Archiv für August, 2010

Nach einer Reifenpanne treffen drei attraktive Damen und ihre beiden männlichen Begleiter auf Slauson (Chuck Connors), der an einer ausgestorbenen Landstraße ein merkwürdiges „Museum“ betreibt, in dem Szenen aus der amerikanischen Geschichte mit beweglichen Schaufensterpuppen nachgestellt werden. Als die ersten Personen verschwinden, schiebt Slauson die Schuld auf seinen Bruder, der angeblich in einem nahegelegenen Haus wohnt. Und tatsächlich treibt dort ein Verrückter mit Maske sein Unwesen, will Menschen in Schaufensterpuppen verwandeln …

Mal wieder einer dieser billigen, schrägen, kleinen US-Horrorfilme aus den Siebzigerjahren, die zwar über die Jahre einen kleinen Kultstatus eingeheimst haben, damit tatsächlich aber noch weit unter Wert verkauft werden. TOURIST TRAP ist nämlich ein ziemlicher Kracher, originell, kreuzunheimlich und mit einer bizarren Grundidee ausgestattet, die zudem ausgesprochen effektiv umgesetzt wurde. Die Verwandtschaft zu Hoopers THE TEXAS CHAIN SAW MASSACRE ist kaum von der Hand zu weisen, auch wenn Schmoeller weniger auf ungebrochenen Psychoterror setzt, sondern das Abseitige vielmehr mit einem leichten Anflug von Humor inszeniert, der aber nie abmildernd wirkt. Wer Schaufensterpuppen (oder Puppen generell) unheimlich findet, der sollte TOURIST TRAP besser nicht vor dem Zu-Bett-Gehen schauen, denn einige Szenen haben mir selbst bei meiner Sichtung am hellichten Tag noch einen gepflegten Schauer über den Rücken laufen lassen. Gegenüber anderen ähnlich gelagerten Horrorfilmen hat TOURIST TRAP den eindeutigen Vorteil, handwerklich wirklich erstklassig zu sein: Pino Donaggio hat einen grandiosen Score beigesteuert, der sowohl die komischen als auch die horriblen Elemente der Geschichte akzentuiert und den Film viel, viel größer wirken lässt, als er tatsächlich ist, und die Kameraarbeit von Nicholas Josef von Sternberg (Sohn von genau jenem) rückt die Puppen ins richtige Dämmerlicht, findet viele schöne und unheimliche Einstellungen.

Der einzige Vorwurf, den man dem Film machen könnte, so man denn unbedingt das Haar in der Suppe suchen und finden möchte, ist, dass er in der zweiten Hälfte ein wenig redundant wird. Das liegt daran, dass nach 50 Minuten die (für jeden denkenden Zuschauer eh auf der Hand liegende) Auflösung präsentiert wird und danach nur noch das typische Katz-und-Maus-Spiel absolviert wird, das aber trotzdem noch etliche schaurige Momente bereithält. Ich hatte TOURIST TRAP kaum noch in Erinnerung und war absolut positiv überrascht. Wer ein Faible für preisgünstige, derangierte Horrorfilme übrig hat, kommt hieran eigentlich nicht vorbei, zumal es mit einer (hier noch brünetten) Tanya Roberts auch ein nicht zu verachtendes Eye Candy gibt – und eine wirklich tolle „20th Anniversary Edition“ auf DVD mit Audiokommentaren und jeder Menge Schnickschnack. Ich würde unterstellen, dass Rob Zombie an Slausons Touristenfalle dachte, als er seinen HOUSE OF 1000 CORPSES drehte: Was bizarre Einfälle angeht, liegt TOURIST TRAP nämlich voll auf seiner Linie.

Als dem Schauspieler Lawrence Talbot (Benicio Del Toro) von seiner Schwägerin (Emily Blunt) die Nachricht überbracht wird, dass sein Bruder unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen ist, begibt er sich in seine alte Heimat Blackmoor, die er einst nach einem Streit mit seinem Vater (Anthony Hopkins) verlassen hatte. Es stellt sich heraus, dass sein Bruder einem aggressiven Wolf zum Opfer fiel, der bei einer einberufenen Hetzjagd auch Lawrence verwundet. Nachdem  die schwere Verletzung erstaunlich schnell verheilt ist, bemerkt Lawrence zunächst nur eine Steigerung seiner Sinneswahrnehmungen. Doch das ist nur der Anfang …

Das Remake von George Waggners Universal-Klassiker aus dem Jahr 1941 bemüht sich zum einen natürlich, den Werwolfstoff gemäß der neuen technischen Möglichkeiten optisch aufzumöbeln und ist dabei – wenn auch nicht besonders originell – recht erfolgreich. Griff Waggner noch auf die bereits erprobten und mit viel Trockeneisnebel zugerauchten Studiosettings zurück, die den Universal-Horrorklassikern ihre wunderschön düstergothische Stimmung verliehen, so darf Johnston viel weiträumiger inszenieren, das im graugrünen Moor gelegene britische Örtchen Blackmoor und den an die Familienvilla der Ushers erinnerndern von dunklen Wäldern umgebenen Landsitz der Talbots in stimmungsvollen (aber leider auch mit viel typischer Computer-Colorierung bearbeiteten) Bildern einfangen. Und wenn eine längere Sequenz in London spielt, der Wolfsmensch im Mondschein nicht nur über die Dächer der Großstadt springt, sondern auch die Tower Bridge dekorativ anheult, dann wird auch dem WOLFMAN-Vorläufer WEREWOLF IN LONDON von 1935 Referenz erwiesen.

Man könnte Johnstons Film schon vorwerfen, dass er sich in diesem visuellen Update erschöpft: Aber solcher Vorwurf übersieht, dass Johnston kaum versucht, das eigentlich wichtigste Elemtent des Werwolffilms zu revolutionieren: die Metamorphose, deren bahnbrechende Umsetzung Filmen wie Landis‘ AN AMERICAN WEREWOLF IN LONDON oder mit Abstrichen auch Dantes THE HOWLING Klassikerstatus verschaffte. Ein kluger Schachzug, denn die physische Kraft dieser Effektsequenzen, ihre fast greif- und fühlbare Pein lässt sich mit CGI-Animationen nur unzureichend reproduzieren, wie die fast schon verschämt eingefügte, kurz und pflichtschuldig abgewickelte Verwandlung beweist (die eigentlich nur Einstellung aus Landis‘ Film „übersetzt“). Johnston geht in seinem ganzen Wolfdesign dann auch eher einen Schritt zurück: Sein Wolfman ist tatsächlich ein Mensch mit bloß wölfischen Zügen, anstatt eines Wolfes mit leicht menschlichen Zügen. Es ist auch dieses Design, das den Film für mich – durchaus überraschend – so liebenswert gemacht hat. Johnston holt den Stoff zurück in eine Legenden- und Märchenwelt, anstatt ihn, wie die Werwolffilme der vergangenen 30 Jahre, möglichst „realistisch“ zu gestalten. Und damit fährt er sehr gut. Die einzige nennenswerte inhaltliche Änderung, die sich Drehbuchautor Andrew Kevin Walker hat einfallen lassen, steht dem zwar entgegen, ist aber trotzdem recht schlau: Er verankert die Wolfsthematik in einer dysfunktionalen Vater-Sohn-Beziehung, macht die tierischen Mordtouren als krasse Auswirkungen eines tief verwurzelten ödipalen Konflikts lesbar.

In einer Irrenanstalt experimentiert der verrückt gewordene Arzt Dr. Colin Ramzi (Danny Gochnauer) an den Gehirnen seiner Patienten herum, deren Leichen er danach in eine Grube im Keller wirft. Als Dr. Gerald Swan (Jeremy Slate) Ramzis Geheimnis entdeckt, ist er schockiert, bringt den mad scientist kurzerhand um und versiegelt den Kellerraum. 20 Jahre später wird die unter Amnesie leidende „Jane Doe“ (Cheryl Lawson) zur Behandlung in die Klinik eingeliefert. Sie behauptet, jemand habe ihr durch einen Eingriff ins Gehirn die Erinnerungen „gestohlen“. Als wenig später ein Erdbeben die Klinik erschüttert, passieren sonderbare Dinge …

Wie schon DR. GIGGLES zählt auch THE DEAD PIT zu den damals in Venlo von mir verhafteten Splatterfilmen. Dass von diesem aber so gut wie nichts hängen geblieben ist, verwundert mich nach der neuerlichen Sichtung nicht besonders. So rüde, ruppig und wild er auch ist, so anstrengend ist er nämlich auch. Brett Leonard, der wenig später zum Hollywood-Cyberspace-Spezialisten avancieren, mit THE LAWNMOWER MAN, VIRTUOSITY und HIDEAWAY gleich drei Filme zum Thema drehen und sich so sein eigenes Karrieregrab schaufeln sollte, gelingt es zwar, seiner wilden Mad-Scientist-Zombie-Mär unter Zuhilfenahme expressiver Beleuchtungs- und anderer Verfremdungseffekte eine traumgleiche Atmosphäre zu verleihen, doch entfremdet diese den Zuschauer über die Länge von 95 Minuten eher, als dass sie Faszination auf ihn ausübte. Erschwerend hinzu kommt, dass man am Schicksal der Charaktere keinerlei Anteil nimmt. Das ist nicht nur auf die Schauspieler zurückzuführen: THE DEAD PIT ist so eigenwillig in seiner Reduktion auf das Irrenhausszenario und völliger Ausblendung jedweder Umwelt, jeden nachvollziehbaren raumzeitlichen Kontextes, dass man seine Figuren eben gar nicht erst als echte Menschen ansieht.

Das ist schade, denn es gibt hier durchaus Einiges zu entdecken: Die Effekte sind wie schon erwähnt recht rüde geraten, die Story versucht den Brückenschlag zwischen trashigem Splatterstuss und surrealem Psychohorror (und ergibt auf eine interessante Weise keinen Sinn), im Finale gibt es liebevolle Modelleffekte zu bestaunen und die Fotografie zaubert einige wirklich albtraumhafte Bilder. Und der Bierernst, mit dem dieser Zinnober präsentiert wird, ist einfach nur merkwürdig. Leider will sich das nicht zu einem funktionierenden Ganzen zusammenfügen und so werden die anderthalb Stunden, in denen man sich wie in einem befremdlichen Traum gefangen fühlt, recht zäh. Vielleicht funktioniert THE DEAD PIT aber auch besser, wenn man sich nicht auf einen temporeichen Splatterfilm einstellt, sondern ihn als bizarren Hirnfick rezipiert. Jedenfalls kann und will ich ihm seine Meriten nicht ganz absprechen. Nur wirklich mögen, kann ich ihn nicht.

Die Rockkapelle „Tritonz“ um den muskelbepackten Sänger John Triton (Jon Mikl Thor) hat in der kanadischen Einöde ein Häuschen samt angrenzender Scheune gemietet, um im dort eingerichteten Tonstudio am neuen Album zu arbeiten und sich nebenbei mit den mitgebrachten Freundinnen zu verlustieren. Doch mit dem Haus stimmt etwas nicht und so verschwindet ein Musiker nach dem anderen, bis nur noch John übrigbleibt, um sich mit dem Leibhaftigen himself zu duellieren …

Wenn man den superenthusiastischen, supersympathischen Jon Mikl Thor im Anschluss an die Sichtung von ROCK ‚N‘ ROLL NIGHTMARE in dem auf der DVD enthaltenen Interview zuhört, könnte man meinen, er rede über einen anderen Film als das bonbonbunte und herrlich unzulängliche Trashfeuerwerk, das da zuvor auf einen niedergegangen war. Voller Begeisterung spricht der Mann über den Film, die darin enthaltenen Ideen, den von ihm komponierten Rocksoundtrack und die Regie von Fasano (der derzeit HOSTEL 3 scriptet) und diese Begeisterung ist hochgradig ansteckend. Ein bisschen erinnern er und „sein“ Film an den Ed Wood jr., wie er von Tim Burton imaginiert worden ist: Thor ist so in seiner eigenen Vorstellungswelt versunken, so berauscht davon, kreativ arbeiten zu können und zu dürfen, dass die Realität davon vollständig überlagert wird. Es ist schön, jemandem zuzuhören, der Film noch nicht mit dem Pragmatismus eines Bänkers betrachtet, sondern mit einer ungebrochenen infantilen Begeisterung, und es ist absolut unmöglich, nach diesem Interview noch über ROCK ‚N‘ ROLL NIGHTMARE und seinen Dilettantismus zu lachen: Man muss mit ihm sympathisieren, ihn ins Herz schließen.

Wie sich Thor als rockender Superheld inszeniert, der mit seinen „Tritonz“ einen generischen (aber geilen!) Hardrocksound fabriziert, wie er und seine Genossen sich über den „Urlaub“ in dem abgeranzten Haus freuen, wie sie beklagen, dass sie dort nicht mehr wegkommen, nachdem ihr Bus verschwunden ist, obwohl doch in gut sichtbarer Nähe eine auch abends noch stark befahrene Straße vorbeiführt, wie die harten Rocker mit ihren spießigen Tussis schäkern und der Drummer einen schlecht gefakten Cockneyakzent zum Besten gibt, das ist schon aller Ehren wert, tatsächlich aber nur der gemäßigte Anfang eines kaum in Worte zu fassenden Unfugs. Die Krönung des Films sind sicher seiner „Monster“: penisartige Gummihandpüppchen, die mit ihren Glubschzyklopenaugen auch in der „Sesamstraße“ kein Kind verschreckt hätten, ein Teufel mit großen dunklen Kulleraugen, die ihn wie ein trauriges X-FILES-Alien aussehen lassen, eine lebendig gewordene Hähnchenbrust im Kühlschrank, deren gefräßiges „Maul“ gar keine Öffnung, sondern nur schwarz angemaltes Latex ist, und die somit an die Sockenmonster erinnert, die ich in meiner Kindheit mit meinen Eltern gebastelt habe, und unbewegliche seesternartige Viecher (ebenfalls mit Glubschaugen), mit denen Thor/John gegen Ende aus dem Off beworfen wird und sich alle Mühe gibt, so zu tun als seien diese nicht nur lebendig, sondern auch noch eine ernsthafte Bedrohung für Leib und Leben. Mein Favorit ist aber eine eher unspektakuläre Szene: Während John ein Liebeslied für seine Frau schreibt (so richtig mit Noten und so) macht sich ein weiteres Gummimonster daran, ihn zu attackieren. Dem fällt jedoch im rechten Moment der Stift aus der Hand, worauf er sich bückt und so dafür sorgt, dass das Monster an ihm vorbeispringt. Ich schreibe hier „bückt“, in Wahrheit sieht es jedoch eher so aus, als ließe sich John/Thor mit dem Gesicht voran von seinem Schreibtischstuhl fallen, um den Stift aufzuheben. Meine liebe Gattin und ich haben uns die Szene gestern fünfmal hintereinander angesehen – unter kontinuierlich hysterischer werdendem Lachen. Richtig cool hingegen ist das Ende, der Kampf gegen den Teufel, über dessen genaue Umstände ich aber nix sagen möchte. Nur so viel: Hier wird einer der geilsten Plottwists in der Geschichte des Kinos gefahren, der durch seine unzureichende Vorbereitung und Inszenierung nicht etwa abgeschwächt, sondern in seiner Wirkung nochmal um Einiges potenziert wird. Vom elliptischen Haunted-House-Horrorfilm verwandelt sich ROCK ‚N‘ ROLL NIGHTMARE auf einmal und völlig unvermittelt in einen Science-Fiction-Superhelden-Fantasy-Schinken und er präsentiert diese Wendung, als wäre sie vollkommen selbstverständlich.

Ehrlich: Egal, ob man nun in der Lage ist, die Schönheit in seiner minderbemittelt-blöd-naiven Art zu sehen oder ob man ihn doch nur als Baddie für den alkoholischen Abend begreifen möchte, an ROCK ‚N‘ ROLL NIGHTMARE führt eigentlich kein Weg vorbei. Wenn es überhaupt etwas Negatives über ihn zu sagen gäbe, dann, dass er mit knapp 80 Minuten viel zu kurz und der Ton der DVD leider hier und da arg unverständlich geraten ist. Freunde des abseitigen Kinos sollten sich davon aber ein sehr ungewöhnliches Filmerlebnis nicht verderben lassen.

Mehrere Jahrzehnte nachdem sein über dem Verlust der Gattin zum Serienmörder gewordener Vater – seines Zeichens praktizierender Arzt – von den aufgebrachten Einwohnern seines Heimatortes gelyncht wurde, gelingt dem nicht minder gestörten Sohnemann Evan Rendell (Larry Drake), der das Werk seines geliebten Papas fortsetzen möchte, die Flucht aus der Irrenanstalt. Er begibt sich schnurstarck an dessen alte Wirkungsstätte und beginnt, unwilligen „Patienten“ die letzte Therapie zu verpassen. Auf seiner Liste steht auch das junge Mädchen Jennifer (Holly Marie Combs), das an einem Herzfehler leidet …

Schon komisch, zu was für Filmen man eine nostalgisch-sentimentale Verbindung aufbauen kann: DR. GIGGLES, den ich jetzt zum ersten Mal seit rund 15 Jahren gesehen habe, fand ich eigentlich immer schon allenfalls „gut“; ganz nette Unterhaltung, die aber weit davon entfernt war, zu meinen Favoriten selbst nur des Slasherfilms zu zählen. Trotzdem verbinde ich ihn mehr als andere wichtigere und bessere Filme mit einer Zeit, in der die Grundlage auch für dieses Blog gelegt wurde. Es war 1994, als ich mit meinen Freunden Erol und Simon zum ersten Mal die berühmte Videothek auf der Maaskade im holländischen Grenzstädtchen Venlo aufsuchte, die mit einer riesigen, gut sortierten Horrorabteilung und geradezu idealen Leihbedingungen (zwei Leihtage zum einfachen Preis!) nicht zuletzt um die Gunst deutscher Kunden buhlte. Rund zwei Jahre lang unternahmen wir regelmäßig Touren dorthin, liehen uns manchmal bis zu 20 Filme pro Wochenende aus, die dann in zermürbenden Videomarathons förmlich „weggeguckt“ wurden und bekamen dabei endlich all das zu Gesicht, was uns dank BPS bis dahin entweder ganz vorenthalten oder aber nur zensiert verabreicht worden war. Ob Italo-Zombie- und -Kannibalensplatter, US-Horror oder asiatisches Kino: In besagter Videothek gab es fast alles – ein Videoparadies, nicht weniger. Aber wie alle schönen Dinge musste auch das irgendwann zu Ende gehen und so ist besagte Videothek – Internet sei Dank – schon seit ein paar Jahren geschlossen, das Gebäude steht leer und gammelt vor sich hin. Schnüff.

Um zum eigentlichen Thema zurückzukommen: DR. GIGGLES war 1994 noch recht aktuell und weil er in Deutschland nur gekürzt erschienen war, landete auch er bei einer dieser Touren in unserem Körbchen. Und irgendwie ist er ein geradezu idealtypischer Vertreter des Horrorkinos jener Tage: Weit weg von auch nur annähernd originellen (oder auch nur aufgeblasenen) inhaltlichen oder formalen Konzepten, aber immerhin ansehnlich produziert begnügte sich DR. GIGGLES damit, die damals eigentlich schon völlig ausgelatschte Freddy-Krueger-Masche für ein jugendliches Publikum noch breiter zu treten. Larry Drake darf als ständig manisch kichernder Psychopath Dr. Giggles (er wird im Film nie so genannt) keinen einzigen normalen Satz sagen, sondern sich ausschließlich in medizinischen Puns artikulieren, die mal ganz lustig, meist aber eben nur gezwungen sind und seine Opfer sind überwiegend Teenies, die zwar nur das eine im Kopf, davon aber keine Ahnung haben. Der Soundtrack ist entsprechend juvenil ausgerichtet und wer meint, dass der kommerzielle Musikmarkt nach Nirvanas „Nevermind“ von 1991 sich abrupt gravierend geändert habe (wie einen das musik- und pophistorische Essays ja gern glauben machen wollen), der wird angesichts der Ansammlung glam- und haarsprayrockiger Songs sein blaues Wunder erleben. Zwei Jahre tief in den Neunzigern sind die Achtzigerjahre in Manny Cotos Film immer noch sehr gegenwärtig und man wundert sich kaum, dass der populäre Horrorfilm erst ein paar Jahre später mit SCREAM seine Wiedergeburt feiern durfte; wohl aber darüber, dass jener auch als Neuanfang des längst vergangenen Slasherfilms beschrieben wurde und damit also eines Subgenres, dass – zieht man eben DR. GIGGLES heran – nur wenige Jahre vorher doch noch sehr lebendig war.  

Wenn sich das jetzt wie ein Verriss liest, so muss ich mich korrigieren: Ich hatte gestern nicht wenig Spaß beim Wiedersehen mit dem kichernden Doktor. DR. GIGGLES ist wie erwähnt sehr ansprechend gemacht – die 3D-animierte Creditsequenz etwa ist auch heute noch ganz ansehnlich, was beileibe keine Selbstverständlichkeit ist -, überwiegend gut besetzt und gespielt, schlägt nach der klischeehaften ersten halben Stunde zum Glück bald einen etwas weniger ausgetretenen Weg ein und müht sich zudem redlich, das doch sehr generische Geschehen originell und unterhaltsam zu gestalten. Häufige Wechsel der Szenerie sorgen für Abwechslung, die Morde sind hübsch exzentrisch und das Finale angemessen makaber. Fast könnte man den Fehler begehen und sich zurück in die frühen bis mittleren Neunzigerjahre wünschen. Aber wahrscheinlich sind die verklärten Erinnerungen dann doch besser als the real deal.

Vier kleine Camper gingen in den Wald/Da war es finster und auch so bitterkalt/Sie trafen einen Killer, ein fettes dummes Schwein/Wer mag dieser Killer mit dem Rauschebart wohl sein?

Die Antwort auf diese Frage bleibt der berühmt-berüchtigte DON’T GO IN THE WOODS (der in Deutschland, wo er als AUSFLUG IN DAS GRAUEN firmierte, ebenso beschlagnahmt ist wie in Großbritannien) dem Zuschauer genauso schuldig wie alle weiteren positiven Eigenschaften, die dieser von einem Film für gewöhnlich erwartet. Selbst, wenn man berücksichtigt, dass die meisten Slasherfilme statt einer Geschichte nur ein nacktes Plotgerüst aufweisen, das ihnen lediglich als Anlass für Sex & Crime dient, mutet James Bryans Film fahrlässig und leer an. Wollte man es positiv ausdrücken, so könnte man ihm zugute halten, dass er das Slasherfilm-Konzept noch einmal bis aufs Äußerste radikalisiert, indem er weder einen Spannungsaufbau noch auch nur die geringste Motivation für das mörderische Treiben liefert. Die vier Protagonisten begegnen in den Wäldern Utahs einem motivlos mordenden Waldschrat und a) sterben oder b) überleben & üben Rache. Weil das aber rein quantitativ noch etwas zu wenig wäre, schreibt Drehbuchautor Garth Eliassen eine ganze Schar von tölpelhaft durchs Unterholz stolpernden Opfern in den Film, die keine weitere Funktion erfüllen, als in den läppisch umgesetzten Mordszenen ihrer Bestimmung zugeführt zu werden, sowie zwei unmotivierte Polizisten, die sich von den zahlreichen Vermisstenmeldungen jedoch nicht aus der Ruhe bringen lassen.

DON’T GO IN THE WOODS erinnert irgendwie an die Anfangstage des Kinos, als ein fassungsloses Publikum sich an Bildern von fahrenden Zügen oder reitenden Menschen berauschte und noch keinen Gedanken daran verschwendete, dass man diese bewegten Bilder zu neuen sinnstiftenden Einheiten zusammenführen könnte, zu Geschichten, die berühren und emotional involvieren. Auch hier bekommt man nicht viel mehr als das, was man unmittelbar auf der Leinwand sieht: Menschen, die laufen, Menschen, die sterben, und immerhin einen Menschen, der mordet. Zwischendurch ein paar hübsche Landschaftsaufnahmen, während es dazu von der Tonspur (hoppla!) synthetisch und nervenzerrend hupt, quäkt und furzt. Die Energie, die der Kameramann darauf verwendet hat, halbwegs interessante und ansehnliche Einstellungen zu finden, hat man dafür beim Schnitt gespart, der arhythmisch vor sich hinruckelt und sich auf ein Aneinanderkleben der einzelnen Bilder beschränkt. „Arhythmisches Ruckeln“ charakterisiert den Film aber auch als Ganzes: Es gibt überhaupt keine innere Spannung, was selbst die mieseren Slasherfilme noch irgendwie hingebogen bekommen. Theoretisch hätte Regisseur Bryan auch nach jeder Einstellung andere Darsteller einsetzen, eine andere Kamera verwenden und den Drehort wechseln können, der Effekt wäre derselbe gewesen: Nie wird man als Zuschauer auch nur für fünf Cent in das Geschehen involviert oder wenigstens annähernd in die Lage versetzt, DON’T GO IN THE WOODS für seine lausigen 80 Minuten als Parallelrealität akzeptieren zu können und nicht als minderbemitteltes und misslungenes Make-believe völlig untalentierter Flitzpiepen erkennen zu müssen.

Die Rezeption, so wie ich sie via IMDb-Kommentaren und diversen Rezensionen verfolgt habe, schwankt zwischen der Totalablehnung und dem Feiern seines Trashwertes, der ihn angeblich in höhere So-bad-it’s-good-Sphären katapultiere. Klar, DON’T GO IN THE WOOD ist wirklich ranzensschlecht, versucht sich hier und da halbwegs erfolgreich an so etwas wie Humor: In einer seiner absurderen Szenen sieht man einen Rollstuhlfahrer, der ganz allein durch die unwegbare Wildnis rollt und schließlich, nachdem er mehrere Minuten gebraucht hat, um einen Anstieg zu „erklimmen“, vom Killer enthauptet wird. Und unter Zuführung von reichlich Alkohol und im Kreise gut gelaunter und gleich gesinnter Freunde mag der Film auch ein humoriges Potenzial entfalten, dass sich mir bei meiner traurigen Sichtung allein nicht erschlossen hat, aber auch das ändert nix daran, dass es in dieser Kategorie etliche Filme gibt, die fruchtbarer, lustiger und schlicht weniger langweilig sind. Es ist diese Monotonie, die dem Film das Rückgrat bricht.

Dass ich eine gewisse Faszination trotzdem nicht ganz abstreiten kann, ist wohl nicht zuletzt auf die unangemessen brillante DVD zurückzuführen, die den Film in kräftigen Farben präsentiert und ihm eine saftige Unmittelbarkeit verleiht, die gut zu seinem völligen Verzicht auf narrative Auffüllung passt. Irgendwie ist der ganze Film seinem zotteligen Killer, der da so selbstverständlich und seltsam unspektakulär durchs Unterholz pflügt, nicht ganz unähnlich. Und für rauschebärtige Fettsäcke in selbstgenähten Pelz- und Lederklamotten, die im Wald leben, habe ich seit meiner Kindheit, in der ich stolzer Besitzer sowohl einer Rüberzahl- als auch einer Räuber-Hotzenplotz-Kinderlangspielplatte war, ein unerklärliches Faible. Ja, im Kern ist DON’T GO IN THE WOODS ein Kinderfilm. An normalen Maßstäben gemessen also total nichtswürdiger Schrott, aber irgendwie putzig und liebenswert. Schon komisch: Werden Slasher sonst doch in ihrer Fokussierung auf Blut und Tod als der Inbegriff des spekulativen, zynischen und exploitativen Kinos begriffen, ist dieser Film, der doch kaum mehr als das bietet, von geradezu anrührender Harmlosigkeit und Unschuld.

das rätselhafte ace-ventura-syndrom

Veröffentlicht: August 25, 2010 in Zum Lesen

Ich hatte vor ein paar Monaten schonmal einen kurzen Artikel über dieses rätselhafte Phänomen geschrieben und meine Leser bei dieser Gelegenheit um ihre Einschätzung gebeten, warum um alles in der Welt ausgerechnet meine beiden kurzen Einträge zu den Ace-Ventura-Filmen – nette, aber doch auch irgendwie stark in den Neunzigerjahren verhaftete Zeitgeist-Filmchen, die heute eigentlich nur noch von geringfügigem Interesse sein sollten – in signifikanter Häufig- und Regelmäßigkeit zu den meistgeklickten eines jeden einzelnen gottverdammten Tages avancierten. So, als hätte ich hier nicht hundertmal interessantere Filme besprochen und vor allem viel, viel schönere und bessere Texte geschrieben, die die Aufmerksamkeit viel eher verdient hätten. Seit meinem Text hat sich die Ace-Ventura-Dominanz hier zunächst sogar noch verschärft: Nach der Startseite meines Blogs ist ACE VENTURA: PET DETECTIVE mit rund 6.400 Hits mittlerweile der mit Abstand am meisten gelesene Filmtext, Bays Nerdgasmus TRANSFORMERS hat satte 2.000 Treffer weniger, dicht gefolgt von ACE VENTURA: WHEN NATURE CALLS, der auf nur 700 Treffer weniger kommt, aber immerhin ganze 1.000 Klicks Vorsprung vor dem Fünftplatzierten hat, einem Eintrag über einen FFF-Tag, an dem neben JACK BROOKS: MONSTER SLAYER auch MY NAME IS BRUCE und MARTYRS liefen. Fanboyfutter galore also.

So weit, so bekannt. Was mich zu einer neuerlichen Spekulation über diesen Sachverhalt veranlasst, ist dass dieses unbändige Interesse für all things Ace Ventura von einem Tag auf den anderen vollkommen erlahmte und dieses Erlahmen mit einem insgesamt bedauerlichen Rückgang meiner Besuchszahlen koinzidierte, den ich entweder auf die Sommerferien zurückführe ist oder aber darauf, dass ich filmtechnisch seit einiger Zeit meinen niedersten Instinkten folge und daran nicht allzu viele Leser teilhaben wollen (bzw. einfach seltener durch Google-Suchanfragen auf mein Blog stoßen). Fast bin ich anhand dieser Koinzidenz geneigt anzunehmen, dass ich es vor allem Jim Carrey und seinen Tierdetektiv-Komödien zu verdanken habe, dass mein Blog eine Zeit lang so gut besucht worden ist. Wahrscheinlich sind das alles tatsächlich einfach nur Zufälle, aber komisch ist es dennoch: Da werden meine ACE-VENTURA-Texte (die noch nicht mal besonders gut sind) über einen Zeitraum von fast einem Jahr jeden Tag fast 30 Mal über Google gefunden und geklickt und dann reißt das völlig ab. Betrachtet man die letzten „Quartalszahlen“, die die WordPress-Statistik anbietet, stehen beide Texte noch auf Platz 2 resp. 3, der Blick auf die 30-Tage-Statistik macht dann aber schon den massiven Einbruch deutlich: Dort firmiert der erste Teil mit 17 Hits zwar noch in der oberen Hälfte, aber doch schon deutlich abgeschlagen, Teil 2 kommt noch auf ganze 6 Treffer. Das wäre wie gesagt an sich nix Besonderes (die wenigsten Texte hier werden wirklich gelesen), wenn es nicht noch vor Kurzem komplett anders ausgesehen hätte.

Kann natürlich sein, dass die ganzen Schulkinder, die sich derzeit am Camp Crystal Lake vergnügen, bald schon wieder am Rechner sitzen und wissen wollen, wer zum Teufel dieser verrückte Ace Ventura ist. Oder dass Jim Carreys Midlife Crisis vorbei ist und er sich nicht mehr jeden Tag googlen muss, um festzustellen, dass sich noch jemand für ihn interessiert …

Auf einer Party überredet Brandon (Stephen Nichols) seine Ex-Freundin Linda (Twany Kitaen) dazu, mit ihm gemeinsam ein Ouija-Brett zu benutzen und einen Geist zu rufen, sehr zum Missfallen ihres aktuellen Partners Jim (Todd Allen), der das alles nicht nur für weltfremden Blödsinn, sondern darüber hinaus vor allem für einen Annäherungsversuch von Brandon hält. Insofern ist er auch nicht sonderlich beeindruckt, als Brandon und Linda Kontakt zum Geist des zehnjährigen David aufnehmen. Im Folgenden ist er aber gezwungen, gegen seine Überzeugungen zu handeln und seine bisherige Haltung zu überdenken, denn Linda gerät durch die wiederholte Benutzung des Brettes in ein Abhängigkeitsverhältnis. Und je häufiger sie zu David Kontakt aufnimmt, umso aggressiver wird der zuvor so freundliche Geist. Zusammen mit Brandon versucht Jim herauszufinden, was es mit David auf sich hat …

WITCHBOARD war in den USA seinerzeit ein kleiner Hit, der ein paar Jahre später auch noch das unvermeidliche Sequel nach sich zog. Trotzdem hat mich der Film nie so wirklich interessiert, was wohl daran liegt, dass ich Geisterbeschwörungen und Ouija-Brett-Spielereien weder besonders faszinierend noch wirklich unheimlich finde. Ich erinnere mich aber noch daran, dass dieses Thema in meiner Jugend medial recht präsent war, von besorgten Eltern und Pädagogen immer wieder angesprochen wurde, so als sei es ein echtes gesellschaftliches Problem, dass Jugendliche versuchen, sich mit Geistern zu unterhalten. Natürlich ging es in dieser Debatte nicht wirklich um Übersinnliches: Dahinter stand vor allem die Befürchtung, dass charakterlich noch nicht gefestigte Minderjährige die Spielereien allzu ernst nehmen und infolgedessen seelischen Schaden erleiden könnten – oder vielleicht sogar körperlichen, wenn sie darüber mit den falschen Menschen in Kontakt kämen.

Tenney wählt für seinen Film den absolut richtigen Ansatz, indem er genau das thematisiert, sich nicht Hals über Kopf auf den fantastischen Gehalt seiner Geschichte stürzt, sondern zumindest in den ersten beiden Dritteln die Möglichkeit offenlässt, der „Spuk“ könne rein psychische Ursachen haben, und die Veränderungen, die die Beschäftigung mit dem „Hexenbrett“ in Lindas Verhalten nach sich zieht, in den Fokus rückt. Der Schluss, dass WITCHBOARD vielleicht erfolgreicher als Film über Suchtverhalten gelesen werden kann als über den Einfluss des Übersinnlichen auf unser Leben, wird von Tenney aber auch dadurch nahegelegt, dass er immer wieder den Alkoholismus von Jims verstorbenen Eltern und die infolgedessen stattgefundene emotionale Verkarstung von Jim selbst anspricht und zum Ausgangspunkt der interpersonellen Konflikte seiner Protagonisten und damit auch der Geistergeschichte macht. Die Beilegung dieser Konflikte – vor allem zwischen Brandon und Jim, aber auch zwischen Jim und Linda – überlagert über weite Strecken den Geisterbefall-Plot: Mehr als um den erfolgreichen Exorzismus geht es darum, dass die drei einstigen Freunde das Kriegsbeil begraben und mit ihrem Leben weitermachen können.

Dass WITCHBOARD daher über weite Strecken an eine Soap Opera erinnert, ist kaum verwunderlich, sondern nur folgerichtig. Inszenatorisch eher unauffällig, hält sich Tenney mit den damals modernen Splattereinlagen zurück, die Spezialeffekte sind eher zweckdienlich, als dass sie zum Mittelpunkt des Geschehens avancierten. Weil WITCHBOARD aber dann doch irgendwie auch ein Horrorfilm ist, müssen gegen Ende die Mechanismen des Kintopps greifen, ein böser Geist herbeifabuliert und die Protagonistenliste dezimiert werden. Die finale Auseinandersetzung zwischen Jim und seiner besessenen Linda passt dann auch nur noch bedingt zum zurückhaltenden Rest und muss wohl als Zugeständnis ans Publikum bewertet werden, das allerdings nicht nur in der Erwartung eines schönen Scareflicks ins Kino gerannt war.

Mit Tawny Kitaen konnte Tenney nämlich eine Darstellerin gewinnen, die Mitte der Achtzigerjahre kurzzeitig zur Szeneikone avanciert war. Als Tom Hanks‘ Gspusi in BACHELOR PARTY machte sie erstmals von sich reden, zierte danach leichtbekleidet diverse Hardrock-Plattencover und räkelte sich dekorativ durch eine Handvoll Videoclips von Whitesnake, mit deren Sänger Davoid Coverdale sie liiert und später dann auch mal kurz verheiratet war. Hier bleibt sie bis auf eine kurze Duschszene zwar stets züchtig bekleidet, sieht aber trotzdem ziemlich schnuckelig aus und macht ihre Sache darüber hinaus durchaus ordentlich. Heute macht sie wie so viele vergleichbare deutsche Promis vor allem mit Skandälchen und Entziehungskuren auf sich aufmerksam und vermarktet ihr Privatleben in demütigenden Reality-Soaps. Ob da böse Geister ihre Finger im Spiel hatten? WITCHBOARD jedenfalls, um jetzt mal wieder zum Thema zurückzukommen, ist ein respektabler kleiner Film, der aber bestimmt niemandem schlaflosen Nächte bereiten wird. Und Tawny Kitaen sehen meine Leser in diesem Kino demnächst in Just Jaeckins GWENDOLINE, wo sie dann auch weniger anhat als hier.

Nach einer wilden Straßenschlacht mit zwei amoklaufenden Juwelenräubern erleben die beiden LAPD-Cops Roger Mortis (Treat Williams) und Doug Bigelow (Joe Piscopo) eine dicke Überraschung: Die beiden im Schusswechsel getöteten Verbrecher landen nämlich bereits zum zweiten Mal im Leichenschauhaus, sind auf gut Deutsch Zombies. Die Ermittlungen führen die beiden Cops in ein dubioses Chemieunternehmen, wo Mortis beim Kampf gegen einen fettleibigen Mutanten umkommt. Mittels einer mysteriösen Maschine kann der Cop zwar zu neuem Leben erweckt werden, die Freude über die zweite Chance währt aber nur kurz: Mortis bleibt nämlich nur ein halber Tag, bevor er sich endgültig in einen Haufen leblosen Zellabfalls verwandelt. Die Zeit drängt also und so machen sich die beiden Partner auf die Suche nach dem Schuldigen, der das Geheimnis des ewigen Lebens für schnöde Raubüberfälle missbraucht …

Das Spielfilmdebüt des umtriebigen Schnittpult-Wizards Mark Goldblatt ist, wie man der Tagleiste schon entnehmen kann, ein hübsches Konglomerat unterschiedlichster damals aktueller Einflüsse, die zum Zwecke größtmöglichen Entertainments zusammengerührt wurden – durchaus mit Erfolg, wie ich hinzufügen möchte. Von seinen knapp 80 Minuten Laufzeit wird keine einzige verplempert, DEAD HEAT gibt von der ersten Sekunde an Gas und hält dieses Tempo bis zum Ende durch. Wenn seine Protagonisten sich nicht mit aufgewärmter Zombiebrut balgen, so schießen sie ihre One-Liner hin und her, wie es in den Achtzigerjahren so beliebt war und man es heute leider nicht mehr so oft zu Gesicht bekommt. Für den Wortwitz ist vor allem Joe Piscopo zuständig, dem als Bigelow auch noch in der abwegigsten Situation ein dummer Spruch einfällt, während der viel zu selten, aber immer wieder gern gesehene Treat Williams als prophetisch benannter „Roger Mortis“ den Straight Man gibt, an dem sich sein Partner abarbeiten darf. Die Chemie zwischen beiden stimmt, ihre Interaktion ist sozusagen das Herz des Films. Dass Piscopo – ein ehemaliges Mitglied der zweiten SNL-Inkarnation – heute meist als Sünde der Achtziger verunglimpft wird, scheint mir in erster Linie auf die Arroganz der Spätgeborenen und in zweiter auf seine zugegebenermaßen streitbare Frisur zurückzuführen zu sein: Als etwas einfältiger, aber gutmeinender Prolet weiß er durchaus zu gefallen (in De Palmas WISE GUYS hat er eine ganz ähnliche Rolle). Neben den Hauptdarstellern stechen vor allem die FX hervor, die von Steven Johnson gewohnt kompetent umgesetzt wurden: Besonders schön ist die Sequenz in einem China-Restaurant, in dem die Helden von zu neuem Leben erweckten Fleischwaren attackiert werden, aber auch der explodierende Oberschurke zum Schluss ist nicht zu verachten. Nachhaltig ist das überhaupt nicht, auch wenn sich Goldblatt einen schönen Kommentar zu den Workaholics des Copfilms nicht verkneifen kann: Roger Mortis jedenfalls lernt noch nicht einmal aus dem eigenen Tod, bleibt ganz der in seinem Beruf aufgehende Bulle, der den Täter auch dann noch um jeden Preis fassen will, wenn es das Letzte ist, wozu er überhaupt noch Zeit hat. Vor allem aber ist DEAD HEAT ein durch und durch sympathischer Unterhaltungsfilm, kein bisschen überkandidelt, nicht über die eigenen Verhältnisse clever, aber immer liebevoll und mit sichtbarem Spaß inszeniert und gespielt. Es mag blöder Kulturpessimismus meinerseits sein, aber so leichtfüßig, reuelos albern und genussvoll irrelevant sind Unterhaltungsfilme heute einfach viel zu selten, wenn überhaupt. Vincent Price, der hier einen seiner späten Auftritte absolviert, hätte es also durchaus schlechter treffen können und dass Goldblatt nach seinem auf diesen folgenden THE PUNISHER keinen Film mehr inszenieren durfte, finde ich einfach nur schade.

Dem geisteskranken Serienmörder Mark Trax (John Weiner) gelingt nach einem gescheiterten Selbstmordversuch die Flucht aus der Anstalt, in der er eingekerkert ist. Nachdem er seinen Unfalltod fingiert hat, kehrt er an seine alte Wirkungsstätte New York zurück und setzt getrieben von inneren Stimmen sein vor zehn Jahren unfreiwillig beendetes Handwerk fort. Der Polizeibeamte Mickey McCardle (J. Christian Ingvordsen), der einst an der Verhaftung des damals noch jugendlichen Killers beteiligt war und dabei nicht nur seinen Partner verlor, sondern auch die Chance auf eine erfolgreiche Laufbahn in der Mordkommission, erkennt in den neuerlichen Morden die Handschrift des angeblich toten Trax. Weil niemand ihm glaubt, beginnt er auf eigene Faust zu ermitteln … 

Nach seinem Jahrhundert-Actioner HANGMEN, der in einer gerechten Welt in einer prächtigen Special Edition mit Soundtrack erschiene, beschert uns der in Dänemark geborene Ingvordsen (ich schreibe ihm jetzt einfach mal den inszenatorischen Löwenanteil am Film zu) mit BLUE VENGEANCE (in seiner spastischen Diktion geradezu kongenialer deutscher Verleihtitel: ZWANG ZUM TÖTEN) den nächsten Hieb in die Magengrube. Wie der genannte lebt auch dieser Film von seinen mit einem beachtlichen Gespür fürs Hässliche ausgewählten Settings, die die Glitzermetropole New York in eine hoffnungslose Endzeitlandschaft verwandeln, den unverbrauchten und natürlich agierenden Schauspielern, die aussehen, als hätte man sie gleich von der Straße weggecastet, einer hart angezogenen Gewaltschraube, dem Verzicht auf jegliche auflockernde oder gar komische Elemente und einer unangenehmen, aber kaum näher identifizierbaren Atmosphäre. Nach furiosem Auftakt mit dem wirres Zeug in die Kamera sprechenden Trax, einer Strafanstalt, die ans finstere Mittelalter denken lässt, und einem Abstecher in die von Barbaren- und Fantasyfilmen inspirierte Gedankenwelt des Killers, in der dieser sich mit einem Schwert bewaffnet gegen einen hünenhaften Krieger zur Wehr setzen muss, steuert BLUE VENGEANCE zwar bald etwas seichtere Fahrwasser an (sprich: er wird etwas konventioneller), verzichtet glücklicherweise aber nicht ganz auf bizarre Einfälle. Es stellt sich heraus, dass Trax als Jugendlicher auf dem Heavy-Metal-Trip hängengeblieben ist, die Texte seiner Kapelle geradezu als sein Evangelium begriffen hat und nun enttäuscht feststellen muss, dass seine einstigen Mitstreiter die gemeinsame Metalvergangenheit als läppische Jugendsünde abgehakt haben. Einer nach dem anderen muss für diesen Verrat blutig bezahlen und als Mordwaffe dienen Trax nicht etwa Revolver oder Messer, sondern Streitaxt, Zweihänder und ähnlich anheimelndes Werkzeug, das er in seinem alten Kinderzimmer versteckt (in dem auch ein hübsches HANGMEN-Plakat an der Wand hängt – Geschmack hat er, das muss man ihm lassen!). Das Finale muss man gesehen haben, um zu glauben, dass es tatsächlich nicht unfreiwillig komisch wirkt: Auf dem Moped respektive Fahrrad (mit Korb am Lenkrad!) treten Trax und McCardle gegeneinander zum Duell an, fahren mit Eisenstangen ausgestattet aufeinander zu und versuchen sich gegenseitig von ihrem Gefährt herunterzustoßen wie weiland die Ritter von ihren Pferden. Das alles ist wie gesagt ohne jedes Augenzwinkern inszeniert und funktioniert tatsächlich. BLUE VENGEANCE bleibt zwar strikt dem exploitativen Gewaltfilm verpflichtet, leistet bei der filmischen Darstellung von Wahnsinn dennoch durchaus Beachtliches: Mark Trax ist eine der merkürdwigsten, irritierendsten, irrsten und schlicht bizarrsten Serienmörder der Filmgeschichte, was umso bemerkenswerter ist, als dieser Eindruck weitestgehend ohne Griff in die große Effektkiste erzeugt wird. BLUE VENGEANCE ist sicherlich kein Meisterwerk, aber zwischen so runterziehenden New-York-Filmen wie Findlays GAME OF SURVIVAL oder Giovinazzos COMBAT SHOCK findet er ein durchaus angemessenes Plätzchen, für das er sich nicht zu schämen braucht. Ich würde ihn, aufs Wesentliche runtergebrochen, so beschreiben: Brutal. Dreckig. Laut. Asozial. Geil.