Archiv für September, 2012

Chino Valdez (Charles Bronson) lebt allein. Er fängt Wildpferde in der Prärie, reitet sie ein, züchtet sie, verkauft sie weiter. Die Pferde, die seine „Schule“ durchlaufen haben, nennt er nicht ohne Stolz „Valdez Horses“. Aber es ist nicht so, dass nur Chino ihnen seinen Stempel aufdrückt: Die zahlreichen Narben, die wütende Wildpferde auf seinem Körper hinterlassen haben, zeigen, dass auch er etwas mitnimmt aus der Auseinandersetzung mit ihnen. Chino ist ein Loner, ein Außenseiter: Als Halbindianer erntet er immer wieder das Misstrauen und den Hass der Menschen, die ihm fremd sind.

Aber er scheint sowieso nicht so gut in die menschliche Gesellschaft zu passen. Er bevorzugt eine archaische Reinheit der Dinge, den Kontakt zur Natur: Als Catherine (Jill Ireland), die Schwester des Großgrundbesitzers Maral (Marcel Bozzuffi), bei ihm auftaucht, um eines seiner Pferde zu kaufen und zum Probereiten einen Damensattel mitgebracht hat, da schickt er sie kurzerhand wieder weg. So ein Ding kommt auf keines seiner Pferde. Aber auch Chino weiß, dass die Einsamkeit keine Dauerlösung ist. Er wünscht sich eine Frau, mit der er so etwas wie ein bürgerliches Leben führen kann, eines, in dem er arbeitet und abends zu seiner Gattin nach Hause kommt, die ein Essen zubereitet hat. Catherine, eine selbstbewusste Frau, die sich sogar eigene Hosen näht, um eines von Chinos Pferden reiten zu können und sich von seinen Grobheiten nicht unterkriegen lässt, soll diese Gattin werden. Man ahnt, dass ihr Bruder das nicht zulassen wird, es für diesen Chino kein „normales“ Leben mit ihr geben wird.

VALDEZ, IL MEZZOSANGUE ist ein wunderschöner und durchaus ungewöhnlicher Film. Er ist sehr ruhig und introvertiert und verzichtet fast gänzlich auf eine griffige, sich in den Vordergrund drängende Plotline, etabliert stattdessen eine entspannte Atmosphäre und einen ruhigen Rhythmus, der das Äquivalent zur Alltagsroutine Chinos ist. Ein Jahr nach CHATO’S LAND entstanden, in dem Bronson ebenfalls ein Halbblut spielte, wirkt VALDEZ, IL MEZZOSANGUE wie ein altersweiser, sentimentaler Gegenentwurf zu Winners Film. Auch hier greift Bronsons Charakter am Ende zwar zu den Waffen, aber weder geht mit seinem Kampf eine Befriedigung einher noch ist ein Triumph für ihn überhaupt in Reichweite. Trotz des tieftraurigen Endes schlägt der Film über weite Strecken einen fröhlich-beschwingten, leichten Ton an, hat sogar viele herzliche und komische Momente. Und in einigen davon geht es – durchaus ungewöhnlich – um das Thema Sexualität.

Wenn Western sich sonst diesem Themenkomplex näherten, dann geschah das eher auf unterschwellig-symbolischer Ebene (siehe JOHNNY GUITAR, I SHOT JESSE JAMES oder FORTY GUNS). Hier wird Sex hingegen zum Alltagsthema: Nachem Catherine Chino zum ersten Mal besucht hat und es dabei zum Streit über den von ihr mitgebrachten Damensattel gekommen ist, klärt Jamie (Vincent van Patten), Chinos jugendlicher Gehilfe, ihn darüber auf, dass es unschicklich sei, das Wort „Beine“ in Gegenwart einer Dame zu verwenden. Über Körperteile, die verhüllt seien, dürfe man nicht reden. Chino lacht über den rigorosen Moralismus des Heranwachsenden, der noch keinerlei Erfahrugen mit dem anderen Geschlecht gemacht hat und noch gar nicht weiß, wovon er redet. Aber er nimmt sich die Mahnungen zu Herzen, weil er zu weit weg von den Menschen ist, um sich mit Anstand und Sitte auszukennen. Bei der nächsten Begegnung mit Catherine zeigt er lediglich auf die betreffenden Körperteile, versucht eine direkte Benennung zu vermeiden, druckst herum und fragt ungeschickt, wie man dazu sage. Catherine ist irritiert und antwortet entsprechend. Bei der anschließenden Reitstunde kommt das Gespräch dann auf ihre „bouncy parts“, wie Chino sich ausdrückt, weil er keine Lust mehr hat, um den heißen Brei herumzureden und merkt, dass es ihr ähnlich geht. Später erwischt sie ihn nackt beim Bad, lässt ihn verschämt zusammenzucken und bezeichnet ihn wegen seiner unorthodoxe Waschtechnik ungerührt als „Pferd“. Ihre erste gemeinsame Liebesszene findet dann auch passenderweise statt, als Catherine gesehen hat, wie einer von Chinos Hengsten eine Stute besteigt. Aber auch Jamie macht seine ersten Erfahrungen: Er lernt ein Indianermädchen kennen, dem er sein Taschenmesser im Tausch gegen ein paar von ihr angefertigten Mokkasins gibt. Später wird er verträumt in Chinos Hütte sitzen, die Mokkasins streicheln und sie peinlich berührt unter dem Tisch verstecken, als Chino hereinkommt. Als er ihm gesteht, was es mit den Schuhen auf sich hat, antwortet der nur, dass er geahnt habe, dass Jamie bald erwachsen werden würde. Dem Lauf der Dinge – und der Hormone – kann man sich nicht entgegenstellen.

Der Film ist eine wunderbare Bühne für Bronson, der zum damaligen Zeitpunkt 51 war, nach zwei Jahrzehnten im Filmgeschäft zwar endlich auf dem Sprung zum Superstar war, aber eben auch nicht mehr der jüngste. Chinos Einsiedlertum spiegelt Bronsons Status als Eigenbrötler, die verbotene Liebesbeziehung des Halbbluts zu Catherine erinnert nicht von ungefähr an die enge Bindung, die er zu Jill Ireland hatte. Niemanden ließ er so dicht an sich heran wie diese Frau, mit der er ein Pärchen bildete, das mit dem Hollywood-Jetset nur wenig zu tun hatte. Doch für die beiden Schauspieler hielt das Leben Besseres bereit als für Chino und Catherine, die sich den Gegebenheiten beugen müssen. VALDEZ, IL MEZZOSANGUE ist unendlich traurig, gerade weil sein Ende ohne den ganz großen Paukenschlag auskommen muss. Chino erkennt seine Niederlage und geht, das Glück, das er gefunden hatte, hat sich als nur flüchtig herausgestellt. Es gibt noch nicht einmal die Gelegenheit für die Liebenden, sich Lebewohl zu sagen.

VALDEZ, IL MEZZOSANGUE wurde seinerzeit in Deutschland Duilio Coletti zugeschrieben, mit Sturges als Produzenten, in den USA war es genau umgekehrt. Wer nun für was verantworlich war, ist spontan schwer zu sagen, zumal Coletti außerhalb Italiens nie besonders aufgefallen und 1973 schon am Ende seiner Karriere angelangt war. Hinter der tollen Fotografie und der sicheren Inszenierung könnte also durchaus auch Sturges stehen, so wie es die IMDb und neue Auflagen des Films besagen (in denen Coletti totgeschwiegen wird). Der Score der De-Angelis-Brüder mit seinen süßen Melodien lässt an die Sternstunden ihrer Italo-Scores denken und unterstreicht die Grundstimmung dieses Films perfekt. Ein toller Film!

27. Juni 1976: Ein Flugzeug der Air France wird von Mitgliedern der Volksfront zur Befreiung Palästinas und der deutschen Revolutionären Zellen auf dem Weg von Athen nach Paris entführt und über Libyen nach Uganda gebracht. Dort trennen die  Terroristen die israelischen und jüdischen Passagiere von den übrigen, lassen letztere frei und fordern mithilfe des ugandischen Herrschers Idi Amin (Yaphet Kotto) die Freilassung inhaftierter palästinensischer Freiheitskämpfer. Als alle Versuche, mit den Terroristen zu verhandeln, scheitern, leiten die Israelis „Operation Thunderbolt“ ein. Unter der Leitung von General Dan Shomron (Charles Bronson) überfällt ein Sonderkommando den Flughafen in Entebbe, um die Geiseln zu befreien …

Für das Fernsehen inszenierte der spätere THE EMPIRE STRIKES BACK-Regisseur Irvin Kershner diesen Film – offenkundig mit dem Ziel, die realen Ereignisse möglichst nüchtern zu protokollieren. So springt er zwischen dem Flughafenterminal in Entebbe, wo die Passagiere um ihr Leben bangen, und der Machtzentrale in Israel,  wo Regierungschef Rabin (Peter Finch) fieberhaft nach einer Lösung der Krise sucht, hin und her, bemüht sich, alle involvierten Parteien gleichermaßen zu berücksichtigen. Als dramaturgische Schablone dient Kershner das in den Siebzigerjahren reüssierende Genre des Katastrophenfilms, das eben jene Mischung aus spannenden, actiongeladenen und eher melodramatischen Sequenzen bietet, die auch RAID ON ENTEBBE auszeichnet. Für den human factor sind natürlich vor allem die Geiseln zuständig: Hier gibt es den väterlichen Vernunftmenschen Daniel Cooper (Martin Balsam), das frisch verheiratete Pärchen, das getrennt wird, das kleine Mädchen mit dem Hund und die alte Dame (Sylvia Sidney), deren eh schon angeschlagene Gesundheit arg in Mitleidenschaft gezogen wird. Die Verhandlungen in Israel bringen politischen Thrill, stehen aber vor allem für das Bemühen um  Seriosität. Hier werden alle Fürs und Widers einer militärischen Intervention abgewogen, darf Finch als Rabin mit sich ringen und sich die Haare raufen, um zu zeigen, welch große Verantwortung auf seinen Schultern lastet. Die Befreiungsaktion am Ende wird nicht allzu breit ausgewalzt: Es geht in dieser Actionsequenz nicht um die Freude an der Bewegung, sondern um Menschenleben: Da wird nicht gescherzt. Der Überfall geht ähnlich schnell und unspektakulär vonstatten wie das wohl auch in der Realität der Fall war. Die Niederlage, die das israelische Militär Idi Amin zufügte, war schmerzhaft, die öffentliche Blamage, die sie bedeutete, war der Anfang vom Ende seiner Regentschaft.

Der selbstverliebte Herrscher Ugandas ist dann auch die interessanteste Figur des Films. Seine drei, vier Auftritte durchbrechen die dramaturgische Tristesse und bringen den nötigen Wahnsinn und den Funken irren Humors; Elemente, die RAID ON ENTEBBE sonst schmerzlich vermissen lässt. Auch Kershner scheint von der Figur inspiriert worden zu sein: Amins ersten Auftritt sieht der Zuschauer durch eine Fernsehkamera, die seine Ansprache vor den Geiseln, denen er sich als freundlicher Gastgeber präsentiert, filmt: Der narzisstische Herrscher war immer sehr bestrebt, sich als Weltmann zu präsentieren und nutzte jede Gelegenheit, sich entsprechend staatstragend in Szene zu setzen. (Man schaue sich dazu Barbet Schroeders brillante Dokumentation THE GENERAL IDI AMIN DADA: A SELF-PORTRAIT an.) Auch in seinen weiteren Szenen reißt Kotto den Film mit seiner Darstellung in einer Weise an sich, die einen wünschen lässt, er hätte mehr Screentime bekommen: Man weiß nicht, ob man vor diesem falschen Hund Angst haben oder ihn aufgrund seines hoffnungslosen Größenwahns bemitleiden soll.

Sonst gibt es nicht allzu viel zu berichten: RAID ON ENTEBBE ist das US-amerikanische Gegenstück zu den überbudgetierten Historien-Eventstreifen, die auch fürs deutsche Fernsehen gern produziert werden, und zu dem Unterfangen, solche Ereignisse möglichst faktentreu nachzuerzählen habe ich mich schon anlässlich Fleischers TORA! TORA! TORA! ausgelassen: Filmisch und ästhetisch ist RAID ON ENTEBBE eine Nullnummer, die einzig durch die Vielzahl von Stars aufmerken lässt. Neben den bereits Genannten agieren Wolfgang Horst Buchholz als deutscher Terrorist, Jack Warden, John Saxon und James Woods aufseiten des Militärs, Robert Loggia als israelischer Politiker und Eddie Constantine als französischer Pilot. Außerdem scheint RAID ON ENTEBBE Pate für Menahem Golans THE DELTA FORCE gestanden zu haben (dieser Eindruck mag aber auch daher rühren, dass die diesem zugrunde liegende Flugzeugentführung und die Befreiung der Geiseln ganz ähnlich abgelaufen ist), der im direkten Vergleich unendlich viel unterhaltsamer ist. Dass ich RAID ON ENTEBBE in einer gut 30 Minuten kürzeren Fassung gesehen habe und mich trotzdem königlich gelangweilt habe, sagt wohl alles.

Der Mafioso Joe Valachi (Charles Bronson) entgeht im Knast nur knapp einem Mordanschlag. Wie er zu seinem Erstaunen wenig später erfahren muss, hat sein eigener Boss, Don Vito Genovese (Lino Ventura), der ebenfalls inhaftiert ist, den Mord in Auftrag gegeben, weil er an einen Verrat Valachis glaubt. Da der nun weiß, dass er nichts mehr zu verlieren hat, geht er in die Offensive: Er bricht das Schweigegelübde der Mafia und legt ein umfassendes Geständnis ab …

THE VALACHI PAPERS basiert auf dem gleichnamigen Bestseller von Peter Maas und dieser wiederum auf dem über 1.000-seitigen Manuskript des realen Joe Valachi: In diesem Manuskript hatte Valachi seine Erfahrungen aus rund 30 Jahren Mafia-Zugehörigkeit aufgeschrieben und war damit das erste Mitglied der Cosa Nostra, das das Schweigegelübde, die Omérta, brach, der erste Zeuge aus den Reihen der Mafia, der vor einem Ausschuss gegen die Organisation aussagte. Seine umfassenden Memoiren sollten einen wichtigen Grundstein für das weitere Vorgehen gegen das organisierte Verbrechen legen und zu diesem Zweck von Maas überarbeitet, gekürzt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, doch schließlich wurde dieses Vorhaben vom Generalbundesanwalt Katzenbach unterbunden. Maas musste das Buch vom autobiografischen Tatsachenbericht in eine neutralere Dokumentation umwandeln, der persönliche Gespräche des Autors mit Valachi zugrunde lagen.

Terence Youngs Verfilmung krankt zum einen daran, dass ihm die Unmittelbarkeit abgeht: Fast alles, was im Film passiert, liegt zum Zeitpunkt der Filmgegenwart schon weit in der Vergangenheit. Dann bleiben aufgrund der episodischen Erzählweise viel zu viele auch wichtige Details verborgen. Zudem wird nie ganz klar, wie viel Zeit zwischen den einzelnen Episoden eigentlich vergangen ist, Mafia-Berühmtheiten wie Lucky Luciano (Angelo Infanti) kommen über den Status von Staffage nicht hinaus. Der ganze Film wirkt willkürlich, nur wenig zwingend und deshalb kommt keine echte Spannung auf. Außerdem gelingt es Young überhaupt nicht, mit seinem Film das zu leisten, was seine Vorlage zu einem solchen Ereignis von gesellschaftlicher Bedeutung machte, nämlich einen intimen und detaillierten Einblick in die bis dahin von der Öffentlichkeit abgeschirmte Welt des organisierten Verbrechens zu gewähren. THE VALACHI PAPERS bleibt frappierend oberflächlich und beliebig.

Darüber hinaus fehlen ihm eindeutig die Eleganz und auch das Budget, um ihn gegen Coppolas THE GODFATHER bestehen zu lassen, der sich mit seinem raumgreifenden epischen Ansatz als Vergleich natürlich aufdrängt, Youngs Film dabei aber sehr alt und hausbacken aussehen lässt. Gleich zu Beginn, wenn Valachi von seinem ersten Zusammentreffen mit der Mafia in den späten Zwanzigerjahren berichtet, sieht man im Hintergrund deutlich das World Trade Center, das erst runde 40 Jahre später erbaut werden sollte. Das für diese Art von Film so wichtige Eintauchen in die porträtierte Zeit wird dank solch kapitaler Böcke nahezu unmöglich. Wahrscheinlich hat sich Young auch deshalb dafür entschieden, den Film überwiegend in Studiosettings zu drehen. Wo andere, größere Mafiafilme mit epischem Anstrich, dekadent und pompös daherkommen, sieht THE VALACHI PAPERS staubig und klein aus. Vielleicht ist das ein realistischer Ansatz, allerdings sieht man, dass diese Schmucklosigkeit einzig aus der Not geboren und nicht auf eine bewusste ästhetische Entscheidung zurückzuführen ist. Enttäuschend, denn mit Young stand doch ein Mann hinter der Kamera, der wenn auch nicht als großer Visionär, so doch immerhin als routinierter Techniker bekannt war und seinen Teil dazu beigetragen hatte, dass die James-Bond-Filme in den Sechzigerjahren die Welt erobern konnten. (Joseph Wiseman, der den schurkischen Dr. No im von Young gedrehten ersten Bond Abenteuer spielte, wirkt in THE VALACHI PAPERS als Valachis erster, gutmütiger Capo Salvatore Maranzano mit.) Auch seine anderen beiden europäischen Bronson-Kollaborationen, DE LA PART DES COPAINS und SOLEIL ROUGE, zeichneten sich durch eine teuer aussehende Oberfläche aus, die sie als europäisches Spitzenentertainment mit der Konkurrenz aus Hollywood mithalten ließ. Diesen Glanz vermisst man in THE VALACHI PAPERS, der farblich trist und visuell unansehnlich daherkommt. Das belastet den ganzen Film, der letztlich schrecklich ermüdend, leblos und schlicht langweilig ist.

So war THE VALACHI PAPERS für mich als Bronson-Verehrer einzig deshalb sehenswert, um den auf geradezu überirdisch souveräne Haudegen abonnierten Schauspieler einmal in einer ganz anderen Rolle zu erleben. Wahrscheinlich fühlte sich Bronson seinem alter ego Valachi sogar ein Stück weit verbunden: Beide wurden zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts als Kinder europäischer Einwanderer in den USA in einfache Verhältnisse hineingeboren und mussten sich ihren Weg durchs Leben schlagen. So wie auch Bronson in Hollywood nie wirklich dazugehörte, so blieb auch Valachi in der Organisation stets ein Außenseiter. Zwar wird er geschätzt und anerkannt, aber er steigt nie in die höchsten Führungskreise auf, bleibt der Mann für das schmutzige Handwerk, das zuverlässig erledigt sein will. Er ist nicht dumm, aber es ist eher eine gewisse Bauernschläue, die ihn auszeichnet, statt echter Intelligenz. Er ist für seine Vorgesetzten nie eine Gefahr, erst ganz zum Schluss, als er mit dem Rücken zur Wand steht, bricht er seine Loyalität. Auch emotional ist er unterbelichtet: Welche Gefahr ihm droht, welches Spiel auch die Behörden mit ihm spielen, das wird ihm nie so klar, dass es eine entsprechende Reaktion aus ihm herauskitzeln könnte. Stoisch harrt er der Dinge, die da kommen. Man rufe sich nur einmal Ray Liottas Henry Gill aus Scorseses GOOD FELLAS vor Augen, erinnere sich an seine Panik und Nervosität, um zu erkennen, wie wenig Valachi die Konsequenzen seines Handelns tatsächlich einschätzen kann. Oder aber, wie sehr er schon mit allem abgeschlossen hat. Charakteristisch für ihn ist die Szene, in der Genovese für Valachi bei der Mutter der schönen Maria Reina (JIll Ireland), der Tochter eines toten Mafioso, um deren Hand anhält und Valachi sich ob der für ihn fremden Situation unbeholfen und dumm anstellt. In keinem seiner späteren Filme war Bronson jemals so fehl am Platze wie Valachi in dieser Situation. Und diese Deplatziertheit trittt umso stärker hervor, als Ventura seinen Genovese als Inbegriff der Selbstverständlichkeit spielt. Und dass, obwohl er eigentlich keine einzige Szene hat, in der er besonders glänzen könnte. Während er mit seiner körperlichen Präsenz das Bild füllt, verschwindet Bronson neben ihm fast. Zumindest schauspielerisch ist THE VALACHI PAERS also erstklassig. Leider reicht das nicht.

Allan Campbell (Cole Hauser) hatte einen Scheißtag: Die fest eingeplante Beförderung ging an seinen schleimigen Kollegen, zu Hause erwischt er seine Frau (Ginny Weirick) mit seinem besten Freund im Bett und außerdem plagen ihn Schulden bei einem lokalen Gangster. Als er abends in der Bar die Bekanntschaft von Jonas (Cuba Gooding jr.) macht, will er einfach nur reden. Doch der Fremde gesteht ihm nach einiger Zeit, dass er ein Profikiller ist und überredet Allan fünf „Ziele“ auf eine Serviette zu schreiben. Der glaubt an einen Spaß und schreibt die Namen all jener auf, die für seine missliche Lage verantwortlich sind. Doch am nächsten Tag erfährt er, dass sein Chef ermordet wurde …

Nach dem düsteren Copfilm SINNERS & SAINTS, der sich ästhetisch etwas an der Authentizität der Fernsehserie THE SHIELD orientierte, versucht sich Kaufman mit THE HIT LIST erfolgreich an einem Was-wäre-wenn-Szenario, das in seiner Grundkonstellation ein bisschen an Hitchcocks STRANGER ON A TRAIN erinnert. Der Ottonormalverbraucher Allan, ein „Opfertyp“, wird endlich mal beim Wort genommen, obwohl er das gar nicht will, und sieht sich plötzlich im Mittelpunkt eines Kampfes um Leben und Tod. Aber natürlich wächst er an dieser Aufgabe: Er wird von dem Killer mit dem Gottkomplex dazu gezwungen, endlich einmal die Initiative zu ergreifen und zu handeln. Natürlich geschieht das nicht aus reiner Nächstenliebe: Der Profikiller hat Allan die Erfüllung einer ganz besonderen Rolle in seinem Leben zugedacht. Was im schlechtesten Fall eine leblos-überkonstruierte Posse hätte werden können, die sich selbst für cleverer hält als sie tatsächlich ist, gerät dank Kaufmans trockener Inszenierung, aber auch aufgrund der beiden gut aufgelegten Hauptdarsteller zu einem glaubwürdigen und lebendigen Thriller. Der ehemalige Oscar-Preisträger Gooding hat natürlich die attraktivere Rolle, aber es ist Hauser, der als sympathischer Prügelknabe die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Sein Allan wirkt einfach echt und das wirkt sich positiv auf den ganzen Film aus, genauso wie die knackig-kurze Laufzeit von 80 Minuten: Kaufman verkneift sich jeden überflüssigen Schnörkel und bringt THE HIT LIST zum Ende, bevor sich Abnutzungserscheinungen einstellen könnten. Mir hat dieser Film zwar nicht ganz so gut gefallen wie seine beiden Vorgänger, aber das ist wohl eher Neigungssache. Mit diesem Film beweist Kaufman, dass er auch größere, prestigeträchtigere Filme inszenieren kann und etabliert sich endgültig als Spezialist für modernes, aber geschichts- und traditionsbewusstes Actionkino. Nice!

Die junge, seit der Kindheit, als der Vater sie und ihre Mutter zurückließ, von Schuldgefühlen geplagte Mélancolie (Marléne Jobert) lebt mit ihrem eifersüchtigen Gatten, dem Piloten Tony (Gabriele Tinti), in einem Haus an der Küste Südfrankreichs. Eines Tages, Tony ist mal wieder auf Reisen, kommt ein Fremder dort vorbei, dringt in das Haus ein, vergewaltigt Mélancolie und verschwindet dann. Die Frau stöbert ihn im eigenen Keller auf, erschießt ihn und entsorgt seine Leiche im Meer. Wenig später taucht ein weiterer Mann (Charles Bronson) bei ihr auf: Er stellt sich als Dobbs vor und konfrontiert Mélancolie mit der Tat, von der er eigentlich nichts wissen kann. Er will ein Geständnis aus der jungen Frau herauspressen und beginnt ein Psychospiel mit ihr zu spielen …

Viele Thriller bemühen sich, ein ähnliches Level an innerer Spannung wie Clément in seinem Film zu erzeugen und scheitern daran: Bei LE PASSAGER DE LA PLUIE ist eigentlich bis zum Ende nicht ganz klar, wie man ihn nun eigentlich einordnen soll: Geht es wirklich um einen Mordfall und seine Aufklärung oder nicht doch um die Neurosen der weiblichen Hauptfigur? Die Grenze zum Mysterythriller wird mehr als nur gestreift und die Möglichkeit, dass Dobbs eine von Mélancolies Fantasie ersponnene Schimäre ist, steht lange Zeit im Raum. Clément inszeniert seine Geschichte als Kammerspiel, als Push-and-Pull zwischen den beiden Hauptfiguren, bei dem die Sympathien des Zuschauers stetig neu verteilt werden und man nie genau weiß, was man sich für einen Ausgang wünschen soll. Anders als bei moderneren Vertretern dieser Thriller-Spielart beantwortet Clément diese offenen Fragen aber nie zur Gänze: LE PASSAGER DE LA PLUIE bleibt ambivalent, merkwürdig vage und verträumt. Wie der Regen zu Beginn des Films berührt er, ohne aber sichtbare, bleibende Spuren zu hinterlassen. Er kühlt kurz und heftig und verschwindet dann wieder.

Unmittelbar nach dem Film war meine Ratlosigkeit groß. Ich hatte den Film irgendwie nicht verstanden: Der Krimiplot bleibt undurchsichtig, weil er vor allem in Dialogen aufgedröselt wird, die Probleme Mélancolies treten aber auch nie so stark und plakativ in den Vordergrund, wie das ohne Frage der Fall wäre, würde etwa Hollywood diese Geschichte heute erzählen. Es bleibt ebenso unklar, ob Mélancolie am Ende wirklich eine Entwicklung, einen Reifeprozess durchlaufen hat – ihrem widerlichen Ehemann sagt sie nur, dass sie „ihm etwas erzählen muss“ –, wie auch die Motivation Dobbs‘ ambivalent bleibt. Was mich zu Charles Bronson bringt, der hier alle Register seiner Kunst zieht und wieder einmal den mysteriösen, beinahe allwissenden Fremden gibt, den er während seiner europäischen Phase oft spielen durfte und der von seiner späteren Persona als schweigsamer Rächer zu Unrecht verdeckt wird. Er spiegelt die Qualitäten des Films, seine Ambivalenz und Unentschiedenheit zwischen Konkretion und Parabel, in seinem Spiel wider, erscheint weniger als Mensch aus Fleisch und Blut, sondern als meenschgewordener Deus ex Machina. Über den Dingen stehend, mit dem Wissen und der daraus erwachsenden Souveränität eines auktorialen Erzälers versehen, tritt er als Gehilfe des Regisseurs in den Film. Sein aufreizend-provokantes, aber völlig entwaffnendes Lächeln wird zum atmosphärisch bestimmenden Element: LA PASSAGER DE LA PLUIE behält trotz seiner inhaltlichen existenziellen Schwere stets eine spielerische, ätherische Leichtigkeit. Das Brodeln unter der Oberfläche kann die Gewissheit, dass diese tapfere Mélancolie bis zum Ende nicht gebrochen werden wird, nicht übertönen. Es ist bei aller Düsternis auch ein hoffnungsvoller Film.

LE PASSAGER DE LA PLUIE ist in seiner Ruhe bemerkenswert. Schwer zu beschreiben, was da passiert. Zuerst dachte ich, Clément hat hier das verregnete Gegenstück zu seinen sonnendurchfluteten PLEIN SOLEIL gedreht, einen Film, in dem das Wetter ebenso sehr den Seelenzustand seiner Protagonisten spiegelt wie es ihre Sinne benebelt. Aber der Vergleich trifft es nicht wirklich. Sein Film ist typisch französisch unterkühlt, wenn nicht gar kalt (das geweißte Gemäuer des typisch mediterranen Hauses von Mélancolie und Tony hat etwas entschieden Höhlenhaftes), trotzdem hat man hier niemals Angst. Vielleicht ist es doch weniger das Lächeln Bronsons als vielmehr die kindische Unbeugsamkeit Mélancolies, die LE PASSAGER DE LA PLUIE bestimmt.

Okay. Ich spare mir ausnahmsweise mal die Inhaltsangabe. Erstens weil ich gerade keine Lust habe, zweitens weil sie übermäßig kompliziert werden würde (THE A-TEAM hat einen ziemlich breit angelegten Plot, der mehrere Jahre abdeckt) und drittens weil diese Handlung letztlich natürlich trotzdem völlig irrelevant ist. Niemand schaut sich THE A-TEAM an, weil er großes Drama, ausgereifte Charaktere und geschickt konstruierte Twists und Turns erwartet.

Ich fange von hinten an: Ich bin mir unsicher, wie ich den Film finden soll. Und das ist eigentlich schon mehr, als ich erwartet habe: nämlich dass ich mich nach dem Film entweder gut, aber anspruchslos unterhalten fühlte oder aber eher indifferent sein würde. Ich hatte eigentlich gedacht, THE A-TEAM wird einer dieser typischen aktuellen Hollywood-Eventfilme, bei denen so lange gebrieft, geresearcht, gebrainstormt, revidiert, und gestreamlined wird, bis am Ende ein völliges Entertainment-Neutrum steht. Ein Film, den man zehn Minuten nach den Credits schon wieder völlig vergessen hat, der einen solange es dauert aber mit bunten Bildchen und regelmäßigen Attraktionen bei Laune hält. Stattdessen muss ich Carnahan zugute halten, dass er offensichtlich mehr im Sinn hatte: Streckenweise ist THE A-TEAM richtig ernst und ambitioniert inszeniert. Während des ersten richtigen Einsatzes des A-Teams gibt es eine schöne Parallelmontage, bei der vom Missionsbriefing immer wieder zur Ausführung geschnitten wird, und auch im Look ist der Film längst nicht so cartoony, wie ich es vermutet hatte, sondern orientiert sich eher an dem Maßstab, den die BourneFilme gesetzt haben. Natürlich hält der Film das nicht durch und da beginnen dann die Probleme. THE A-TEAM kann sich nicht wirklich entscheiden, was er sein will.

Denn die ernsten, realistischen Ansätze werden von abstrusen Over-the-Top-Actionsequenzen konterkariert, die wie aus einem anderen Film wirken. Es sind die zwei Show-Stopper des Films, die ihn zerreißen: der freie Fall des A-Teams in einem Panzer (!), den die Helden mittels des Rückstoßes der Kanone zum Fliegen bringen (!!), und das Finale in einem Hafen, bei dem sich aus einem umstürzenden Schiff eine gewaltige Ladung Container über das Dock und die flüchtenden Protagonisten ergießt. Ist die Action vorher auch spektakulär und sicherlich alles andere als realistisch, so wird sie in diesen beiden Szenen völlig albern. Und die CGI-Überfrachtung beißt sich auch mit dem sonstigen Look des Films. Aber das ist nicht alles, was mich irritiert hat.

Man kann sicherlich nicht behaupten, die Fernsehserie habe sich durch ausgefeilte Charaktere hervorgetan, aber der Film weiß ihnen bei einer stattlichen Länge von zwei Stunden kaum etwas hinzuzufügen. Im Gegenteil: Die Mitglieder des A-Teams wirken trotz jeder Menge Background noch flacher. Liam Neeson ist keine schlechte Wahl für Hannibal, aber die spitzbübische Ferkelsfreude George Peppards vermisst man bei ihm. Seine Catchphrase „I love it when a plan comes together“ ist bei ihm nur ein loses Lippenbekenntnis. Quinton Jackson hat es als B.A. wahrscheinlich am schwersten, weil er es mit einer ikonischen Figur aufnehmen muss. War die Rolle einst ein unverhohlenes Showcase für Mr. T, würde Jackson noch nicht einmal bei einem Mr.-T-Lookalike-Contest auf den vorderen Rängen landen. Und dass die Figur zum Ausgleich tragisch aufgeladen wird, ist kein Ersatz dafür. Einzig Sharlto Copley überzeugt: Äußerte sich der Wahnsinn Murdocks in der Serie eher in harmlosen Marotten, schaltet er für den psychotischen Piloten in den Overdrive. Leider bekommt er zu wenig Screentime, wohl auch, weil er in dieser Form am wenigsten in das Konzept einer versuchten Authentifizierung passt. Der Abtörner des Films war für mich aber eindeutig Bradley Cooper als Face. Dirk Benedict legte ihn damals als weltgewandten Ladies‘ Man nach dem Vorbild eines Roger Moore an, war sowas wie das menschliche Zentrum der Serie und der Charakter, der am ehesten zur Identifikation taugte. Diese Aufgabe hat auch Cooper (ihm wird das Love Interest Jessica Biel angedichtet, die als FBI-Agentin Sosa hinter dem A-Team her ist, bis sie schließlich auf ihre Seite wechselt), aber statt dandyhaftem Charme wirft er nur eine stalkereske Date-Rape-Attitüde in die Waagschale, die von seinem diabolischen Grinsen und der wolfähnlichen Physiognomie noch unterstrichen wird. Er verleiht seinem Face solch manische Züge, dass zeitweise ist nicht ganz klar ist, ob er die Eigenschaften des an den Rand gedrängten Murdock gleich noch mitübernehmen soll. Ich fand ihn eklig und unsympathisch.

Hier und da wurde der campige Charme des Films gelobt. Klar, eine A-Team-Verfilmung ist per se schon Trash, aber da gibt es eben auch noch ein anderes Gesicht, das in Teilen der ersten Stunde zum Vorschein kommt. Demgegenüber steht dann das hirnrissige Deutschland-Bild (ja, der Film spielt zu einem nicht unerheblichen Teil in Deutschland): Nach der Flucht aus Mannheim in einem Flugzeug werden die Helden kurze Zeit später abgeschossen und landen im Wolgastsee, der in Mecklenburg-Vorpommern liegt. Und Frankfurt (hier gibt es die beste Actionszene) wird mit einem Luftbild eingeführt, auf dem man verdutzt den Kölner Dom zur Kenntnis nimmt. Nicht, dass mich das wirklich stören würde, aber es passt einfach nicht zu den epischen Ambitionen Carnahans. Und zumindest das Benedict-Cameo war in dieser Form überflüssig.

Ich habe jetzt übermäßig viel über den Film geschrieben und bin noch kein Stück klüger. Vielleicht liegen meine Schwierigkeiten auch darin begründet, dass ich den Film in drei Sitzungen gesehen und deshalb keinen wirklich kohärenten Eindruck von ihm habe. Teile haben mir sehr gut gefallen, andere überhaupt nicht. Immerhin wurden durchaus einige Risiken eingegangen, nicht einfach nach Schema F runtergekurbelt. Nur ist die Rechnung eben nicht aufgegangen. Ich wüsste allerdings auch nicht, wie eine Adaption dieser Serie idealerweise auszusehen hätte. Man sollte nicht vergessen, dass die Erinnerung an die Vorlage besser ist, als ihre einzelnen Folgen, die nun auch nicht gerade der Gipfel subversiven Entertainments waren. Vielleicht zeigt Carnahans Film auch einfach nur, dass man manche Dinge ruhen lassen sollte.

Lasst euch von Hirnis und Idioten, die diesen Film für DTV-Schrott halten, nicht in die Irre führen: UNIVERSAL SOLDIER: DAY OF RECKONING ist der Film des Jahres und wahrscheinlich sogar noch mehr. Es ist einer der radikalsten Filme aller Zeiten, ein einzigartiges, singuläres Kunstwerk eines Meisters des Mediums. Und wäre er nicht ein Sequel eines alten Emmerich-Actioners, dann wäre das absoluter Konsens. Meinen Text zur Stunde null des Actionfilms gibt es hier.

Von dem seit Jahrzehnten titel- und erfolglosen Baseballteam der Cleveland Indians erwartet niemand mehr etwas. Doch die neue Besitzerin des Clubs, das ehemalige Las-Vegas-Showgirl Rachel Phelps (Margaret Whitton) tritt ihr Amt an, um diese Erwartungen noch zu unterbieten. Mit wenig Geld trommelt sie einen Haufen aus Sportlern zusammen, die ihren Karrierehöhepunkt entweder schon lang hinter sich haben oder aber zu schlecht sind, um überhaupt eine Karriere haben zu können. Und sie verfolgt damit einen Plan: Wenn die Zuschauerzahlen unter einen bestimmten Wert fallen, darf das Team an einen Investor verkauft werden. Einen Geldgeber im sonnigen Miami hat sie schon, jetzt fehlen noch die nötigen Misserfolge. Doch dann kommt ihr das Team in die Quere, das unerwartet seinen Spirit entdeckt …

1989, als dieser Film herauskam, habe ich selbst angefangen Baseball zu spielen, insofern hat MAJOR LEAGUE – oder DIE INDIANER VON CLEVELAND, wie er bei uns hieß – eine wichtige Rolle in meiner Jugend gespielt. Die Kopie, die ich besaß, habe ich wohl Dutzende Male gesehen: Ich liebte die Charaktere – besonders natürlich den angry young man Rick „Wild Thing“ Vaughn (Charlie Sheen), der für die Rolle des Pitchers einen starken Arm, aber leider auch einen frappierenden Mangel an Kontrolle mitbringt, aber natürlich auch den wieselflinken Willie Mays-Hayes (Wesley Snipes) und den Voodoo-Zauberer Cerrano (Dennis Haysbert), der seinen Gott anbetet, ihn endlich auch einen Curveball treffen zu lassen –, die Coverversion des Troggs-Hits „Wild Thing“, den lebhaften, aber nicht zu überdrehten Humor, die vielen vielen Spielszenen und vor allem die Gänsehaut, die sich wie bei fast allen Sportfilmen auch hier am Ende einstellt, wenn das Loserteam das Unmögliche möglich macht. Jetzt habe ich den Film zum ersten Mal überhaupt im O-Ton gesehen und auch, wenn die deutsche Synchro die Klippen der Peinlichkeit gekonnt umschifft, an denen Baseballfilme in der Übersetzung sonst häufiger zerschellen, so lohnt die Originalfassung doch allein für die unvergleichliche Stimme des Ex-Profis und Kommentators Bob Uecker, die tatsächlich Stadionatmopshäre ins Wohnzimmer holt.

Aber man muss MAJOR LEAGUE generell zu Gute halten, die 23 Jahre, die seit seinem Erscheinen vergangen sind, überraschend gut überstanden zu haben. Das liegt auch daran, dass der Film seine Charaktere bei allem Witz ernst nimmt, man mit ihnen mitfiebert, anstatt nur auf den nächsten Gag zu warten. Selbst die dramatischen Elemente, wie etwa die Bemühungen des alternden Catchers Jake Taylor (Tom Berenger), seine Ex-Frau (Rene Russo) zurückzugewinnen – ein überstrapazierter Subplot, der meist nur zum Bierholen und Pinkeln gehen animiert –, erfüllen ihre Funktion und kommen glaubwürdig rüber, anstatt nur Zeit zu schinden. Das Casting ist inspiriert, die Hauptdarsteller Berenger, Sheen, Snipes und Bernsen sind nicht weniger als perfekt in ihren Rollen, aber auch Nebendarsteller wie der erwähnte Dennis Haysbert, der unverwüstliche James Gammon, Ex-Carpenter-Regular Charles Cyphers, Margaret Whitton oder Chelcie Ross tragen zum rundum positiven Gesamteindruck bei und machen den Film besser, als er es sein müsste. Letztlich bin ich aber massiv befangen in der Bewertung von MAJOR LEAGUE. Neben dem tatsächlichen Film läuft immer meine private Vergangenheit mit und macht es mir unmöglich, ihn objektiv zu bewerten. Andererseits gibt es auch genug Beispiele, wo eine alte Liebe beim Wiedersehen der Ernüchterung weichen musste. Wahrscheinlich ist MAJOR LEAGUE doch einfach nur gut.

Detective Sean Riley (Johnny Strong), Beamter des New Orleans Police Departments, ist nach dem Tod seines Kindes, der Trennung von seiner Ehefrau und dem gewaltsamen Tod seines Partners (Kim Coates) innerlich ausgebrannt. Seine  oft überharten Aktionen bringen ihm Probleme mit der Dienstaufsicht ein, die auch sein verständnisvoller Vorgesetzter (Tom Berenger) nicht mehr länger für ihn lösen kann. Als jedoch eine Reihe brutaler Hinrichtungen das Morddezernat beschäftigt, wird Riley hinzugezogen, um dem zuständigen Detective Will Ganz (Kevin Philips) zu helfen. Die Ermittlungen führen die beiden auf die Spur einer Gruppe hochspezialisierter Ex-Soldaten. Und irgendwie ist auch ein alter Freund von Riley, der Loser Colin (Sean Patrick Flanery), involviert …

Nach dem ultradüsteren, hyperbrutalen THE PRODIGY legt Kaufman mit SINNERS AND SAINTS einen größeren, höher budgetierten und inszenatorisch vielseitigeren und ausgewogeneren Polizeifilm vor, ohne mit diesem jedoch auch nur einen Deut von der mit dem Vorgänger eingeschlagenen Linie abzuweichen. Das Post-Katrina-New-Orleans liefert den angemessen tristen, desillusionierten und deprimierten Background für Kaufmans tristen, desillusionierten und deprimierten Copfilm, der als einzige Hoffnung anbietet, dass der ganze Wahnsinn auf den Straßen irgendeinem göttlichen Plan folgen könnte, aber eher nahelegt, dass wir alle verloren sind und uns nur unsere religiösen Wunschträume und Erlösungsfantasien bleiben. Der Look des Films ist dabei keineswegs betont dreckig und dunkel, lediglich roh, ungeschliffen und mit dem Auge des nüchtern-resignierten Kriegsberichterstatters eingefangen. Hier, wo Armut und Verzweiflung regieren, wird schnell geschossen und ebenso schnell gestorben und nicht immer sind diese Tode die Sache wert. Die zu Tode gefolterten Opfer, die Riley und Ganz auffinden, haben sich nichts zu Schulden kommen lassen: ihr einziger Fehler war die Bekanntschaft mit dem Mann, dem die Bösewichte um jeden Preis ans Leder wollen. Es sterben überwiegend die Falschen in der Welt von SINNERS AND SAINTS. Und Riley steht kurz davor, an diesem unerträglichen Missstand zu zerbrechen.

Das Casting des Films hat an seinem Erfolg mindestens ebenso großen Anteil wie die No-Nonsense-Shootouts und knochenbrechenden Fights, die Kaufman mit dem ungeschminkten Realismus etwa der Fernsehserie THE SHIELD inszeniert. Und im Zentrum des Ganzen thront Hauptdarsteller Johnny Strong (Nebendarsteller etwa aus THE FAST AND THE FURIOUS), der die Klischeefigur des ausgebrannten Cops, der am Rande der Legalität kämpft, mit neuem Leben füllt und damit Kaufmans kongenialer Gehilfe wird. Riley ist eben nicht der mürrische Loner, dem die Feinheiten sozialer Interaktion völlig abhanden gekommen sind und der jedes aufkeimende Gefühl hinter einer unüberwindlichen Mauer aus Schweigen und Härte verbirgt. Er ist durchaus ein angenehmer, sympathischer und humorvoller Zeitgenosse, wie man sieht, als er von Ganz zum Abendessen eingeladen wird. Das Problem ist, dass es in seinem Leben nicht mehr viel Anlass für Freude gibt. Er hat den Glauben an das Gute und daran, dass es Bestand haben kann, völlig verloren. Seine Trauer – vor allem jene über dne Verlust seines kleinen Sohnes – ist greifbar, macht ihn zu einer idealen Identifikationsfigur und bestimmt den Film mehr als seine Gewaltausbrüche.

Meine Liebelingsszene kommt gegen Ende von SINNERS AND SAINT: Riley ist von den henchmen des Schurken in seiner Wohnung gestellt und zusammengeschlagen worden. Einer von ihnen (MMA-Star Bas Rutten) beginnt nun, Riley über den Todeskampf seines Sohnes auszufragen, um ihn zu quälen: „Did he cry a lot?“ Natürlich markiert diese Demütigung den Wendepunkt, an dem Riley vom geprügelten Hund, der die Unausweichlichkeit seiner Niederlage akzeptiert hat, zum Phönix wird, der seinen eben noch triumphierenden Rivalen beibringt, dass Hochmut vor dem Fall kommt. Er dreht den Spieß um: Ja, sein Sohn habe geweint. Aber niemals habe er um sein Leben gebettelt und gejammert wie ihr toter Kamerad, bevor Riley ihn schließlich weggeballert habe. Es ist einer jener Momente, für die man das Genre als Actionfan liebt: emotional, pointiert, dramatisch – und so badass wie es das echte Leben niemals sein kann. Kaufman holt alles aus dieser Szene heraus: Sein ganzer Film ist geil, aber das ist sein orgiastischer Höhepunkt, auf den Punkt perfekt inszeniert. Auch das Ende ist wunderbar: Riley bringt Ganz‘ kleiner Tochter ein Geburtstagsgeschenk, lehnt die Einladung seines Partners und dessen Gattin, zu bleiben, aber dankend ab. Er habe noch etwas Wichtiges zu tun, etwas, das nicht warten könne. Er setzt sich in sein Auto und fährt los. An seinem Ziel angekommen, steigt er langsam, aber im Bewusstsein, dies endlich hinter sich bringen zu müssen, aus. Dann schreitet er durch die Eingangspforte der Kirche. Ende. Perfektion.

Der tollkühne Pilot Hal Jordan (Ryan Reynolds) wird als erstes menschliches Mitglied des „Green Lantern Corps“ auserwählt, einer Art intergalaktischer Bürgerwehr, die vom Planeten Oa aus über die Galaxie wacht. Als ein uraltes Wesen namens Parallax aus seinem Gefängnis ausbricht, droht der Erde Gefahr. Doch Hal Jordan stellt sich der Herausforderung …

Als Kind fand ich die „Grüne Leuchte“, wie die DC-Comicserie bei uns hieß, immer blöd. Mit einem Helden, der einen Ring aus dem Kaugummiautomaten benötigte und noch dazu einen solch bescheuerten Namen hatte, konnte ich einfach nichts anfangen. Wie die Green Lantern zu ihren Fähigkeiten kam und was es mit diesen auf sich hat, das habe ich daher erst durch diesen Film erfahren (bzw. durch Reviews, die ich vorher gelesen hatte). Zwar finde ich die Green Lantern jetzt nicht mehr ganz so beknackt, dennoch ist es sicherlich ungleich schwieriger, ihn zum Protagonisten einer ambitionierten Realverfilmung zu machen als einen geerdeten Helden wie Batman, den ikonischen Superman oder einen zur Identifikation einladenden Jugendlichen wie Spider-Man. Martin Campbells Film belegt diese Vermutung: Für einen „ernsten“, wirklich involvierenden Actionfilm ist die Story um die Weltraumpolizei und die Wunderlampe irgendwie zu kindisch, aber den beliebten Comichelden zum Protagonisten eines selbstironischen Camp-Spektakels zu machen, kam wohl auch nicht in Frage. So entfaltet der Film nie ganz sein Potenzial: Um der Geschichte wirklich zu folgen, ist das ganze zu krude und albern, gleichzeitig versäumt Campbell es aber auch, gerade dies zu seiner Tugend umzudeuten. GREEN LANTERN bleibt ad nauseam durchgenudelten Plotstandards verpflichtet, anstatt eine eigene Linie zu finden, seine Charaktere werden daher nie lebendig, sondern bleiben zweidimensional und flach. Pflichtschuldig werden Standard-Plotstationen abgehakt, die einem die Figuren kein Stück näherbringen, der eigentliche Konflikt des Films dann in 20 Minuten abgespult.

Es gibt durchaus ein paar hübsche Bilder, die wie direkt aus den Heften auf die Leinwand projiziert wirken. Der Showdown im Weltall ist sehr ansehnlich, wenn man auch angesichts der zahlreichen umfassenden CGI-Effekte vergisst, dass man hier keinen Zeichentrick-, sondern einen Spielfilm sieht. Überhaupt kommt gegen Ende das Leben in den Film, das man während der quälend öden ersten Stunde schmerzlich vermisst. Alles in allem bleibt GREEN LANTERN ein Film, mit dem die Produzenten wahrscheinlich niemandem wirklich einen Gefallen getan haben: Er erntete überwiegend schlechte Kritiken und enttäuschte an den Kassen, sodass fraglich bleibt, ob hier tatsächlich ein neues lukratives Franchise aus der Taufe gehoben (ein kurzer Epilog leitet schon das potenzielle Sequel ein) oder nicht eher eines vorzeitig zu Grabe getragen wurde. So mies, wie mancherorts behauptet wurde, ist GREEN LANTERN allerdings nicht. Er ist einfach nur biederer, typischer Hollywooddurchschnitt, wie man ihn mittlerweile gewöhnt ist und sich deshalb kaum noch drüber ärgern mag. Für Zwischendurch oder für die 5, 6 Euro, die ich für die DVD bezahlt habe, geht das schon.