Archiv für Juni, 2009

PenitentiaryII[1]Martel „Too Sweet“ Gordone (Leon Isaac Kennedy) hat sich durch seinen Erfolg beim Knastboxen eine Bewährungsstrafe erworben. Nun schrubbt er im Boxstall von Cunningham den Boden, vom Boxen selbst jedoch will er, sehr zum Missfallen seines Chefs, der Too Sweet für ein großes Talent hält, nichts wissen. Doch Too Sweets Einstellung ändert sich schlagartig, als sein ehemaliger rachsüchtiger Zellengenosse Half Dead (Ernie Hudson) bei ihm zu Hause auftaucht und seine Geliebte vergewaltigt und umbringt …

Was für ein unglaublicher Güllehaufen! Ich weiß gar nicht, ob man dieser Gurke von epochalen Ausmaßen überhaupt annähernd gerecht werden kann, ohne auf echte Exkremente zurückzugreifen. Dabei klingt auf dem Papier alles recht viel versprechend: Mensch, hier spielt Mr. T mit! Und man sehe sich nur das geile Plakatmotiv an! Doch leider, leider, leider ging hier so ziemlich alles in die Buxe. Doch von vorn: Mit PENITENTIARY gelang Fanaka nicht nur ein überraschend erfolgreiches B-Picture, sondern auch ein zwar kruder und billiger, aber doch auch recht origineller und effektiver kleiner Knastfilm. Klar, auch PENITENTIARY ist weit davon entfernt, nach objektiven Maßstäben für „gut“ erklärt zu werden (was immer das dann bedeutet), aber er macht das beste aus seinen Beschränkungen, wird nach besten aristotelischen Prinzipien durch Ort – den Knast – und Zeit sowie durch einen durchgängigen visuellen Stil zusammengehalten. Genau diese Kohärenz geht dem Sequel nun aber in geradezu spektakulärer Art und Weise ab. Das beginnt schon mit dem an STAR WARS erinnernden ins Bild hineinfließenden Einleitungstext, der nicht nur die Vorgeschichte zum Sequel rekapituliert, sondern auch gleich noch dessen erste halbe Stunde vorwegnimmt. Möglicherweise hatte Fanaka hier tatsächlich einen Brecht’schen Entfremdungseffekt im Sinne, faktisch sorgt dieser Auftakt aber dafür, dass man als Zuschauer von vornherein auf Distanz zum Film gerät und auch in der Folge keinerlei Chance mehr erhält, in den Film „reinzukommen“. Fanaka erzählt seine als afroamerikanische Antwort auf die ersten beiden ROCKY-Filme gestaltete Underdogstory katastrophal umständlich, vollkommen gegen jede Vernunft und Logik. Ihm gelingt es noch nicht einmal, fundamentale Kategorien wie Zeit und Raum auch nur einigermaßen kohärent und plausibel zu machen. Eben noch äußerte Too Sweet seine umumkehrbare Abneigung gegen den Boxsport, dann auf einmal will er Ruhm und Ehre im Ring erlangen. Ausschlaggebend für diesen Sinneswandel soll der Mord an seiner Freundin sein, doch diese Motivation führt Fanaka selbst ad absurdum: erstens, weil Too Sweet seinen Feind Half Dead noch am Tatort überwältigt und somit seine Rache eigentlich schon bekommen hat, zweitens, weil Half Dead als Boxgegner sowieso nie zur Disposition steht, drittens, weil er nur kurz nach dem Verbrechen schon wieder die nächste Braut im Arm hat und von seiner tiefen Trauer über den Verlust der Geliebten nix mehr zu spüren ist. In dieser Art sorg- und zielloser Fabuliererei spielt sich der ganze Film ab: Der vorbestrafte Mörder Half Dead kann von seinen beiden idiotischen Sidekicks einfach so aus dem Krankenhaus befreit werden, ohne dass es jemanden sonderlich interessiert; Too Sweet engagiert zusätzlich zu seinem Trainer Mr. T (Mr. T), der ständig eine Wunderlampe mit sich herumträgt, aus der violetter Dampf aufsteigt, auch noch seinen alten Knasttrainer Seldom Seen (Malik Carter), ohne dass deren genaue Funktionen irgendwie definiert würden; die von ROCKY und ROCKY II entlehnte Dramaturgie aus ehrenvoller Niederlage und Revanche mit abschließendem Triumph verpufft wirkungslos, weil zwischen beiden Kämpfen keinerlei Charakterentwicklung stattfindet. Und zu allem Überfluss sind die Boxkämpfe lahmarschig und ohne jegliches Gespür für Timing und Aufbau inszeniert. PENITENTIARY II mutet wie eine lose Ansammlung lustlos abgefilmter Proben an, bei denen jeder Freund des Regisseurs mal vorbeischauen und mitmachen durfte: Da wird zu den damals gerade aufkommenden Electrofunk-Beats lustig auf Rollerskates getanzt, zwei subattraktive Ischen trällern vorm großen Finale eine „Hymne“, der Lilliputaner Tony Cox darf ein paar Possen reißen und Blaxploitationlegende Rudy Ray Moore einen nutzlosen Cameoauftritt absolvieren.

Der Fokus des Sequels ist deutlich weiter als noch im ersten Teil und das wird dem Film zum Verhängnis, weil Fanaka weder das inszenatorische noch das erzählerische Format hat, das nötig wäre, um die vielen Elemente – Sozialdrama, Boxfilm, Aufsteigergeschichte, Racheplot – unter einen Hut zu bringen. Und stilistisch passt ebenfalls nix zusammen, wechseln sich grotesk überzeichnete Comicelemente – die Vergewaltigung von Too Sweets Freundin ist in Rauch und Neonlicht gehüllt – und ein roher, ungeschminkter Look ab, ohne dass ein dahinterliegendes Konzept erkennbar würde. Wenn dieser Klumpatsch wenigstens noch Schadenfreude oder Unglauben evozieren würde, man ihn als Trashfilm oder Baddie rezipieren könnte, wäre meine letztlich Kritik hinfällig: Aber PENITENTIARY II ist einfach nur uninspiriert, stümperhaft und letztlich vor allem stinklangweilig. Das fällt umso schwerer ins Gewicht, als dass ich den Eindruck hatte, dies sei nicht auf Unfähigkeit, sondern schlicht auf Unlust zurückzuführen gewesen. Vielleicht kann Fanakas Audiokommentar Abhilfe schaffen, denn irgendwie möchte ich nicht glauben, was ich hier gesehen habe. Sehr, sehr schade.

http://www.nypress.com/article-20003-bad-boys-and-toys-transformers-revenge-of-the-fallen.html

Seine Bay-Apologie würde ich grundsätzlich stützen wollen, auch, was er über dessen Gebrauch der Kamera sagt, aber anlässlich ausgerechnet DIESES Films?

bus stop (joshua logan, usa 1956)

Veröffentlicht: Juni 29, 2009 in Film
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154[1]Beauregard „Bo“ Decker (Don Murray), Cowboy aus Montana, ist in den 21 Jahren seines Lebens noch nie von seiner Ranch weggekommen. Als sein Mentor Virgil (Arthur O’Connell) ihn anlässlich eines Rodeoturniers nach Phoenix mitnimmt, ist Bo demzufolge etwas aufgeregt: Seine Reise will er dazu nutzen, eine Frau zu finden, von der er auch schon eine ganz genaue Vorstellung hat – obwohl ihm Frauen sonst vollkommen fremd sind. Als er in Phoenix auf die Barsängerin Cherie (Marilyn Monroe) trifft, ist es um ihn geschehen. Nach einem kleinen Flirt macht er Nägel mit Köpfen: Am nächsten Tag soll geheiratet werden. Dass Cherie darauf nur wenig Lust hat, interessiert ihn nicht weiter, und so nimmt das Unheil seinen Lauf …

Ein Jahr nach Wilders THE SEVEN YEAR ITCH, in dem ein hilfloser Strohwitwer mit der Filmikone konfrontiert wurde und darüber in verständliche hormonelle wie moralische Verwicklungen geriet, lässt Regisseur Logan in einer ganz ähnlichen Konstellation ein unerfahrenes Landei auf die fleischgewordene Männerfantasie treffen. Die anfängliche Enttäuschung darüber, dass hier nicht dem Mann der Kopf verdreht wird, sondern dieser vielmehr die Monroe mit seinen Avancen überfährt, weicht recht bald der Freude an dem Chaos, das Bo anrichtet. Mit dem Charme und der Zurückhaltung eines paarungswilligen Gorillamännchens stürzt er sich auf die arme Cherie, die vollkommen überfordert ist und keinerlei Mittel findet, den zu allem entschlossenen Cowboy in seine Schranken zu verweisen. Sowohl Monroe als auch Murray sind einfach zum Schießen: der eine agiert mit sichtbarer Freude wie ein Zwölfjähriger auf einer Überdosis Testosteron, die andere sinkt vor glaubwürdig vermittelter (Fremd-)Scham und Verzweiflung über die Unbelehrbarkeit ihres Liebhabers mehr und mehr in sich zusammen. BUS STOP weckt doch nachträglich Mitleid mit all den armen Mädchen, die man in seiner Jugend mit seinen wenig subtilen und wahrscheinlich ähnlich grausamen Mitteln von der eigenen zweifelhaften Zuneigung überzeugen wollte, ohne dabei Rücksicht auf die Angebeteten zu nehmen. Leider versteigt sich der Film im letzten Drittel zum Drama und verliert seine Linie: Bos zwar aufdringliche, aber doch irgendwie niedliche Begeisterung schlägt plötzlich ins Bedrohliche um und er muss mit Gewalt zur Besinnung gebracht werden. Trotzdem gibt es ein Happy End, weil der durch Schläge geläuterte Cowboy dann doch das Herz der Bardame gewinnt. In dieser vollkommen unglaubwürdigen Wendung bietet der ansonsten harmlose BUS STOP dann doch Anlass zur Kritik. Adorno hätte sicherlich seine helle Freude an der Vorstellung von Psychologie gehabt, die dieser Film vermittelt, über sein Frauenbild muss man da gar nicht erst reden. Angesichts der schönen ersten 60 Minuten drücke ich aber nochmal ein Auge zu – und weil ich die Monroe einfach zum Dahinschmelzen finde …

6601_rebel_without_a_cause_jigsaw_puzzle_lg[1]Jim Stark (James Dean) ist der Neuankömmling in einer kalifornischen Stadt und als solcher bald das Opfer der örtlichen Jugendgang, die von Buzz (Corey Anderson) angeführt wird. Bei einer Mutprobe soll Jim sich beweisen, doch diese endet mit einem tragischen Unfall, bei dem Buzz ums Leben kommt. Von Gewissensbissen gepeinigt, geht Jim zur Polizei, stößt bei den Beamten jedoch auf taube Ohren. Davon wissen Buzz‘ Freunde allerdings nichts und somit ist Jim für sie jetzt nicht nur als Mörder, sondern auch noch ein Verräter, der Strafe verdient …

In REBEL WITHOUT A CAUSE wiederholt Dean seine Paraderolle aus EAST OF EDEN und spielt erneut einen Jugendlichen, der an den äußeren Umständen zerbricht. Statt im Jahr 1917 wie Cal Trask muss Jim Stark seine Konflikte allerdings im Jahr 1955 austragen und damit in einer auf die Bewahrung des Scheins bedachten Wohlstandsgesellschaft, in der Misstöne konsequent ausgeblendet werden. Wie schon in Kazans Film ist auch hier der Vater Auslöser für die Probleme seines Sohnes, doch im Gegensatz zu Adam Trask, der seinem Sohn niemals den Respekt und die Liebe entgegenbringt, die dieser braucht, versagt Jims Vater als Vorbild: Er wird als schwächlicher, devoter, beinahe femininer Mann gezeichnet, der unter der Fuchtel seiner Frau steht und niemals einen klaren Standpunkt einnimmt, sich stattdessen in Ausreden und Relativierungen flüchtet. Aber Jim ist nicht der einzige mit solchen Problemen: Alle Jugendlichen stehen unter dem Einfluss einer repressiven Gesellschaft, die jedoch ironischerweise nicht mit äußerster Strenge gegen ihre schwarzen Schafe vorgeht, sondern konsequent wegsieht und Probleme kleinredet. Neben Jim ist da vor allem der Waisenjunge John, genannt Plato (Sal Mineo): In relativer finanzieller Sicherheit und der Obhut eines schwarzen Kindermädchens aufwachsend, sieht dieser in dem unabhängigen, mutigen Jim ein Vorbild. Diese Beziehung führt jedoch letztlich zur zweiten großen Tragödie des Films, als mit Judy (Natalie Wood) eine weibliche Figur zwischen die beiden tritt. REBEL WITHOUT A CAUSE analysiert nicht zuletzt die gesellschaftlichen Folgen, die der Verlust des Vaters mit sich bringt: In einer Nachkriegsgesellschaft, die ihre Söhne und Väter in den Tod geschickt hat, fehlen die starken männlichen Rollenvorbilder und mit ihnen die Autorität, die die moralische Orientierungslosigkeit der Jugendlichen auflösen könnte. Jim und seine Altersgenossen sind auf der Suche nach klaren Werten, doch werden immer nur vertröstet – oder gar nicht beachtet.

James Dean ist als Jim Stark endgültig zur Ikone gereift: Das Plakatmotiv, das Dean in seinem stilprägenden Filmoutfit zeigt – weißes T-Shirt, rote Jacke und Blue Jeans, die Zigarette lässig zwischen Zeige- und Mittelfinger geklemmt, den Daumen cool abgespreizt -, dürfte eines der berühmtesten Filmbilder des 20. Jahrhunderts sein. Und ikonisch ist auch Deans Darstellung, in der er wieder sein Innerstes nach Außen kehrt und eine einzigartige Körpersprache findet, um die Zerrissenheit seines Charakters sicht- und fühlbar zu machen. Dean gilt – auch aufgrund der von ihm im kollektiven Gedächtnis gespeicherten Bilder – als Inbegriff der Fifties-Coolness, doch im Gegensatz zu einem Marlon Brando ist James Dean in seinen Filmen niemals der Unnahbare gewesen, sondern immer ein zutiefst verwundeter und sensibler, ja zärtlicher Charakter. Vielleicht ist es das stärkste Zeichen seiner Kunst, dass eine ganze Generation (männlicher Jugendlicher) ihn als prägend empfunden hat, obwohl er sich niemals davor scheute, seine Gefühle auf der Leinwand zu offenbaren, Schwäche und Verletzbarkeit zu zeigen – und eben denmnoch auch unverkennbar männlich zu bleiben, wenn er sich vermeintlich „unmännlich“ gebärdete. Nicholas Ray gelingt es stärker als Kazan in EAST OF EDEN, Partei für die Jugend zu ergreifen, Verständnis für sie zu erreichen und nicht auf einen lauen dramaturgischen Kompromiss oder die bloß affirmative Versöhnung aus zu sein; im Gegenteil zeigt er gerade diese ausweichende, vorauseilende Versöhnung als die Ursache allen Übels. REBEL WITHOUT A CAUSE ist demzufolge weniger theatralisch, runder, kompakter und kritischer, hat außerdem etliche Szenen aufzubieten, die sich für immer ins Gedächtnis brennen: das Planetarium, den Messerkampf, das Angsthasen-Rennen, das mich als Kind schwer beeindruckt, um nicht zu sagen schockiert hat, das Vater-Mutter-Kind-Spiel im verfallenen Herrenhaus, der leere Pool. Vielleicht wirkt REBEL auch deshalb kraftvoller, weil Dean mit Sal Mineo ein Darsteller zur Seite gestellt wird, der einen Charakter verkörpert, dessen Bedeutung für das Hollywoodkino nicht unterschätzt werden sollte. Dass niemals klar gemacht wird, ob Plato vielleicht mehr als nur freundschaftliche Gefühle für Jim hegt, verstärkt den Impact dieser Figur eigentlich eher, als dass er ihn abmindern würde. Es klingt vielleicht nicht unmittelbar plausibel: Aber REBEL WITHOUT A CAUSE ist ein subtiler Film und seiner damaligen Zeit einige Jahre voraus.

east of eden (elia kazan, usa 1955)

Veröffentlicht: Juni 29, 2009 in Film
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1025194[1]Kalifornien 1917: Der jugendliche Cal Trask (James Dean) liegt im Clinch mit seinem Vater, dem Farmer Adam Trask (Raymond Massey), fühlt sich von diesem ungeliebt und gegenüber seinem Bruder Aron (Richard Davalos) benachteiligt. Als Cal herausfindet, dass seine vom Vater verschollen geglaubte Mutter Kate (Jo van Fleet) nur wenige Meilen entfernt ein Bordell betreibt, begnnt bei dem Jungen ein Selbsterkenntnisprozess, der seine Familie endgültig zu zerreißen droht …

Der Nachruf, den Truffaut dem im Alter von nur 24 Jahren verstorbenen James Dean widmete und den man in seiner Textsammlung „Die Filme meines Lebens“ lesen kann, hat mich auf die Idee gebracht, mich einmal den drei großen Filme Deans zu widmen (lustigerweise lese ich eben bei IMDb, dass Dean auch in Fullers von  mir vor kurzem erst gesehenen FIXED BAYONETS! eine kleine Rolle spielte). EAST OF EDEN kannte ich bisher noch gar nicht, GIANT habe ich zuletzt in meiner Kindheit gesehen und die letzte Betrachtung von REBEL WITHOUT A CAUSE datiert ebenfalls noch auf das Prä-DVD-Zeitalter. Truffaut erklärt Dean in seinem Text zu einem der wichtigsten Darsteller überhaupt, der mit seinen extrem physischen Rolleninterpretationen die – ich paraphrasiere – Psychologie im Schauspiel vernichtet habe. Was er damit meint: Deans physischer Ausdruck doppelt nicht einfach nur die internen psychischen Vorgänge seiner Figuren nach außen, vielmehr drückt er eine Differenz zu diesen aus. Emotionen und körperliche Reaktionen stimmen nicht überein, sie konterkarieren einander, wirken dadurch aber sponatner, originärer und letztlich glaubwürdiger: Truffaut sagt, Dean spiele „neben“ seiner Rolle. Aus heutiger Sicht mutet dieses Spiel der Jugendikone manchesmal etwas exaltiert an, dennoch lässt sich doch kaum leugnen, dass sich sein Spiel von dem seiner Zeitgenossen so stark unterscheidet, dass es damals tatsächlich revolutionär gewirkt haben muss: etwa, wenn sich Dean mit dem Rücken zur Kamera dreht und dabei weiterspricht oder sich dem Blick der Kamera ganz entzieht, obwohl er Bestandteil der Szene ist. Sein Spiel wirkt vollkommen intuitiv, ungebändigt und ungenormt und es erfasst seinen ganzen Körper. Schon die Art, wie er in der ersten Einstellung von EAST OF EDEN dasteht, leicht gebeugt und verdreht, der Pullover in Falten geworfen, die den Eindruck unterstreichen, Cal sei körperlich deformiert: Das Leid des Adoleszenten, das Dean erkörperte wie kein anderer, ist bei ihm zur physischen Disposition geworden.

Der Film um diesen Schauspieler herum muss, aller formalen Finesse zum Trotz, neben dessen Leistung unweigerlich verblassen – auch wenn das angesichts seiner vollen Cinemascope-Blüte ein denkbar unpassedner Ausdruck ist. Kazans Film ist eindeutig ein Kind seiner Zeit, schwelgend in seinen Bildern, empathisch in seiner Musik, episch in seinem Entwurf, passioniert in seiner ungezügelten Melodramatik. Genau das, was man einst als „großes Hollywoodkino“ bezeichnete, ein Film bildgewordener Emotion. Trotz dieser unabstreitbaren Größe merkt man EAST OF EDEN aber an, dass er Schwierigkeiten damit hat, Steinbecks Roman auf knappe zwei Stunden Film zu verdichten. Der rote Faden – der Konflikt innerhalb Familie Trask – geht in der Mitte verloren, wenn die historische Dimension des Stoffes in den Blick gerät (EAST OF EDEN zeichnet auch das Bild einer USA, die sich auf den Ersten Weltkrieg vorbereitet), und wird dann erst am Ende etwas unvermittelt wieder aufgenommen. Trotz dieser verschmerzbarer Schwächen ist EAST OF EDEN aber immer noch sehenswert und voller großer Momente und Bilder. Man darf trotzdem annehmen, dass er ohne Dean nur die Hälfte wert wäre. Hier kann nur eine Zweitsichtung, in der ich mich allerdings dazu zwingen muss, an Dean „vorbeizuschauen“, Aufschluss geben.

new-transformers-revenge-of-the-fallen-posterIch bin froh, kein Anhänger des Intentionalismus zu sein: Was ein Künstler bei der Erschaffung seines Kunstwerkes denkt, interessiert mich erst in zweiter oder dritter Instanz, wenn überhaupt. Wäre mein Gefallen oder Missfallen bei einem Film davon abhängig, inwiefern sich das, was ich in ihm gesehen habe, mit dem deckt, was sein Urheber erzählen wollte, hätte ich jetzt nämlich ausgesrochen schlechte Karten: Alles, was ich über TRANSFORMERS positiv hervorgehoben habe, wird im Sequel vollkommen ad absurdum geführt. Hatte ich das Gefühl, Michael Bay mit meiner TRANSFORMERS-Rezeption für mich „gerettet“ zu haben, muss ich nun eingestehen: Nein, er ist immer noch derselbe impertinente Typ, der ARMAGEDDON und PEARL HARBOR zu verantworten hat.

In gewisser Weise verhält sich TRANSFORMERS: REVENGE OF THE FALLEN zu seinem Vorgänger wie dessen Negativ. Hatte ich als Paradigma für dessen erzählerisches Geschick noch den Allspark angeführt, der sich von der Größe eines Hauses auf die eines Schuhkartons zusammenfalten lässt und der mithin extrem verdichtet wird, so ist das Sequel ein Luftballon, dessen schlaffe, dünne Haut unter Zuhilfenahme von viel Luft aufgeblasen wird, bis es dem Zuschauer irgendwann mit einem lauten Knall um die Ohren fliegt. Michael Bay ist ein denkbar schlechter Regisseur für ein Sequel, weil er nur eine Strategie kennt: Mehr ist Mehr. Und weil schon TRANSFORMERS nicht gerade ein Ausbund an Ökonomie war, verkommt REVENGE OF THE FALLEN zu einer ermüdenden und geradezu nervtötenden Hatz, die das Abstraktionsvermögen des ersten Teils durch langweilige Konkretion ersetzt, aber dem Vorgänger rein gar nichts hinzuzufügen weiß. Die Spielberg-Elemente (Familien- und Beziehungskrisen) werden ausgebaut und offenbaren Bays Oberflächlichkeit: Seine Menschen sind reine Stichwortgeber, Konflikte kaum mehr als Drehbuchkniffe. Der Slapstick- und Furzwitzanteil steigt und offenbart Bays Einfalt: Über weite Strecken ist das Sequel eine Komödie auf dem Niveau eines drittklassigen SCARY MOVIE-Nachziehers und lässt am Geisteszustand des Urhebers zweifeln. Die Anthropomorphisierung der Transformers wird verstärkt und offenbart Bays Rassismus: Gab es in TRANSFORMERS mit Jazz noch einen per Diktion auf afroamerikanisch getrimmten Roboter, so gibt es nun derer zwei, die als unerträglich chauvinistisches Comic Relief durch den Film gaukeln und längst verdrängte Erinnerungen an Jar-Jar Binks evozieren.

Die Epik, die in TRANSFORMERS fast ausschließlich durch die Gestalt der Roboter etabliert wurde, versucht Bay hier – sein größter Fehler – mit seinem unzureichenden erzählerischen Talent zu erzielen: REVENGE OF THE FALLEN ist grotesk umständlich konstruiert, umspannt unzählige Handlungsorte und erinnert mit seiner episodischen Struktur phasenweise eher an die INDIANA JONES-Reihe als an einen Actionfilm, dessen oberstes Prinzip ja die Einfachheit ist. In der Mitte des mit 150 Minuten viel zu lang geratenen Films hängt REVENGE OF THE FALLEN vollkommen durch und die titelgebenden Transformers werden zu Randfiguren degradiert, teilweise gar vollkommen der Lächerlichkeit preisgegeben. Da nutzen dann auch die noch einmal verbesserten Tricksequenzen nichts mehr. Und die in diesem Tohuwabohu deplatziert wirkenden emotionalen Ausbrüche am Schluss schaffen keine Zuschauerbindung, sondern bloß Fremdscham.

Schade – nicht nur, weil Bay damit wieder einmal alle Kritiker bestätigt, die ihn für einen minderbemittelten Technokraten halten, sondern vor allem, weil zwischendruch immer wieder Ansätze aufblitzen, die zeigen, was hätte sein können. Die Kämpfe der Roboter sind deutlich grafischer ausgefallen, sodass man beinahe von Maschinensplatter sprechen kann, eine lange Actionsequenz spielt in einem idyllischen Gebirgswald, der einen wunderbaren Kontrast zum Zusammenprall der Riesenroboter bietet. Letztlich kann das diesen Rohrkrepierer aber auch nicht vor dem Absaufen retten. Dem Publikum, mit dem ich diesen Film in einer als Double Feature angelegten Vorpremiere gesehen habe, konnte sich aber, besoffen am eigenen Vergnügungswillen (der schließlich blind macht), kaum noch auf den Sitzen halten. Bays Konto wird weiter anschwillen, die Bankrotterklärung ist eine rein künstlerische. Er wird damit leben können.

transformers-pAls 1995 BAD BOYS erschien, ein auch rückblickend doch erstaunlich blasses und beinahe anachronistisches Vehikel, ahnte man noch nicht, dass dessen Regisseur Michael Bay in den kommenden 15 Jahren Gegenstand ausgesprochen hitziger Diskussionen sein würde. Sein Debüt schien weder große Zuneigung noch echte Abneigung zu rechtfertigen: Es war eigentlich herzlich egal. Doch mit seinem in den Folgefilmen „perfektionierten“ aufdringlichen Inszenierungsstil, der die viel beschrieene Videoclip-Ästhetik in ein kaum noch für möglich gehaltenes Extrem trieb, seinen plump entwickelten Geschichten und Charakteren, die selten mehr als bloß Anlass und notwendiges Übel für die Auswüchse des auf Spektakel setzenden Eventkinos sind und den politisch-ideologisch zumindest streitbaren Aussagen seiner Filme machte sich Bay schnell zur Zielscheibe für die Kritik einer eher puristischen Filmkritik. Demgegenüber gab es aber immer auch die (wenigen) Apologeten, die Bay für missverstanden hielten, seine Filme für geradezu subversiv, seine Ästhetik für maßgeblich und modern statt derivativ. Zwischen genau diesen Extremen ist auch TRANSFORMERS anzusiedeln. Die Verfilmung einer Spielzeugreihe und Trickfilmserie aus den Achtzigerjahren vereint alles, was Bay je nach Perspektive entweder hassenswert oder aber grandios macht. Mehr noch: Er scheint diesen Zweispalt selbst anzugreifen.

Die infantile Geschichte um zwei außerirdische Rassen von gigantischen Superrobotern, die auf der Erde die Schlacht um das Schöpfungsinstrument „Allspark“ austragen, und um einen Jungen, der in diese Schlacht mit hineingerät und darüber zum Mann wird, erfordert vom Zuschauer völlige suspension of disbelief, totale Hin- und Selbstaufgabe. Wenn man diese Leistung nicht erbringt, dann ist TRANSFORMERS schon in den ersten Minuten gescheitert. Erleichtert werden soll diese Hingabe durch Bays liebstes erzählerisches Werkzeug: die Überrumpelung durch Akkumulation. TRANSFORMERS ist formal wie inhaltlich ein Film mit einer kaum zu leugnenden Technikobsession, egal, ob das nun die Roboter selbst oder die gigantomanischen Effektsequenzen sind, mit denen sie zum Leben erweckt werden, die ständigen Ausflüge in Computer-, Überwachungs- und Waffentechnologie oder die Liebe der jugendlichen Hauptfigur Sam (Shia LaBeouf) zu seinem Auto (ebenfalls ein Transformer). Bezeichnenderweise wird selbst das menschliche Objekt seiner Begierde, Mikaela (Megan Fox), mit demselben voyeuristischen Blick umgarnt wie die glänzende Karosserie seines Sportwagens – oder umgekehrt.

Aber es ist genau diese Direktheit des Films, die ihn zum besten Werk Bays macht. Die Transformers sind die Verkörperung einer Kleine-Jungs-Fantasie, die kaum noch einen narrativen Rahmen braucht. In TRANSFORMERS geht es um riesige Maschinen, um Stahl und Waffen – das war’s. Im das menschliche Auge und die Aufnahmefähigkeit vollkommen überfordernden Showdown kommt das am deutlichsten zum Ausdruck: Dort erreicht Bay einen Abstraktionsgrad, der bemerkenswert ist. Es geht nicht mehr um Konflikte, nur noch um Bewegung. Genausogut könnte man sich einen seitenlangen Binärcode oder aber Vektoren anschauen. Wollte man Bays Film jedoch auf dieses Spektakel reduzieren, täte man ihm Unrecht: Es steckt nämlich trotz allem unheimlich viel Inhalt hinter dieser Story, die auf einem Bierfilz notiert immer noch reichlich Platz ließe; ein absolutes Paradoxon, und genau das macht TRANSFORMERS so sehens- und bemerkenswert. Paradigmatisch für den Film ist der „Allspark“: ein gigantischer Würfel, der die Fähigkeit hat, unbelebte Materie zum Leben zu erwecken (Bays persönliche Muse?). In einer Szene wird ein Mechanismus in Gang gesetzt, der dazu führt, dass dieser wolkenkratzergroße Würfel sich selbst auf eine handliche Größe zusammenfaltet. So funktioniert der ganze Film: Würde man sich die Mühe machen, könnte man ihn immer weiter auseinanderfalten. Die Roboter sind Katalysatoren, um allerhand Diskurse anzustoßen und diese immer wieder umzuwandeln. Vom Kriegsfilm mit Nahostbezug verwandelt sich TRANSFORMERS in einen Coming-of-Age-Film mit Spielberg-Anleihen und dann schließlich in ein Fantasyspektakel, nur um zum Ende hin die Kurve in Richtung eines apokalptischen Kriegsfilms zu nehmen. Von unvermeidlichen Alienverschwörungstheorien über 9/11-Anspielungen und Rassendiskursen bis hin zu typischen Americana – ein Junge und sein erstes Auto/seine erste Freundin – wird hier ein enorm weites Feld abgedeckt, ohne dass es überkonstruiert wirken würde. Selbst der Bay-typische plumpe Pennälerhumor scheint hier stets mit der tongue in cheek inszeniert zu sein.

Mit den TRANSFORMERS scheint Bay also genau das Mittel gefunden zu haben, dass alle seine sonstigen Verfehlungen in Tugenden transformiert. Oder doch nicht?

PS. Weil mir bei Betrachtung der Blogstatistiken aufgefallen ist, dass dieser Text wie wild angeklickt wird (es ist der meistgelesene in meinem Blog), während mein Beitrag zum Sequel so gut wie gar keine Hits bekommt – was mir einfach nicht ganz einleuchten mag –, poste ich hier nochmal für alle möglicherweise Interessierten den Link zu ebenjenem. Viel Vergnügen!

halloween_3Eine Woche vor Halloween: In einem Ort an der Westküste wird ein panischer alter Mann ins Krankenhaus eingeliefert und dort wenig später von einer mysteriösen Gestalt umgebracht. Dr. Daniel Challis (Tom Atkins) versucht gemeinsam mit der Tochter des Opfers, der jungen Ellie Grimbridge (Stacy Nelkin), den Umständen des Verbrechens auf den  Grund zu kommen. Die Spur führt sie zu einer Fabrik für Halloweenmasken, die von dem Iren Conal Cochran (Dan O’Herlihy) geleitet wird. Und der scheint düstere Pläne zu verfolgen, bei denen sowohl gefährliche Masken als auch ein Werbespot wichtige Rollen spielen …

HALLOWEEN III ist zunächst einmal ein Kuriosum: Als nominelles Sequel der beiden Slasherfilme um den schon zur Horrorikone gewordenen Michael Myers ausgegeben, erlaubt es sich dieser Film, vollkommen eigene Wege zu gehen und die Grenze zur Science Fiction mehr als einmal zu überschreiten. Ein Fehler? Wallace‘ Film – sein Regiedebüt – enttäuschte ein auf Myers und Morde fixiertes Publikum, führte zu einer sechsjährigen Zwangspause der HALLOWEEN-Reihe, die dann mit HALLOWEEN IV wie zur verspäteten Wiedergutmachung besonders konservativ fortgeführt wurde. Wenn man sich damit abfinden kann, dass dieser dritte Teil der Reihe eine freche Mogelpackung ist, dann ist HALLOWEEN III eigentlich ein ganz hübscher kleiner Schocker, der zwar mit der Bürde einer überaus albernen Story belastet ist, dieses Manko aber durch eine wirklich unangenehme, angemessen düstere Atmosphäre und feiste Splattereffekte abzufedern weiß. Es ist dann auch diese Atmosphäre, nicht zuletzt hervorgerufen durch den synthetisch-kalten Score, die die stärkste Bindung zu den beiden Vorgängern darstellt. Selbst die entfernten Parallelen zu den Vorgängern – die Thematisierung des Halloweenfests sowie die Existenz „böser“ Masken – bieten letztlich keine Anschlussmöglichkeit. Der Film endet bevor es während des Halloweenabends zur Katastrophe kommt, die Masken haben mit Michaels berühmter Verkleidung nichts zu tun, auch wenn man sich noch so sehr bemüht, eine Verbindung herbeizukonstruieren. Loben muss man HALLOWEEN III, der recht typisch als früher Vertreter dessen, was man vielleicht als typischen 80er-Splatterhorror bezeichnen könnte, erkennbar ist, für seine marktwirtschaftliche Unvernunft, seinen fast an Dummheit grenzenden Mut: In dieser Form wäre er heute – zumindest als Kinofilm – nicht mehr möglich. Diese Tatsache wird HALLOWEEN III: SEASON OF THE WITCH als kleine Fußnote in der Horrorfilm-Geschichtsschreibung auf jeden Fall bestehen lassen.

penitentiary (jamaa fanaka, usa 1979)

Veröffentlicht: Juni 18, 2009 in Film
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penitentiary_poster_01[1]Bei einer Schlägerei – Martel „Too Sweet“ Gordone (Leon Isaac Kennedy) wollte einer Prostituierten gegen zwei Angreifer helfen – kommt einer der Bösewichter ums Leben. Too Sweet, der sich an nichts erinnern kann, landet daraufhin als Mörder im Knast, wo man ihn mit dem furchteinflößenden „Half-Dead“ Johnson (Badja Djola) in eine Zelle steckt. Dieser soll den Neuling im Auftrag von Oberfiesling Jesse Amos (Donovan Womack) dem üblichen Initiationsritus unterziehen, muss sich aber letztlich gegen Too Sweet geschlagen geben. Das ruft wiederum den Gefängniswärter Lieutenant Arnsworth auf den Plan, der Boxkämpfe unter den Häftlingen organisiert und Too Sweet nun dazu überredet, mitzumachen …

Schenkt man diversen Quellen Glauben, war PENITENTIARY seinerzeit der erfolgreichste Indiefilm des Jahres. Ob dies stimmt, ist kaum noch nachzuvollziehen, mit Gewissheit kann Jamaa Fanakas eigenartige Mischung aus Knast-, Blaxploitation-, Boxfilm und Sozialkritik aber als absolut ungewöhnlich und faszinierend bezeichnet werden. Ihn als realistischen Blick auf den Gefängnisalltag zu begreifen, wie das hier und da geschieht, geht sicher etwas zu weit, dennoch ist verständlich, woher solche Behauptungen kommen: Fanaka fängt das Gefängnisleben in schmutzigen Bildern ein, die Ungeschliffenheit vortäuschen, in Wahrheit aber geschickt komponiert sind und den Zuschauer so förmlich hinter die Gitter ziehen: Die Kamera rückt den Darstellern eng auf die Haut, füllt das Bild so bis zum Bersten, lässt so nur wenig Raum und macht das Eingesperrt-Sein fast körperlich nachvollziehbar. Der Einsatz von Weitwinkelaufnahmen hat einen ganz ähnlichen eindringlichen und offensiven Effekt. Hinzu kommen die wunderbar abgerissenen und authentisch wirkenden Darsteller, die man tatsächlich lieber hinter Gittern sehen würde, als ihnen leibhaftig zu begegnen. Hinter diesen Authentifizierungsstrategien verbirgt sich aber ein Film, der alle Klischees, die man aus Knastfilmen kennt, mit Verve auf die Spitze treibt und so mehr als einmal Richtung Groteske umkippt: Da gibt es den ständig zugedröhnt ins Leere stierenden Drogenabhängigen, den weisen Boxtrainer, der nur noch seine Ruhe haben will und geradezu Angst vor einem Leben in Freiheit hat, den Frauenheld, der während der Boxkämpfe auf dem Klo den willigen Frauen auflauert, die Arnsworth als Zuschauerinnen aus dem Frauenknast rekrutiert hat, den Weichling, der sich den Demütigungen nicht widersetzen kann, und die fettleibige Transe, die hytserisch rumkreischt und statt der nicht vorhandenen Titten den Schmierbauch schwingt. Neben aller Härte ist Fanakas Film vor allem ausgesprochen komisch und das darf man – durchaus im Gegensatz zu anderen Exploitern – schon als intendiert betrachten. Genauso wie PENITENTIARY zeigt, welch integralen Bestandteil die Knasterfahrung in der afroamerikanischen Sozialisation einnimmt – hierin besteht sein kritisches Potenzial -, so sehr demontiert er das Klischee hinter dieser These. Eine Sequenz verdeutlicht diese Strategie perfekt: Nach der kurzen Exposition zeigt Fanaka, wie der ängstliche Neuankömmling Eugene (Thommy Pollard) von einem wahnsinnigen, nahezu vertierten Häftling angegriffen wird – ein Typus, der zum Inventar des Knastfilms gehört. Nachdem dieser Irre den vor Angst fast regungslosen Eugene dazu gebracht hat, vor den versammelten Häftlingen seinen Hintern zu entblößen, löst sich die ganze Situation plötzlich in Gelächter auf. Der „Irre“ entpuppt sich als Half-Dead, seine Drohung war nur ein Spiel, um den Neuling zu demütigen.

all that heaven allows (douglas sirk, usa 1955)

Veröffentlicht: Juni 17, 2009 in Film
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ffh-2[1]Jahre nach dem Tod ihres Gatten verliebt sich die Witwe Cary Scott (Jane Wyman) in den stillen, verschwiegenen Naturburschen Ron Kirby (Rock Hudson), ihren Gärtner. Doch niemand scheint ihr das neue Liebesglück zu gönnen: Ihre Kinder sind entsetzt darüber, dass sie einen einfachen, noch dazu mehrere Jahre jüngeren Arbeiter zu heiraten und gar das Familienheim zu verkaufen gedenkt, und Freunde und Nachbarn distanzieren sich ebenfalls schnell von der vormals so beliebten Frau. Und die hat einfach nicht die Kraft, sich den Vorurteilen zu widersetzen und sich zu ihrer Liebe zu bekennen …

Trotz solcher Fürsprecher wie Rainer Werner Fassbinder ist es immer noch leicht, Douglas Sirk als Kitsch- und Schnulzenfilmer abzuschreiben und zu verkennen, weil es offensichtlich schwer fällt, an der aufreizenden Fassade seiner Filme vorbeizusehen bzw. sie einer wertneutralen Sicht zu unterziehen; und wohl auch, weil man einem 1900 geborenen Filmemacher die Befähigung zur Ironie abspricht, die oftmals für ein Vorrecht der Sechziger- und Siebzigerjahre gehalten wird. Tatsächlich haben Sirks Melodramen nicht die besten Nachahmer auf den Plan gerufen: Die von ihm erdachten Strukturen findet man heute vor allem in Soap Operas, Liebesschmonzetten und Fernsehfilmen wieder, wo sie allerdings zum bloßen Klischee geronnen sind und ohne die psychologische Genauigkeit, kritische Schärfe und eben ohne den Humor Sirks auskommen müssen. Wer ALL THAT HEAVEN ALLOWS sieht, ohne Sirk einordnen zu können, dem werden die feinen Unterschiede möglicherweise entgehen, der wird ihn wahrscheinlich tatsächlich als typisches Werk der Fünfzigerjahre begreifen und als das Hausfrauenkino abschreiben, dessen Oberflächenmerkmale er trägt. Der auf glatte Beaus abonnierte Hudson wird dann ebenso zur Bestätigung des Vorurteils in Feld geführt werden wie der theatralische Score, das grelle Technicolor und die die Grenze zum Kitsch mehrmals überschreitenden Bilder. Tatsächlich lassen sich diese Merkmale allesamt auch anders deuten: Hudsons Kirby ist keinesfalls der kantenlose Schönling, sondern ein von der bürgerlichen Gesellschaft in die Isolation getriebener Eigenbrötler, der sich hinter einer Mauer der Verschwiegenhiet versteckt und im ersten Drittel des Films nicht uneingeschränkt sympathisch erscheint. Die teilweise ins Surreale gleitenden Bilder sind als Karikatur der verlogenen Mittelklassenbehaglichkeit zu sehen, um deren Bloßstellung es Sirk in ALL THAT HEAVEN ALLOWS geht. In der zweiten Hälfte des Films werden seine Bilder zunehmend dunkler, betonen sie die innere Zerrissenheit seiner beiden Hauptfiguren, über die das gesellschaftliche vernichtende Urteil bereits gesprochen wurde (man beachte etwa die Verwendung von Blau- und Rottönen, die das Liebespaar oft räumlich voneinander trennen). Anders als das affirmative Melodram, das seine Protagonisten in den Schoß der Gesellschaft zurückführt, geht es in ALL THAT HEAVEN ALLOWS um den Ausstieg aus der Konformität. Die Frage, die sich Cary beantworten muss, lautet nicht: „Wie kann ich meinen gesellschaftlichen Status bewahren und trotzdem glücklich sein?“, sondern „Will ich meine Identität bewahren oder gesellschaftlich anerkannt werden?“ Wenn die Gesellschaft dem Individuum zum Feind wird, es reglementiert und konditioniert, ist sie es nicht wert, ihr gerecht werden zu wollen. Das Wohl des Einzelnen steht nicht über allem, aber nur wenn der Einzelne sich – unter Rücksichtnahme auf die Rechte des anderen – als Mensch entfalten kann, ist ein Zusammenleben möglich und überhaupt wünschenswert. Diese Haltung dem Menschen gegenüber war nicht nur in den spießigen Fünfzigerjahren bemerkenswert, sie ist es immer noch.

Ein fantastischer Film, ein großer Humanist.