Archiv für Mai, 2020

Abgesehen von einigen Kurz- und Dokumentarfilmen (darunter sein Beitrag zur Anthologie THEATRE BIZARRE) ist die Lovecraft-Adaption COLOR OUT OF SPACE Stanleys erster Spielfilm seit er 1996 als junger Regisseur vom Set des legendär des gebeutelten THE ISLAND OF DR. MOREAU gefeuert wurde (die Geschichte dieses Fiaskos behandelt die sehenswerte Dokumentation LOST SOUL: THE DOOMED JOURNEY OF RICHARD STANLEY’S THE ISLAND OF DR. MOREAU). Nach den vielbeachteten, ungewöhnlichen HARDWARE und DUST DEVIL sollte die Verfilmung des Romans von H. G. Wells der auftakt einer großen Hollwood-Laufbahn sein, doch eine ungünstige Kombination aus Unerfahrenheit, zu großem Ehrgeiz, Studio-Bullshit, egomanischen Stars und Pech bedeutet das komplette Gegenteil: Für mehrere Jahre tauchte Stanley völlig ab, an eine Karriere im Filmgeschäft war nicht mehr zu denken. Dass er mit COLOR OUT OF SPACE nicht nur die Gelegenheit bekam, seine einzigartigen, bisweilen wagemutigen Ideen in einem professionell produzierten, mit Nicolas Cage zudem prominent besetzten Film zu verwirklichen, wäre für sich genommen schon ein Grund zum Feiern gewesen; dass er das in ihn gesetzte Vertrauen vollends bestätigt, ist fast zu schön um wahr zu sein. Man darf nur nicht darüber nachdenken, was Stanley in den vergangenen 25 Jahren möglicherweise geleistet hätte, hätte er sich damals gegen den MOREAU entschieden.

Stanleys COLOR OUT OF SPACE hält sich vergleichsweise eng an die Lovecraft’sche Vorlage, verlegt die Geschichte in unsere Gegenwart, ändert einige Namen sowie den Handlungszeitraum und tilgt den für den Autoren typischen Rückblenden-Ich-Erzähler, der im Film lediglich in einem kurzen Voice-over zu Anfang und Ende als solcher in Erscheinung tritt. In den Mittelpunkt rückt stattdessen die fünfköpfige Familie um Papa Nathan Gardner (Nicolas Cage), seine krebskranke Gattin Theresa (Joely Richardson) sowie die drei Kinder Lavinia (Madeleine Arthur), Benny (Brendan Meyer) und Jack (Julian Hilliard). Die Krankheit der Mutter wirft einen Schatten über das gemeinsame Leben in einem abgelegenen Landhaus, das Nathan in eine Alpaka-Farm verwandelt hat, Tochter Lavinia rebelliert leise, aber alle sind sichtlich bemüht, den Frieden aufrechtzuerhalten. bis ein Meteor, der eines Nachts auf dem Grundstück einschlägt, diese Anstrengungen schließlich zunichte macht. Er legt nicht nur die schwelenden Konflikte bloß, sondern unterwirft die Gardners und die ihr Grundstück umgebende Natur einer unheimlichen Verwandlung: Fremdartige Blumen beginnen zu sprießen, Gemüse und Früchte aus dem Garten wachsen riesenhaft an und werden ungenießbar, ein pinkfarbenes Licht legt sich über die Wälder, ein seltsames Pfeifen dringt aus dem Brunnen, Tiere verwandeln sich und erst werden die Wahrnehmung der Menschen, dann schließlich auch ihre Körper massiv beeinträchtigt. Ward (Elliott Knight), der eigentlich Wasserproben in der Umgebung entnehmen wollte, wird mit der außerirdischen Lebensform und der unheimlichen Verwandlung der Gardners konfrontiert.

Lovecraft-Verfilmungen hatten bisher in der Regel erhebliche Schwierigkeiten, einerseits die bizarren Visionen des Schriftstellers in Bilder zu kleiden, die die kosmische Dimension des Werks bewahrten, andererseits eine filmische Form für die meist in der Form eines Erlebnisberichts oder Tagebucheintrags verfassten Geschichten zu finden. Lovecraft bediente sich einer sehr blumigen, adjektivreichen Sprache, die aber eher diffuse Assoziationen denn konkrete Bilder evozierte. Beim Lesen hat man immer den Eindruck als sehe man die Kreaturen, die der Autor beschreibt, durch einen Schleier – oder als fehlten die geeigneten Perzeptoren, um zu verstehen, was sich da vor einem aufbaut: ein sehr geschicktes dichterisches Stilmittel, um unbegreifliche Außerweltlichkeit in Wörter zu kleiden, ohne gleich eine komplett eigene Sprache und Grammatik erfinden zu müssen. Auch die Perspektive der rückblickenden Ich-Erzählung trägt dazu bei: Lovcraft-Protagonisten leiden meist an einer Art posttraumatischem Stresssyndrom, die Erlebnisse, die sie schildern, lassen sie an ihrem Verstand und an allen bisherigen Gewissheiten zweifeln. Ihre Geschichte zu erzählen, wird für sie zu einem Mittel, das Unbegreifliche handhabbar zu machen. Ein Filmemacher – ein Horror-Filmemacher überdies – steht vor dem Problem, etwas zeigen zu müssen (man will den beschriebenen Nebel ja durchstoßen und wissen, wie diese „Ziege mit den 1.000 Jungen“ aussieht), aber damit genau das zu zerstören, was die Faszination dieser Geschichten ausmacht: das Unnennbare.

COLOR OUT OF SPACE hat als Verfilmung den Vorteil, dass die Vorlage ohne einen der Großen Alten auskommt, die femdartige Lebensform gar nicht materiell in Erscheinung tritt, sondern eben nur als „Farbe“ und dann in der Veränderung, die sie im Kontakt mit irdischen Lebensformen hervorruft. Innerhalb des Lovecraft’schen Werks kommt ihr damit fast so etwas wie ein Metacharakter zu: Wie beschreibt man eine Farbe, die außerhalb unseres Farbspektrums liegt, mit Worten? Nun, in Stanleys Film ist sie vor allem Pink, würde ich sagen, aber das tut dem Gelingen des Films keinen Abbruch, der sehr schön zwischen Familiendrama, Katastrophenfilm, Alien-Invasion-Sci-Fi, bizarrer Komödie und Body Horror oszilliert. Alles beginnt sehr ruhig und Nicolas Cage gelingt es mit seinem leicht schrulligen Papa ausgezeichnet, Sympathien zu wecken. Auch wenn er später unter dem Einfluss des außerirdischen Organismus zusammenbricht und seinen inneren Jack Torrance kanalisiert, steigert er sich nie in den Overdrive seines Megaactings: Er versteht, dass es angesichts des tosenden Effektwahnsinns um ihn herum nur einer kleinen Dosis seines unnachahmlichen Stils bedarf. Er ist vor allem eine tragische Figur: ein verschrobener Typ mit wenig natürlicher Autorität, der immer noch unter der Erziehung seines toten Vaters laboriert, von seinen Kindern nicht recht ernst genommen wird und sich für seinen Auftritt im Fernsehen schämt, wo er von gemeinen Bauchbinden zum Dorftrottel abgestempelt wird. Dass es ihm nicht gelingt, seine Familie zu retten, ist doppelt schmerzhaft, weil er doch so gern ein starker, beschützender Vater und Ehemann wäre. Die „Farbe aus dem All“ is auch sein ganz persönlicher Fluch.

Stanley erfindet das Rad mit COLOR OUT OF SPACE nicht neu. Er kombiniert bekannte Zutaten lediglich auf neue Art und Weise, kann sich dabei auf seinen guten Geschmack, feine Antennen für das Zwischenmenschliche-Innerfamiliäre, einen sehr abseitigen Humor und das tolle Produktionsdesign verlassen, das Erinnerungen an den ungleich teureren ANNIHILATION weckt. Wie sich der Wald da langsam in einen fremdartigen Urwald verwandelt, ohne dass die Gardners groß Notiz nähmen, lässt sich durchaus auch als Allegorie auf die allgemeine Entfremdung des Menschen von der Natur lesen.

 

 

CRIMEWAVE ist mir irgendwann in den frühen Neunzigern als Verleihtape unter seinem deutschen Titel DIE KILLER-AKADEMIE für ein paar Mark fuffzich in die Finger geraten. Ich weiß nicht mehr, ob ich die Tatsache, dass es sich um eine echte Kollaboration von Raimi und den Coens handelte, damals wirklich würdigen konnte, aber der Film hat mich schon bei der Erstsichtung total begeistert und eine kleine Liebesaffäre losgetreten, die bis heute angehalten hat. Nur warum sonst kaum jemand diese Liebe teilen wollte oder auch nur von der Existenz des Filmes wusste, war mir immer ein Rätsel, das mit der gestrigen Sichtung der deutschen Bluray und dem darauf enthaltenen Bonusmaterial endlich gelöst wurde.

CRIMEWAVE ist das folgerichtige Ergebnis einer Zusammenarbeit von Raimi – damals mit dem Low-Budget-Überraschungshit THE EVIL DEAD im Gepäck – und seinen Kumpels Joel und Ethan Coen: Sein von Tex-Avery-Cartoons inspirierter, mit Elementen alter Screwball-Comedies verschnittener Humor erinnert stark an spätere Coen-Filme wie etwa RAISING ARIZONA oder THE HUDSUCKER PROXY, die dann mit Raimis expressiver Kameraführung beschleunigt werden. Der Film spielt in einer cartoonesken Kunstwelt, die von überlebensgroßen Stereotypen bevölkert wird den physikalischen Gesetzmäßigkeiten eines Comics unterworfen ist und zweifellos mit reiner Cinephilie zum Leben erweckt wurde. Die Beschreibung „als hätte Alfred Hitchcock eine Episode der ,Drei Stooges‘ inszeniert“, die in einem Interview mit Hauptdarsteller Reed Birney fällt, trifft den Nagel ziemlich auf den Kopf. Vor allem die ausgedehnte Suspense-Szene um den Angriff von Paul L. Smiths grunzendem Killer auf die panische Zeugin lässt an den Altmeister denken zumal Raimis Timing ähnlich filigran ist. Aber es sind die vielen kleinen überdrehten, liebevollen Details, die mir den Film so ans Herz geschweißt haben: das Foto seiner grotesk lachenden Frau, das der hereingelegte Trend (Edward R. Pressman) auf dem Schreibtisch stehen hat; die Pistolenschuss-Soundeffekte, die das affektiert-selbstverliebte Lachen des schmierigen Renardo (Bruce Campbell) untermalen; die Rasierschaum-Grimasse, mit der eine der Nebenfiguren verendet; das hysterische Dauerggigeln, das Brion James seinem Psychokiller schenkt; dieser Moment, in dem der kleine naseweise Junge aus dem Fahrstuhl segelt; und natürlich der grenzenlos liebenswerte Optimismus des einfältigen Protagonisten Victor (Reed Birney), der selbst dann noch vor Freude über seine romantische Errungenschaft (Sheree J. WIlson) strahlt, wenn er mit ihr hunderte von Tellern spülen muss, um die Zeche begleichen zu können. In nur 83 Minuten stopfen Raimi, Coen und Coen so viele Ideen, dass es eigentlich für mehrere Filme reicht.

Warum aber war CRIMEWAVE dann aber gute 20 Jahre lang komplett vergessen, statt ein anerkannter früher Klassiker mittlerweile etablierter Filmemacher? Wie ich gestern erfuhr, markiert CRIMEWAVE ein eher dunkles Kapitel in der Filmografie der Beteiligten: Es war der erste Kontakt der noch unerfahrenen, aber nach dem Erfolg mit EVIL DEAD hochmotivierten Freunde mit Hollywood, den sie mit reichlich Lehrgeld bezahlen mussten. Alles fing damit an, dass Campbell, der als Hauptdarsteller vorgesehen war, vom Studio abgelehnt wurde – obwohl er selbst als Produzent fungierte. Ständige Einmischung erschwerte die Dreharbeiten und dann zögerte sich die Veröffentlichung über ein Jahr hinaus, weil endlose Umschnitte und schließlich gar ein Nachdreh gefordert wurden (die erzählerische Klammer um die bevorstehende Hinrichtung Vics war ursprünglich nicht vorgesehen). Als CRIMEWAVE endlich fertig war, spendierte ihm das Studio einen erwartungsgemäß erfolglosen Ministart, nachdem er dann in den Archiven verschwand. Campbell kann diese Erinnerungen in seinem Interview nicht mehr vom Film trennen, was verständlich ist. Und CRIMEWAVE ist auch nicht so ein innovatives Meisterwerk wie THE EVIL DEAD – im ausgedehnten Showdown treten seine Limitierungen deutlich zu Tage. Trotzdem ist er weitaus mehr als nur ein Missgeschick, aus dem dann Lehren gezogen wurden. CRIMEWAVE ist ein früher Beleg für die absolut eigenständigen Sensibilitäten dreier Filmemacher, die noch von sich Reden machen sollten und schon zu einem frühen Zeitpunkt ihrer Laufbahn eine eigene Sprache entwickelt hatte. Und der Film zeigt, was man mit wenig Geld erreichen kann, wenn man eine Visio hat.

Es war ruhig hier in den vergangenen zwei Monaten und das wird vermutlich auch noch eine Weile so bleiben. Die Corona-Pandemie und ihre Begleiterscheinungen koinzidierten bei mir mit dem beruflichen Neustart in einem neugegründeten Unternehmen, für Filme blieb kaum Energie und auch keine rechte Lust. Ich habe diverse Serien geschaut oder einige wenige Filme, die ich schon kannte. Über ein paar davon hätte ich unter anderen Umständen auch Texte geschrieben, aber so habe ich mir den Luxus gegönnt, es bleiben zu lassen. Nach über 15 Jahren Schreiben über Filme ist die Luft im Moment raus. Mal sehen, wie sich das entwickelt. Ich schließe im Moment nichts aus, auch nicht das Ende dieses Blogs.

Über PARASITE, den ich im Krefelder Autokino gesehen habe, muss ich aber natürlich schreiben. Als Doppelgewinner der Goldenen Palme und des Oscars für den Besten Film – nicht des Besten ausländischen Films wohlgemerkt, was heftig diskutiert wurde – ist er jetzt schon gewissermaßen „historisch“. Aber nicht nur der kritische Konsens spricht für den Film, auch die Zuschauer scheinen ihn zu lieben, wenn man nur mal das Imdb-Rating betrachtet. Ich war von Anfang an eher skeptisch, zumal ich den ebenfalls weithin gefeierten SNOWPIERCER ziemlich fürchterlich finde. PARASITE, so viel kann ich vorwegnehmen, hat mir zwar besser gefallen, aber das Gefühl der Enttäuschung und Ernüchterung konnte ich dennoch nicht ganz abschütteln. Und eine knappe Woche nach der Sichtung finde ich den Film sogar irgendwie ärgerlich. Er ist gediegener, weniger nerdig und insgesamt ambivalenter als Bong Joon-hos genannter Versuch eines allegorischen Science-Fiction-Actioners, aber am Ende hat er genau dasselbe Kernproblem: Die Gesellschaftskritik des Regisseurs ist reaktionär, unreflektiert, populistisch und, ja, auch unmenschlich.

PARASITE stellt zwei Familien gegenüber und spielt sie gegeneinander aus: auf der einen Seite die armen Kims um Vater Ki Taek (Kang-ho Song), die in einer gammeligen Souterrain-Wohnung leben, in der sie keinen Handyempfang haben, ihr Geld mit dem Falten von Pizza-Kartons verdienen und durch das Wohnzimmerfenster andauernd betrachten müssen, wie Betrunkene gegen ihre Hauswand pissen, auf der anderen die wohlhabenden Parks, deren Vater Geun-se (Myeong-hoon Park) sich von einem Chauffeur zur Arbeit bringen lässt, während die neurotische Mama Yeon Keo (Yeo-jeong Jo) sich zu Hause um das Wohl ihres hochbegabten Söhnchens und der pubertierenden Tochter sorgt. Die beiden Familien kommen zusammen, als Kim-Sprössling Ki Woon (Woo-sik Choi) einen Job als Hauslehrer der Park-Tochter ergattert. Cleveres Kerlchen, das er ist, sieht er bald eine Chance, seine nicht minder gerissene Schwester Ki-jung (So-dam Park) als Kunsttherapeutin für den Sohn zu vermitteln. Mit dem Vater und Mutter Chung Sook (Hye-jin Jang) wird es schwieriger, denn deren potenziellen Stellen als Fahrer und Haushälterin sind bereits besetzt, doch mit List, Tücke und einer guten Portion Rücksichtslosigkeit gelingt es ihnen, die Jobinhaber zu vertreiben. Alles könnte perfekt sein, doch dann klingelt eines Tages die ehemalige Haushälterin Moon Gwang (Jeong-eun Lee) an der Tür: Auch sie hat den Reichtum der Parks missbraucht, indem sie ihren Ehemann in einem den Hausbesitzern unbekannten Luftschutzbunker im Keller einquartiert hat …

Der relativ zurückhaltende schwarze Humor, die Bösartigkeit, mit der die Protagonisten sich nach oben kämpfen, und die Leistungen der Kim-Darsteller verschleiern relativ lang, was dann in seinem einfallslos-blutrünstigen Finale gnadenlos durchbricht: Bong Joon-hos Gesellschafts- oder besser Kapitalismuskritik fußt auf Kurzsichtigkeit und billiger Schwarzweiß-Malerei. Das Handeln der Armen ist per se durch ihre Not legitimiert, egal wie rücksichtslos und selbstsüchtig sie auch sind, Wohlhabende sind per se amoralisch, dekadent und blind für die Nöte der weniger Begüterten. Während die Kims miterleben müssen, wie ihr ganzes Hab und Gut von einem Unwetter weggespült wird und kurzzeitig Quartier in einer Turnhalle beziehen, planen die Parks eine spontane Geburtstagsfeier für das verzogene Söhnchen, für die sie mal eben so ein kleines Vermögen auf den Kopf hauen (Mama Yeon Keo schnattert während des Einkaufs vergnügt am Handy mit einer Freundin). Und freuen sich die Parks anfangs noch über die außergewöhnlich qualifizierten Hausdiener, stören sie sich plötzlich an deren unangenehm muffigem Geruch. Der schwelende Konflikt, in den sich dann noch eine dritte Partei einschaltet, mündet während der erwähnten Feier in eine Gewalteruption, die doppelt einfalls- und hilflos anmutet. Nicht nur, dass es anscheinend nicht mehr möglich ist, einen Film nicht in der totalen Eskalation enden zu lassen, Bong Joon-ho zerstört in dieser Szene auch noch das letzte Fünkchen von Ambivalenz. Konfrontiert mit dem brutalen Mord an der Lehrerin seines Sohnes reagiert Vater Geun-se nicht etwa empathisch, er hat nur das Wohl der eigenen Sippe im Sinn. PARASITE hat keinerlei Vision, er versteht sich nur als Verkünder der bevorstehenden gesellschaftlichen Katastrophe.

Ich finde das schade. Gewiss ist es nicht die Aufgabe eines Filmemachers, die gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit zu lösen. Aber etwas mehr als billige, populistische Arm-gegen-Reich-Polemik dürfte es schon sein, finde ich. Warum sind die Kims, die doch über einige beachtliche Talente verfügen, nicht in der Lage, ihr Können zu monetarisieren? Wer sind die Parks neben ihrer Eigenschaft als „Reiche“? Diese Fragen interessieren Bong Joon-ho überhaupt nicht, weil die Antworten ihm bei seiner Dichotomie in die Quere kämen. PARASITE ist eine agitatorische Blendgranate.