Archiv für Oktober, 2008

bücherregal vol. 3

Veröffentlicht: Oktober 31, 2008 in Zum Lesen

dvd-regal vol. 19

Veröffentlicht: Oktober 31, 2008 in Film

Ha! Seit Jahren verfolge ich das Schaffen des Gesamtkunstwerks Steven Seagal mit einigem Interesse, jetzt habe ich mich zum ersten Mal seit der Erstbegegnung vor wahrscheinlich über zehn Jahren wieder an sein Debüt herangewagt. Es war eine gute, wenn auch unbewusste Entscheidung, damit so lang zu warten, denn mit den DTV-Gurken des vergangenen Jahrzehnts im Hinterkopf entpuppt sich ABOVE THE LAW als mittelschwerer Kulturschock. Der aufgedunsene, unbewegliche Mops mit den verfetteten Gesichtszügen, der sich für jede noch so nichtige Szene doubeln lassen muss, erscheint hier gertenschlank und geht trotz seines Alters von 37 Jahren beinahe noch als jugendlich durch. Nachdem ich mich an den Anblick gewöhnt hatte, musste ich aber schnell feststellen, dass das äußere Erscheinungsbild des Stars auch das Einzige ist, was den Film aus seinem kompakten Werk herausfallen lässt: Es ist erstaunlich, wie vollständig entwickelt Seagals Filmpersona hier schon ist, wie sehr er auch als Debütant schon an seinem eigenen Mythos arbeitete. Mehr noch: ABOVE THE LAW muss man vor dem Hintergrund der Selbstmythologisierung Seagals schon beinahe als Biopic betrachten. Der Film beginnt mit einer von Seagal aus dem Off erzählten Montage, die seinen Lebenweg/den seines alter egos Nico Toscani von der Kindheit bis in die Gegenwart nachzeichnet und die dazu authentisches Fotomaterial einbindet, die Grenzen zwischen Fiktion und Realität somit schon in den ersten Sekunden von Seagals Karriere vollkommen verwischt. Es ist alles schon da: die familiäre Bindung zur Mafia, die kindliche Kampfsportbegeisterung, die schließlich zum entsprechenden Studium in Fernost führt, die Rekrutierung durch die CIA, schließlich die Zeit in Vietnam und Kambodscha, die in einer kurzen Episode auch die Grundlage für das in zukünftigen Filmen immer wieder thematisierte Misstrauen in das CIA und andere Staatsorgane bildet. Auf den ersten Blick ist diese Kritik (die sich in den Filmen des folgenden Jahrzehnts zur handfesten Paranoia auswachsen sollte) recht typisch für einen Actionfilm der Achtzigerjahre. Schon John Rambo hatte ja eher mit den eigenen korrupten Leuten zu kämpfen als mit dem vorgeblichen Feind. Was Seagals Kritik aber von der aus einem Ohnmachtsgefühl rührenden Wutrede des Kleinen Mannes gegen „Die da oben“ unterscheidet, ist das Seagal selbst nicht dieser „Kleine Mann“ ist. Er verfügt über Insiderwissen, er ist nicht verraten worden, sondern war vielmehr selbst an diesen Verrat beteiligt. Sein Feldzug gegen die Korruption und Amoral der Geheimdienste ist somit zu einem nicht unerheblichen Teil persönlich motiviert. Doch das greift auch die Substanz seiner Kritik an, die weniger Ausdruck einer Moral, sondern eher Mittel zur Selbstinszenierung und -erhöhung ist.

Diese Eitelkeit ist in ABOVE THE LAW förmlich greifbar, wird durch Seagals schon angesprochenes Aussehen noch unterstrichen, das ihm hier den Ruch des nicht mehr ganz jugendlichen Gernegroßes verleiht. Das Posertum äußert sich nicht nur in dem sich deutlich lichtenden Haar, das wenig überzeugend kaschiert ist, sondern vor allem in dem zwischen bemüht eloquenten und verkrampft lässig changierenden Ton, der angestrengten Deepness, die Seagal verkörpern möchte, dabei aber an seinem nur mäßigem Schauspieltalent scheitert. Man nimmt ihm den Elitesoldaten, der die Machenschaften der Geheimdienste mühelos aufdeckt, alle Feinde mit brachialer Rücksichtslosigkeit aus dem Weg räumt und dann auch noch zum Kronzeugen avanciert, einfach nicht ab. Auf die Seagal-Filme trifft somit genau das zu, was allen anderen Actionern immer von Leuten nachgesagt wird (zumeist von solchen, die die weit zurückreichenden Tradition des Genres nicht kennen): dass sie unfreiwillig komisch seien, ihre Stars Hohlbirnen ohne Talent. Ein Norris ist wahrscheinlich ein limitierterer Schauspieler gewesen als Seagal, aber er wusste um seine beschränkten Mittel. Seagal demontiert sich selbst, ohne es zu merken. Was ihn und seine Filme, zumindest bis Mitte der 90er-Jahre, rettet, das sind seine spektakulär-unspektakulär anzuschauende Kampfkunst, mit der er seinen Gegenern niemals auch nur den Hauch einer Chance lässt, die Over-the-Top-Gewaltdarstellungen und die meist souveräne Regie. ABOVE THE LAW wurde von Andrew Davis mit demselben sachlich-unterkühlten Understatement inszeniert, das er schon CODE OF SILENCE angedeihen ließ. Seagals erster kommt daher ruppig und groß, ohne sich allzu sehr um seine Set Pieces zu wickeln. Ein solider, rauher Copfilm, trotz seines streitbaren Hauptdarstellers.

Der Actionheld ist eigentlich immer auf dem Weg. Wenn er glaubt, am Ziel zu sein, dann belügt er sich meist selbst, gibt sich der Hoffnung hin, ein normales Leben leben zu können, obwohl er doch weiß, dass er dafür nicht gemacht ist. Er pendelt immer zwischen den Extremen, steht entweder kurz davor, alles hinzuschmeißen oder aber er stürzt sich voller Inbrunst auf die nächste Aufgabe, die ihn wieder das Leben kosten kann. So auch der Kopfgeldjäger Nick Randall (Rutger Hauer): Einst nietete er im Auftrag des CIA böse Buben auf der ganzen Welt um, dann hatte er die Schnauze voll davon, den Kopf für die Ränkespiele von gewissenlosen Regierungsbeamten hinzuhalten, und sattelte um. Seit drei Jahren verdient er gutes Geld als Kopfgeldjäger, doch der Job kotzt ihn an. Statt mit der Gefahr konfrontiert zu werden, muss er sich mit dem letzten Gesocks herumschlagen, feigen Proleten, die Supermärkte überfallen und die asiatischen Kassierer drangsalieren. Insgeheim träumt Randall davon, komplett auszusteigen. Eine Frau hat er schon, ein bisschen Geld fehlt noch. Da tritt ein alter Bekannter aus CIA-Tagen in sein Leben und bietet ihm einen Auftrag an: Der gefährliche Terrorist Malak al Rahim (Gene Simmons) ist in den USA und zieht eine Spur der Verwüstung hinter sich her – und Randall hat auch noch eine Rechnung mit ihm offen …

Der Profi kurz vor dem Ausstieg, die alten Verbindungen, die ihn immer wieder ereilen, das Wissen, das ein Leben ohne den Job undenkbar wäre: wie oben erwähnt klassische Bestandteile des Actionkinos, die auch in WANTED: DEAD OR ALIVE durchexerziert werden. Doch Rutger Hauer ist eben kein gewöhnlicher Actionheld, er verbindet die Physis seiner schlagkräftigeren Kollegen mit dem Intellekt eines Geheimagenten: Man nimmt ihm den Profi vollkommen ab, erkennt, dass hinter der schlafwandlerischen Sicherheit, mit der Randall Finten inszeniert, seine Verfolger abhängt, seine Feinde aufspürt, sich ihnen nähert und sie schließlich ausschaltet, mehr steckt als nur Pflichtausübung. Dieser Mann geht in seinem Job vollkommen auf, er liebt ihn. Und er zelebriert ihn. Randall ist kein tumber Haudrauf, sondern ein kreativer Kopf, der über so viel Erfahrung verfügt, dass er wie ein Schachspieler auch die nächsten Schritte seiner Gegener – und Verbündeten – antizipieren und in seine Überlegungen miteinbeziehen kann. WANTED: DEAD OR ALIVE steht dem Agententhriller näher als dem Actionfilm, obwohl man ihn sicher als Melange dieser beiden eh verwandten Genres bezeichnen kann. Es gibt nicht viel Krawall, Sherman verwendet mehr Zeit darauf, auf den Showdown hinzuarbeiten, seinen Protagonisten zu charakterisieren, Spannung und eine nur latent spürbare Bedrohung  aufzubauen. Diese geht von Terroristen Rahim aus, der über weite Strecken des Films im Hintergrund bleibt, von seinen Anschlägen erfahren wir meist nur aus zweiter Hand. Das ist richtig so, denn Randall und seine Auftraggeber haben mit der Zivilbevölkerung eigentlich nichts zu tun. In ihrem Job geht es um Politik, nicht um Bestrafung und Sühne. Nur einer der Gründe, warum Randall die Schnauze voll hat. Seine letzte Handlung spricht eine deutliche Sprache. Dann doch lieber wieder Proleten jagen?

Wie so viele Filme der Achtziger, die sich mit dem Nahost-Konflikt auseinandersetzen, gewinnt auch WANTED: DEAD OR ALIVE heute eine neue Aktualität und Brisanz, wirkt er der Zeit irgendwie seltsam enthoben. Dieser Film könnte heute – von seiner Oberfläche abgesehen – genauso wieder entstehen. Dass er gleichzeitig aber doch wieder so eindeutig ein Kind seiner Zeit ist, macht ihn so spannend und interessant.

Ein grobkörniges, bräunlich monochromes Bild, Charles Bronson, der in Zeitlupe ein Messer wirft. Standbild, dann tippt eine unsichtbare Schreibmaschine den Titel in großen Lettern ins Bild. „The Evil that Men do.“ Die nüchterne Selbsterkenntnis, der resignative Unterton, die kaum überhörbar im Titel mitschwingen, sie finden auch in der folgenden, kaum zu ertragenden Sequenz Bestätigung, die den Zuschauer mit einem der furchteinflößendsten Schurken der Filmgeschichte konfrontiert. Dr. Molloch (Joseph Maher) hat sich als Folterarzt für fast alle totalitären Systeme der Welt verdingt und das rücksichtslose Quälen und Schinden von Menschen zur kühlen Wissenschaft erhoben. Wenn er vor interessiertem Publikum voller Stolz über seine Errungenschaften und in elaboriertem Code seinen Vortrag über die Belastbarkeit des Menschen hält, darüber, wie es ihm gelungen ist, auch den härtesten Widerstand zu brechen, dann krampfen sich die Eingeweide in einer Mischung aus Hass, Ekel und Angst zusammen. Man ahnt, was da noch kommen soll. Die anschließende Elektroschock-Folter an einem willkürlich ausgewählten Opfer übertrifft jedoch auch diese Befürchtungen noch und stellt auch den abgebrühtesten Zuschauer vor eine harte Probe.

Molloch soll in der Folge umgebracht werden. Zu viele Unschuldige hat er auf dem Gewissen, zu weit hat er es getrieben mit seinem grenzenlosen Sadismus, seiner perfiden Kreativität im Finden neuer Foltermethoden. Charles Bronson ist Holland, ein Ex-Killer, den der Job auf ein einsames Inselparadies getrieben hat, wo er nun hofft, mit der Menschheit nichts mehr zu tun haben zu müssen, aber noch ein letztes Mal seiner Tätigkeit nachgehen soll. Der in der Auftaktsequenz zu Tode Gefolterte war sein Freund, doch das reicht ihm noch nicht als Argument. Also lässt er sich Videobänder von Opfern vorführen, die Mollochs Spezialbehandlungen überlebt haben: eine weitere mehrminütige Sequenz, die einem das Blut in den Adern gerinnen lässt. Menschen berichten von unvorstellbaren erlittenen Qualen, perversen Foltermethoden, die nur ein kranker Geist ersinnen kann. Die Kamera bleibt auf Distanz, zeigt nur die Gesichter der Opfer. Holland willigt schließlich ein, den Auftrag auszuführen, weil er in ihm auch die Möglichkeit sieht, Abbitte für seine eigenen Schandtaten zu leisten. Das sagt er nicht, aber wir wissen es. Gemeinsam mit der Ehefrau seines toten Freundes, der Ärztin Rhiana, begibt er sich in den Dunstkreis des Massenmörders.

Thompsons Film ist in seiner Eiseskälte, seiner Darstellung menschlicher Grausamkeit, seiner nur wenig Hoffnung zulassenden Perspektive einer der radikalsten Actionfilme der Achtzigerjahre. Er ist vom Start weg auf die Überrumpelung des Zuschauers gebürstet und erreicht sein Ziel mit einer Leichtigkeit, die angesichts des finsteren Themas seines Films fast ebenso schockierend ist wie die Taten seines Monsters Molloch. Doch Regisseur Thompson ist kein Menschenquäler: Den schieren Terror der ersten Hälfte seines Films opfert er bald zugunsten einer gemäßigteren Gangart, die weniger auf einzelne Gräueltaten und grafische Gewaltakte als vielmehr auf eine Atmosphäre der Hoffnungs- und Ausweglosigkeit fokussiert, den Schrecken invertiert. Das Belagerungsszenario, das den sein Opfer umschleichenden Killer zeigt und in dessen Kalkül eine Verwandtschaft der beiden Figuren sichtbar macht, weicht in der zweiten Hälfte einer etwas herkömmlicheren Verfolgungsdramaturgie, in der Holland in der Beziehung zu seiner Partnerin Rhiana Menschlichkeit zeigen und beweisen darf, dass er sich verändert hat. Der Film endet tatsächlich auf einer versöhnlichen Note: Holland fängt mit Rhiana und deren Tochter ein neues Leben auf seiner kleinen Insel an. Aber diese Aussicht wird überschattet von der unmittelbar vorangegangenen Szene, in der die Unterprivilegierten Rache an Molloch nehmen konnten. Der Mensch ist des Menschen Wolf: Angesichts dieser Tatsache kann man ihm nur den Rücken zukehren und das Weite suchen.

L. A.: Sittenpolizist Lieutenant Crowe (Charles Bronson) hat es auf den Zuhälter Duke (Juan Fernandez) abgesehen, der minderjährige Mädchen auf den Strich schickt. Der Job zerrt an Crowes Nerven und belastet auch das Verhältnis zu seiner pubertierenden Tochter, deren sexuellen Reifeprozess er mit einer gewissen Angst verfolgt.

Tokio: Der Geschäftsmann Hada (James Pax) ist erfolgreich, hat eine Gattin und zwei heranwachsende Töchter, doch nach Feierabend verschlägt es ihn immer wieder zu Hostessen und Prostituierten, bei denen er seine überbordenden sexuellen Fantasien auslebt. Als er von seinem Unternehmen nach L. A. transferiert wird, lässt ihn eine seiner Fantasien an die  Tochter Crowes  geraten, die aber mit dem Schrecken davonkommt. Und dann fällt Hadas Tochter in die Hände von Duke …  

Was für ein Film! KINJITE ist weit gehend als vernachlässigbares, reaktionär-schundiges Machwerk verschrieen, als Beispiel für die Niederungen, in die es Bronson im Spätherbst seiner Karriere verschlagen hatte. Insofern geht man natürlich vorbelastet in den Film, der sich sowohl mit der amerikanischen Angst vor der „Gelben Gefahr“ als auch mit Kinderprostitution beschäftigt und somit schon vorab eine Steilvorlage für eine wohlfeil formulierte Ideologiekritik gibt. Regisseur Thompson scheint zunächst tatsächlich alle vorgefertigten Vorurteile zu bestätigen: Die Auftaktsequenz suhlt sich in softpornösem Chic und schließt damit, dass Crowe einem Freier, der sich gerade an einer Minderjährigen vergriffen hat, einen Dildo anal einführt, als dieser nicht einmal den Hauch von Reue zeigt.  Schon die nächste Szene jedoch reflektiert das soeben erneut bestätigte Rächerimage Bronsons: Zu Hause angekommen, wischt er sich angewidert die Hände ab und beklagt sich bei seiner Gattin über den Job, der ihn Tag für Tag mit dem widerlichsten Abschaum konfrontiert. Man kommt kaum umhin, Crowes Reaktion auf seinen Job auf Bronson zu übertragen, der selbst einer der größten Kritiker der Filme war, in denen er auftrat. Diese dialektische Strategie von These und Antithese verfolgt KINJITE bis zum Ende mit äußerster Konsequenz. Das beginnt schon beim ungewohnt komplexen Handlungsaufbau, der beinahe epische Ausmaße annimmt, und setzt sich in der Dramaturgie fort: Auf jede aufwiegelnde, das Bedürfnis nach Triebabfuhr befriedigende und den Reaktionismus schürende Szene folgt eine, die den Fokus erweitert, Kontext hinzufügt und den Zuschauer so vor die Wand seiner eigenen perfiden Bedürfnisse laufen lässt. Wird Hada zunächst scheinbar exemplarisch für „den Japaner“ als sexgeil diffamiert, wird ihm nicht nur ein besonnenerer Gegenpart in Form seines Arbeitskollegen entgegen gestellt, sondern auch die übermäßige Verklemmtheit des Westens, die auf einem durch das Christentum hervorgerufenen Schuldkomplex beruht, und keineswegs als wünschenswertere Alternative fungiert. Spricht Crowe in einer Szene die Gedanken des amerikanischen Durchschnittsbürgers aus, als er eine Gruppe von Japanern beschimpft, weil diese sein Land überlaufen hätten und sich den herrschenden Normen nicht anpassen wollten, so entschuldigt sich sein Partner peinlich berührt von den Ausfällen Crowes bei ihnen. Die abstoßendste Gewalt geht eigentlich immer von Crowe aus: Denkwürdig die Szene, in der er Duke dazu zwingt, seine teure Armbanduhr zu fressen und anschließend dessen Auto anzündet; denkwürdig jene Szene, in der er eine von Dukes ehemaligen Kinderprostituierten um Hilfe bittet und jene ihm diese zunächst verweigert, weil der Zuhälter sie immer gut behandelt habe; denkwürdig das Finale, als Hada, der Crowes Tochter im Suff im Bus zwischen die Beine gelangt hatte, und der unwissende Crowe zusammengeführt werden, die Rache aber ausbleibt. Natürlich ist KINJITE alles andere als liberal und auch von dem im Titel mitgeführten Anspruch, verbotene Tabus des Westens anzusprechen, ein gutes Stück entfernt; er ist und bleibt eben auch seinem Genre verpflichtet. Dennoch stellt er einen ausgesprochen schillernden Vertreteter desselben dar, bietet provokante und herausfordernde Unterhaltung, die es einem keinesfalls leicht macht. So sollte es sein.

Die Frau ist nicht im Haus (was im fünften Jahr des Zusammenlebens und im dritten Ehejahr eigentlich ein unerträglicher Zustand ist), was macht man da? Ich beantwortete diese Frage für mich mit einem Charles-Bronson-Triple-Feature und kann mich nachträglich nur zu dieser Entscheidung beglückwünschen: So kann man sich einen Montagabend auch versüßen!

Zum Start gab es den vielleicht ungewöhnlichsten Film, den Bronson in den Achtzigern gemacht hat: Genervt von seinem Rächerimage und den Filmen, die ihm die Cannon auf den welkenden Leib schneiderte, rang er ihnen im Gegenzug diesen Krimi ab, in dem er den Journalisten Garret Smith spielt, der für seine Zeitung versucht, einen grausamen Mord in Mormonenkreisen aufzuklären. Was zunächst das Resultat eines eskalierten Bruderzwists zu sein scheint, entpuppt sich schon bald als Werk eines gierigen Geschäftsmanns. Die Handlung von MESSENGER OF DEATH reizt nicht zu großen Worten, auch wenn der Ausflug zu den Mormonen eine willkommene Abwechslung zu den vielfach abgegrasten Milieus darstellt. Was Thompsons Film aber in erster Linie herausragen lässt, das sind die beeindruckende Kulisse der Rocky Mountains, die von der Kamera immer perfekt ins Bild gerückt wird, der Score von Robert O. Ragland, der das Geschehen mit seinen dramatischen Streichern gehörig aufwertet, und die erstaunlich stilsichere Inszenierung des Regisseurs selbst, der hier auf den Spuren von Hitchcock und De Palma wandelt und aus dem kleinen Krimi großes Kino macht. MESSENGER OF DEATH braucht keine Gimmicks, weil Thompson aus dem ihm zur Verfügung stehenden Drehbuch das Optimum herausholt, Bronson selbst genießt es sichtbar, einmal etwas anderes machen zu dürfen, wirkt entspannt und gut gelaunt. Ein feiner Film, über den man gar nicht zu viele Worte verlieren muss, weil er einfach „nur“ gut ist. Nur die Verfolgungsjagd zwischen einem Geländewagen und zwei Tanklastzügen, die ist ziemlich unglaublich …

In Nigeria tobt der Bürgerkrieg. Die rebellischen islamischen Folani des Nordens haben unter der Führung von General Yakubu den amtierenden Präsidenten Azuka, einen Vertreter der christlichen Ibo, gestürzt und beginnen mit der ethnischen Säuberung. In Gefahr befindet sich auch die Ärztin Lena Kendricks (Monica Bellucci), die in einer kleinen Mission mit zwei Nonnen und einem Priester versucht, der wachsenden Zahl der Verwundeten Herr zu werden. Als die feindlichen Rebellen näher rücken, sendet sie einen Hilferuf. Lieutenant A. K. Waters (Bruce Willis) wird mit seinen Männern geschickt, um die Ärztin und ihre Helfer ins benachbarte Kamerun zu schaffen. Doch die Ärztin will ihre Patienten auf keinen Fall zurück lassen. Also trifft Waters eine folgenreiche Entscheidung …

Fuqua hatte sich für einige seiner bisherigen Sünden (der nichtssagende THE REPLACEMENT KILLERS und der blöde TRAINING DAY) mit dem famosen SHOOTER rehabilitieren können, einem der besten großbudgetierten Actionfilme der letzten Jahre, der auch den Auslöser dafür darstellte, mich diesem bisher von mir links liegen gelassenen Kriegsfilm zu widmen. Diese Nachsicht ist belohnt worden, denn auch wenn TEARS OF THE SUN keinesfalls unproblematisch und noch weniger perfekt ist, so bietet er dem Genrefreund doch genug Stoff, in den man sich verbeißen kann und erzeugt zeitweise einen Druck, der schon beachtlich ist. Fuqua versteht seinen Film als Antikriegsfilm und konzentriert sich somit zunächst nicht auf reißerische Actionszenen, sondern eine Darstellung des vorherrschenden Leids. Seine Vorgehensweise ist durchaus diskussionswürdig, bezieht er sich doch einen realen Konflikt aus den Sechziger- und Siebzigerjahren den er jedoch kurzerhand in die Gegenwart verlegt und sich somit relativ angreifbar für einen Vorwurf der Geschichtsklitterung und Instrumentalisierung realen Leids macht. TEARS OF THE SUN ist ein Unterhaltungsfilm, der den Massenmord eines Teils der nigerianischen Bevölkerung hier zu dramatischen Zwecken benutzt und in kräftigen Bildern (als pittoresker Drehort diente Hawaii) inszeniert. Dieser Zweispalt lässt sich nicht auflösen: Man muss damit umgehen, es als Mittel des Filmes akzeptieren oder aber abschalten. Zum Glück gibt es noch eine weitere Ebene in TEARS OF THE SUN, die einem die Entscheidung zugunsten des Films erleichtert. Diese hebt das Geschehen von einer historischen auf eine höhere Ebene, auf der die Figuren existenzielle moralische Fragen verhandeln, deren gegensätzlichsten Positionen durch Waters auf der einen und die Ärztin Kendricks auf der anderen vertreten werden. Steht letztere für einen bedingungslosen Humanismus, verkörpert der Soldat einen pragmatischeren, utilitaristischen Ansatz. Im Verlauf des Filmes nähern sich beide Pole natürlich an: Der Soldat muss erkennen, dass es eine Moral und Wahrheit jenseits der Befehle des Vorgesetzten gibt, eine Verpflichtung auch gegenüber Menschen, die nicht den amerikanischen Pass bei sich tragen, die Ärztin, dass mit jeder Entscheidung auch Beschränkungen einhergehen. Mit den Rechten gehen auch Pflichten einher. Dass diese alte Debatte in TEARS OF THE SUN überzeugend geführt wird, ist vor allem Bruce Willis zu verdanken, der als eiskalt kalkulierender Rationalist eine seiner besten Leistungen abliefert. Wenn seine Überzeugungen plötzlich zu wanken beginnen, ist das für ihn selbst die größte Überraschung. Willis verzichtet auf große pathetische Gesten und Fuqua verfällt im Gegenzug niemals dem Klischee, seinen Soldaten zum vollkommenen Moralisten zu machen: Sein Waters bleibt immer Soldat, der Wandel vollzieht sich innerhalb eines glaubwürdigen Rahmens. Demgegenüber muss Monica Bellucci versagen, aber was soll sie auch machen mit dieser Rolle, die ihr ewiges Rollenklischee der heiligen Hure zum xten Mal auffrischt? In ihren Szenen verfällt der Film in die Niederungen des Gesinnungskinos, das am schlimmsten durch das ärgerliche Finale verkörpert wird, in das all das Pathos und der Kitsch gepackt werden, die man vorher so gut umschifft hatte. Bis dahin sind es aber 130 packende, streitbare, spannende und fordernde Minuten, die nicht verschwendet sind. TEARS OF THE SUN bietet reichlich Möglichkeit zur Anschlusskommunikation, das sollte man nicht geringschätzen. SHOOTER bleibt aber unerreicht.

Bei der Kinoauswertung ist er mangels Lust an mir vorbeigegangen, bei der Erstsichtung auf DVD war ich promilletechnisch schon jenseits von gut und böse und musste vorzeitig abbrechen. Vielleicht mehr als Pech? Ein schlechtes Omen, eine Warnung der Götter, diese Rückkehr Spielbergs zu seinem 20 Jahre brachliegenden Franchise links liegen zu lassen? Ich kann nicht sagen, dass ich Indiana Jones vermisst habe in diesen 20 Jahren. Ich mochte die ersten drei Filme, mag sie immer noch, aber sie stellten für mich immer einen abgeschlossenen Korpus dar, wohl auch deshalb, weil die Trilogie mit INDIANA JONES AND THE LAST CRUSADE auf dem qualitativen Höhepunkt ihr Ende fand. Indiana Jones, das war für mich ein Relikt der Achtzigerjahre, Repräsentant einer Art von Kino, wie sie damals gut und richtig war, wie sie aber auch nur zur damaligen Zeit zu solcher Blüte reifen konnte. Diese weise Einschätzung treffe ich jetzt natürlich von einem sicheren Standpunkt aus: Ich habe den vierten Teil gesehen, er hat mich maßlos enttäuscht, ja, teilweise sogar schockiert, und macht es mir relativ leicht, rückblickend oberschlau zu erklären, warum das ja eigentlich von vornherein zu erwarten war. Aber von vorn.

Spielberg steht mit CRYSTAL SKULL zunächst einmal vor der schwierigen Aufgabe, seinen Protagonisten 20 Jahre älter machen zu müssen und ihn damit auch aus den Dreißiger- in die Fünfzigerjahre zu verfrachten. Ihm gelingt das zunächst auf gewohnt beiläufig-spielerische Art und Weise: Während die Credits laufen, sieht man ein paar Jugendliche in ihrem schicken Automobil zu klassischem Rock ’n‘ Roll durch die Prärie heizen. Im Folgenden bekommt Indiana Jones es mit Kommunisten zu tun, anstatt mit Nazis, Ausgangspunkt der neuen Schatzsuche ist das Roswell-Alien, er entgeht nur knapp einer Atombombenexplosion, weil er sich dummerweise mitten im Testgebiet aufhält, und der Halbstarke Marlon-Brando-Verschnitt auf dem Motorrad (Shia LaBeouf) entpuppt sich als sein Sohn. Man könnte meinen, dass Spielberg das alte Erfolgsrezept der Reihe beibehält, aber dem ist nicht so. Statt in einem pulpigen Paralleluniversum der Groschenhefte und Serials befinden wir uns in dieser neuesten Folge der Reihe in einer durch popkulturelle Verweise geprägten Hyperrealität. Damit verrät Spielberg jedoch genau das, was die alten Filme so liebenswert machte: Ihre Trivialität und Naivität, mit der die Filme eine unprätentiöse Selbstgenügsamkeit ausstrahlten, weicht dem postmodernen Zitatespiel und gibt CRYSTAL SKULL damit der Beliebigkeit preis.

Wo früher Lockerheit und Leichtigkeit walteten, regiert nun der Krampf. INDIANA JONES AND THE KINGDOM OF THE CRYSTAL SKULL ist wie Malen nach Zahlen, der zwanghafte Versuch, es nochmal so hinzkriegen wie damals. Doch dieses Kleben an der Formel unterminiert genau das, was Spielberg wohl in erster Instanz im Sinn hatte. Die Aneinanderreihung von Set Pieces, Schauplätzen und Verfolgungsjagden war zwar schon immer das dramaturgische Prinzip der Serie, aber damals schien sie als organisch gewachsen. Es war auch dem Charakter des Indiana Jones geschuldet, dass er von einer gefährlichen Situation in die nächste stolperte: In diesem neuesten Teil wird der Archäologe geradezu zur Randfigur degradiert, zum Erfüllungsgehilfen der Effekte. Während LAST CRUSADE mit der Einführung der Vaterfigur ein genialer Schachzug gelang, der schon in den Vorgängern angelegte Konflikte auf die Spitze trieb und erlöste, ist die Einführung des Sohnes und die Wiederbegegnung mit dem alten Gspusi Marion (Karen Allen) reines Nostalgiegeplänkel, das den Film letztlich kein Stück weiter bringt. Aber es geht hier auch nicht um Menschen: Die Effekte sind so inflationär eingesetzt, dass CRYSTAL SKULL teilweise zum Zeichentrickfilm verkommt. Niemals erreicht er den Zauber der Vorgänger, die ja auch gerade davon lebten, dass manche Effekttechnik noch nicht ganz ausgereift war, weil sie sich eben als Hommage auf ein Genre verstanden, dass selbst mit den Grenzen des Machbaren zu kämpfen hatte. im neuesten Spielberg-Film scheinen sie reiner Selbstzweck, Bombast, um den Hintergrund aufzupeppen, weil im Vordergrund nichts passiert.

Doch nicht alles ist schlecht an CRYSTAL SKULL: Die ersten zwanzig Minuten machen Hoffnung, kulminieren in einem grandiosen Moment, wenn sich Indys Silhouette vor dem gigantischen Atompilz abzeichnet und es ist durchaus beeindruckend, wie Spielberg inszenatorisch auf die Tube drückt, einen steten Flow erzeugt, der über 120 Minuten kaum abreißt. Aber das allein reicht eben noch nicht: Eine Achterbahnfahrt ist eben nur dann wirklich aufregend, wenn man dabei ist und fühlt, wie einem der Magen in die Kehle und das Herz in die Hose rutscht. CRYSTAL SKULL ist vor lauter formalem Dauerfeuer inhaltlich leider vollkommen leer und damit in etwa so spannend als würde man anderen beim Achterbahnfahren zusehen

Vietnam: Bei einem Einsatz der Spezialeinheit „Cobra Force“ wird diese komplett zerschlagen, nur ihr Anführer, der eisenharte Sergeant Michael Ransom (Reb Brown), überlebt und landet schwer verletzt bei einigen vietnamesischen Bauern, die ihn gesund pflegen. Weil die bösen Russen ihm auf den Fersen sind, versucht er auch seine Wohltäter in Sicherheit zu bringen. Das misslingt. Ransom schwört Rache …

An STRIKE COMMANDO zeigt sich ganz gut, was ich eben über den Niedergang des Italokinos sagte. Bruno Mattei war immer in vorderster Front dabei, wenn es darum ging, erfolgreiche amerikanische Konzepte zu verwursten, Stil, Herz oder gar Geist waren da meist eher zweit- und drittrangig. STRIKE COMMANDO – zu deutsch COBRA FORCE – ist ein nur halbherzig getarntes Rip-off von Cosmatos‘ RAMBO: FIRST BLOOD PART 2, der teilweise einstellungsgleich kopiert, dessen Klasse aber nicht einmal annähernd erreicht wird, und erreicht in diesem Versagen doch wieder eine ganz eigene Größe. Es ist schon beeindruckend, wie viele vollkommen Schwachsinnigkeiten hier aneinandergereiht werden: Das beginnt schon bei der Wahl des Hauptdarstellers. Reb Brown ist gar nicht mal ein so schlechter Schauspieler, als harter Hund, als der er aufgrund seiner stattlichen Figur immer wieder besetzt wurde, ist er aber so überzeugend wie eine Packung Löffelbiskuits. Wenn er sein knuffiges Bärchengesicht zu hasserfüllten Grimasse verzerrt, möchte man ihm am liebsten den Kopf tätscheln. Seine stärkste Szene hat er dann auch, wenn er einem sterbenden vietnamesischen Kind Lügenmärchen über Disneyland erzählt. Die Hingabe mit der er, tränenüberströmt und vor Rotz triefend, von Popcorn-, Honigflüssen und Gratisschokolade berichtet, legt den Schluss nahe, dass er das wirklich geglaubt hat. Das Panoptikum setzt sich in der erstklassigen Synchro fort, die einen mit markigen One-Linern á la „Die Cobra Force existiert nicht mehr. Jeder von ihnen war ein Held!“ versorgt und zudem Lacher damit erntet, dass jeder Sprecher den Nachnamen der Hauptfigur konsequent falsch ausspricht: Die sagen alle „Ramsom“. STRIKE COMMANDO ist ein nie versiegender Quell der Freude, vollends beknackt und dumm, aber durchaus mit Schauwerten ausgestattet. Richtig toll ist jedoch das Ende: Wenn man sich die Erschießung des Oberbösen Colonel Radek (Christopher Connelly) mit der Einzelbildschaltung ansieht, wird man eine handfeste Überraschung erleben, die einem diesen herrlichen Film für immer ans Herz schweißt. Ganz, ganz groß!