Luigi Cozzis Wiederbelebung des Peplums sieht ungefähr genauso aus, wie man das nach seinem STAR CRASH erwarten durfte: Die Kostüme sind offenherzig und fantasievoll, die Spezialeffekte bemühen Mitte der Achtzigerjahre bereits reichlich veraltete Techniken, die dem Film eine kindliche Naivität verleihen, überall blitzt und funkelt es und statt eines kontinuierlich entwickelten Spannungsbogens gibt es eine Aneinanderreihung von Episoden, deren Logik nicht immer unmittelbar nachvollziehbar ist. Trotz dieser Gemeinsamkeiten ist HERCULES aber ein völlig anderer Film als Cozzis Weltraumoper (die nur Unmenschen ohne Geschmack und Stil als STAR WARS-Rip-off bezeichnen). Cozzi wirft sich mit offenem Visier in die Schlacht, versucht nicht, die alten Sandalenfilme auf einen historisch fundierteren Boden zu stellen, sondern empfängt den dem Genre inhärenten Kintopp mit offenen Armen, schafft aber gleichzeitig ein Werk, dessen hoher Abstraktionsgrad es schon fast in den Rang des dekonstruktivistischen Metafilms hebt.
Für mich besonders auffällig: HERCULES wird niemals „lebendig“, wie es die alten Herkules-Filme ohne Zweifel wurden, die ihre Zuschauer in eine pittoreske Pseudoantike voller schöner Frauen, edler Recken, finsterer Schurken und gräuslicher Ungeheuer entführten. Stattdessen spielt Cozzis Film in einer beinahe entvölkerten Welt, über der des Nachts ein planetenreiches Weltall prangt und deren wenigen Bewohner keinen normalen Alltag zu kennen scheinen, sondern ständig irgendwelche seltsamen Pläne schmieden. Der Film beginnt mit keinem geringeren Ereignis als der Erschaffung der Welt, bei der Pandoras Büchse – hier eher: ein Tonkrug – eine wichtige Rolle spielt. Am Ende des Vorgangs kommen die auf dem Mond (!) lebenden Götter Zeus (Claudio Cassinelli), Athene (Delia Boccardo) und Hera (Rossana Podestà) auf die Idee, einen Superhelden aus reinem Licht zu schaffen, um den nun auf der Erde waltenden bösen Mächten etwas entgegenzusetzen. An seinem neuen Bestimmungsort angelangt, wird der kleine Hercules sogleich als potenziell gefährlicher Göttersohn enttarnt und auf einem Floß ausgesetzt, auf dem der Tausendsassa seinen Pflegeeltern in die Arme treibt. In diesem Stil setzt sich der gesamte folgende Film aus Elementen zusammen, die man entweder aus anderen Mythen und Märchen oder aber aus zu jener Zeit erfolgreichen Filmen (vor allem CLASH OF THE TITANS und SUPERMAN müssen genannt werden) kennt, die aber nie im Stile des nervtötenden Zitatekinos mit wissendem Augenzwinkern refrenziert werden.
Lou Ferrignos Held scheint selbst nie so ganz zu begreifen, was da um ihn herum eigentlich vorgeht, und der böse Plan seiner Gegenspieler – der schurkische König Minos (William Berger) und seine Gefährtin Ariadne (Sybil Danning) – ist kaum mehr als ein Vorwand, um ihn auf die Reise durch verschiedene Set Pieces zu schicken. Hier und da schnappt man mal etwas auf, was man kennt – den Augiasstall oder Charon, den knochigen Fährmann -, aber mehr als an griechischen Mythen ist Cozzi offenkundig am Spinnen eigenen Seemannsgarns interessiert. Sein Hercules tritt gegen riesige Roboterwesen an, die eine weibliche Zauberin namens Daedalus (Eva Robins) zum Leben erweckt hat, Circe (Mirella D’Angelo) verwandelt ihn in einen Riesen, sodass er die Kontinente Europa und Afrika trennen kann, der Finalkampf findet im Inneren eines brodelnden Vulkans statt, den Minos als Energiequelle nutzt. Atlantis wird auch mal kurz erwähnt, genau wie der Feuervogel Phoenix und es ist erstaunlich, dass ein Film, der so konfus ist, gleichzeitig so aufgeräumt wirkt.
Die Legende besagt, dass der back to back mit Fragassos und Matteis I SETTE MAGNIFICI GLADIATORI gedrehte HERCULES ursprünglich als „erwachsen“ angelegt war und erst auf Initiative des entrüsteten Ferrigno entschärft wurde. Ein HERCULES UNBOUND wäre sicher interessant gewesen, aber ich finde Cozzis Film auch so sehr schön. Er ist nicht ganz so ein selig machender Knaller wie STAR CRASH, aber welcher Film ist das schon? Ich finde jedenfalls, dass er – wie eigentlich alle Filme von Cozzi – als verlachtes So-bad-it’s-good-Vehikel reichlich unter- und vor allem geringgeschätzt wird.