ganz selbstverständlich den neuen Gegebenheiten an. Firmenboss Kapellusch und Polizeikommissar Gierke (Werner Kreindl) beschließen bei Anblick des Inselidylls gar, ihr Leben in der Realität ganz aufzugeben und „im Film“ zu bleiben, und als die beiden Helden im Ringen mit den Vampiren um Graf Frackstein (Udo Kier) in Bedrängnis geraten, nimmt Thommy aus Versehen eine Vampirin statt Mike mit zurück. Das alles suggeriert, dass Film nichts Statisches ist, sondern eine ganze, mit vollwertigen Individuen bewohnte Welt enthält, deren Abmessungen weit über das hinausreichen, was Kamera und Regie einfangen. Der Fernsehschirm ist so gesehen nur das viel zitierte „Fenster“, durch das man nur einen kleinen Ausschnitt vom Ganzen erhaschen kann, der dann die Fantasie zum weiteren Ausschmücken und Weiterspinnen der Geschichten anregt. Der Demokratisierungsaspekt, der bereits in PIRATENSENDER POWERPLAY eine so wichtige Rolle spielte, kommt auch hier wieder zum Tragen: durch die einfache Existenz des Videorekorders, der seinen Besitzer – eine entsprechende Videosammlung vorausgesetzt – zum selbstbestimmten Programmdirektor macht, und dann, als nächste Evolutionsstufe, durch den Integrator, der die durch den Bildschirm gegebene physische Grenze durchlässig werden lässt. Letztlich ist Mikes Erfindung aber nur eine pointierte Übersteigerung des Segens, den die Erfindung des Videorekorders dem Filmfan brachte: sich 24 Stunden lang vom heimischen Sofa aus auf Traumreise durch seine Liebelingswelten zu begeben, ohne also das Haus verlassen und eine Kinokarte lösen zu müssen. DIE EINSTEIGER externalisiert, was sich sonst nur im Kopf des Filmsehers abspielt.

Gegenüber den vorangegangenen beiden Filmen, die unter der zweckmäßigen, aber auch biederen Regie von Dieter Pröttel entstanden waren, zeigt DIE EINSTEIGER seinem Sujet angemessen wieder mehr inszenatorisches Profil. Die Film-im-Film-Szenen sind den Vorbildern liebevoll nachempfunden und schön launisch, der Titelsong von Oliver Onions gibt dem ganzen den nötigen Schwung, kleine quirks, wie Jochen Busses wunderbar dadaistischer Gastauftritt, und außergewöhnliche Kameraeinstellungen verleihen Profil und sorgen dafür, dass DIE EINSTEIGER nicht allzu weit hinter seinen Referenzen zurückfällt. Die Albernheiten des Hauptdarstellerduos wurden zugunsten der Handlung deutlich zurückgefahren, was dem Film ebenfalls gut zu Gesicht steht. Das Ende ist gar eine handfeste Überraschung: Siggi Götz empfiehlt sich auf einmal als deutscher Giallo-Regisseur, wartet zu den atmosphärischen Klängen des goblinesken Soundtracks mit einer Bildfolge spannungssteigernder Detailaufnahmen auf und liefert eine Paraphrase zu Bavas REAZIONE A CATENA, die man in jedem Film erwartet hätte, aber gewiss nicht hier.

Noch vor Jahresfrist hatte mich DIE SUPERNASEN unerwarteterweise positiv überrascht. Die gestern erfolgte Neusichtung im Rahmen meiner kleinen Gottschalk/Krüger-Retro brachte keine wesentlichen neuen Erkenntnisse, sodass ich hier direkt zum Sequel übergehe, das ich damals wie so viele andere Bundesbürger im Kino sah. Es ist heute, wo man nur mit Schwierigkeiten eine brauchbare Abbildung des Filmplakats im Netz findet und die DVD-Veröffentlichung von einem Billiglabel mit selbstgebasteltem Cover besorgt wird, gar nicht so einfach, Menschen, die 1984 nicht selbst dabei waren, zu erklären, was für ein Ereignis dieser Film war. Der extremste Auswuchs des Supernasen-Hypes war sicherlich der Promo-Besuch der Hauptdarsteller beim „Aktuellen Sport-Studio“ im ZDF, wo sie zwar nix verloren hatten, das die im Film populär verwendeten Trikes aber trotzdem gern als fadenscheinigen Motorsport-Aufhänger benutzte, um vom erwarteten Erfolg des Films zu profitieren. Ich weiß noch, dass die beiden „Helden“ ihrem Image als glückliche Underdogs entsprechend erstaunlich gut beim Torwandschießen abschnitten, und die Trikes, eine genau genommen ziemlich idiotische Erfindung, weder Fisch noch Fleisch, für ein paar Tage der Traum jedes Jungen auf dem Grundschulhof waren, bis sie den Weg ins Vergessen antraten, wie ihre Kollegen Segway und Jetpack. Doch auch die Trikes konnten kaum darüber hinwegtäuschen, dass ZWEI NASEN TANKEN SUPER gemessen an den beiden Vorgängern eine Enttäuschung war, zudem Beleg dafür, dass weder das Autoren- und Hauptdarstellerteam noch Regisseur Pröttel noch die Geldgeber der LISA-Film verstanden hatten, was sowohl PIRATENSENDER POWERPLAY als auch DIE SUPERNASEN gegen jede Wahrscheinlichkeit hatte funktionieren lassen.

ZWEI NASEN TANKEN SUPER ersetzt die an einem dünnen roten Faden aufgereihten Gags, die Krüger und Gottschalk zuvor den losen Rahmen für ihre liebenswerten Taugenichtse gegeben hatten, nun gegen eine „echte“ Handlung: Der Raub zweier wertvoller Juwelen geht schief, die Gangster (András Fricsay & Achim Gunske) können die Klunker gerade noch in zwei Trikes verstecken, die Teil einer Motorausstellung sind. Durch Zufall gelangen ausgerechnet Thommy und Mike in den Besitz der Dreiräder und begeben sich ohne jede Vorahnung auf Deutschlandreise. Die Gauner heften sich an ihre Fersen und fordern die Herausgabe der Steine, die die beiden jedoch längst als Andenken an die Anhalterinnen Birgit (Simone Brahmann) und Farah (Sonya Tuchmann) verschenkt haben. Es gilt nun, die Mädels ausfindig zu machen und ihnen die Steine wieder abzunehmen. Zwar bietet auch diese Geschichte letztlich auch nur den recht beliebigen Anlass für Zoten, Kalauer und Slapstick-Einlagen, dennoch vermisste ich schon nach kurzer Zeit die Lockerheit und Unbekümmertheit, den mild-anarchischen Charme, der mich für PIRATENSENDER POWERPLAY und DIE SUPERNASEN so eingenommen hatte. Die Existenz einer Story bringt keinen Gewinn für Gottschlak und Krüger, schnürt sie im Gegenteil in ein Korsett und lässt ihre frappierenden Unzulänglichkeiten nur noch stärker hervortreten. Wirklich witzig ist ZWEI NASEN TANKEN SUPER nur selten und wenn, dann sind es eher kleine Beobachtungen oder Nebenepisoden, die für Lacher sorgen, etwa wenn der betrunkene Mike sich über ein paar Rocker empört: „Der hat ,Torte‘ zu meiner Ische gesagt!“ Dass die beiden nur deshalb in den Schlamassel geraten, weil Mike dringend pinkeln muss, ist im Grunde genommen der beste Einfall des Films, und diese Prämisse auszudehnen, hätte gewiss mehr hergegeben als die lahme Roadmovie-Handlung, die ohne jedes Gespür für Spannung, Bewegung und Körperlichkeit inszeniert wurde. Immerhin war schönes Wetter am Wörthersee.

Man merkt dem Film an, dass für die Beteiligten plötzlich etwas auf dem Spiel stand. Während sie vorher einfach irgendeinen Quatsch verzapfen konnten, knüpftn die Gags nun häufiger an irgendwelche zeitgenössischen Themen an, aber nicht, weil das besonders witzig wäre, sondern einfach, weil nichts besseres einfiel. Ein Anhalter, der nach Sarajewo will, wird von Krüger mit dem Erkennungsruf des Maskottchens der im selben Jahr in Sarajewo ausgtragenen Winterolympiade bedacht, und Jürgen von der Lippe darf sich in einem quälend unlustigen Gastauftritt als Kellner eines Burgerladen über ein berühmtes Fastfood-Restaurant lustig machen, für das Gottschalk seinerzeit warb. Der mit platinblonder Frisur und einem Silberohr ausgestattete Verbrecher soll wahrscheinlich an einen Bondschurken erinnern, die Marotte seines Chefs (Karl Spiehs), jede Äußerung mit der Phrase „Wenn ich x sage, dann meine ich auch x.“ abzuschließen, erinnert ein wenig an die Sprüche aus dem ein halbes Jahr zuvor sehr erfolgreich gelaufenen Hallervorden-Film DIDI – DER DOPPELGÄNGER. Überall wird ein bisschen was ausgeliehen und abgezweigt, Gottschalk darf einmal als Karateka auftreten und sich als Künstler über die doofen Intellektuellen lustig machen, die Bilder mit Dreiecken mögen, aber wirklich hängen bleibt nichts und so hat der fragwürdige Spaß nach 92 zähen Minuten ein Ende. Und es ist ja durchaus auch ein bisschen beruhigend, dass Nostalgie nicht alles schönfärben kann.

dmB9V70IdpdpqYsDUHCvls2OkPrPIRATENSENDER POWERPLAY war einer der ersten Filme, die meine Eltern in den frühen Achtzigerjahren auf Video ausliehen, durchaus auch, um mir einen langweiligen Abend zu verkürzen, und diese Tatsache sagt schon viel über das enorme Standing, das Krüger und Gottschalk und mit ihnen dieser Film damals genossen. Der Witzeerzähler aus Quickborn war zu jener Zeit wahrscheinlich noch der größere Star der beiden Hauptdarsteller und ein Tape eines seiner Liveauftritte lief im elterlichen Auto in der heavy rotation, sehr zu meinem anhaltenden Vergnügen. Natürlich liebte mein schätzungsweise fünf-, sechsjähriges Ich seinen Superhit „Der Nippel“, wie wahrscheinlich alle Jungs, die Mitte der Siebziger geboren worden waren. Gottschalk hatte seine ersten Fernsehauftritte zwar schon im Jahrzehnt zuvor absolviert, war aber in erster Linie noch als Radiopersönlichkeit bekannt. Der Aufstieg zu DER deutschen Fernsehpersönlichkeit begann ungefähr parallel zu diesem Film mit seinem ZDF-Engagement als Moderator von „Thommys Pop-Show“, dem dann die langlebige Talkshow „Na sowas!“ folgte. Kürger und Gottschalk spielen in Siggi Götz‘ Erfolgsfilm weniger „Rollen“, als dass sie die von ihnen auf der Bühne bzw. im Radio/TV etablierte Persona in einen Film hinübertrugen: „Mike“ ist demzufolge der etwas tolpatischige Witzbold mit dem Gesicht zum Reinschlagen, „Thommy“ der Sunnyboy mit dem Gespür für die heißesten Sounds aus den US of A und der jugendlichen Ansprache. Gerade letzteres sorgt heute für Heiterkeit: Gottschalk geriert sich bekanntermaßen immer noch gern als frecher, respektloser Sprücheklopfer, steht als mittlerweile 65-Jähriger jedoch keinesfalls mehr im Verdacht, den Finger am Puls der Zeit zu haben oder besonders cool zu sein, verkörpert als beinharter Rockist vielmehr einen rückwärtsgewandten und spießigen Geschmack (der sich freilich schon in der damals bereits hoffnungslos überkommenen Musikauswahl für PIRATENSENDER POWERPLAY mit Songs von Bands wie der J. Geils Band oder Little Feat entsprechend niederschlägt). Er ist ein Opa, der gern noch 20 wäre und so eher Fremdscham auslöst. Hier hingegen liegen ihm die Jugend und vor allem die feschen Mädels geradezu zu Füßen, lauschen gebannt seinen schmerzhaft unwitzigen Sprüchen und bewundern ihn als Trendsetter. Um PIRATENSENDER POWERPLAY wirklich zu mögen – und das tue ich – ist es unerlässlich, sich den historischen gesellschaftlichen Hintergrund, vor dem der Film entstand zu vergegenwärtigen.

Wie Thomas Groh in der letztjährigen, zu Siggi Götz‘ 70. Geburtstag erschienenen Ausgabe von Sigi Götz Entertainment schrieb, nimmt PIRATENSENDER POWERPLAY die Einführung der Privatsender in den mittleren Achtzigerjahren vorweg und darf als früher Beitrag zu einer bis heute anhaltenden Diskussion um die Berechtigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und um seine nötige Verjüngung verstanden werden. Die beiden unangepassten Jungspunde Mike und Thommy erfreuen sich mit ihrem jeden Montag um 15 Uhr für genau eine Stunde illegal ausgestrahltem Programm nämlich immenser Beliebtheit bei der Jugend. Die von Thommy flapsig-flippig anmoderierten Hits aus Übersee, die von Mikes Kalauern unterhaltsam aufgelockert werden, bekommt man in dieser Konzentration sonst nirgendwo zu hören. Den Beamten des ÖR, vor allem dem Intendanten (Ralf Wolter), ist die Konkurrenz ein Dorn im Auge, weshalb Dr. Müller-Hammeldorf (Gunther Philipp) mitsamt des tölpeligen Polizei-Einsatzleiters Pluderer (Rainer Basedow) auf die Rundfunkpiraten angesetzt wird. Die bekommen just in dem Moment, da die Falle zuzuschnappen droht, unerwartete Hilfe von Mikes Schwester (Evelyn Hamann). Weil die Religionslehrerin erkennt, welches kommerzielle Potenzial im Projekt ihres Bruders steckt, investiert sie das ihr zur Verfügung stehende Kapital, kauft ein schickes Wohnmobil als schwierig zu ortenden Sendewagen und holt einige Werbepartner an Bord. Am Ende einer für den ÖR erfolglos verlaufenen Jagd zieht der Intendant die einzig richtige Konsequenz: Er integriert die „Feinde“ ins System und lässt sie ihr Programm unter dem Banner des staatlichen Rundfunks machen, eine Strategie, der sich ARD und ZDF auch heute noch bedienen, um den Anschluss an die Privatsender nicht gänzlich zu verlieren.

So schwer es heute auch fällt, Mike Krüger und Thomas Gottschalk als Repräsentanten der Gegenkultur zu akzeptieren, Siggi Götz meint das durchaus halbernst. Schon zu Beginn bezieht er eindeutig Position, wenn er die als durchweg dämlich und autoritätshörig diffamierten Polizisten erst eine mit lustigen Gaga-Transparenten wie „Weg mit den Alpen! Freie Sicht aufs Meer!“ sympathisch tapezierte Kommune, wenig später dann ein Bordell stürmen lässt, in der sich zu diesem Zeitpunkt rein zufällig auch Mike und Thommy aufhalten. Der Richter spuckt bei der folgenden Verhandlung Zeter und Mordio, weil er eine Beleidigung des amtierenden Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß durch die Angeklagten wittert, dabei sprechen die beiden arglosen jungen Männer doch nur über ihren gleichnamigen Hund. Im weiteren Verlauf ist es immer wieder die schreiende Inkompetenz, gepaart mit Übermotivation und Selbstgerechtheit, die Müller-Hammeldorf ins Hintertreffen bringt, ihn selbst in aussichtsreichster Position versagen oder den Wald vor läuter Bäumen übersehen lässt. Es ist ja nur logisch, dass Götz die Rollen der Staatsbeamten mit älteren Herren besetzt, aber es passt in doppelter Hinsicht, weil Ralf Wolter, Gunther Philipp oder Rainer Basedow auch eine andere Humorgeneration verkörpern. Gunther Philipp etwa stürzt sich mit der ihm eigenen Verve in die Schlacht und sein Müller-Hammeldorf entwickelt dabei einen solchen Feuereifer, dass er über sein wiederholtes Versagen gar in der Nervenheilanstalt landet. Dem ganzen Slapstick-Chaos, das er und seine Mitstreiter entfachen, stehen Krüger und Gottschalk mit der Gelassenheit des Niederlagen und Nackenschläge gewohnten Slackers (Krüger) und der pfiffigen Unverdrossenheit des von der Sonne geküssten Glückspilzes (Gottschalk) gegenüber. Sie müssen gar keinen allzu großen Einfallsreichtum aufbringen, um den Verfolgern immer wieder zu entkommen, schlüpfen mit größter Selbstverständlichkeit in die unterschiedlichsten Rollen, und können sich in ärgster Not immer darauf verlassen, dass ihre Gegner schlicht zu blöd sind.

PIRATENSENDER POWERPLAY entwickelt so nicht gerade Spannung, aber einen sehr ansteckenden Drive, der von der Ferienatmosphäre, die der Film ausstrahlt, noch befeuert wird. Es ist die ganze Zeit was los, trotzdem ist das sich einstellende Gefühl eines von Entspannung, von vollkommen sorgenfreiem Müßiggang. Nichts scheint da wirklich irgendeine echte Konsequenz nach sich zu ziehen. Die Lebenshaltung, die darin zum Ausdruck kommt, dieses gänzlich unbelastete Gottvertrauen darin, dass alles irgendwie gut ausgehen wird, dass Mike und Thommy am Ende des Tages immer noch Mike und Thommy sein und die Unwägbarkeiten des Lebens irgendwie meistern werden, ist durchaus erstaunlich, gerade für einen deutschen Film, und davon mal abgesehen, einfach schön. Gerade heute, wo nicht wenige Eltern den Karriereplan ihrer Kinde schon vor deren Geburt fest eingetütet haben, tut es gut, zwei Männern dabei zuzusehen, wie sie einfach nur machen, worauf sie Lust haben. Dass sie am Ende Fernsehkarriere machen, wird so mitgenommen, es wird nichts Wesentliches ändern, und wenn nichts daraus wird, ist es auch egal. Vielleicht ist das ja auch die versteckte Botschaft des wunderbaren Zirkelschlusses, mit dem PIRATENSENDER POWERPLAY aufhört: Thommy sagt im Fernsehen den ersten Film an, den er mit seinem Kumpel Mike gedreht habe, und es laufen die Anfangscredits für eben jenes Werk, das sich auf dem intradiegetischen Fernsehschirm seinem extradiegetischen Ende nähert. Wenn alle Stricke reißen, fängt man eben von vorn an.