Archiv für Juli, 2009

Nach dem Finale von HALLOWEEN IV ist Michael Myers mitnichten tot. Ein Jahr später taucht er deshalb pünktlich zu Halloween erneut in Haddonfield auf, wo seine Nichte Amy (Danielle Harris) traumatisiert von den vergangenen Ereignissen in einer Kinderklinik ihr Dasein fristet. Eine telepathische Verbindung zu ihrem Onkel lässt sie jedoch dessen Nähe deutlich spüren und das ruft wiederum Dr. Loomis (Donald Pleasence) auf den Plan …

halloween5box[1]HALLOWEEN V bestätigt meine Ausführungen zu Littles viertem Teil: Man kann mit Michael Myers keinen anderen Film machen als den, den Carpenter 1978 inszeniert hatte. Zumindest keinen wirklich guten. Othenin-Girard hat die besten Vorsätze, nimmt zunächst kleinere, kosmetische und nicht uneffektive Änderungen vor, lässt etwa die gesamte erste Hälfte des Films am hellichten Tage spielen, was einen schönen Effekt hat, und unterzieht Michael einer optischen Verjüngungskur, die die Figur wieder etwas bedrohlicher erscheinen lässt als im Vorgänger. Seine ambitionierteren Einfälle sind aber allesamt fragwürdig, weil sie darauf abzielen, Michael als Menschen greifbar zu machen, das Monster zu psychologisieren, und damit verkennen, das es genau das Gegenteil war, was die Figur auszeichnete. Die telepathische Bindung zu seiner Nichte, die sich dann schließlich in eine emotionale Verbindung verwandelt (am Ende kullert gar eine Träne über Michaels Gesicht), fügt der Figur weniger hinzu als sie ihr etwas wegnimmt: Wenn Michael die Verkörperung einer bösen Kraft ist, kann er sich nicht in einen Menschen zurückverwandeln, der er niemals gewesen ist. Dass HALLOWEEN V stärker noch als sein Vorgänger als herkömmlicher Slasherfilm konstruiert ist – im Mittelteil gibt es eine lange Passage, in der die jugendlichen Besucher einer Party von Myers mittels „origineller“ Waffenwahl (Mistgabel, Sense) dezimiert werden -, gleichzeitig aber eine weitere Figur eingeführt wird, deren Identität und Funktion erst im nächsten, aufgrund des Misserfolgs von Teil 5 erst fünf Jahre später entstandenen sechsten Teil erläutert wird, lässt die ganze Ratlosigkeit der Macher erkennen, die wohl insgeheim erkannt hatten, dass sich ihr Titelheld gegen die üblichen Verwertungsmechanismen sperrte und die demzufolge irgendwie versuchen mussten, trotzdem noch einen Film zurechtzubiegen, der die Leute bei Laune halten würde. Das ist zwar nur bedingt gelungen, letztlich gilt aber dasselbe wie für Teil 4: Ich finde ihn eigentlich ganz ansehnlich.

Zehn Jahre nach dem von ihm verübten Massenmord in seiner Heimatstadt Haddonfield gelingt Michael Myers die Flucht während eines Gefangenentransports. Schnurstracks begibt er sich wieder nach Haddonfield, wo seine Nichte Amy (Danielle Harris) lebt. Als Dr. Loomis (Donald Pleasence) von der Flucht seines ehemaligen Patienten erfährt, ahnt er, dass Amy in Gefahr ist …

122555810959375200[1]Nachdem HALLOWEEN III sich vom Charakter des Michael Myers gänzlich verabschiedet  und damit die Fanscharen erzürnt  hatte, lag es an Dwight H. Little, das brachliegende Franchise zu reanimieren. Seinen HALLOWEEN IV darf man deshalb als besonders konservatives und „auf Nummer sicher“ gedrehtes Sequel betrachten, mit allen positiven wie negativen Implikationen. Wie schon Carpenter in seinem Original so konzentriert sich auch Little ganz auf den titelstiftenden Halloween-Abend und den Konflikt zwischen dem Killer und seiner Verwandten, der hier aus Gründen der Zuschauerbindung noch eine jugendliche Stiefschwester zur Seite gestellt wird. HALLOWEEN IV ist durchaus stimmungsvoll und spannend geraten, entlehnt dem Vorbild die Strategie, Myers zunächst um seine Opfer kreisen zu lassen, ihn am Bildrand oder im Bildhintergrund unbemerkt von den Protagonisten zu positionieren und so eine Atmosphäre permanenter Bedrohung zu erzeugen. So weit, so gut. Woran es HALLOWEEN IV jedoch vollkommen gebricht, ist es, dem Bekannten etwas Neues hinzuzufügen. Letztlich ist Littles Film kaum mehr als ein Update, er unterscheidet sich vom Klassiker lediglich durch die Figur des Opfers und macht nur noch einmal deutlich, dass Myers das Böse in Menschengestalt ist, dem einfach nicht beizukommen ist. Doch dass dieser Dämon nach den schon 1988 längst bekannten Sequelgesetzen operiert, ist seinem Mythos eher abträglich. Myers wird dadurch, dass das längst Bekannte noch einmal – noch dazu in inszenatorisch weitaus weniger filigraner Art und Weise – bestätigt wird, geradezu banalisiert. Hier zeigt sich ein Aspekt, den auch die folgenden Sequels bestätigen: Michael Myers ist im Grunde nicht sequelkompatibel und das hängt unmittelbar mit der Gestaltung von Carpenters Film zusammen, der Michael weder als „Charakter“ anlegt, an dessen Motivation und Psyche der Zuschauer besonders interessiert ist, noch seine Handlungen in den Fokus des Interesses rückt, wie dies beispielsweise in den FRIDAY THE 13TH-Filmen der Fall ist, die ihren Reiz aus den Creative Killings beziehen. Myers ist im Grunde genommen ein Strukturphänomen, eine Verlängerung der Form in die Handlung hinein. Was HALLOWEEN auszeichnete, war eben die Art, wie Michael als ständige Präsenz über den Bildern lag, wie sich der Film quasi aus seinem Blick generierte, nicht wie und warum er seine Opfer richtete. Teil 2 wusste über dieses Manko hinwegzutäuschen, indem er Teil 1 quasi nachträglich als „unabgeschlossen“ deklarierte und seine Geschichte zu Ende erzählte, doch Little bleibt nichts anderes übrig, als noch einmal „von vorn“ zu beginnen. Es ist ja sehr auffällig, dass sein Teil IV dem Carpenter-Original im Handlungsverlauf bis in Details hinein folgt und selbst den Grundkonflikt – Michael vs. Laurie – lediglich um eine Generation verschiebt. HALLOWEEN IV kann vor diesem Hintegrund kaum mehr als zwar ordentlich gefertigter, aber letztlich zahnloser Popcornhorror sein: Dass Michael  in seiner Spätachtzigerinkarnation mit den vorschriftsmäßig gekämmten Haaren zudem aussieht wie ein Beamter, der zudem mit der Körperhaltung eines alten Mannes geschlagen wurde, trägt dazu entscheidend bei.

3047233912_e73887c1d5[1]Graf Dracula braucht frisches und vor allem reines Blut: Todkrank vegetiert er in seinem rumänischen Schloss dahin, denn es gibt einfach keine Jungfrauen mehr. Sein treuer Diener Anton (Arno Juerging) schlägt ihm deshalb vor, nach Italien zu reisen. Die dort noch florierende katholische Kirche sorge nämlich dafür, dass es keinen Mangel an jungfräulichen Damen gebe, an deren Blut sich der marode Vampirfürst laben könne. Am Ziel angekommen erwirkt Anton sogleich eine Audienz beim adligen Ehepaar di Fiore (Vittorio De Sica & Maxime McKendry): Die sind verarmt, brauchen dringend eine Geldspritze und verfügen zudem über vier reizende Töchter, von deren Jungfräulichkeit sie überzeugt sind. Sie ahnen nicht, dass der Hausdiener Mario (Joe Dallessandro) alle schon kräftig durchgeorgelt hat …

 Inhaltlich knüpft DRACULA an Morrisseys FRANKENSTEIN an: Hier nimmt er den inzestuös durchseuchten Adel aufs Korn, der sich mit seiner Abschottung gegen neue Einflüsse sein eigenes Grab geschaufelt hat. Am extremsten zeigt sich das natürlich in der Figur des Grafen, der nur noch ein Schatten des potenten Vampirgfürsten ist, kaum noch die Kraft hat, sich auf den Beinen zu halten und deshalb von seinem Diener Anton im Rollstuhl umhergeschoben werden muss (Udo Kier ist nach seinem überdrehten Frankenstein als blutarmer Dracula nur anhand seiner markanten Gesichtszüge wiederzuerkennen). Doch auch die Fiores sehen einer trostlosen Zukunft entgegen: Von ihrem einstigen Reichtum ist nicht mehr viel übrig, die Töchter drohen auf dem verfallenden Anwesen zu versauern. Es ist der von den Ideen des Kommunismus beseelte Diener Mario (über seinem Bett prangen Hammer und Sichel), der die Töchter in Schwung hält, proletarisches Blut in die Familie bringt und sie so insgeheim vor dem Grafen Dracula – den die Fiores ironischerweise als Rettung sehen – bewahrt. Dem armen Vampir kommt regelmäßig das große Kotzen, wenn er das Blut der vermeintlichen Jungfrauen schlürft, nur um festzustellen, dass es mit ihrer Unberührtheit nicht weit her ist.

Auch formal liegen beide Filme auf einer Linie, beglückt DRACULA Auge und Ohr mit schönen, dunkelromantischen, morbiden Bildern, opulenten Settings und einem kammermusikartigen Score, sorgen Kier und Juerging für ein ordentliches Maß an Humor (ebenso Roman Polanski mit seinem kleinen Gastauftritt) inmitten der Tragik und fliegen zum Finale dann auch wieder die Gliedmaßen. DRACULA ist mehr „aus einem Guss“ als Frankenstein, homogener in Stimmung und Form, aber deswegen auch ein Stück langweiliger. Der Film schleppt sich recht spannungsarm dahin, die Hölzernheit der Darsteller (man hört, dass einige von ihnen der englischen Sprache nicht mächtig sind) fällt deutlich negativer ins Gewicht als noch bei FRANKENSTEIN, weil der sowieso vollkommen übertrieben war. In diesem Film, der eher von einer bestimmten Stimmung getragen wird, von einer Atmosphäre der Dekadenz, weniger von den Verwicklungen auf der Handlungsebene oder den Beziehungen der Figuren untereinander, muten diese Schwächen sehr viel störender an, weil sie aus dem Fluss herausreißen, den der Film anstrebt. Das ist schade, weil einige Szenen immer noch toll sind (der Auftakt etwa, Draculas Anfälle, die Szene, in der er das Blut einer eben Entjungferten vom Boden aufleckt, das Finale schließlich), aber eben etwas im Ganzen untergehen. FRANKENSTEIN bestand im Grunde nur aus Höhepunkten, war seine eigene Best-of-Zusammenstellung, während DRACULA eben auf einem sehr gleichmäßigen Erregungsniveau verläuft. Vielleicht sollte man ihn auch einfach nicht unmittelbar nach FRANKENSTEIN schauen, sondern ihn für sich und also nach seinen eigenen Maßstäben genießen. Das ist mir gestern immens schwer gefallen.

chair-pour-frankenstein-R[1]Dem Baron Frankenstein (Udo Kier) graut vor dem Menschen: In seinen Augen ist die menschliche Rasse nicht mehr als Müll und Abschaum, der ausgerottet gehört. Deshalb träumt er von einer Superrasse, einem nach dem serbischen Schönheitsideal – denn die Serben stammen wie er weiß, von den antiken Griechen ab – gebildeten Pärchen, das ihm gottgleiche Kinder und also eine neue Menschheit gebären soll. Auf der Suche nach einem Männerkopf, der über eine dem Ideal entsprechende „nasum“ verfügt und außerdem zu einem virilen Körper gehört, unterläuft ihm leider ein Fehler: Statt dem umtriebigen Stallburschen Nicholas (Joe Dallessandro) den Kopf abzuschneiden, erwischt er das Haupt des impotenten Sacha (Srdjan Zelenovic), der eigentlich Mönch werden will. Die Katastrophe naht mit großen Schritten als Nicholas seinen verschwundenen Freund im Schloss des Barons wiedertrifft …

Zu CARNE PER FRANKENSTEIN gibt es eine schöne autobiografische Anekdote: Ich sah diesen Film zum ersten Mal bei meinem leider verstorbenen Großonkel, einem Videoveteran der ersten Stunde. In seiner Sammlung befanden sich damals etliche Schätze, deren Wert ich damals noch gar nicht ermessen konnte und die ich – altersbedingt – auch noch nicht sehen durfte. Eigentlich. Denn es gibt zwei Ereignisse, bei denen ich, in Unkenntnis darüber, was es für verkommene Filme gibt und also vollkommen ohne Hintergedanken, beherzt zugriff: So wurde ich im zarten Alter von etwa zwölf des NEW YORK RIPPER ansichtig – ein Sichtungserlebnis, das ich nach wenigen Minuten freiwillig und etwas verstört abbrach – und zu einer anderen Gelegenheit eben dieser grotesken Frankenstein-Adaption, die ich – der Name Andy Warhol sagte mir noch nichts – für den alten Universal-Film mit Boris Karloff hielt. Mir ist mein Irrtum wohl relativ bald aufgefallen und nachdem Frankenstein dem armen Sacha den Kopf mit der Heckenschere abgetrennt hatte, entschloss ich mich dann dazu, meine Sichtung zu beenden. Die Eltern saßen im Nebenzimmer und irgendwie hatte ich die Befürchtung, sie würden mich beim Betrachten dieses merkwürdigen Films ertappen, was ich unbedingt vermeiden wollte. So einen Film hatte ich noch nie gesehen. Kein Wunder, denn auch heute, 20 Jahre  und etliche abstruse Filme später, muss ich einräumen, dass CARNE PER FRANKENSTEIN ein ziemliches Unikat darstellt. Klar, trashige, mit Sexeinlagen garnierte Horrofilme gibt es wie Sand am Meer, aber der Begriff „Trash“ allein trifft das Wesen von Morrisseys Film einfach nicht. Die Bilder sind von einiger Eleganz und Schönheit, die Kulissen und Settings alles andere als billig und die Klaviermusik, die das groteske Treiben untermalt, verleiht dem Film einen barocken, opulenten Anstrich, der das saftige Geschehen nur vordergründig zu kontrastieren scheint, eigentlich aber perfekt dazu passt. Neben den überspitzten Splattereinlagen, bei denen sehr großzügig mit frischen Eingeweiden vom Metzger und knätschrotem Kunstblut um sich geschmissen wird, sticht natürlich vor allem Udo Kier als Frankenstein heraus, der seine Rolle bei der Gurgel packt und sie bis zum Schluss nicht mehr loslässt. Mit seinem herrlichen deutschen Akzent ausgestattet spielt er sich förmlich in Ekstase und spricht Dialogzeilen für die Ewigkeit: „Tu noh dess, Otto … ju häff tu fack leif … in se gall blädder!“ Wenn ihm einer abgeht, während er die Organe im aufgeschnittenen Torso seines weiblichen Monsters betastet, oder er sich auf dem Operationstisch an ihr vergeht, eine Hand immer in der offenen  Bauchhöhle, dann sind das auch mehr als 30 Jahre nach Veröffentlichung immer noch unerreichte Sternstunden des Exploitationkinos. Doch CARNE PER FRANKENSTEIN darauf zu reduzieren, hieße zu verkennen, das er Ideen des Wiener Aktionismus, des absurden Theaters und des Surrealismus aufgreift und mit den Mitteln des Schunds zu einer höchst originellen Melange verbindet, um seine „Botschaft“ unters Volk zu bringen.  

CARNE PER FRANKENSTEIN darf nämlich durchaus auch als komische Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Rassenphilosophie verstanden werden, die ja in den späten Sechziger- und Siebzigerjahren von linksintellektuellen Künstlern verstärkt als sexualpathologische Disposition gelesen wurde (man denke in dieser Hinsicht nur an den wohl berühmtesten Film dieser Strömung, Pasolinis SALÒ O LE 120 GIORNATE DI SODOMA). Morrisseys Frankenstein ist nach diesem Verständnis ein „Nazi“, besessen von dem Gedanken, die „Unreinheit“ zu besiegen und den Übermenschen zu kreieren. Sein Schönheitsideal ist zwar nicht arisch, sondern serbisch, aber der Verweis auf die griechische Antike spricht Bände. Gekoppelt ist sein Experiment an eine unübersehbare sexuelle Störung: Frankensteins Ehefrau ist gleichzeitig seine Schwester, die gemeinsamen Kinder wirken demzufolge etwas derangiert (sie setzen am Schluss des Films das Werk des Vaters fort) und die Leidenschaft, mit der er sich den toten Körpern widmet und dabei jegliche gebotene wissenschaftliche Sachlichkeit verliert, lässt sich mit dem Begriff „Nekrophilie“ treffend umschreiben. Aus dieser Perspektive lässt sich dann auch die Wildheit von Morrisseys Film erklären: Er ist ein beherzter Hieb, eine heftige Polemik gegen eine Elterngeneration, die sich damals noch nicht vollständig verabschiedet hatte, steht ganz in der Tradition der in den späten Sechzigerjahren erzwungenen Aufarbeitung der Vergangenheit. Dass er diese Polemik nicht im Gewand eines zerebralen Avantgarde-Kunstfilms für die Intellektuellen kleidet, sondern als Softsex-Splattergroteske, die jedem Bahnhofskino eingeheizt haben dürfte, verleiht dem Film seine unwiderstehliche subversive Note.

alligator 2: the mutation (jon hess, usa 1991)

Veröffentlicht: Juli 30, 2009 in Film
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o_ALLIGATOR_2[1]Wieder einmal tauchen in einem städtischen Gewässer abgetrennte Gliedmaßen auf, wieder einmal findet ein guter Cop (Joseph Bologna) heraus, das ein mutierter Alligator hinter den Todesfällen steckt, wieder stehen ihm eine weibliche Wissenschaftlerin und ein Rookie-Cop (Woody Brown) zur Seite , seine Gattin (Dee Wallace) und wieder einmal steckt ein fieser, skrupelloser Unternehmer (Steve Railsback) hinter dem ganzen Unglück …  

ALLIGATOR 2: THE MUTATION ist je nach Blickwinkel nette, harmlose Abendunterhaltung oder komplett überflüssig. Dem Original fügt er nichts, aber auch gar nichts hinzu, bewegt sich vielmehr sicher in dessen Spuren, begnügt sich ganz damit, dessen Personenkonstellation und Dramaturgie nahezu eins zu eins zu duplizieren. Das funktioniert nicht zuletzt dank des sympathischen Bologna ganz gut, erweist sich über die gesamte Länge aber als ermüdend: Man hat das eben alles schon einmal gesehen. Und Teagues ALLIGATOR war dann doch etwas liebevoller und reicher in den Details. Wenn er seinen Alligator in ein Monster verwandelte, indem er ihn durch Miniatursettings scheuchte, dann umwehte diese Szenen der Charme alter Monsterfilme. Hess macht sich diese Mühe gar nicht erst : Bei ihm wundert man sich immer, warum die Echse, die eben noch gigantische Ausmaße hatte, plötzlich aussieht wie das Vieh, das man aus dem örtlichen Zoo kennt. Hess‘ Film ist alles andere als schlecht, aber eben auch sehr uninspiriert – und irgendwie steril. Die einzigen Aha-Effekte verdankt er dem Auftritt von Genregrößen wie Dee Wallace, Richard Lynch als Südstaaten-Krokojäger und Kane Hodder, der jedoch recht schnell den Weg alles Irdischen geht, vorausgesetzt alles Irdische endete zwischen den Kiefern eines mutierten Riesenalligators. Die 90 Minuten sind nicht komplett verschwendet, aber nach einer besseren Alternative müsste man nicht lang suchen.

513zd4V7Q6L._SL500[1]Wissenschaftler der westlichen Welt vermuten auf einer Insel im Nordpazifik ein geheimes Atomwaffenlager und planen daher eine U-Boot-Expedition, um Gewissheit zu erlangen. Das U-Boot soll von Captain Adam Jones (Richard Widmark) kommandiert werden, neben dessen ehemaliger Weltkriegs-Crew sind auch der Nobelpreisträger Prof. Montel (Victor Francen) und die attraktive Wissenschaftlerin Denise (Bella Darvi) mit an Bord, die den Männern sogleich den Kopf verdreht …

Wie bei Fuller üblich, beginnt auch HELL AND HIGH WATER, sein erster Farbfilm, mit einem Paukenschlag: Eine ganze Insel explodiert, der Sprecher aus dem Off erklärt, dass der folgende Film die Geschichte hinter dieser Explosion erzählen werde. Fullers Film ist also eine Rückblende. Die einleitende Explosion begegnet dem Zuschauer am Ende von HELL AND HIGH WATER noch einmal wieder, diesmal jedoch um ein Detail angereichert, das ihm zu Beginn vorenthalten wurde und die Frage nach dem „Warum?“ beantwortet. Dieser erzählerische Kniff mag allein der Erzählökonomie und Spannungsdramaturgie geschuldet sein als dass er auf einen tieferen Sinn hindeutet, doch er ist gut geeignet, Fullers Strategie zu verdeutlichen. Zunächst einmal in der Hinsicht, dass Fullers Filme Sinnstiftung leisten: Der sich an den Prolog anschließende Film füllt im wahrsten Sinne des Wortes eine Leerstelle, er ergänzt ein Bild, das vorher noch unvollständig war. In anderer Hinsicht kommuniziert HELL AND HIGH WATER aber auch die eigene Kontingenz: Er bietet eben nur eine mögliche Erklärung, nur eine von vielen „Auffüllungen“ der Leerstelle. Der Zuschauer muss, wenn er seinen Sinnen vertraut, die Gültigkeit von Fullers Erklärung hinterfragen. Hier tritt der Geschichtenerzähler (und Journalist) Fuller hervor: Ausgangspunkt für seinen Film ist ein Bild, eine Idee, das seine Kreativität anregt. Was könnte sich hinter dem Bild verbergen? Schicht um Schicht wird aufgetragen, bis am Ende ein Film steht, der in sich vollkommen geschlossen ist – aber eben auch von hinten nach vorn gesehen werden kann.

 Hinten und Vorne, West und Ost, Militär und Wissenschaft, Mann und Frau, Leben und Sterben: HELL AND HIGH WATER ist ein Film der harten Kontraste und der Gegenüberstellungen. „There’s a reason for living and a price for dying“, wie Professor Montel sagt. Zwischen diesen beiden Polen, zwischen denen die Wahl nicht immer leicht fällt – Hölle und Hochwasser eben – spielt sich der ganze Film ab. Jones‘ (Richard Widmark konnte ich früher nie leiden, langsam wandelt er sich zu einem meiner Lieblingsdarsteller) Motivation sind zunächst nur die 50.000 Dollar Belohnung, die ihm winken, doch am Schluss steht für ihn die Ehre auf dem Spiel. Montel unternimmt die Expedition aus einem weltbürgerlichen Verantwortungsbewusstsein, doch als er erkennt, dass es hart auf hart kommt, stößt auch er an seine Grenzen. Momente, in denen man sich entscheiden muss: Jones schickte im Krieg einst 26 seiner eigenen Männer in den Tod, aber er handelte nach bestem Wissen und Gewissen, würde jederzeit wieder so handeln, weil er ist, wer er ist. Hölle und Hochwasser: die Wahl haben und doch keine Wahl haben, die Wahl treffen, wenn man keine Wahl hat.

Fullers Helden wissen wer sie sind und sie stehen dazu, sie kennen keine Täuschung, keine Verstellung. Sie sind Machos, aber keine Chauvinisten – auch nicht in politischer Hinsicht: Denise muss zwar manchmal durch ein gezielte Ohrfeige zur Besinnung gebracht werden, aber an ihrer Qualifikation hat Jones niemals Zweifel. Das sichert ihr auch ihren Platz in der Männerwelt des U-Boots: Die von einigen von Jones‘ Männern hervorgebrachten Ressentiments, Frauen hätten auf einem U-Boot nichts verloren, gelten für ihn nicht. Für ihn zählt nur, ob jemand seinen Job macht oder nicht. „Don’t let your mouth write a cheque that your ass can’t cash“: Man muss dazu bereit sein, mit allem für das einzustehen, was man ist. Wenn Jones am Schluss ganz entgegen seines ursprünglich rein materiellen Interesses doch noch „Flagge zeigt“ (vorher hatte er Montel noch als „flagwaver“ beschimpft: eine Parallele zum Spruch „Don’t wave your damn flag at me!“, den Widmarks Skip McCoy in Fullers PICKUP ON SOUTH STREET einem CIA-Mann entgegenschleudert, der an seine Vaterlandsliebe appelliert), so ist das weder ein Widerspruch noch Beweis einer neu gewonnen Liebe zum Heimatland, sondern eine Entscheidung, die auf einem Moralkodex beruht, der Lüge und Verrat nicht als gültige Optionen vorsieht.  

Ich habe erst Probleme mit diesem Film gehabt, der mir wenig finessenreich erschien. Äußere Umstände – Müdigkeit, Haushaltstätigkeiten, klingendes Telefon – sind mir bei der Sichtung zudem mehrfach in die Quere gekommen und haben mir den Zugang erschwert. Als ich HELL AND HIGH WATER deshalb gleich im Anschluss noch einmal geschaut habe, mit Blick auf die vielen Details, die ihn lebendig machen, ist mir erst aufgefallen, wie wunderbar markant und kernig auch dieser Fuller ist, wie zerreißend spannend etwa das Belagerungsspiel der beiden U-Boote auf dem Meeresboden geraten ist. Toll!

alligator (lewis teague, usa 1980)

Veröffentlicht: Juli 29, 2009 in Film
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Als in der Kläranlage von Los Angeles abgetrennte menschliche Gliedmaßen aus dem Wasser gezogen werden, wird der Polizist David (Robert Forster) auf den Fall angesetzt. Untersuchungen ergeben schon bald, dass ein Alligator die Ursache der Verstümmelungen ist, noch dazu einer, der durch die Zufuhr von Chemikalien offenbar auf unnatürliche Größe angewachsen ist. Zusammen mit dem Neuling Kelly (Perry Lang) begibt sich David in die Kanalisation, um das Monstrum unschädlich zu machen …

poster[1]Mit ALLIGATOR gelang Lewis Teague einer der besten Tierhorrorfilme, die im Zuge des JAWS-Erfolgs entstanden – wohl auch, weil er sich darüber im Klaren war, dem großen Vorbild inszenatorisch nicht das Wasser reichen zu können. Teague legt ALLIGATOR deshalb als Hommage und Persiflage auf Spielbergs Film an, übernimmt einige Szenen beinahe deckungsgleich, erdet ihn aber im bereits voll ausformulierten Cop-Film, anstatt sich wie Spielberg mit den Ängsten des Durchschnittsmannes auseinanderzusetzen. Teagues Held klagt zwar über das sich lichtende Haupthaar und muss sich mit dem Spott der Kollegen arrangieren, ist aber sonst von echtem Schrot und Korn, ganz anders als der wasserscheue, mit seinen eigenen Ängsten und seiner Durchschnittlichkeit hadernde Sheriff Brody. Davids Abstieg in die Kanalisation von L. A. ist mitnichten der Abstieg in das eigene Unbewusste und jeglichen potenziellen Subtext scheint der mutierte Riesenalligator gleich mit den Tierkadavern verschlungen zu haben, die – mit Hormonen aus dem Tierversuchslabor vollgepumpt – in den Eingeweiden der Metropole landen. Der schönste Kniff dieses wunderbaren Films, zu dem mir jetzt gar nicht mehr viel einfällt, stammt von Drehbuchautor John Sayles: Wenn er im Prolog erzählt, wie der Horroralligator einst als Babyalligator in der Kanalisation landete, dann ermöglicht er damit dem Zuschauer, einen Perspektivwechsel vorzunehmen. Sein Film über einen Cop, der Jagd auf das Monster macht, verwandelt sich dann in einen Film über einen Alligator, der sich unter ausgesprochen widrigen Umständen im wahrsten Sinne des Wortes durchgebissen hat. „Harry Lime lives!“, wie uns ein Grafitti an der Kanalmauer sagt. „Wohl kaum“, sagt der Alligator.

the glove (ross hagen, usa 1979)

Veröffentlicht: Juli 29, 2009 in Film
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Der Kopfgeldjäger Sam Kellog (John Saxon) kommt finanziell auf keinen grünen Zweig. Der Job bringt kaum mehr als einen Hungerlohn und zusätzlich liegt ihm die Exfrau mit ihren Unterhaltsforderungen auf der Tasche, die durch sein notorisches Pech beim Glücksspiel eh schon arg überstrapaziert ist: Wenn er seine Schulden bei ihr nicht abbezahlt, darf er seine Tochter nicht mehr sehen. Aber dann gibt es Anlass zur Hoffnung, denn sein Auftraggeber bietet ihm einen inoffiziellen, lukrativen Job an. Auf den ehemaligen Häftling Victor Hale (Rosey Grier), der seine einstigen Gefängniswärter mithilfe eines stahlbesetzten „Riot-Gloves“ vermöbelt hat, ist von eben jenen ein Kopfgeld von 20.000 Dollar ausgesetzt worden. Sam macht sich auf die Suche …

glove[1]Das Plakatmotiv verspricht einen saftigen Gewaltfilm und rückt den martialisch anmutenden Handschuh in den Mittelpunkt, doch stattdessen ist THE GLOVE eher dem Private-Eye-Film und dem Film Noir verpflichtet. Die offensichtlichste Parallele zu diesen Genres ist der Voice-over von Sam Kellog, der das Herzstück des Films bildet und seine triste Stimmung ganz entscheidend prägt. Wir lernen den Kopfgeldjäger Sam als Loser mit gutem Herz kennen: Souverän bewegt er sich durch die Straßen der Großstadt, knüpft hier und da seine Kontakte, doch richtig vorwärts kommt er nicht. Als der Silberstreif am Horizont zu erkennen ist, sieht er seine Zeit gekommen, doch auch dies ist nur ein Trugschluss: Victor ist weniger als Täter als als Opfer zu sehen, ein Pechvogel wie Sam, der immer nur Prügel bezogen hat und nicht mehr länger bereit ist, sich in diese Rolle zu fügen. Der Handschuh ist das Symbol seiner Machtergreifung: Wenn er ihn überstreift, wendet sich das Blatt. Die Waffe der Herrschenden – der Handschuh war ursprünglich dazu gedacht, von der Polizei bei Aufständen eingesetzt zu werden – verwandelt sich an seiner Hand vom Instrument des Rechts in ein Instrument der Gerechtigkeit, mit dem er seinen einstigen Peinigern die Strafe zukommen lässt, die ihnen gebührt. Aber diese Machtergreifung kann ebenfalls nicht zum Ziel führen. Der Afroamerikaner Victor, der in der Gesellschaft der USA sowieso zum ewigen Verlierer gestempelt ist, hat mit seiner Grenzüberschreitung den Zorn auf sich gezogen, dem er letztlich unterliegen muss. Und Sams Entscheidung zur handfesten Gewalt – und zum bereitwillig in Kauf genommenen Tod – beruht auf einem Fehlschluss. Es ist die bittere Ironie des Schicksals, dass er nicht nur ungeschoren davonkommt, sondern sein Leben weiterführen kann, weil er für einen Mord belohnt wurde, den er nicht begangen hat, an einem Mann, der diese Strafe nicht verdiente, von Männern, die die eigentlichen Verbrecher sind.

search and destroy (william fruet, kanada/usa 1979)

Veröffentlicht: Juli 28, 2009 in Film
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Der Vietnamveteran Kip Moore (Perry King) erfährt von der Ermordung zweier ehemaliger Kameraden. Wenig später gibt sich der Mörder bei einem Angriff auf Kips Kumpel Buddy (Don Stroud), ebenfalls ein Veteran, zu erkennen: Es ist ein Vietnamese, den Kip und seine Männer bei einer Mission begleiten sollten, ihn aber letztendlich dem Feind überlassen mussten, um die eigene Haut zu retten. Der im Stich Gelassene will Rache … 

search_and_destroy_poster_01[1]SEARCH AND DESTROY ist einer der früheren Vertreter des den Vietnamkrieg reflektierenden Actionfilms. Wie der später folgende, aber ungleich populärere FIRST BLOOD lässt er die Ereignisse des Krieges ihre Fortsetzung in der US-amerikanischen Gegenwart finden und stellt so eine Reflexion über die Auswirkungen dieses Konflikts – in psychischer wie physischer Hinsicht – dar. Kip und Buddy sind eindeutige Verlierer des Krieges, sie fristen ein jämmerliches Dasein, verdienen sich ihr spärliches Geld mit miserablen Jobs ohne Perspektive, weil niemand sie haben will. „Meine Zukunftsaussichten sind toll, es ist die Gegenwart, die schlecht aussieht“, sagt Kip und bringt sein Dilemma – voller Hoffnung ohne Hoffnung – auf den Punkt. Was diese beiden Verlierer immer noch aneinander bindet, ist die gemeinsame Erinnerung, die sie mit niemand anderem teilen können: Vietnam ist für sie nämlich der Ort einer körperlichen Grenzerfahrung, die von ihnen längst nicht nur als „schlecht“ empfunden wird. Da ist neben allen Schrecken auch der unvorstellbare Adrenalinschub, den ständige Todesgefahr, uneingeschränkte Eigenverantwortung und die Abwesenheit jeglicher moralischer Schranken auslösten und den sie im langweiligen Alltag vermissen. Kip und Buddy haben Einsicht in die seelischen Abgründe des Menschen – und ihre eigenen – genommen: eine Einsicht, die sich mit der „normalen“ Welt nicht verträgt und die sie vergessen müssen, um gesellschaftsfähig zu bleiben. Doch das gelingt ihnen kaum noch: Als der gemeinsame Kumpel tot aufgefunden wird, brechen sie aus heiterem Himmel und ohne begründeten Verdacht eine Schlägerei beim gemeinsamen Arbeitgeber vom Zaun, um Dampf abzulassen, und fordern ihre Entlassung so geradezu heraus. Der Krieg ist immer noch da. Auch in einem Touristenort wie Niagara, in dessen Ferienidyll, das gegenüber der tristen Realität, in der Kip und Buddy leben, wie Hohn erscheint, plötzlich die Vergangenheit einbricht. SEARCH AND DESTROY ist keineswegs ein außerordentlicher Film: Er ist klein und preiswert, aber dennoch recht sorgfältig produziert, Bilder der Niagarafälle und die Auftritte von George Kennedy sollen wohl über die finanziellen Limitierungen des Films hinwegtäuschen und für „Schauwerte“ sorgen. Dennoch ist er recht stimmungsvoll und trifft zudem in dem wirkungsvollen Kniff, die Veteranen gerade nicht mit dem ehemaligen Feind, sondern mit einem unbeabsichtigten Opfer zu konfrontieren, den Nagel auf den Kopf: Das Absurde des Krieges und die Unvorhersagbarkeit seiner Auswirkungen spiegeln sich in dem Aufeinandertreffen der Freunde, die erst die Zeit zu Feinden gemacht hat, wider.

Mit einem im Nahen Osten deponierten Sprengsatz bedrohen russische Terroristen die westliche Welt: Sollte ihren Geldwünschen nicht entsprochen werden, so werden 50 % des Ölvorkommens in Flammen aufgehen und die Weltwirtschaft in eine tiefe Krise geschleudert, die – so befürchten die Verantwortlichen in den USA und Israel – letztlich eine Dominanz des Kommunismus nach sich ziehen würde. Der CIA setzt seinen besten Mann – Codename: „The Soldier“ (Ken Wahl) – auf die Sache an. Doch der sieht sich bald selbst zwischen den Fronten, nachdem sein Vorgesetzter und mit ihm der einzige, der von seinem Einsatz wusste, einem Anschlag zum Opfer fällt. Um sich seiner Haut zu wehren, bleibt ihm nur, selbst in die Offensive zu gehen. Mit den Kumpels seiner Einheit und den Kollegen vom Mossad plant er den Gegenschlag …

soldier[1]Nach dem ultradüsteren, ultrabrutalen Nihilokracher THE EXTERMINATOR begibt sich Glickenhaus mit THE SOLDIER auf das Terrain des unterkühlten Spionagethrillers, wie er vor allem in den Siebzigerjahren geprägt worden war und als existenzialistische Wendung der bonbonbunten Agentenfilme verstanden werden kann, die im Fahrwasser des Erfolgs der Bondserie in den Sechzigerjahren reüssierten. Der düstere Agentenfilm betonte die Undurchdringlichkeit des Geheimdienstgeflechts und stellte nicht nur die Möglichkeit eines Triumphs der „Guten“ infrage, sondern die Existenz solcher Kriterien wie „Gut“ und „Böse“ überhaupt. Der Agent ist nicht mehr der weltgewandte und souveräne Spurenleser und Decodierer, sondern hoffnungslos auf (s)eine unsouveräne Perspektive zurückgeworfen, zum Reagieren statt zum Agieren verdammt. THE SOLDIER ist als Kind dieser Entwicklung zu betrachten: Schon die Creditsequenz, die zum rein percussiven, nackt und abstrakt wirkenden Score von Tangerine Dream das Star Spangled Banner und die Flagge der UdSSR, Begriffe wie „Democracy“ und „Communism“, Stopp- und Durchfahrt-verboten-Schilder sowie Fotografien verschiedener politischer Akteure und Ereignisse kontrastierend gegenüberstellt, macht deutlich, dass wir uns im Folgenden nicht mehr in einer Welt der Dinge, sondern nur noch in einer Welt der Repräsentanten bewegen. Alles ist Zeichen, nichts mehr „an sich“: Die Frau mit dem Kinderwagen, die direkt zu Beginn über den Haufen gefahren wird, ist eine bewaffnete Terroristin, die harmlos am Straßenrand stehenden Passanten ihre Kollegen, die dann förmlich aus dem Nichts – hier ist der Wunsch Vater des Gedanken – von „The Soldier“ und seinen Männern weggepustet werden. Die zunächst verräterischen Blutflecken auf dem Asphalt macht sofort ein Druckluftreiniger unsichtbar, bevor alle wie von Geisterhand (= mit dem Helikopter) entschweben und den Tatort scheinbar jungfräulich zurücklassen. Zugehörigkeiten, Allianzen, Überzeugungen: Alles ist doppelt und dreifach codiert und schimmert je nach Betrachtungswinkel in einer anderen Farbe. Die eisige Atmosphäre des Kalten Krieges ist in jeder Einstellung von THE SOLDIER spürbar. Glickenhaus‘ Film erzählt von einer Zeit, als „Frieden“ rein virtuell und nur als das Resultat einer auf massiver Aufrüstungspolitik beruhenden Pattsituation zu sehen war. Ein trügerischer Frieden, denn in einem solchen Szenario gleicht Politik einem Pokerspiel. Die Entscheidung zum Erstschlag (das Wort suggeriert schon, dass man weiß, dass dem ersten unweigerlich ein zweiter Schlag folgen wird) hängt in erster Linie davon ab, ob man den Rückschlag verkraften kann; und die Einschätzung darüber wiederum von der Fähigkeit des Gegners, zu bluffen, und dem Vertrauen, dass man den Informationen der eigenen Geheimdienste – und deren Loyalität – entgegenbringt. Ein gefährliches Spiel, das fast ausschließlich auf Suggestion, Vermutungen und Vermutungen über Vermutungen beruht und der Sphäre des Faktischen somit vollkommen enthoben ist. Ein solchermaßen stabilisierter Frieden ist eine trügerische Angelegenheit, weil er die Vernunft aller Mitspieler und die Regelkonformität ihrer Handlungen voraussetzt.

So erklärt sich das – für einen Actionfilm – paradoxe Finale: Es ist (fast) keine Gewalt nötig, um die Terroristen zum Einlenken zu bewegen; nur eine geschickte Drohung (und – man höre und staune – ein Überfall auf die eigenen Leute). Ein Bluff vielleicht? Die Antwort von „The Soldier“ auf diese Frage des Gegners – ein augenzwinkerndes „maybe“ -, verdeutlicht, was ich oben sagte: Nicht mehr die Einsicht in das Faktische ist die Grundlage von Entscheidungen, sondern der Glaube, zu wissen, was faktisch ist.  Als „The Soldier“ gefragt wird, warum er mit „maybe“ geantwortet habe, entgegnet er nur, dass es ihm in diesem Moment als sinnvoll erschienen sei. Dies charakterisiert ihn als Actionhelden im klassischen Sinne, als „Mann der Tat“, der in der von Glickenhaus gezeichneten Welt eigentlich ein Anachronismus ist: Er ist zum einen der Mann, der seinem Instinkt, seiner Intuition folgt, und damit (meist) richtig liegt, zum anderen aber auch jemand, der das Prinzip dieses „maybes“ noch nicht voll und ganz erfasst hat, weil die Dinge in der Welt, der er entstammt, entweder sind oder nicht sind; jedenfalls sind sie niemals nur „vielleicht“. Es ist unklar, ob „The Soldier“ am Ende von THE SOLDIER triumphiert, weil er Einsicht in das Prinzip des „Vielleicht“ erhält oder weil er in der Lage ist, noch das „Vielleicht“ in ein unumstößliches Faktum zu verwandeln, die Konkretion zu erzwingen, die sonst längst abhanden gekommen ist. In jedem Fall macht seine Anwesenheit die Utopie in der Dystopie von THE SOLDIER aus: Der Frieden wird durch den heldenhaften Einsatz erwirkt, durch das Bekenntnis zur Sache und nicht durch das Paktieren und Taktieren in Hinterzimmern. Dennoch darf sich „The Soldier“ nicht wie seine Genrekollegen im Rausch der Aktion verlieren, um seine volle Durchschlagskraft zu erreichen. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass THE SOLDIER ähnlich gedrückt anmutet wie THE EXTERMINATOR: Der Held muss sein System mitreflektieren, um nicht unterzugehen.