the black watch (john ford, usa 1929)

Veröffentlicht: Dezember 24, 2015 in Film
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the-black-watch-1929Fords erster richtiger Tonfilm ist auch – zumindest von denen, die ich gesehen habe (was ja nur ein Bruchteil von dem ist, was er bis dahin tatsächlich gedreht hatte) – sein bis dahin mit einigem Abstand schwächster: Ja, eigentlich überhaupt der erste, den man tatsächlich als „misslungen“ bezeichnen kann. Zur Ehrenrettung des Meisters würde ich die Umstände, sowohl die meiner Sichtung als auch die, unter denen Ford den Film inszenierte, strafmildernd hinzuziehen: Das unscharfe, kontrastarme, akustisch teilweise unverständlich-vermatschte, dann wieder unangenehm übersteuerte VHS-Rip, das mir zur Verfügung stand, ist gewiss nicht die ideale Quelle, diesen Film angemessen zu beurteilen. Aber THE BLACK WATCH hat auch so unübersehbare Schwächen, von denen eine darauf zurückzuführen ist, dass sich die meisten Schauspieler wohl erst mit der neuen Drehsituation und Technik anfreunden mussten. Myrna Loy, nur wenige Jahre später kongeniale Partnerin von William Powell in den THIN MAN-Filmen, ist hier eine einzige Zumutung, die Intonierung ihrer Dialoge furchtbar gekünstelt und leblos. Man kann hier am Objekt beobachten, was ein Allgemeinplatz der Filmgeschichte geworden ist: dass der Wechsel vom Stumm- zum Tonfilm erst einmal einen gewaltigen künstlerischen Rückschritt bedeutete. Die Dialogszenen sind statisch und ungeschickt aufgelöst, der Text selbst schmucklos und umständlich. Der Film wirkt steife, unechter und theatralischer als alle vorangegangene Stummfilme. Weg ist die Eleganz und Ökonomie.

Darüber hinaus ist aber auch das ganze Sujet des Films problematisch. THE BLACK WATCH erzählt von Captain Donald King (Victor McLaglen), stolzes Mitglied des titelgebenden Regiments der schottischen Armee, der zu Beginn des Ersten Weltkriegs nicht mit seinen Kameraden nach Frankreich gehen darf, sondern stattdessen auf eine Sondermission nach Indien geschickt wird. Dort hat sich unter der Führung der verführerischen Yasmani (Myrna Loy) eine Rebellenarmee zusammengetan, die die britische Kolonie bedroht. Kings Aufgabe ist es, sich das Vertrauen der Frau zu erschleichen und sie und ihre Leute unschädlich zu machen. Alles ist streng geheim, und so halten Kings Kameraden ihn für einen Drückeberger, weil er ihnen den wahren Grund für seinen Rückzieher nicht nennen kann.

Diese Geschichte bietet zwar Raum für exotisch-fantasievolle Studiosettings, Kostüme und Charaktere sowie einige aufwändige Actionszenen, ist in der Umsetzung aber vor allem eins: Camp in Reinkultur. Die Inder tragen allesamt imposante Bärte und Turbane, sprechen der Einfachheit halber in einem altmodischen Englisch voller thees, thys und thous und rollen bedrohlich mit ihren verschlagenen Augen, die Rebellen leben im temple of doom und Myrna Loy liegt mit dunklen, sehnsüchtig ins Nichts starrenden Augen auf dem Diwan oder spricht in diesem salbungsvoll-poetischen Tonfall, den Hollywood auch gern für tapfere Indianer verwendet hat und der hier effektiv verhindert, dass man sie als Menschen aus Fleisch und Blut ernstnehmen kann. Die Liebesgeschichte, die sich zwischen ihr und King anbahnt, funktioniert dann auch zu keiner Sekunde. In einem bunten, übersteuerten Abenteuerschinken könnte man sich das alles gefallen lassen, aber dafür ist Ford nicht der richtige Mann bzw. hatte er hier sichtlich anderes im Sinn. Die Ernsthaftigkeit, mit der er seine Räuberpistole erzählt, fühlt sich deplatziert an. Wenn sich THE BLACK WATCH für zwei Szenen Kings Kameraden auf den europäischen Schlachtfeldern zuwendet, hat man plötzlich einen ganz anderen Film vor Augen. In nur wenigen Minuten entfaltet Ford eine physische Dramatik, die dem restlichen Mummenschanz leider total abgeht.

Wie gesagt: Sehr wahrscheinlich, dass THE BLACK WATCH in einer vernünftigen Kopie besser wegkäme, an Fords vorangegangene Großtaten würde er aber auch dann eher nicht anknüpfen können. So finde ich den Film eigentlich nur deshalb ganz interessant, weil er ein Beispiel für einen frühen Agentenfilm ist, einer der Ursprünge der späteren Bond-Filme sozusagen. Mal sehen, wie es weitergeht.

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