Mit ‘Martial Arts’ getaggte Beiträge

Joseph (Jeff Risk), seines Zeichens Vietnamveteran und Inhaber eines erfolgreichen Elektronikgeschäfts (!) sowie seine ätzende Gattin werden eines schöne Abends von dem üblen Verbrecher Dutch (Cameron Mitchell) und seinen Männern überfallen. Joseph landet darauf hin im als Krüppel im Rollstuhl, seine Ehefrau unter der Erde. Larry (Jean Glaudé), Josephs Geschäftspartner und bester Freund aus glücklichen Vietnamkriegstagen, trommelt daraufhin die gesamte alte „Einheit“ zusammen, die keine Sekunde zögert, ihrem einstigen Kumpel und Lebensretter zu Hilfe zu eilen. Auf der Suche nach dem bösen Dutch lässt einer nach dem anderen sein Leben, bis Larry am Ende eine böse Überraschung erlebt.

KILL SQUAD stammt aus der schönen Zeit, in der sich ein echter Kerl noch dadurch auszeichnete, in Vietnam gewesen zu sein, und eine Drei-Dollar-fünfzig-Produktion mit lauter Hackfressen, Frisurmutanten und Cameron Mitchell dank geilem Coverartwork zur Must-Ausleihe im Video Center avancieren konnte. In Deutschland genießt KILL SQUAD unter dem alten VHS-Titel DAS SÖLDNERKOMMANDO Kultstatus, der vor allem auf seine höchst asoziale Synchro zurückzuführen ist und kürzlich mit einer Luxusveröffentlichung als schickes Mediabook belohnt wurde. Den Figuren ist es in dieser deutschen Vertonung nahezu unmöglich, auch nur einen Satz zu äußern, ohne dabei in eine blumig-kreative Metapher oder eine derbe Beleidigung auszubrechen. Ihr Aggressionspotenzial ist beträchtlich und so zeichnet dieser Film, dessen Handlung von Freund- und Hilfsbereitschaft kündet, auf seiner Dialogebene das Bild von Kriegsversehrten, die nicht an appem Bein oder Granatsplitter im Kopp leiden, sondern an der Unfähigkeit zur verbalen Konfliktvermeidung. Mit dem kommunikativen Feingefühl und dem diplomatischen Geschick eines Berserkers auf Koks schalten die Figuren schon bei der Begrüßung des Gegenübers in den Beleidigungsmodus, als sehnten sie sich geradezu danach, endlich wieder jemandem die Fresse polieren zu können. Immerhin legen sie bei diesen Beleidigungen einige Kreativität an den Tag: Seit der Sichtung des Films warte ich förmlich darauf, endlich jemanden fragen zu können, ob er mir einen gebrauchten Lutscher ans Hemd kleben wolle.

KILL SQUAD darf in mancherlei Hinsicht als der perfekte Heimkinofilm gelten: Er hat diesen unnachahmlichen Charme, den nur diese räudigen Ramschproduktionen mit Zielpublikum „Vollasis und Kickboxer“ verströmen, glänzt darüber hinaus mit eimerweise unfreiwilliger Komik, ohne sich jedoch ganz und gar der Lächerlichkeit preiszugeben. Nein, man kann und darf den Film noch einigermaßen ernst nehmen, auch wenn es schwer fällt. Ich liebe diese „Alte Vietnambuddies raufen sich für ihren Kumpel zusammen“-Filme, in denen einer nach dem anderen sein Leben mit größter Selbstverständlichkeit über den Haufen wird, um für einen alten Kameraden von anno dunnemals wieder Ärsche zu treten. (Der kürzlich begutachtete THE ANNIHILATORS ist das etwas professionellere Ebenbild dieses Filmes.) So laufen sie dann am hellichten Tag in schnieker Tarnfleck-Klamotte rum, wie es in der Realität nur absolute Soziopathen tun, die in Filmen wie KILL SQUAD, die die Welt in zauberhaftester Märchenmanier auf den Kopf stellen, auf einmal die wahren Helden sein dürfen. Wenn einer nach dem anderen von den Schüssen eines Unbekannten niedergestreckt wird, der aber immer so lange wartet, bis die nötige Information aus den Bösewichten herausgedroschen wurde, seine Kumpels in stiller Andacht, aber ohne den ganz großen Schmerz dessen Hundemarken abreißen, weiß man demnach: Ein Idiot weniger. Die große Überraschung am Ende überrascht dank eines gnadenlos duchsichtigen Verhüllungsmanövers garantiert niemanden, dafür aber die Szene um den bärtigen Pete (Francisco Ramirez), der von zwei Kollegen vom Dach eines Hauses geworfen wird, weil er sie schlecht aussehen lässt, sie dann aber unten ohne jeden Kratzer erwartet, um ihnen die verdiente Abreibung zu verpassen. Das ist ein passendes Bild für diesen Film, der wirklich in jede nur erdenkliche Stolperfalle latscht, aber am Ende trotzdem unverletzt daraus hervorgeht. Ein Meisterwerk der Selbsthauptung. Ich Söldnerkommando, also Kill Squad.

 

Zum Abschluss gab es beim Mondo Bizarr Weekender wieder mit der groben Kelle, genauer gesagt, mit der verhornten Faust von Jimmy Wang Yu. DUELL DER GIGANTEN ist die Fortsetzung seines ONE-ARMED BOXER, der seinerseits eine Art Zusammenführung seiner beiden großen Shaw-Brothers-Rollen darstellte: ONE-ARMED SWORDSMAN und THE CHINESE BOXER. Mit ersterem erfand Wang Yu zusammen mit Chang Cheh den Eastern-Antihelden, mit letzterem begründete er die Popularität des Kung-Fu-Films, der den Wuxia in der Gunst des Publikums ablöste, und fungierte somit auch als Wegbereiter für den Superstar Bruce Lee. Der Ruhm stieg Wang Yu schnell zu Kopf und so kam es 1970 auf dem Gipfel seines Erfolgs zum Bruch mit den Shaws, der auch zur Folge hatte, dass Wang Yu nur noch in Taiwan arbeiten konnte. Er machte das beste daraus, betätigte sich selbst als Regisseur und wurde so zu seiner eigenen Marke, die auch im fernen Deutschland ihre Verehrer fand.

DUELL DER GIGANTEN ist aber nicht einfach nur eine Fortsetzung um den einarmigen Boxer Liu Ti Lung, der Film greift auch auf die ein Jahr zuvor in THE FLYING GUILLOTINE der Shaws zu Ehren gekommene Enthauptungswaffe auf und bindet ein herrlich rasantes Martial-Arts-Turnier in seine von einer Sensation zur nächsten hetzenden Handlung ein. Der Film beginnt schon markig mit der Guillotinen-Demonstration eines blinden Shaolinmönches vor einer karstigen Felskulisse, wechselt nach den mit fetzigem Krautrock unterlegten Credits zu einer von Wang Yu gegebenen Trainingseinheit, bei der er unter anderem seine Skills im An-der Decke-Laufen vorführt, und mündet dann recht schnell in besagtes Turnier, bei dem ein Kampf an den nächsten gereiht wird und etliche unterschiedliche Fighter gegeneinander in kurzen Duellen antreten, die ein blutiges Ende finden, bevor sich auch nur der Hauch von Langeweile einstellt. Im Grunde könnte das ewig so weitergehen, stattdessen rekrutiert der blinde Guillotinenmönch die besten Kämpfer des Turniers, um sich an Wang Yu zu rächen, mit dem er noch eine Rechnung aus dem Vorgänger offen hat.

Der Film ist einfach nur eine Schau und was ihm vielleicht an den Production Values und der Farbbrillanz der Werke aus dem Hause Shaw fehlt, macht er mit Attitude, Rasanz und brachialer Rohheit wett. Wer bei Eastern angesichts komplexer Figurenkonstellationen und mangels historischen Hintergrundwissens egelmäßig den Überblick verliert, wird die Geradlinigkeit von DUELL DER GIGANTEN lieben: Diesem Film kann man auch mit vier Promille noch problemlos folgen, die Figuren sind klar unterscheidbar, die Kämpfe kurz und knackig, der Gesamteindruck weniger fernöstlich-philosophisch als vielmehr räudig, asozial und stumpf. Der schönste Einfall ist sicher der Yogi mit den verlängerbaren Armen, aber auch der Japaner, der angeblich ohne Messer kämpft, ist eine coole Socke. Und dann Wang Yu selbst, gegen den sich Eastwood ausnimmt wie ein hysterischer Possenreißer. Die fliegende Guillotine selbst gibt es noch als Bonus oben drauf, und Wang Yu tut gut daran, ihren Einsatz nicht auszureizen. Der Finalkampf setzt dem Ganzen so tatsächlich noch die Krone auf und nachdem der Held den Schurken mit einem beherzten Punch durchs Dach seines Hauses und geradewegs in einen bereitstehenden Sarg prügelt, geht man breitbeinig aus dem Kino, bereit, die Ehre der begleitenden Dame mit trockenen Schlägen zu verteidigen. Oder auch einfach einen gepflegten Streit anzufangen. Viel geiler kann ein Festival nicht enden.

zhan lang (jing wu, china 2015)

Veröffentlicht: November 11, 2019 in Film
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ZHAN LANG – oder mit internationalem Verleihtitel WOLF WARRIOR – ist rückblickend vor allem deshalb bemerkenswert, weil er den Weg für das Sequel WOLF WARRIOR II bereitete, das 2017 zum erfolgreichsten chinesischen Film aller Zeiten avancierte, dabei allein in China rund 874 Millionen Dollar einspielte und somit hinter AVENGERS: ENDGAME und STAR WARS: THE FORCE AWAKENS derzeit den dritten Platz in der Liste „Höchste Einspielergebnisse in einem einzelnen Markt“ belegt. Die knapp 90 Millionen Dollar, die dieser erste Teil einspielte, wirken dagegen wie ein Fliegenschiss, was sich aber wieder relativiert, wenn man ihn mit westlichen Actionfilmen vergleicht. Bei einem Budget von 12 Millionen Dollar ist ZHAN LANG als „Low Budget“ zu bezeichnen, seine miesen CGI und die flache Optik erinnern bisweilen an die Sünden von Asylum und Konsorten, Gaststar Scott Adkins ist niemand, der die Massen ins Kino lockt, sondern allenfalls in DTV-gestählten Actionfankreisen eine Marke und der krasse Patriotismus und Chauvinismus des Films erinnern an zweitklassige US-Actionfilme aus den Achtzigern, die auf die auch schon nicht zimperlichen Studioproduktionen sogar noch einen draufsetzten.

Worum geht’s: Der Scharfschütze Leng Feng (Jing Wu) widersetzt sich bei einem Militäreinsatz gegen ein Drogenkartell dem Befehl seines Vorgesetzten, als er einen Geiselnehmer erschießt. Anstatt Kriegsgericht und Entlassung wird er aber zum Mitglied der „Wolf Warrior“ befördert, einer Super-Eliteeinheit, die sich aus den Besten der Besten zusammensetzt. Seine erste Übung im Kreise seiner neuen Kameraden gerät zum Ernstfall, weil der Bruder des erschossenen Drogengangsters Rache will und dafür eine Einheit amerikanischer Supersöldner um Tomcat (Scott Adkins) auf die „Wolf Warriors“ ansetzt.

ZHANG LANG ist ein dummer und leider auch visuell schmuckloser Film, der seine stärksten Szenen immer dann hat, wenn es kracht, bevorzugt, wenn sich Star Jing Wu mit jemandem auf die Fresse haut. Über die Shoot-outs, Explosionen, Fights und Stunts kann man nicht meckern, sie sind kompetent, schmerzhaft und angemessen blutig, aber das ganze Drumherum stößt eher ab. Bei mir kam erschwerend hinzu, dass ich gezwungen war, den Film in seiner deutschen Synchronisation zu „genießen“, die die eh schon nicht sonderlich intelligenten Dialoge noch eine ganze Nummer dümmer macht. Kritische Untertöne oder auch nur einen Hauch von Ambivalenz sucht man hier vergebens, stattdessen werden das Loblied auf Vaterland, Kamerad- und Opferbereitschaft gesungen und nebenbei doofe Herrenwitzchen auf Kosten der weiblichen Befehlshaberin Long Xiaoyun (Nan Yu) gerissen, die von Leng Feng natürlich sofort als potenzieller Fortpflanzungspartner ins Auge gefasst wird (man muss dem Film zugute halten, dass sie relativ schlagfertig zurückschießt). Das tut schon etwas weh und wird durch die bereits erwähnten Versuche, mittels optimierungsbedürftiger Computereffekte den Eindruck eines Hightech-Spektakels auf Augenhöhe mit den US-amerikanischen Vorbildern zu erwecken, nicht besser. Da sitzen die Militärs an einem Virtual-Reality-Strategietisch und schieben fancy Hologramme durch die Gegend, doch eine Fallschirmspringersequenz wird wie anno dunnemals mit komischen Rückprojektionen realisiert. Ultramies ist auch der Angriff von CGI-Wölfen, die genau so lange gut aussehen, wie sie nicht mit ihren menschlichen Gegenspielern interagieren müssen. Jing Wu peilt mit seinem Film meines Erachtens eine Art GI-Joe-hafter Infantilität an, die sich unter anderem im putzigen Logo des Films zeigt, das mit einem metallischen Rumms ins Bild geballert wird, bevor dann noch eine Kugel und eine Kampfmesserklinge mit reinknallen. Fehlten eigentlich nur noch der obligatorische Totenkopf, eine Handgranate, Blutstropfen und Spinnennetz, um es perfekt zu machen. Aber dieser entwaffnenden Albernheit stehen die nationalistische Verbissenheit und der schon erwähnt schmucklose Look des Films im Weg. Als nicht-chinesischer Zuschauer bekommt man da mitunter ein ungutes Gefühl, weil man den Eindruck hat, hier den Propagandafilm für die bevorstehende totale Mobilmachung zu sehen, zumal die Verortung des Geschehens auf irgendeinem Truppenübungsplatz auch nicht eben die Fantasie anregt. Die Akteure wurden einfach in irgendeinem hügeligen und bewaldeten Brachland zum Kriegspielen abgeladen, was ZHANG LANG zu einem arg überteuerten Verwandten des Wald-und-Wiesen-Films macht, der sich besonders in Amateur-Horrorfilm-Kreisen großer Beliebtheit erfreut. Bedenkt man, was für visuelle Schmuckstückchen uns aus Hongkong von den Siebziger- bis zu den frühen Nullerjahren erreichten, stimmt ZHANG LANG eher traurig, auch wenn gewiss nicht alles schlecht ist.

Jing Wu versteht sein Kampfsport-Handwerk ohne Zweifel und während der Actionsequenzen gibt es durchaus immer wieder jene Momente, in denen man die Faust in die Luft stoßen möchte: Ich denke da an den Sprintangriff auf einen Scharfschützen aus einem Busch heraus, der mit einem krachenden Zeitlupen-Kopfschuss aus nächster Nähe sein abruptes Ende findet, an den Schlussfight zwischen Feng Long und Tomcat oder auch den Kopfschuss durch eine Betonmauer, der die Geschichte des Helden gewissermaßen eröffnet. Die Schlusscredits, die mit schmerzhaften Stunt-Bloopers untermalt werden, wecken zudem nostalgische Erinnerungen an die alten Jackie-Chan-Klopper, die diesen Kniff zur Kunstform erhoben. Aber der Vergleich zeigt eben auch, was in den 30 Jahren seitdem verloren gegangen ist. Naja, wie ich las, soll WOLF WARRIOR 2 eine deutliche Steigerung zu diesem streitbaren Werk sein. Wenn sich das bewahrheiten sollte und es diesen ersten Teil brauchte, um da hin zu kommen, bin ich versöhnt.

 

 

Hongkongchinesische Mädchen- und Drogenhändler entführen thailändische Schönheiten, benutzen sie als Drogenkuriere (mit intimem Drogenversteck), zwangsprostituieren sie in Hongkong, lachen dreckig und kriegen schließlich vom US-Agenten Bill Eaton (Ron van Clief) und Chen (Carter Wong), dem Gatten der entführten Allison (Cecilia Wong) die Fresse dick.

Ein Eastern aus der untersten Schublade: billig, konfus, sleazig und mit einer Synchro geadelt, die niederträchtige Rassismen und Sexismen wie aus der Stalinorgel abfeuert. Heiraten tut man, damit eine Frau da ist, die die Wäsche macht, thailändische Mädchen sind grundsätzlich „Huren“ und „Schlampen“ und der hünenhafte Bill Eaton mit den Mungo-Jerry-Gedächtniskottis wird immer wieder beherzt als „nigger“ tituliert. Die Action ist gleichermaßen inkompetent wie fetzig und die Handlung vollzieht Sprünge, das man sich fühlt wie in einem besonders genialem Werk Godfrey Ho’scher Cut-and-Paste-Technik. DIE FAUST DES SCHWARZEN DRACHEN, wie er hierzulande hieß, beginnt mit der Parallelmontage eines erfolgreichen Thaiboxers und der Entführung seiner Schwester, konzentriert sich dann ganz auf den Leidensweg der Mädchen und die Demütigungen, die ihre Peiniger über ihnen ausschütten, bevor dann völlig unerwartet der eigentliche Protagonist wie aus dem Nichts auftaucht. Rechtzeitig zum Showdown erinnert sich der Regisseur dann auch wieder an den Bruder sowie den designierten Gatten und hetzt die drei auf die Bösewichter.

Hirnrissige Eastern mit der Energie eines geilen Elefantenbullen auf Speed haben Tradition beim Mondo Bizarr – eine weitere Tradition ist es aber auch, dass ich bei den Dingern regelmäßig einpenne. Diesmal habe ich den ganzen Showdown verpasst, was ärgerlich, aber auch keine Katastrophe ist, denn der Film hat auch bis dahin keine Gefangenen gemacht. Am besten hat mir eine Verfolgungsjagd zu Fuß gemacht, bei der die auf High-Heel-Sandalen fliehende Schönheit in den Totalen offenkundig erheblich langsamer als ihr Verfolger ist, ihren Vorsprung in der jeweils nächsten Einstellung aber trotzdem immer wieder vergrößert hat. Aber es gibt auch eine motorisierte Variante, die den todesmutigen Superagenten Bill dabei zeigt, wie er sich bei einem im Schritttempo fahrenden Wagen auf die Motorhaube wirft. Ich bin ja nicht der allergrößte Eastern-Fan, aber wer es gern schäbig, dreckig, reißerisch und noch dazu unfassbar idiotisch mag, der wird hier gut bedient – und streicht vielleicht wie ich schon vorzeitig die Segel.

 

Die Texte, die ich zu ATOMIC BLONDE gelesen habe, versäumen allesamt nicht zu erwähnen, dass Regisseur David Leitch eine wichtige Rolle bei der Entstehung von JOHN WICK spielte (er fungierte als Produzent und uncredited director und brachte wahrscheinlich auch seine Erfahrung als Stuntman ein) und dass dieser Film aus derselben Kategorie stamme, die man vielleicht als „over-the-top cool & stylish comic book action“ bezeichnen könnte. Ich fand JOHN WICK ja auch ganz nett, aber ich wundere mich darüber, wie einhellig dieser noch nicht unbedingt als „Klassiker“ zu bezeichnende Actioner schon als Maßstab herangezogen wird. Es soll ja bereits vorher schon slicke Actionfilme gegeben haben. Aber vielleicht bin ich auch zu alt, um zu erkennen, wie wahnsinnig innovativ JOHN WICK war. Immerhin war er ziemlich erfolgreich, sodass wir derzeit bereits den dritten Teil bewundern können. Nun ja.

ATOMIC BLONDE basiert auf der Graphic Novel „The Coldest City“, spielt im Wendejahr 1989 in Berlin und bemüht einen visuellen Stil, den Menschen, die damals nicht dabei waren, als „Eighties-mäßig“ bezeichnen würden: Es gibt viele in Neon-Pink und -Blau getauchte Bilder, Charlize Therons Superspionin Lorraine Broughton trägt platinblonde Haare und ein „Boy London“-Shirt, die Credits werden in einer coolen Schrift im passenden Farbschema eingeblendet und Zwischentitel via Graffiti ins Bild gesprayt. Auf dem Soundtrack gibt es den Synth-Pop, den man am ehesten mit dieser Zeit assoziiert (A Flock of Seagulls, Depeche Mode,  Til Tuesday und Siouxsie & The Banshees) sowie einige NDW-Hits, die wahrscheinlich zum Schauplatz Berlin ’89 passen und nichtdeutschen Zuschauern die nötige Dosis Deutschland verpassen sollen. Offenkundig ging es bei der Zusammenstellung des Soundtracks nicht darum, das Jahr 1989 klanglich authentisch wiederzugeben, sondern Songs auszuwählen, die zum Look des Filmes passen: Letztlich eine richtige Entscheidung, wie Outlaw Vern schon feststellte, da wir uns sonst mit Songs von Kaoma, David Hasselhoff und Milli Vanilli hätten herumplagen müssen. Eighties-Hardliner liegen natürlich nicht falsch, wenn sie sagen, dass 1989 sich komplett anders anfühlte, als dieser Film behauptet, aber dann ist ATOMIC BLONDE natürlich kein Period Piece, sondern ein Actionfilm, der stylish sein möchte. Und das gelingt ihm.

Weniger gut gelingt es ihm, eine Spionagestory zu erzählen, die die gängigen Charakteristika des Genres mit echtem Leben füllt, anstatt sie einfach nur als leere Zitate zu reproduzieren (es gibt einmal einen kurzen zeitgenössischen MTV-Clip, der sich mit der Frage auseinandersetzt, inwieweit Sampling Diebstahl sei). ATOMIC BLONDE bedient sich einer einfachen Rückblendenstruktur, der seine Story als Bericht der Heldin in einer Debriefing-Sitzung mit ihrem britischen Vorgesetzten Gray (Toby Jones) und dem CIA-Mann Kurzfeld (John Goodman) erzählt, und sich damit (erfolglos) an THE USUAL SUSPECTS orientiert. Broughton hat den Auftrag, eine ominöse Liste mit allen in Berlin tätigen Agenten zurückzugewinnen, die dem KGB in die Hände gefallen ist. Ihre Kontaktperson in Berlin ist der MI6-Agent David Percival (James McAvoy), der vielleicht auf eigene Rechnung handelt oder aber der Doppelagent Satchel ist, der sowohl hinter dem Raub der List als auch hinter der Ermordung des britischen Spions James Gascoigne (Sam Hargrave, seines Zeichens berühmter Stunt Coordinator u. a. in AVENGERS: ENDGAME und AVENGERS: INFINITY WAR) steckt, der nebenbei auch der Geliebte von Broughton war. In Berlin wird Broughton sofort von KGB-Leuten aufgegriffen und ihr Aufenthalt gerät zu einer wüsten Abfolge von mit allen Mitteln ausgetragenen Scharmützeln, lesbischen Love-ins mit der französischen Agentin Delphine (Sofia Boutella) und dem Katz-und-Maus-Spiel mit Percival, der mal Verbündeter, dann wieder Gegner ist. Das Prä-Wende-Berlin wird als Spielplatz der Geheimdienste gezeichnet, mehr aber noch als Ort, an dem sämtliche geltenden Regeln dieser Geheimdienste bereits außer Kraft gesetzt sind und jeder seine eigene Agenda verfolgt. Gleichzeitig macht er immer wieder klar, dass dieses Spielchen ultimativ sinnlos ist, weil sich der vermeintliche Partner am Ende doch als Verräter entpuppt, der einem eine Kugel in den Kopf jagt. Wie die ernstzunehmenderen Vertreter des Agentenfilms aus den Siebzigerjahren oder auch ihre postmoderne Variation der MISSION: IMPOSSIBLE-Reihe spielt der Film mit der Idee, dass das Metier des Geheimdienstes zwar unter strengem staatlichen Reglement steht, letztlich aber pures Chaos ist, bei dem keiner mehr weiß, wer zu welcher Seite gehört und jeder Triumph lediglich ein kleiner Etappensieg ist. Was einst eine niederschmetternde Erkenntnis war, ist heute, in Zeiten, in denen die „Ordnung“ der sich gegenüberstehenden Blöcke von Ost und West bereits seit 30 Jahren zerschlagen ist, zum resigniert hingenommenen Status quo avanciert und ATOMIC BLONDE hat damit das Problem, ein Story zu erzählen, die im Grunde genommen selbst nur noch ästhetisches Mittel ist. Worin der große Twist am Ende liegt, habe ich nur so halb verstanden, aber eigentlich ist das auch egal. Es reicht, wenn man bemerkt, dass es einen Twist gibt.

Was aber nicht bedeutet, dass ATOMIC BLONDE nicht sehenswert wäre: Ich kenne die zugrundeliegende Comic-Vorlage nicht, aber der Look des Films ist perfekt. Nahezu jedes Bild möchte man sich an die Wand hängen und versuchte man, eine Screenshot-Sammlung zusammenzustellen, müsste man den Auslöser im Sekundentakt drücken. Es gibt schöne Ideen wie jene, einen Fight vor einer Kinoleinwand stattfinden zu lassen, auf der Tarkowskijs STALKER läuft, die die Liste der Zitatenquelle um einen etwas exotischeren Beitrag bereichern, und Charlize Theron ist einfach großartig. Die Wandlung von der Diva, die in mäßig interessanten Filmen gut aussah, über die furchtlose Darstellerin in Filmen wie MONSTER hin zur Actionheldin in MAD MAX: FURY ROAD und eben ATOMIC BLONDE ist beeindruckend. Die langen Takes, in denen die großartig choreografierten Kämpfe inszeniert sind, erlauben keine Trickserei und doch ist sie absolut überzeugend, wenn sie sich da mit gedungen Meuchelmördern in halsbrecherischen Keilereien misst. Höhepunkt ist ein mehrminütiger, ohne Schnitt gedrehter Kampf in einem Wohnhaus, der sich vom Treppenhaus bis in diverse Appartements erstreckt und in dem unter Einsatz aller greifbaren Mittel gefightet wird, bis sich am Ende zwei blutende, keuchende Profis gegenüberstehen, die sich kaum noch auf den Beinen halten können. Anders als der genannte JOHN WICK gibt es hier keine überstilisierten Ballette zu bestaunen, sondern brutale brawls, in denen es nicht um Eleganz geht, sondern nur darum, dem anderen möglichst großen Schaden zuzufügen und möglichst lange auszuhalten. Man ist geneigt, anzunehmen, dass zumindest einige der nur unzureichend überschminkten blauen Flecken und Schrammen, die Theron zeigt, echt sind. (Kleiner Bonus: Einer der Gegner von Theron ist Daniel Bernhardt, Star der BLOODSPORT-Sequels und damit ein echter Actiongülle-Veteran.) Wenn ATOMIC BLONDE auch kein Film für die Ewigkeit ist, diese eine Sequenz ist Stoff für die Actionfilm-Geschichtsbücher. Es hätte gern mehr davon sein dürfen, denn hier zeigt der Film eine Meisterschaft, die er auf inhaltlicher Ebene vermissen lässt. Leitchs Film macht Spaß, aber er nimmt sich leider eine ganze Nummer zu Ernst für das, was er tatsächlich zu sagen hat.

 

 

 

Was ist besser als ein Actionstar in einem Film? Logisch, fünf Actionstars. TRIPLE THREAT macht seinen quantitativen Überbietungscharakter schon im Titel transparent, ist aber so bescheiden, dabei zwei bis drei martialische threats zu unterschlagen. Zu den drei asiatischen Helden Tony Jaa (ONG-BAK, TOM YUM GOONG), Iko Uwais (THE RAID, THE RAID 2) und Tiger Chen (KUNG FU TRAVELER, MAN OF TAI CHI) gesellen sich außerdem als Schurken der derzeit omnipräsente Brite Scott Adkins sowie der stets verlässliche Michael Jai White. Und CHOCOLATE-Star Jeeja Yanin mischt in einer kleinen Nebenrolle ebenfalls mit. Diese Ballung an Martial-Arts-Kompetenz sichert Jesse V. Johnson schon einmal die Aufmerksamkeit der Fans, aber der Regisseur, der dieser Tage daran interessiert scheint, den darbenden DTV-Actioner ganz allein am Leben zu halten, hat auch darüber hinaus noch Einiges zu bieten.

Wie so oft bei diesen Filmen mit Best-of-Compilation-Charakter bildet die sparsam skizzierte Story nicht viel mehr als das Fundament für eine explosive Abfolge von Fights, Shoot-outs und Verfolgungsjagden, die hier mit einigem Aufwand choreografiert und inszeniert wurden: Die beiden Söldner Payu (Tony Jaa) und Long Fei (Tiger Chen) werden von einer Gruppe Amerikaner für eine angeblich humanitäre Aktion im Urwald Indonesiens angeheuert. Tatsächlich geht aber es darum, den in einem Camp inhaftierten Schurken Collins (Scott Adkins) rauszuhauen. Nach getaner Arbeit werden die beiden Ausgenutzten zum Sterben zurückgelassen, kommen jedoch mit dem Leben davon. Jaka (Iko Uwais), der bei dem Überfall seine Frau verloren hat, sucht die beiden auf, um Rache zu üben, beschließt jedoch, mit ihnen gemeinsame Sache zu machen, als er von ihrer Geschichte erfährt. Die Bösewicht planen derweil, die Millionenerbin Xian (Celina Jade) zu kidnappen, und wie es das Drehbuch will, kommen ihnen die drei Helden nun dabei in die Quere. Nach einem krachenden Feuergefecht im Polizeipräsidium gibt es eine rasante Verfolgungsjagd durch die engen Gassen eines wuseligen Marktes bevor der Showdown in einem heruntergekommenen, palastartigen Haus steigt. Hongkong-Legende Michael Wong schaut kurz einmal für einen Gastauftritt vorbei und erinnert an die goldenen Zeiten des asiatischen Actionfilms in den Achtziger- und Neunzigerjahren.

Johnson, der mit THE DEBT COLLECTOR und ACCIDENT MAN durchaus erzählerische Ambitionen hatte durchblicken lassen, begnügt sich mit TRIPLE THREAT wieder darauf, den Action-Logistiker zu geben und sich als professioneller und versierter Choreograf aufwändiger Action-Tableaus zu erweisen. Der geneigte Zuschauer bekommt 90 Minuten lang ordentlich auf die Glocke, ohne dabei lange Durststrecken erleiden zu müssen. Dem Titel gemäß könnte man zwar durchaus mäkeln, dass TRIPLE THREAT eher Masse statt Klasse bietet – wirklich Außergewöhnliches bietet der Film nicht und in Sachen Martial Arts scheinen vor allem Uwais und Jaa (der aber auch schon jenseits der Vierzig ist) mit angezogener Handbremse zu agieren -, aber es muss ja bekanntlich nicht immer Kaviar sein. TRIPLE THREAT ist kein Sattmacher, aber ein angenehmer Snack für Zwischendurch. In Zeiten, in denen man nun nicht gerade eine Flut geiler Actionfilme bejubeln darf, ist das ja auch schon etwas wert.

Ein Psychopath mit einer Axt. Eine Ausreißerin, die von einem Ronin in Japan lernte, das Katana zu schwingen. Zwei Special-Force-Soldaten, die sich darüber streiten, ob nun die USA oder das United Kingdom die meisten Diktatoren zur Strecke gebracht haben. Ein sabbernder Giftmörder mit Rattengesicht. Ein dicklicher Durchschnittsbrite mit Aktentasche. Nur einige der schillernden Charaktere, die Jesse V. Johnsons ACCIDENT MAN und einen Pub bevölkern, der ihnen als Zentrale einer exklusiven Gruppe von Auftragsmördern dient. War schon Johnsons THE DEBT COLLECTOR ein deutlicher Nineties-Throwback, erinnert auch dieser Film an die Zeit, in der skurrile Charaktere im Minutentakt mit Standbild eingeführt wurden. In Verbindung mit Einflüssen aus dem politisch inkorrekten Comicfilm à la DEADPOOL oder KICK-ASS ist ein überraschend schmackhafter Genrehybrid entstanden, der 90 Minuten gewalttätigen Fun mit viel Style und tollen Performances bietet.

Ich weiß, dass die obige Beschreibung nicht unbedingt Großes, sondern eigentlich sogar Abscheuliches verheißt. Hätte man mir die Reize von ACCIDENT MAN so nahegelegt, hätte ich wahrscheinlich das Gesicht verzogen und dankend abgewunken, schließlich gehört DEADPOOL für mich zu den unerträglichsten Gurken, die ich in den vergangenen Jahren ertragen musste. Auch ACCIDENT MAN ist grell und comichaft überzeichnet, gefällt sich im Tabubruch und der Grenzüberschreitung und ist im Grunde genommen nicht viel mehr als eine reichlich infantile Gewaltfantasie. Aber – oh Wunder – irgendwie funktioniert das Ganze und ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich verständlich erklären kann, woran das liegt. Ganz sicher hat es etwas damit zu tun, dass ACCIDENT MAN schon aufgrund seines Stellenwertes als DTV-Film weniger marktschreierisch rüberkommt, weniger Aufmerksamkeit für sich reklamiert, als die genannten Großproduktionen, die ihre Unkorrektheit so unangenehm ostentativ vor sich hertrugen. Johnson inszeniert seinen Film aller stilistischen Extravaganzen zum Trotz auch vergleichsweise bodenständig: Es gibt hier keinen Helden, der sich augenzwinkernd dem Betrachter zuwendet und ihm seine Witzchen erklärt. Und das führt auch dazu, dass sich ACCIDENT MAN nicht in Spielereien und Gimmicks verliert, sondern letztlich sehr straightes Acionkino bleibt, das lediglich mit diesen skurrilen Figuren angereichert ist. Wobei sich Johnson seine bizarreren Kreationen für Kurzauftritte aufhebt: Im Wesentlichen konzentriert er sich auf das Vater-Sohn-Duell zwischen Scott Adkins‘ Mike Fallon, der feststellen muss, dass  ausgerechnet seine Ex-Freundin auf der Todesliste seiner Kollegen landete, und seinem Lehrmeister Big Ray (Ray Stevenson), von dem er als Teenie das Handwerk des Auftragsmords erlernte. Letzterer liefert mit seiner Darbietung dann auch schon genug Gründe, sich den Film anzuschauen. Weiterhin hervorzuheben sind die exzellenten Dialoge: Sonst sind sie gewiss nicht unbedingt die Stärke des DTV-Actioners, aber hier merkt man, wie viel Liebe und Kreativität in das Drehbuch flossen und dass man sich allergrößte Mühe gab, jedem Charakter eine unverwechselbare Stimme zu geben. Es hilft sicherlich, dass Johnson die britische Herkunft des Films nicht verschleiert, sondern mit Lust in den Vordergrund drängt: Man bekommt hier einfach etwas zu sehen, was man in dieser Form nicht an jeder Ecke geboten bekommt. Als hätten sich Michael Winner, Guy Ritchie, Isaac Florentine und Taika Waititi zusammengetan, die Verfilmung eines britischen Comics abzuliefern, den zu zeichnen sich noch niemand dann doch tatsächlich jemand getraut hat.

Selbst die wenigen Kritikpunkte spielen ACCIDENT MAN in die Karten: Dass der Protagonist unangenehm homophob rüberkommt, wenn er sich mit Charlie (Ashley Greene) anlegt, der lesbischen Lebenspartnerin seiner Ex, baut immer wieder kleine Hürden bei der Identifikation auf: Nicht nur, dass diese Idee der Freundin, die lesbisch wird, bzw. der Lesbe, die dem Mann die Freundin ausspannt, in sich schon ein frauenfeindliches Klischee ist: Die beleidigten bitchfights, die Fallon mit Charlie anzettelt, lassen ihn nicht gerade heldenhaft erscheinen. Johnson bekommt aber rechtzeitig die Kurve und so macht dieser Aspekt den Film tatsächlich noch eine Nummer interessanter: Man hätte diesen zusätzlichen Konflikt auch einfach ganz weglassen können, ohne dass ACCIDENT MAN Schaden genommen hätte, stattdessen baute man einen Störfaktor ein, der ja auch daran erinnert, dass wir uns in einem durch und durch streitbaren Milieu befinden, in dem Fortschrittlichkeit und Toleranz nicht die ausgeprägtesten Stärken sind. Auch hier erscheint mir der Film ehrlicher als DEADPOOL mit seinen Arschfick- und Pimmelwitzen.

 

 

Der Brite French (Scott Adkins) betreibt ein erfolgloses Dojo in Los Angeles und wird von argen Geldsorgen geplagt. Sein Freund Alex (Michael Paré) stellt für ihn den Kontakt zu Tommy (Vladimir Kulich) her, einem Kredithai, der immer auf der Suche nach zuverlässigen Schuldeneintreibern ist. French wird dem Säufer Sue (Costas Mandylor) zugewiesen, der den Job schon seit vielen Jahren ausübt. Gemeinsam gehen die beiden auf Tour. Einer der Männer, den sie auf Geheiß des Gangsters Barbosa (Tony Todd) verprügeln sollen, entpuppt sich als unschuldiger Pechvogel und Vater eines kleinen Mädchens …

THE DEBT COLLECTOR ist eine echte Überraschung: Jesse V. Johnson, sonst eher Spezialist für kleine DTV-Actioner, die für den kleinen Appetit auf Gewalt und ohne Anspruch auf Nachhaltigkeit gefertigt werden, legt mit diesem Crimedrama ein kleines Masterpiece im Stile des Indiekinos der Neunzigerjahre vor. Tatsächlich erinnert der Film inhaltlich und stilistisch etwas an die Legionen von Profiteuren des Tarantino-Booms, die ab Mitte der Neunzigerjahre aus dem Boden schossen und die geneigten Zuschauer mit coolen Killern und Crimelords konfrontierten, die sich wahlweise mit Kugeln oder zitatreichen Dialogen duellierten. Wer jetzt das Gesicht verzieht, dem sei gesagt, dass Johnson die extremen Auswüchse des damaligen Trends glücklicherweise vermeidet und seine Geschichte auch nicht in einer Welt ansiedelt, die ausschließlich aus popkulturellen Verweisen konstruiert wurde. THE DEBT COLLECTOR handelt – sofern man das von einem Genrefilm sagen kann, in dem krachende Fights eines der wichtigsten erzählerischen Mittel sind – durchaus von Menschen und ihren Sorgen und Nöten und er ist nicht bloß stilistische Fingerübung.

THE DEBT COLLETOR weicht seinen beiden Hauptfiguren kaum von der Seite und begleitet sie über weite Strecken als stummer Mitfahrer im Auto bei ihren Touren von Klient zu Klient. Das kann natürlich nur funktionieren, wenn man die Schauspieler an Bord hat, die das Unternehmen tragen. Hier ist es vor allem Costas Mandylor, der eine Leistung für die Ewigkeit bietet: Den in die Jahre gekommenen, abgerissenen Profi, der längst nicht mehr fragt, wem er da die Fresse polieren soll, gibt er mit großer Überzeugungskraft und einer Spielfreude, die sich in kleinen Details entbirgt, die einen Charakter erst authentisch machen. Es macht einfach Spaß, ihn zu beobachten, ihm zuzuhören und seine Manierismen zu studieren. Selbst die klischierte Geschichte von der an Krebs verstorbenen Tochter und der daraufhin gescheiterten Ehe bekommt dank seines Spiels Gewicht. THE DEBT COLLECTOR lebt dann auch zuerst von der Chemie zwischen seinen beiden Hauptakteuren: Adkins kann Mandylor zwar nicht das Wasser reichen, aber er muss das auch nicht, weil er eher die Rolle des „straight man“ übernimmt und in dieser Funktion genau weiß, wann er sich zurücknehmen und dem Partner den Raum überlassen muss. Den Verlauf der Partnerschaft der beiden kennt man aus unzähligen Buddy Movies, aber wenn sich die beiden ungleichen Charaktere hier im Verlauf der nur zwei Tage, an denen der Film spielt, annähern, wirkt das glaubwürdig, weil die beiden ihre Drehbuchskizzen mit Leben erfüllen. Mindestens genauso wichtig ist der Schauplatz: THE DEBT COLLECTOR ist auch ein L.A.-Film und der Erfolg eines solchen steht und fällt natürlich mit den Schauplätzen. Auch hier liefert Johnson, kann auf ein brillantes Location Scouting und tolle Originalschauplätze zurückgreifen. Kameramann Jonathan Hall taucht alles in das ein magisches Licht, das die sommerliche Hitze Kaliforniens ebenso evoziert wie es als Vorbote jener gravierenden Entscheidung wirkt, die die Protagonisten am Ende zu treffen haben.

Wie gesagt: THE DEBT COLLECTOR ist eine tolle Überraschung, ein Actionfilm mit Herz, Geist und Witz, der das oft berechtigte Vorurteil, dass DTV-Actioner ästhetisch eher uninteressant sind, eindrucksvoll widerlegt. Aber die Schublade des Actionfilms ist für Johnsons Werk eigentlich eh zu klein, auch wenn hier überdurchschnittlich oft Maulschellen verteilt werden und die Bloodsquibs platzen. Sein Film hat es verdient, breitere Anerkennung zu erhalten.

SAVAGE DOG bildet den Auftakt zu einer kleinen Scott-Adkins-Reihe, die gleichzeitig auch eine Jesse-V.-Johnson-Reihe ist. Der britische Regisseur, Stuntman und Stunt Coordinator (u. a. TOTAL RECALL, MARS ATTACKS! und  THE AMAZING SPIDER-MAN) drehte seine ersten Filme bereits in den Neunzigern und legte danach in regelmäßigen Abständen nach, aber seit 2017 darf man einen beachtlichen Produktivitätsanstieg verzeichnen: In den fünf Filmen, die er seitdem inszenierte, wirkte Adkins vier Mal mit (der etwas stullig betitelte AVENGEMENT steht bereits in den Startlöchern und ist ebenfalls mit dem englischen Actionstar besetzt). Der erste Titel der Reihe ist SAVAGE DOG und es handelt sich um einen jener DTV-Actioner, die gleichermaßen aufwändig produziert wie konzeptionell unterentwickelt wirken. Er lässt das Potenzial Johnsons zweifelsfrei erkennen, zeichnet sich durch sauber choreografierte und inszenierte Fights und Shootouts aus, verblüfft darüber hinaus mit wenig zurückhaltender Gewaltdarstellung, fliegt aber auch ein bisschen wirkungslos am Betrachter vorbei.

Der Film erzählt von dem nordirischen Soldaten Martin Tillman (Scott Adkins), den es in die Wirren des Indochina-Konflikts verschlagen hat, wo er sich zur Belustigung des Ex-Nazis Steiner (Vladimir Kulich) in brutalen Faustkämpfen behauptet. Als er sich seine Freilassung erkämpft, findet er Unterschlupf in der Dschungelkneipe des Amerikaners Valentine (Keith David), der auch als Voice-over-Erzähler fungiert. Tillman verliebt sich in die schöne Bardame Isabelle (Juju Chan). Doch die alte Bekanntschaft zu Steiner und seinem Killer Rastignac (Marko Zaror) holt ihn ein und am Ende zieht Tillman in die Schlacht, um den Tod seines Freundes und seiner Geliebten zu rächen …

Die Story ist direkt dem „Kleinen Handbuch des Actionfilms“ entnommen und wurde von Johnson ohne großes Schnickschnack oder erzählerische Ambition umgesetzt. Das gewährleistet in Verbindung mit der erwähnten handwerklichen Präzision, dass SAVAGE DOG gut reinläuft und actiongeladene Kurzweil ohne Längen bietet, verhindert aber auch, dass hier irgendetwas echte Spuren hinterlassen würde. Dass die letzten Worte des Films das zuvor Gezeigte zu einer Art Origin Story und somit zum Auftakt für eine ganze Reihe von Abenteuern um Tillman aufblasen, ist angesichts der Beliebigkeit dieser Geschichte schon fast wieder rührend: Es ist schwer, dem Helden des Films irgendwelche unverwechselbaren Eigenschaften abseits seines Namens zuzuordnen, die dafür sorgten, dass man ihn in einem Sequel überhaupt wiedererkennen würde. Aber ich will nicht meckern: Die finale Aufräumaktion Tillmans macht ordentlich Feuer unter dem Arsch, die Effekte sind überwiegend handgemacht, das schmutzigbraune Blut sprudelt literweise und die Abrechnung, die sich Tillman für den fiesen Rastignac ausgedacht hat, lässt auch den abgezocktesten Betrachter schlucken. Die Tötungsszene ist so over the top, dass man meinen könnte, Johnson habe sich damit ein Bisschen für die Beliebigkeit des Vorangegangenen entschuldigen wollen. SAVAGE DOG ist außerdem ein Vertreter jenes kleinen, exklusiven Kreises von Filmen , in denen der Erzähler den Film auch nach seinem Ableben noch weiter begleiten darf (siehe etwa MENACE II SOCIETY). Bei aller Kritik: SAVAGE DOG macht durchaus Laune, aber am besten schaut man ihn, wenn man was richtig Gutes zum Nachlegen hat.

Besser kann man eine Sonntags-Matinee kaum begehen. FRANKENSTEINS KUNG-FU MONSTER, ein taiwanesischer Ableger der japanischen Kamen-Riders-Reihe, dürfte damals in den seligen Siebzigern für tumultartigen Zustände unter seinen kindlichen Zuschauern gesorgt haben und 40 Jahre später funktionierte das auch mit deutlich gesetzteren Herrschaften, die das Mondo Bizarr-Festival frequentieren, noch sehr gut.

Der Film ist aber auch ein Fest: Hyperaktive Asiaten balgen sich in albernen Gummikostümen in einer malerischen Kiesgrube, der Schnitt lässt sie in einer Tour in Zeitlupe durch die Luft fliegen, die „Kung-Fu Monster“ gestikulieren wie in Brand gesetzte Epileptiker und explodieren dann gar, wenn sie hinfallen. Ein böser Chinese mit Bart und güldenem Skorpion-Helm soll für einen von der deutschen Synchro flugs hinzugedichteten „Frankenstein“ die Welt mithilfe von irgendwas erobern und hat dafür seinen Stützpunkt auf einem kleinen Felsbrocken vor der Küste aufgemacht, den man schon von Weitem daran erkennt, dass bewaffnete Dunkelmänner darauf patroullieren, wahrscheinlich um ihn vor Möwen mit Durchfall zu beschützen. Überhaupt die deutsche Synchronisation: Der Film richtet sich ganz zweifellos an Grundschüler, aber die Dialoge suggerieren einen Hochspannungsthriller für Erwachsene. Ein Mysterium, wie die Sprecher diesen Quatsch abliefern konnten, ohne ständig in Lachanfälle auszubrechen. Da waren Überzeugungstäter am Werk oder Künstler, wahrscheinlich sogar beides.

Die Sichtung ist jetzt schon fast eine Woche her, insofern kann ich mich an Details nicht mehr wirklich erinnern, aber FRANKENSTEINS KUNG-FU MONSTER macht einem das eh nicht so leicht: Der Film ist eine 90-minütige Aneinanderreihung von Hochgeschwindigkeits-Kloppereien, die alle ziemlich gleich ablaufen und mangelndes Talent für Choreografie mit allerhöchster Einsatzbereitschaft wettmachen. Irgendwann werden die Superhelden um einen weitere Superhelden ergänzt, aber ansonsten variiert Lin Chung-Kuang sein „Erfolgskonzept“ nur minimal. Und Recht hat er damit! Wenn man eine Kiesgrube hat, Motorräder, geile Kostüme, ein Tampolin und eine Handvoll Knallerbsen, dann braucht es keine überkandidelten Ideen oder avancierte dramaturgische Kniffe. Dann hält man mit der Kamera drauf und sagt nach jedem Take: „Geil, nochmal!“ Wie gut, dass er sich auf seine Crew verlassen konnte. Vor allem die Darsteller leisten „Unmenschliches“, wie Berti Vogts einst sagte, berühren mit den Füße kaum den Boden und Posen bis der Latissimus reißt. Die deutsche Fassung lässt sich nicht lumpen und wiederholt die Motorradszenen, mit denen der Film angefangen hat, am Ende noch einmal in voller Länge. Und warum auch nicht? FRANKENSTEINS KUNG-FU MONSTER ist der Beweis dafür, dass Weniger nicht immer Mehr ist. Mehr ist nämlich manchmal sogar noch mehr als viel und das ist in diesem Fall eine ganze Menge.