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ent26Episode 071: Die Entscheidung (Theodor Grädler, 1980)

Im Schlafwagen eines Zuges wird ein Mann umgebracht. Es stellt sich heraus, dass er seinen Platz erst kurz zuvor mit einem anderen getauscht hatte, der Mordanschlag also vermutlich jenem galt. Bei diesem anderen Mann handelt es sich um Alf Hauff (Karl Heinz Vosgerau), der auf dem Weg nach München ist, um die Erbschaft seines verstorbenen Vaters anzutreten. Seine ganze Familie – Bruder Ulrich (Hannes Messemer), Schwägerin Henriette (Gisela Uhlen), Neffe Peter (Sky Dumont), Nichte Margot (Christiane Krüger) und Tante Ina (Brigitte Horney) – könnte hinter dem Mord stehen. Doch besonders Ulrich tut sich mit seinem höchst rätselhaften Verhalten als Verdächtiger hervor …

Eine der verstrahltesten DERRICK-Episoden überhaupt. Dabei fängt alles ganz harmlos und normal an. Wenn sich die Handlung dann aber der Familie Hauff und vor allem dem Bruder Ulrich zuwendet, wird alles sehr, sehr seltsam. Hannes Messemer interpretiert seine Figur als verzärtelten, realitätsfernen Träumer, der die Schwelle zum Wahnsinn schon mit einem Fuß überschritten hat. Er verliert sich in offenherzigen Monologen, mit denen er sich mehr als einmal selbst zu inkrimieren scheint, blickt mit tränennassen Augen ins Nichts oder lächelt beseelt, als habe er einen Engel gesehen. Messemers Spiel ist grandios: Er kultiviert hier eine Form des Overactings, die diesen rätselhaften Charakter nicht dem Zugriff entzieht, sondern ihn erst begreiflich macht. Wie er seine wahnsinnigen Monologe intoniert, seine Gesichtszüge binnen Sekunden von einem Extrem ins andere gleiten lässt, ist beeindruckend – und tatsächlich bewegend. Einmal ergeht sich Ulrich in einer genauen Rekapitulation des Tathergangs, die mit der fast konkret-poetischen Zeile „tatamm – Mord – tatamm – Mord …“ schließt, die Geräusche des Zugs imitierend (Derricks Blick angesichts dieses Wahnsinns ist alles). Dann wieder erklärt er feierlich, er wünschte sich, auch ermordet worden zu sein, weil das ein „besonderes Schicksal“ sei. Wieder ein anderes Mal fragt er Derrick, ob er etwas „spüre“, wenn er sein Haus betrete, und gesteht dann unter Tränen, dass er nie etwas gekonnt habe, während ihn seine Tante (Brigitte Horney), eine ehemalige Balltettänzerin, gekleidet in ein altes Kostüm, tröstet wie ein kleines Kind. Sky DuMont spielt Ulrichs Sohn als ständig blasiert dreinguckenden Schnösel und der Mörder stürzt am Schluss in die Nacht hinaus, die plötzlich von Suchscheinwerfern erleuchtet wird.

Der Horror der deutschen Familie und des Wohlstandsbürgertums wird hier mit einem Thema verquickt, das die Serie von nun an einige Zeit begleiten wird: Es geht in „Die Entscheidung“ um den Gegensatz von kaltem, rationalem Kalkül und einem schwelgerischen Gefühlsüberschwang, der von der Gesellschaft oft als „Wahnsinn“ diffamiert wird. Die Hauffs sehen im hilflosen Ulrich einen willkommenen Sündenbock, dem sie den Mordversuch in die Schuhe schieben können, übersehen dabei aber, dass dieser Mann einer solchen Tat völlig unfähig ist. Ihre Abgebrühtheit ist umso abstoßender, als sie den schwächsten in ihrer Mitte dazu auserkoren haben, für ihre Schweinereien geradezustehen.

Grädler, sicherlich nicht der inspirierteste DERRICK-Regisseur, sondern immer sehr abhängig von seinen Drehbüchern, macht hier alles richtig, konzentriert sich ganz auf die Charaktere und das Spannungsverhältnis zwischen ihnen. Er gibt Messemer viel Raum, geht dicht an ihn ran, und lässt sich die Figuren immer wieder zu schönen Gruppenbildnissen positionieren, aus denen hervorgeht, wer hier das Sagen hat. Und Tappert? Der blüht in den Szenen mit Messemer geradezu auf, auch wenn das angesichts seiner wie gemeißelten Gesichtszüge nicht der passende Ausdruck ist. Derrick ist nicht der Typ, dem Emotionen entgleisen, aber er muss sich angesichts des Irrsinns, den Ulrich von sich gibt, schwerstens anstrengen. Ganz großes Fernsehen!

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aboEpisode 072: Der Tod sucht Abonnenten (Zbynek Brynych, 1980)

Eine Drogentote führt Derrick und Klein auf die Spur eines rücksichtslosen Dealers (Jacques Breuer). Zur gleichen Zeit versucht der Bruder der Toten (Manfred Zapatka), deren ebenfalls abhängige Freundin Marga (Verena Peter) durch kalten Entzug von den Drogen wegzubekommen …

Die Krimihandlung ist nichts so besonders aufregend oder gar einfallsreich. Derrick und Klein fragen sich durch und kommen relativ schnell zum schmierig-arroganten Schüler Kurt Weber (Jacques Breuer), der ein bisschen aussieht wie ein schlanker Glenn Danzig. Es gibt keinerlei Zweifel an seiner Täterschaft und auch Brynych interessiert sich nicht wirklich für die Ermittlungen. Aber die Szenen zwischen dem Bruder der Toten und der drogenabhängigen Marga sind megaintensiv – und irgendwie auch ziemlich drüber. Man weiß nicht genau, was man von den zärtlichen Gefühlen, die er für sie entwickelt, halten soll: Es wirkt ein bisschen wie eine Ersatzreaktion, als projiziere er seine Liebe für die tote Schwester auf diese junge Frau, als wolle er seine Schuldgefühle an ihr beruhigen. Aber Reinecker meint das wohl alles ganz ernst, jedenfalls deutet das Ende darauf hin. Wenn sie sich unter Entzugsschmerzen auf einer siffigen Matratze windet und er ihr einen leidenschaftlichen Kuss aufdrückt, ist das trotzdem nicht gerade das Bild einer gleichberechtigten Beziehung. Dazu spielt Frank Duvals hyperkitschige Musik, die in ihrem ungehemmten Sentimentalismus so gar nicht zu den unangenehmen Bildern passen mag.

Und Derrick selbst hat wieder einen ganz großen Moment, als er einen Klassenlehrer über Kurt befragt. Dessen Aussage, bei Kurt handele es sich um „eine starke Persönlichkeit“ schmettert der Beamte auf jene gelassen-bestimmte Art ab, die keiner so gut drauf hatte wie Tappert: „Nö, das ist er nicht.“

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Episode 073: Auf einem Gutshof (Theodor Grädler, 1980)

In einer stürmischen Nacht wird auf die Gutsbewohnerin Marlene Schulte (Ellen Schwiers) geschossen. Den Schützen hat sie genau erkannt: Es war ihr Ehemann, der vorbestrafte Richard (Horst Buchholz). Doch der schwört, es nicht gewesen zu sein …

Grädler etabliert für diese Folge eine Gothic-Horror-Atmosphäre, die mal wieder eine schöne Abwechslung darstellt. Wenn die stürmische Nacht mit ihren Verwerfungen vorbei ist, widmet er sich mit dem Verdächtigen Richard einem weiteren jener tragischen Verlierertypen in der langen DERRICK-Ahnengalerie. Dessen Verzweiflung angesichts der harten Anschuldigungen, gegen die es nun einmal einfach kein Argument gibt, wird umso greifbarer, als ihm mit Marlenes Bruder Eberhard (Rolf Becker) jemand gegenübergestellt wird, der ihn mit harscher, unnachgiebiger Verachtung straft. Es gibt ein paar schöne Szenen, die Derrick im Gespräch mit dem vermeintlichen Mörder zeigen, wie sie gemeinsam über den Gutshof schlendern. Die ganze Folge ist sehr erdig und feucht, man meint tatsächlich, den Duft von Land und Wald riechen zu können, von dem auch Richard spricht. Die Auflösung ist ein bisschen blödsinnig, passt aber wieder ganz gut zum altmodischen Ambiente und bietet darüber hinaus Gelegenheit für einen putzigen Make-up-Effekt, mit dem DERRICK auf den Spuren von MISSION: IMPOSSIBLE wandelt.

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Episode 074: Zeuge Yurowski (Alfred Vohrer, 1980)

In einer Firma wird eingebrochen, ein Wachmann erschossen. Der Angestellte Yurowski (Bernhard Wicki) ist zufällig anwesend und erkennt seine Sekretärin (Christiane Krüger) als einen der Täter. Sie beschwört ihn zu schweigen, da er sonst mit seinem Leben bezahlen werde. Der Mann ist total verängstigt und hält dicht – gegen den anwachsenden Druck, den sowohl Derrick als auch seine eigene Familie auf ihn ausüben, als klar wird, dass etwas an Yurowskis Geschichte nicht stimmen kann.

Eine der moralphilosophischen Folgen, die sich in dieser Phase häufen. Auch das Thema des eingeschüchterten Zeugen eines Gewaltverbrechens, der sich nicht traut, auszusagen, beschäftigt Reinecker zu Beginn der Achtzigerjahre öfter. „Zeuge Yurowski“ dreht sich dann auch, wie der Titel nahelegt, um den Familienvater, der abwägen muss zwischen dem Risiko, dem er seine Familie aussetzt, und dem eigenen Gerechtigkeitsempfinden. Letzteres hat erwartungsgemäß keine Chance gegen die ganz existenziellen Ängste. Vohrer hat eine klassische „Schauspielerfolge“ inszeniert: Sie gehört Bernhard Wicki, der jetzt nicht gerade der erste ist, der mir eingefallen wäre, wenn es um eine ängstliche Vaterfigur geht. Vielleicht überzeugt er auch deshalb so.

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Episode 075: Eine unheimlich starke Persönlichkeit (Erik Ode, 1980)

Robert Renz (Siegfried Wischnewski) ist ein Schwein. Ein rücksichtsloser Erfolgsmensch, dem jedes Mittel recht ist. Kurz nach einer Galaveranstaltung, zu der er seine Geliebte (Franziska Bronnen) statt seiner Ehefrau (Anaid Iplicjian) mitgenommen hat, wird er erschossen. Der Verdacht fällt auf Renz‘ Sohn Erich (Nikolaus Büchel), der schwer unter der Knute seines Vaters zu leiden hatte …

Hier widmet sich Reinecker mal wieder der Auseinandersetzung von „verweichlichten“ Söhnen und ihren Vätern, echten Machertypen, die wissen, dass Empathie, Mitgefühl und Anstand Eigenschaften von Waschlappen sind. Siegfried Wischnewski ist natürlich idealbesetzt als egozentrischer Patriarch, der seiner Frau mit höchster Sachlichkeit mitteilt, dass er sie zum Galaempfang nicht „brauche“, weil er stattdessen seine Geliebte mitzunehmen gedenke. Die Episode krankt insgesamt etwas daran, dass der vom Vater gequälte Sohn, auf den danach der Verdacht fällt, tatsächlich eher unangenehm anmutet. Den Aussagen aller zufolge eben jener „Weichling“, den der Vater verachtete, markiert der just in dem Moment, in dem der Vater, gegen den er sich nie aufzulehnen traute, tot ist, den großen Macker. Man weiß trotzdem, dass er der Mörder nicht sein kann, allein schon, weil die Episode eben noch eine Überraschung braucht, aber das Geständnis des wahren Täters am Ende hinterlässt dann doch seine Spuren. Kein Klassiker, aber ein schöner Lückenfüller.

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prickerEpisode 076: Pricker (Alfred Vohrer, 1980)

Der Schwerverbrecher Hamann (Dirk Galuba) soll bei einem Gefangenentransport befreit werden. Doch dann ist er durch einen dummen Zufall gar nicht an Bord des Transporters. Seine Komplizen, die die beiden Wachmänner umbringen, finden in dem Wagen nur den kleinen Ganoven Pricker (Klaus Schwarzkopf) vor, dem aber die Flucht gelingt, bevor sie ihn ausschalten können. In einem kleinen Dorf findet er Unterschlupf bei der alleinstehenden Franziska Sailer (Ruth Drexel) und ihrer Tochter Hanni (Ute Willing). Er ahnt nicht, dass Hamanns Komplizen ein Interesse daran haben, ihn umzubringen …

Das ist mal was anderes, weil Derrick und Klein eher Nebenfiguren sind und die ganze Episode auch gut und gern ohne den Kriminalfall auskäme. Klaus Schwarzkopf ist wunderbar als geläuterter, kleiner Gauner, der in einem bayrischen Dorf die Zuwendung und Wärme findet, die ihm in seinem Leben versagt geblieben ist. Er akzeptiert es sogar, in seiner Kammer eingeschlossen zu werden, solange er weiß, dass seine „Wärter“ nett zu ihm sind. Eine Szene, bei der die drei einen Ausflug an einen kleinen See machen, ist wunderschön und von einer sonnigen Unbeschwertheit, die sonst nicht gerade die Kernkompetenenz von DERRICK ist. Ohne Bayern-Fachmann zu sein: Das ruppige, aber herzliche Miteinander von Mutter und Tochter machte auf mich einen sehr authentischen Eindruck: Hier wird nicht viel über Gefühle schwadroniert, sie sind da und man muss sich ihrer nicht mehr vergewissern.

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kerzeEpisode 077: Dem Mörder eine Kerze (Dietrich Haugk, 1980)

Der Besitzer eines Fotostudios wird erschossen. Eine vor dem Tod von ihm hingekritzelte Botschaft führt Derrick und Klein zu dem Schüler Albert Hess (Sven-Eric Bechtolf), der mit anderen häufiger für Werbeaufnahmen posierte. Auch seine Freundin Vera (Katja Bienert) gehörte zum Kreis der Fotomodelle. Als Derrick sie auf den Fotografen anspricht, erliegt die junge Frau einem Schreianfall …

Diese Episode dürfte in mehrerer Hinsicht „bedeutsam“ sein: Zum einen landete Frank Duval mit dem Titelsong, dem geradezu grotesk kitschigen „Angel of Mine“, einen Nummer-eins-Hit, zum anderen ist das natürlich auch die Folge, in der Stephan Derrick sich einen Porno mit Katja Bienert anschaut und dabei guckt, als habe er zum ersten Mal eine Erektion. Den Auftakt mit dem Priester, der mitten in der Nacht einem Mörder die Beichte abnehmen muss, hat sich Reinecker bei sich selbst geborgt, nämlich bei der KOMMISSAR-Episode „Tödlicher Irrtum“. Den Pfarrer spielt hier Horst Frank und natürlich erschwert das Beichtgeheimnis Derrick und Klein die Arbeit. Bis Reinecker zum Kasus Knaxus vordringt – der Tatsache, dass da eine Schülerin mit Drogen zur Mitwirkung in einem Porno gezwungen wurde – vergeht leider zu viel Zeit, um sich wirlich mit den ganz großen Schmierigkeiten auseinandersetzen zu können, aber ein paar unvergessliche Momente bleiben dann doch: Der Zusammenbruch des Porno-Opfers ist so einer (Katja Bienert spricht in der ganzen Folge kein Wort), Sascha Hehn als Schmierlappen in einer mit großformatigen Fotos von ihm selbst gepflasterten Wohnung ein weiterer, tja und dann eben Derrick im Pornokino. Wie dieses „Etablissement“ eingeführt wird, ist schon rührend: Veras Freund bringt die Kriminalbeamten dorthin, so als sei ein solches Kino etwas ganz Neues. (Die Poster im Foyer sind keine Hardcore-Plakate, sondern allesamt von Softsexfilmchen.) Und so guckt Derrick dann auch, als er die eigentlich sehr geschmackvollen Szenen auf der Leinwand betrachtet.

Der moralinsaure, mit Phrasen aus dem Bestseller „Kapitalismuskritik für Anfänger“ durchsetzte Vortrag, den der selbstgerechte Albert hält, ist ganz hartes Brot, voller einst schützender Zäune, die mittlerweile niedergerissen sind, und Bedürfnissen, die der grausame Markt eben deckt. Aber gut, wenn mir ein Pornoproduzent Katja Bienert weggenommen hätte, wäre ich wahrscheinlich auch so drauf. Und eine Folge, die damit endet, dass Sascha Hehn abgeknallt wird, hat sowieso fast alles richtig gemacht.

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Episode 078: Eine Rechnung geht nicht auf (Helmuth Ashley, 1980)

Achim Moldau (Wolfgang Müller), ein arbeitsloser Schweißer, wird von seinem Freund Schenk (Tommy Piper) in die Bande von Recke (Arthur Brauss) eingeführt, der einen Bruch plant. Recke hat Bedenken gegenüber Moldau, hält ihn für „zu weich“, was sich bald bestätigen soll: Nach einem Saufgelage werden Moldau und Schenk in einen Autounfall verwickelt. Die Beifahrerin ist sofort tot, der Ehemann wird als unliebsamer Zeuge von Recke umgebracht, bevor Moldau ihn ins Krankenhaus bringen kann. Von Gewissensbissen gequält nimmt Moldau danach Kontakt zu den Hinterbliebenden der Toten auf, was den Verdacht Derricks sowie den Zorn Reckes weckt …

Lustig, in der Episode „Der L-Faktor“ war es Wolfgang Müllers armer Tropf, der von einer hilfsbereiten Person aufgesucht, mit Geldzuwendungen und Naturalien beschenkt wurde, hier revanchiert er sich für diesen Dienst, mit dem Unterschied, dass er einen Grund außerhalb purer Nächstenliebe dafür hat. „Eine Rechnung geht nicht auf“ ist eine sehr geschäftige Episode und einfach sehr unterhaltsam. Arthur Brauss ist immer gut, neben ihm überzeugt Tommy Piper mit weißer Lederjacke und debütieren Thomas Schücke und Michael Böttge in weiteren Ganovenrollen. Das Schicksal der Kinder der Opfer kann niemanden kaltlassen, zumal die Tatsache, dass die einzige Verwandte eine 70-jährige Oma (Alice Treff) ist, auch für die Zukunft keine allzu große Hoffnung macht. Vielleicht mit vier Sternen einen Hauch überbewertet, aber mir hat’s gefallen.

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Episode 079: Der Kanal (Helmuth Ashley, 1981)

Herbert Junker (Bernd Herzsprung) trifft sich mit seiner Geliebten Elisabeth Röder (Claudia Rieschel) regelmäßig in einem Gutshof vor München. Beide sind verheiratet, er mit Hannelore (Helga Anders), sie mit dem Krankenpfleger Jürgen (Volker Eckstein). Ein anonymer Anruf bringt Junker nicht aus der Ruhe, doch nach seinem Schäferstündchen lauert man ihm auf und bringt ihn um …

Wieder einmal eine Folge mit mörderischen Vätern. Hier sind es sogar zwei, die sich zusammentun, um die zerstörte „Familienehre“ zu retten. Volker Eckstein spielt erneut den verweichlichten Loser, der noch nicht einmal die Energie aufbringt, seiner fremdgehenden Ehefrau eine Szene zu machen. Dass sich die beiden Hintergangenen miteinander trösten, ist eigentlich eine schöne Idee, die Ashley aber in einer einzigen Einstellung abhandelt und die dadurch kaum weiter ins Gewicht fällt.

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abgrundEpisode 080: Am Abgrund (Helmuth Ashley, 1981)

Der Säufer Jakob Hesse (Klaus Behrendt) beobachtet den Mord an einer Prostituierten, wird wenig später bei der Leiche entdeckt und flieht. Derrick kann den Mann ausfindig machen, der jedoch behauptet, sich an nichts mehr erinnern zu können …

Klaus Behrendt gibt als Trinker eine jener Darbietungen ab, die einen fragen lässt, warum es für diese großartigen Charakterdarsteller damals eigentlich keine Spielfilmprojekte gab, in denen sie ihrem Können noch etwas mehr Raum hätten geben dürfen. Stattdessen bereicherten sie eine Fernsehserie wie DERRICK, die ich hier nicht mehr groß zu loben brauche, die aber eben doch nicht für Nachhaltigkeit, sondern eben zum müden Wegkonsumieren gemacht worden war. Perlen vor die Säue gewissermaßen. „Am Abgrund“ ist einer dieser Fälle, wo beim Besetzungspoker ein echtes Traumblatt rauskam: Neben Behrendt agieren Anton Diffring als Zuhälter Bandera, Thomas Schücke als dessen schmieriger Sohn, Lotte Ledl als freundliche Prostituierte, Georg Konrad als ihr Vermieter sowie Rainer Hunold und der unverwüstliche Dirk Dautzenberg als Kneipenwirte. Das reicht.

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Episode 081: Kein Garten Eden (Günter Gräwert, 1981)

Der junge Ingo Rolfs (Markus Boysen) sucht Derrick auf, um sich abzusichern, wie er sagt: Sein Stiefvater (Thomas Holtzmann) habe Drohbriefe erhalten, und er befürchte, dass der Verdacht auf ihn falle, sollten die Drohungen in die Tat umgesetzt werden. Als Klein mit dem jungen Mann nach Hause fährt, ist der Stiefvater tatsächlich tot …

Eine philosophische Episode, bei der es aber nicht so sehr um Fragen des Rechts und der Moral geht, sondern eher allgemeine Betrachtungen zur Conditio Humana im Mittelpunkt stehen. Es ist eine jener Geschichten, bei denen es allen Beteiligten gelingt, das Leben ihrer Mitmenschen im Streben nach dem eigenen Glück zur Hölle zu machen. Da sind der egoistische Sohn, der den Stiefvater nicht akzeptieren, die Mutter (Ellen Schwiers) aber auch nicht allein lassen will; eben jene Mutter, die dem Treiben des Sohnes keinen Riegel vorschieben kann; besagter Stiefvater, der sich nun bei der Nachbarin (Rita Russek) holt, was er braucht, während deren Ehemann (Michael Degen) den Verständnisvollen, Toleranten mimt, insgeheim aber Rachegelüste züchtet. Zum Schluss darf Derrick gegenüber dem schülerhaften Harry kurz resümieren, was der Zuschauer eben gelernt hat. Dieser pädagogische Zug dringt in dieser Phase immer mehr nach vorn und äußert sich in wortreichen Vorträgen über den Zustand der Welt, etwas was sich Reinecker bis dahin eigentlich immer halbwegs verkniffen hatte. Streng genommen natürlich etwas nervig und immer sehr on the nose, gleichzeitig wird dieser moritatenhafte Charakter der Serie, in der Deutschland sich gespiegelt sehen darf, noch unterstrichen.

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alteEpisode 082: Eine ganz alte Geschichte (Zbynek Brynych, 1981)

Arne Reuter (Mathieu Carriére) kommt mit einem ungewöhnlichen Anliegen zu Derrick: Sein Onkel sei 1946 beim illegalen Grenzübertritt nach Westdeutschland von seinem damaligen Begleiter Alfred Answald (Herbert Fleischmann) umgebracht und um die mitgeführten Brillanten erleichtert worden. Mit eiskaltem Kalkül drängt Reuter den Familienvater systematisch in die Enge …

Es philosophiert weiter, diesmal vor dem Hintergrund deutscher Erbschuld. Das zurückliegende Verbrechen, um das es in „Eine ganz alte Geschichte“ geht, hat zwar nicht direkt etwas mit dem dritten Reich zu tun, aber die Assoziation ist trotzdem klar: Zu Zeiten des Krieges hat sich die Vatergeneration die Hände mit Blut befleckt und den Wohlstand mitunter auf dem Unglück anderer aufgebaut. Nun sitzt man da in seinen prachtvollen, geschmackvoll eingerichteten Häusern, vor der Eichenschrankwand mit der in Leder gebundenen Goethe-Gesamtausgabe und der Beethoven-Büste, lässt die Tochter Geige spielen und freut sich darüber, wie unfassbar gut man es doch eigentlich hat. Und dann kommt da so ein selbstgerechter Schnösel wie dieser Arne Reuter daher und rotzt allen kräftig in die Consommé.

Mathieu Carrière, der ja bei den öffentlichen Auftritten, die ich von ihm gesehen habe, den Eindruck erweckte, immer nur sich selbst gespielt zu haben, ist natürlich die Idealbesetzung für dieses berechnende Arschloch, das eine blitzende Schadenfreude dabei entwickelt, einen Mann nur aus Prinzip in die Ecke zu drängen. Er hat gewiss nicht ganz Unrecht und man muss seinem Kontrahenten vorwerfen, es sich damals etwas leicht gemacht zu haben, aber seine Form von Vergangenheitsbewältigung hat dann doch mehr mit blindem Revanchismus als mit Gerechtigkeitssinn zu tun. Reuter ist einer jener Vernunftmenschen, die sich gnadenlos verrannt haben in ihren Überlegungen und jedes Herz vermissen lassen. Da kommt er wieder zum Vorschein, der Diskurs über das Gegensatzpaar Emotion und Ratio. Derrick weiß natürlich, dass die beiden zusammengehören, das eine ohne Moderation durch das andere zur Perversion seiner selbst verkommt, aber er kann Reuter in seinem Tun nicht bremsen, zu perfekt ist der Plan, den der einer Lawine gleich losgetreten hat.

Brynych hat die Zügel dazu fest in der Hand und selbst wenn er sie entgleiten lässt, wie in der Szene, in der die spannungsgeladenen, aber hoffnungslos einseitigen Diskussionen zwischen Reuter und Answald vom nervtötenden Gegeige der grienenden Tochter durchschnitten werden, ist das noch on point.

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Episode 083: Die Schwester (Helmuth Ashley, 1981)

Bei der Verfolgungsjagd auf drei Einbrecher erschießt Harry einen der Flüchtigen. Einen zweiten verliert er in einem Wohnhaus, wo er von der Bewohnerin Doris Menke (Jutta Speidel) verarztet wird. Der aufgelöste Harry sucht in den nächsten Tagen weiteren Kontakt zu der Frau. Was er nicht weiß: Sie ist die Schwester des Erschossenen …

Es menschelt mal wieder. Zum allerersten Mal wird mal eine der beiden Hautfiguren von einem Schicksalsschlag getroffen und Harry ist natürlich prädestiniert dazu, seine weiche Seite zu zeigen. Der Versuch, ihm eine Liebschaft anzudichten, den auch die folgende Episode unternimmt, wird aber irgendwie nicht mit voller Überzeugung umgesetzt. Auch die Bedrohung, in die er sich da eigentlich begibt, manifestiert sich nie, weil ihn sein Love Interest dann wohl doch zu nett findet, um ihn an die Mörder zu verraten. Insgesamt also eher mau.

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Episode 084: Tod eines Italieners (Helmuth Ashley, 1981)

Der Besitzer von Harrys neuem italienischen Restaurant wird von der Schutzgeldmafia totgeschlagen. Seine Gattin, die Deutsche Anna Forlani (Karin Baal) ist verängstigt und weigert sich, eine Aussage zu machen, auch auf Flehen ihrer Schwester Ursula (Gerlinde Döberl) …

Zum Abspann wird zum ersten Mal die Schrifttafel eingeblendet, auf der verlautbart wird, dass jede Ähnlichkeit der Figuren zu realen Personen rein zufällig sei: Wahrscheinlich eher ein Mittel der Authentifizierung des Gezeigten als juristisch notwendige Sicherheitsvorkehrung, denn auch während der Folge wird immer wieder angedeutet, dass dieses italienischen Schutzgelddings ja jetzt seit neuestem auch in Deutschland Fuß fasse. Richtig schockiert zeigt sich Derrick davon aber noch nicht, und so lässt er sich einmal zu der apodiktischen Aussage hinreißen, dass es organisiertes Verbrechen in Deutschland nicht gebe, basta! Losgetreten wird der Fall von Harrys Avancen gegenüber einer schönen Bedienung: Die mehr oder weniger private Verbandelung der Polizeibeamten in ihre Fälle ist ein jetzt immer häufiger vorkommendes erzählerisches Mittel. Guter Durchschnitt, nichts, um übermäßig in Begeisterung zu geraten, aber auch kein Reinfall.

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dicoEpisode 085: Das sechste Streichholz (Alfred Vohrer, 1981)

Henry Janson (Thomas Piper), der Besitzer einer Diskothek wird von dem jungen Konrad (Pierre Franckh) erschossen. Der Mord ist von mehreren Freunden, darunter Jansons DJ Jo (Thomas Schücke) und dem Taxifahrer Rolf (Jacques Breuer) erdacht worden. Aber warum?

Moralphilosophie und Selbstjustiz again. In der Disco läuft eine furchtbare Selbstkopie von Duvals „Angel of Mine“, über die der DJ nur sagt, das sei eine „Spitzenmelodie“. Geschmacksverirrung regiert, führt aber hier wie schon bei einigen anderen Episoden zum Sieg. Thomas Schücke – hat der mal was anderes gespielt als blasierte Arschgeigen? – reißt die Folge mit seinem selbstverliebten Spiel an sich. Gegen Ende, wenn er die Ereignisse rekapitulieren darf (die Rückblende ist in dieser Phase ein fester Bestandteil der verwendeten Erzähltechniken), klingt sein sonorer Voice-over, in dem er darüber schwadroniert, dass in einer Diskothek „Leben und Musik“ eine Art heiliger Verbindung eingingen, die Jugendlichen („ich liebe Kinder“, sagt er altklug und feierlich) ihre Sorgen durch die Füße in den Boden hinaustanzten, wie der Kommentar eines weltfremden Jugendkulturforschers. Nee, die Jugend und ihre Bedürfnisse hat Reinecker nie so richtig verstanden, aber es ist egal, denn entweder ist dabei so ein bizarrer Kram wie „Yellow He“ herausgekommen oder aber solide Krimis mit geiler Schlagseite wie eben dieser hier.

Dass sich dieser Selbstjustizfall wohltuend von anderen abhebt, liegt auch an Pierre Franckh, der den per Losglück oder eher -pech zum Scharfrichter auserkorenen Schützen spielt und an der auf ihm lastenden Schuld zerbricht. Schon in der ersten Szene, in der er davon erzählt, wie überraschend leicht das doch gewesen sein, merkt man, dass er mit dem Mord nicht klarkommt. Da spielt auch der schon häufiger zur Rede gekommene Verweichlichte-Söhne-Diskurs mit rein: Er ist ein Softie, der beweisen will, dass er auch der harte Macker sein kann, und kläglich daran scheitert. Schücke hingegen spielt das Gegenteil: Den große Reden schwingenden Macher, der sich sicher sein kann, nicht selbst handeln zu müssen, weil er genug willige Vollstrecker um sich hat.

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Episode 086: Prozente (Theodor Grädler, 1981)

Auf den skrupellosen Kredithai Hollerer (Rolf Boysen) wird ein Attentat verübt, bei dem sein Sekretär erschossen wird. Der Kreditsuchende Schlehdorn (Gerd Baltus), dessen Gattin den Mörder möglicherweise gesehen hat, erhofft sich durch dieses Wissen bessere Konditionen herauszuschlagen. Hollerer ist in äußerste Alarmbereitschaft versetzt, doch auch die kann seinen gewaltsamen Tod nicht verhindern …

Och nee, das war nix. Das Drehbuch ist irgendwie hingeschludert, der Subplot mit den Schlehdorns scheint nur mit verwurstet worden zu sein, weil der Fall um den fiesen Kredithai sonst gar nichts hergibt. Alles wirkt unfertig, wie aus den Elementen nicht fertig gestellter Drehbücher zusammengeschustert. Martin Semmelrogge gefällt mit lustiger Rockermähne, aber dass Michael Degen hier zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit den Mörder gibt, ist einfach nur lazy.

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kuoperEpisode 087: Der Untermieter (Michael Braun, 1981)

Buschmann (Peter Kuiper), ein kaltblütiger Schwerverbrecher, wird nach zehn Jahren aus der Haft entlassen. Sofort nistet er sich in der Wohnung seiner Ex-Freundin Gudrun (Lisa Kreuzer) ein, die auch die Mutter seines ihm unbekannten Sohnes und außerdem mittlerweile mit Ulrich Kaul (Horst Sachtleben) verheiratet ist. Das Ehepaar ist hilflos gegen den rücksichtslosen Buschmann, der seinen alten „Besitz“ zurückhaben will …

Mal was anderes, Teil 2: In dieser Folge gibt es keinen Mord, vielmehr bezieht die Folge die Spannung aus der Frage, wann und von wem er wohl verübt werden wird. Die Belagerungssituation in der Wohnung der Kauls wird immer unerträglicher – zu den Konfliktparteien gehört auch noch der studentische Untermieter (Hans-Jürgen Schatz) – und es ist klar, dass alles in einer Gewaltexplosion enden muss: Nur wer diese letztlich zu verantworten haben wird, ist nicht klar. Natürlich suggeriert die Inszenierung, dass ein solcher Gewaltakt nur von Buschmann ausgehen kann: Kuiper ist gemacht für diese voller Selbstüberlegenheit grinsenden Proleten, die wissen, dass sie sich ganz auf ihr Einschüchterungspotenzial verlassen können. Wie er sich hier „ins gemachte Nest“ setzt, sich an der Angst seiner Opfer ergötzt und gar nicht daran denkt, irgendetwas zu beschleunigen, treibt einem den blanken Zorn in die Magengrube. Kuipers Buschmann ist einer dieser Filmcharaktere, die einem wirklich die Galle hochtreiben und einem die passive Beobachterposition vor der Glotze zur Qual machen. Selbst Derrick ist machtlos: Zum für die Kauls günstigen Ausgang hat er am Ende nicht wirklich viel beigetragen.

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Episode 088: Tod im See (Alfred Vohrer, 1981)

Rudolf Wiegand (Robert Atzorn) kann gerade noch gerettet werden, als er während eines Sturms mit seinem Segelboot auf dem Starnberger See kentert. Für seine Frau, die nach seinen Angaben bei ihm war, gibt es keine Rettung. Der Vater (Heinz Moog) der Toten indessen glaubt nicht an einen Unfall, sondern an Mord: Niemand habe seine Tochter, die das Segeln gehasst habe, auf dem Boot gesehen. Und sein Schwiegersohn habe außerdem eine Geliebte (Christiane Krüger) …

Eine Standardepisode, aber eine, die beweist, das auch aus gut abgehangenen Krimistoffen durch gute Inszenierung und adäquate Darsteller immer wieder einiges rauszuholen ist. Robert Atzorn, „Unser Lehrer Dr. Specht“, hatte ich immer als ebensolchen, bieder-braven Jugendlichenversteher abgespeichert und wusste gar nicht, wie gut er als vibrierender, schwitzender, angesichts der Derrick’schen Coolness schier aus der Haut fahrender Eherfauenmörder sein könnte. Er ist super, wie er auf Derricks Zermürbungstaktiken zunehmend angepisster reagiert. Die Versuche des Drehbuchs, den Fall verwirrender zu machen, als er eigentlich ist, hätte es eigentlich nicht gebraucht, was mal wieder bestätigt, dass ein hassenswerter Schurke die halbe Miete ist.

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Episode 089: Die Stunde der Mörder (Theodor Grädler, 1981)

Zwei Mörder werden umgebracht. Beiden gemeinsam: Sie waren kurz zuvor wegen Mangels an Beweisen freigesprochen worden. Bei beiden Verhandlungen im Gerichtssaal anwesend war der Rentner Mahler (Hans Caninenberg), der ein besonderes Interesse an Recht und Gerechtigkeit zu haben scheint …

Schöne Selbstjustiz-Geschichte, die dadurch, dass es sich bei den Tätern um Rentner handelt, hervorsticht und wie eine Verlängerung der KOMMISSAR-Episode „Tod eines Ladenbesitzers“ wirkt. Wer der Täter ist, ist relativ bald klar: Die Episode ist sehr geradlinig erzählt und die Ermittlungsarbeit der Protagonisten hat vergleichweise geringen Anteil an der Gesamtlaufzeit. Hans Caninenberg spielt den eiskalten Racheengel als sympathischen alten Herren, dessen Interesse für Recht und Gesetz Derrick allerdings schon nach der ersten Begegnung auf die Palme bringt. „Der geht mir auf den Geist!“, entrüstet er sich gegenüber Harry, der mal wieder gar nichts versteht. Aber der Oberinspektor hat natürlich Recht: Rechtsprechung ist nichts, in das sich der Laie mit seinen über seine Gefühle formierten Meinungen einmischen sollte, da kann nichts Gutes bei rauskommen. Wie auch hier: Während der selbsternannte Gerechtigkeitsfanatiker mit seiner hübschen Enkeltochter (Irina Wanka) der Hochkultur in ihren mannigfaltigen Erscheinungsformen frönt, gehen die von ihm gedungenen Mörder ihrem blutigen Handwerk nach – klar, dass er sich die Hände nicht selbst schmutzig macht.

Derrick hat noch weniger Verständnis für die hier zum Ausdruck kommende Selbstermächtigung als für andere Übeltäter. Mit je mehr Morden er konfrontiert werde, umso mehr erschrecke er jedesmal, ganz egal, wer das sein Leben lasse. Das kann Mahler, der die Menschheit bequem in Opfer und Täter einteilt, nicht begreifen.

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derrickEpisode 090: Eine Rose im Müll (Günther Gräwert, 1982)

Der Lkw-Fahrer Michael Rothaupt (Bernd Herberger) nimmt die Anhalterin Marion Diebach (Beatrice Richter) mit. Die beiden kommen ins Gespräch und verstehen sich auf Anhieb. An einem Rasthof hält er kurz an, um sich mit einer Kollegin zu treffen, die ihn per CB-Funk kontaktiert hat. Er verspricht Marion, sie an der Straße wieder aufzusammeln. Doch wenig später der Lkw fährt an ihr vorbei, ohne zu halten, von Rothaupt fehlt danach jede Spur. Die junge Frau sucht Derrick auf …

Von dieser Folge ist vor allem das deprimierende Mülldeponienszenario hängengeblieben. Der Fall selbst – es geht um illegal entsorgten Giftmüll – ist eine Spur zu abstrakt, um in diesem Format richtig wirken zu können. Da hatte Reinecker bestimmt irgendwo was in der Zeitung gelesen, was er dann flugs in einem Drehbuch verwurstete. Ich hätte gern mehr von den beiden angehenden Turteltauben gesehen, aber das ist wohl auch der Plan: Rothaupt wird aus der Episode gerissen, wie es ihn aus dem Leben reißt, und man hat keine Gelegenheit, von ihm Abschied zu nehmen. Als Trost bleibt nur die Rose im Müll.

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beate2Episode 046: Kaffee mit Beate (Alfred Vohrer, 1978)

Die Schauspielerinnen Beate (Helga Anders) und ihre Freundin Helga (Johanna Elbauer) warten auf ein Vorsprechen. Helga ist nervös, also gibt Beate ihr eine Cognacbohne: Wenig später bricht Helga tot zusammen. Die Cognacbohnen waren vergiftet. Um den Mörder zu finden, wird Harry im Haus Beates eingeschleust. Sie lebt als einer von vier Untermietern in der Wohnung von Frau Pacha (Agnes Fink). Alle sind potenzielle Täter.

„Kaffee mit Beate“ ist aus mehreren Gründen ein weiterer Gewinner von DERRICK-Regisseur Alfred Vohrer. Zunächst einmal weicht die Folge strukturell vom Standard ab: Derrick selbst hat nur eine kleine Rolle und tritt kaum aktiv in Erscheinung, fast der ganze Fall spielt sich in der Wohngemeinschaft ab, in der Harry verdeckt ermittelt. Das sorgt schon für eine gewisse zusätzliche Aufmerksamkeit, aber bei mir hat „Kaffee mit Beate“ vor allem aus anderen Gründen gepunktet. Schon im Titel kommt dieser deutsche Kitschroman-Schmelz zum Vorschein, der wie immer bei DERRICK mit einer Extradosis Tristesse und Verzicht verabreicht wird. Der Name „Beate“ wird wohl dutzende Male ausgesprochen und damit zum Mantra der Episode, die Trägerin des Namens zur sexuellen Wunschfantasie und Heilsbringerin hochstilisiert, was naturgemäß in krassem Missverhältnis zur etwas anämischen Trägerin und der angestaubten Altherren-Fernsehrerotik steht, die sie verkörpert. (Man erkennt Helga Anders, die schmollmündige Versucherin aus MÄDCHEN MIT GEWALT, kaum wieder.) Alle Männer der WG – Peter Pasetti als geschiedener Supermarkt-Leiter Serball, Christian Quadflieg als jungdynamischer Architekt Herwig, Klaus Herm als nerdiger Lektor Pacha – sind geil auf die freundliche Beate, die gar nicht weiß, wie ihr geschieht, geradezu besessen von ihr und der Vorstellung, von ihr empfangen zu werden, und das Innuendo, mit dem sie davon sprechen, Kaffee mit ihr getrunken oder gar ein mexikanisches Gericht von ihr gekocht bekommen zu haben – ein scharfes selbstredend! -, lässt Bilder im Kopf des Betrachters entstehen, die die tatsächlichen Ereignisse der Episode niemals rechtfertigen. Aber genau darum geht es eben: Um die wüsten Fantasien geiler Böcke, die in der Nähe eine jungen Frau und der milden Versuchung, die sie repräsentiert, völlig den Kopf verlieren. Harrys mehrfach gestellte Frage, ob sein Gegenüber mit der jungen Frau „geschlafen habe“, wird in ihrer ehrlichen Direktheit hingegen stets als unverschämt abgewiesen: Mit Beate schläft man nicht! Und dann der Clou mit den Cognacbohnen, dem Aufputschmittel ergrauter Mauerblümchen. Da macht es auch nichts, dass die Auflösung reichlich überstürzt daherkommt und nach so viel aufgestauter Lust eine kleine Enttäuschung ist.

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hotte2Episode 047: Solo für Margarete (Michael Braun, 1978)

Die Folge, in der der 45-jährige Horst Buchholz den aufstrebenden (aber heroinabhängigen) Musikstar, Gitarrengott und Frauenschwarm Alexis gibt, der die Gitarrensoli, die die einzige Daseinsberechtigung seines sterilen Bluesrock-meets-Disco-Sounds sind, mit geilen Gniedelgesichtern garniert. Ansonsten benimmt er sich wahlweise wie ein verwöhntes Kleinkind, das die Eltern mit Psychomethoden zum Kauf eines Spielzeugs bewegen will, oder wie ein verzärtelter Künstler auf dem endlosen Egotrip. Weiße Cowboystiefel über der Jeans, das darf sowieso nur Lemmy. Aber natürlich ist das auch alles wieder ganz geil: Diese Vorstellung vom Musicbiz etwa, wo ein Mittvierziger, der eine Woche lang vor ca. 50 Leuten in einem kleinen Kellerclub auftritt, the next big thing sein soll, eine Band zusammen in einer WG haust und das Heroin aus einer Apothekenampulle in die Spritze gezogen wird. Seitdem Erik Ode als Kommissar Keller einen Marichuana-Süchtigen fragte, ob er das Zeug esse oder trinke, hat sich in Sachen Aufklärung um Reinecker offensichtlich nicht viel getan. Und natürlich dieser melodramatische Schmelz: In der zweiten Hälfte taucht die Zwillingsschwester der Toten auf, um Alexis – in einer Wendung, die an Episode 2, „Johanna“, erinnert – zu konfrontieren und verliebt sich prompt in ihn – und er in sie. Reineckers Drehbuch behandelt diese doch eher pathologisch anmutende Gefühlsverwirrung als mystisches Happy End, gewissermaßen als verspätete VERTIGO-Verwirklichung. Nur eben mit Drogen und schmieriger Musik.

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Episode 048: Lissas Vater (Alfred Vohrer, 1978)

Mittelstarke Standardepisode von Vohrer, bei der man das Gefühl hat, dass man Vergleichbares ca. alle zehn Folgen einmal untergeschoben bekommt. Die Schauspieler und die Profiroutine reißen es raus. Heinz Bennent ist Ludwig Heimer, der seiner Ex-Frau Elsa (Christine Wodetzky) nachstellt, die ihn wegen seiner Alkoholsucht mitsamt Töchterchen Lissa (Anne Bennent) verlassen hat und nun mit dem unsympathischen Geschäftsmann Hassler (Ulrich Haupt) verheiratet ist. Seine aufdringlich-unbeholfenen Versuche, sich ihr zu nähern, werden von ihr überaus bestimmt abgeschmettert, weshalb er sich zu einer Morddrohung hinreißen lässt. Als ein Assistent Hasslers beim Verlassen von dessen Haus niedergeschossen wird, scheint alles klar. Ist es aber natürlich nicht. Helen Vita hat einen Auftritt als mitfühlende, ketchuprothaarige Vermieterin Heimers, den Haupt, den finde ich immer wieder gut, und Bennent ist als Häufchen Elend ebenfalls klasse. Aber ansonsten gibt es nicht viel zu berichten. Vohrer jedenfalls bekommt kaum Gelegenheit, zu zeigen, was er kann.

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spitzel3Episode 049: Der Spitzel (Zbynek Brynych, 1978)

Ein verdeckter Ermittler wird beim Einbruch in ein Antiquitätengeschäft erschossen: Er hatte den einschlägig bekannten Berufskriminellen Georg Lukas (Götz George) beschattet und war ihm gefolgt. Derrick und Klein werden bei ihren Ermittlungen an den Spitzel Henze (Klaus Behrendt) verwiesen, der seltsam nervös auf die Beamten reagiert. Er lebt zur Untermiete bei einer Ex-Prostituierten Doris (Kai Fischer) und ihrem gewalttätigen Freund Rosse (Ulli Kinalzik) und kümmert sich rührend um ihre jugendliche Tochter Inga (Ute Willing). Ein weiterer Tatverdächtiger ist der Schießstandbesitzer Burkhardt (Stefan Behrens) und der ist wiederum mit Maria Singer (Kornelia Boje) liiert, der Tochter des Antiquitätenhändlers …

Brynych inszeniert sehr zurückgenommen (verwendet dafür aber Boney Ms. „Rivers of Babylon“ als seinen „Refrain“): Wahrscheinlich, weil die Storyline vergleichsweise komplex ist. Anders als andere DERRICK-Folgen, in denen es um „heißgelaufene“ Mörder geht, also um Amateure, die in einem Moment der Schwäche zu Verbrechern werden, spielt „Der Spitzel“ im Milieu: Alle Charaktere haben eine einschlägige Vorgeschichte und sind gute Bekannte der Polizei. George interpretiert seinen Lukas als brutalen, aber gewieften Gewalttäter, Behrendt den diesem diametral gegenüberstehenden Henze als mitleiderregenden, gutmütigen Pechvogel, der seine Wurzeln nicht kappen kann. Die Beziehung zu Inga, die er zur Basketballspielerin machen und sie so ihrer tristen Umgebung entreißen will, ist eigentlich das Herz der Episode, krankt aber daran, dass Ute Willing einen Hauch zu alt für die Rolle des hilflosen Töchterleins ist: Szenen wie die, in der Henze ihr nach dem Besuch eines Disney-Films erklärt, wie Zeichentrickfilme gemacht werden, wirken unfreiwillig komisch und seine Philantropie bekommt unweigerlich eine sexuelle Komponente, die das Drehbuch aber logischerweise nie thematisiert. Es gibt ein paar schöne Bilder, die Szene, in der Derrick in bester Dirty-Harry-Manier mit Pokerface seine Schießkünste unter Beweis stelllt, ist wunderbar badass, und George zieht die Aufmerksamkeit des Zuschauers mit jedem seiner Auftritte auf sich wie ein Magnet. Man sieht hier (und in seinen KOMMISSAR-Folgen), was für ein außergewöhnlicher Darsteller er war. Seltsam, dass er nie den Sprung über den großen Teich versucht hat.

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Episode 050: Die verlorenen Sekunden (Alfred Vohrer, 1978)

Frau Leubel (Elfriede Kuzmany), eine Schneiderin, überrascht bei einem Botengang einen Mörder bei der Arbeit. Bevor er sich auch ihrer entledigen kann, wird er durch die Ankunft der Polizei in die Flucht geschlagen. Die alte Dame steht unter Schock, kann sich nicht an den Täter erinnern, obwohl sie ihn auf frischer Tat ertappt hat. Das Opfer, Frau Kwien, war erst vor kurzem von ihrem Mann (Hans Korte) geschieden worden: Das gemeinsame Geschäft fällt durch ihren Tod an ihn …

Eine durchschnittliche Folge, der auch Alfred Vohrer nichts abringen kann. Hans Korte ist gut als unsympathischer Geschäftsmann, Herbert Herrmann, der Filou des deutschen Fernsehens der Achtzigerjahre, ist in einer Nebenrolle als verdächtiger Harro Brückner zu sehen, Maria Sebaldt als vornehme Modedesignerin und der schöne Michael Maien als Mörder. Der Plot dreht sich um die im Titel angesprochenen „verlorenen Sekunden“ in der Erinnerung der Zeugin: Der Mörder hat natürlich ein Interesse daran, dass sie ihr Gedächtnis nicht wiedergewinnt, aber wirklich in Gefahr gerät sie nie. Im Gedächtnis des Zuschauers hingegen bleiben der stets besoffene Ehemann (Uwe Dallmeier) der Frau Leubel, ein willenlos schlaffer Sack, den Herbert Reinecker als Krückstock benötigte, und Harros nett gemeinte, aber unglaublich herablassende Aussage, Frau Leubel sei „ein armes Huhn“, und einem von Derricks meist großartigen Ausflügen in eine Diskothek. Selbst die Unschuldigen sind bei DERRICK fast immer Arschgeigen.

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uteEpisode 051: Ute und Manuela (Helmuth Ashley, 1978)

Ein junger Mann wird in einem Parkhaus erschossen, nachdem er in der Diskothek „East Side“ eine flotte Sohle aufs Parkett gelegt hat. Unbedingt tatverdächtig ist seine Freundin Manuela (Monika Baumgartner): Nicht nur hatte er sie am selben Abend übel zusammengeschlagen, der Wirt will sie als die Anruferin identifiziert haben, die den Toten ins Parkhaus beorderte. Ein Alibi bekommt Manuela von der Sozialarbeiterin Ute (Cornelia Froboess), die alles dafür tut, die aus schwierigen Verhältnissen kommende Manuela zu beschützen.

Auch dies ist eher Durchschnittskost: Der Fall ist nur wenig aufregend, es fehlen die Details in der Beobachtung, die die Serie in ihren besten Momenten auszeichnen, und bedingt durch das Sujet auch dieser bürgerliche Mief, der aus heutiger Sicht so faszinierend und abgründig ist. Aber die Ute ist eine großartige Figur: Cornelia Froboess legt in ihrem Spiel einen geradezu inbrünstigen Eifer an den Tag, der ihre Sozialarbeiterin noch unangenehmer macht, als es das Drehbuch eh schon vorsieht. Mit ihrer Riesenbrille, dem Kleinmädchenpony und dem abgehärmten Verzichtergesicht gibt sie eine Missionarin der Gerechtigkeit, die für Abweichler vom Pfad der Tugend keinerlei Empathie übrig hat. Wie bei „Der Spitzel“ gibt es hier einen deutlich sexuellen Unterton, der aber nie explizit aufgegriffen wird, was zu Utes selbstvergessenem Engagement natürlich passt wie die Faus aufs Auge. Die Rückblende mit der geschundenen Manuela ist ungewohnt schmerzhaft, der Schlusskniff am Ende, wenn wir Ute zum ersten Mal ohne Brille sehen, einer jener genialen Einfälle, für die man DERRICK schätzt. Dafür ist Martin Semmelrogge als Manuelas Bruder total verschenkt. (Gisela Uhlen ist als Utes Mutter zu sehen.) In der Diskothek läuft „Let’s All Chant“ von der Michael Zager Band.

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Episode 052: Abitur (Theodor Grädler, 1978)

Ein Slow-Burner, der wie die vorangegangene Episode mit einer tollen Schlusseinstellung aufwartet und darüber hinaus eher ungewöhnlich strukturiert ist. Eigentlich geht es in „Abitur“ um zwei Fälle und der Mord ist eher nebensächlich: Trauerkloß Robert (Michael Wittenborn) steht vor dem Abitur, dass er unbedingt mit gutem Notendurchschnitt bestehen muss, um fürs Medizinstudium zugelassen zu werden, schließlich soll er das Geschäft des herzkranken Arztpapas (Hans Quest) übernehmen. Leider ist er unglaublich wankelmütig und unsicher und die Versuche seiner Schwester Lisa (Agnes Dünneisen), seinen Nachhilfelehrer (Peter Dirschauer) zur Manipulation zu überreden, scheitern an dessen Rechtschaffenheit. Bis er eines Abends einen jungen Mann anfährt und Fahrerflucht begeht: Nun hat Lisa ein geeignetes Druckmittel gegen ihn in der Hand. Was sie nicht weiß: Das Unfallopfer starb nicht an den Folgen des Unfalls, sondern wurde anschließend erschlagen …

Das Discofieber, das sich in den vorangegangenen Episoden schon ankündigte, ist hier nun auf dem Siedepunkt. Im „Yellow River“, einem holzvertäfelten Albtraum im Partykeller-Style laufen „Miss you“ von den Rolling Stones, „More than a woman“ von Tavares, „I can’t stand the rain“ von Eruption und die unvermeidlichen Hot Chocolate, während Klein mit Lisa eine flotte Sohle aufs Parkett legt. Die ist einer dieser eiskalten, intriganten Schönen, die Herbert Reinecker sich regelmäßig ausdenkt und ihnen dann einen besonders waschlappigen Typen gegenüberstellt. Hier sind es mit ihrem Bruder und dem Lehrer sogar gleich zwei. Die Erpresserin und ihr Bruder kommen (wahrscheinlich) ungeschoren davon, weil der Fall für Derrick mit der Festnahme des Mörders erledigt ist, aber die Schlusseinstellung suggeriert das Fegefeuer des schlechten Gewissens – und außerdem, dass alle illegalen Bemühungen letztlich umsonst waren. Fies.

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kfHuiowDie Lektüre des Buches „Steve McQueen: Portrait of an American Rebel“ hat mich dazu inspiriert, dem Superstar, meisterhaften Minimalisten und reactor hier in den nächsten Wochen und in loser Folge eine kleine Reihe zu widmen. Viele seiner Filme kenne ich noch gar nicht, andere haben mal wieder eine Auffrischung verdient. Mit den neu angelesenen Informationen im Hinterkopf erhoffe ich mir außerdem auch neue Erkenntnisse. Ich war nämlich einigermaßen überrascht über McQueens Lebenslauf: Da er für mich die idealtypische Verkörperung männlicher Autorität und natürlich der viel beschworenen Coolness ist, hatte ich angenommen, dass der Superstar auch in seinem Leben ein Musterbeispiel für jene straightness gewesen sei, die er auf der Leinwand so unnachahmlich verkörpert. Stattdessen erfuhr ich, dass der Mann, der als Kind von seiner wenig verantwortungsbewussten Mutter hin und hergeschoben worden war, eine Vergangenheit als Gangmitglied und Jugendstraftäter hatte und seine Jugend zum Teil in einem Heim für schwer Erziehbare verbrachte, aufgrund seiner geringen Bildung unter großen Minderwertigkeitskomplexen litt und mehrere Anläufe benötigte, um sich als Schauspieler zu etablieren. Kurz gesagt: Steve McQueen war nicht gerade prädestiniert dazu, ein Künstler zu werden, noch weniger der bestbezahlte Schauspieler seiner Zeit. Diese eiskalte Autorität, die man mit ihm verbindet, war weniger die Folge eines großen Selbstbewusstseins als jener für ihn einst überlebenswichtigen street wisdom, dem Wissen, dass einem nichts geschenkt wird und der Gegner jedes Anzeichen von Angst oder Schwäche sofort auszunutzen bereit ist.

Als John Sturges ihn für die Rolle des Vin in seiner Bearbeitung von Kurosawas SHICHININ NO SAMURAI besetzte, hatte McQueen es bereits in New York am Broadway versucht und in mehreren Fernsehproduktionen und Spielfilmen mitgewirkt, die Macher dabei stets von seinem natürlichen Talent und seiner Präsenz überzeugen können, aber letztlich die nötige Disziplin vermissen lassen – oder einfach Pech mit seiner Rollenwahl gehabt. Der erste Schritt zum Erfolg war die Hauptrolle in der Westernserie WANTED: DEAD OR ALIVE, in der McQueen den Kopfgeldjäger Josh Randall spielte und Macher wie Zuschauer gleichermaßen mit seiner Detailversessenheit sowie seinem Sinn für Realismus und Authentizität beeindruckte. Die Wege von McQueen und Sturges kreuzten sich zum ersten Mal 1959, als der damals bereits 29-Jährige eine Nebenrolle in dem Sinatra-Vehikel NEVER SO FEW mit Leben füllte. Das Angebot des Megastars, fortan als festes Mitglied seines Rat Packs zu reüssieren, schlug McQueen mutigerweise aus: Er wollte nicht, dass man seine Karriere später auf die Gefälligkeit eines mächtigen Freundes zurückführte, sondern es aus eigener Kraft schaffen. Mit 30 Jahren und festgelegt auf eine Fernsehrolle, die damals nur selten eine große Filmkarriere nach sich zog, war THE MAGNIFICENT SEVEN mithin die Chance, die McQueen unbedingt nutzen musste. Das Problem: Er war nicht der einzige hungrige Jungschauspieler am Set und auch nicht der einzige, der wusste, dass er aus dem Schatten des großen Yul Brynner heraustreten musste, wenn er die Aufmerksamkeit des Zuschauer gewinnen wollte. Marshall Terrill, der Autor des oben genannten Buches, erzählt einige amüsante Anekdoten vom Konkurrenzkampf, der infolgedessen unter den Darstellern entbrannte, von den Bemühungen der Co-Stars, Brynners Szenen zu „stehlen“, die eigene Position durch kleine Tricks zu verbessern. So soll McQueen, der durch seine Vergangenheit wusste, wie man mit einem Revolver umgeht, Brynner auf Nachfrage eine sehr einfache Methode beigebracht haben, die Waffe zu ziehen, um mit der eigenen, deutlich elaborierteren Technik besser auszusehen. Als Brynner davon erfuhr, versuchte er wiederum McQueen davon zu überzeugen, vom Revolver auf ein Gewehr umzusteigen: Ein Schachzug, auf den McQueen allerdings nicht hereinfiel, sehr zum Ärger Brynners. McQueen machte sich bei seinen Kollegen nicht unbedingt beliebt: Er war immer darauf bedacht, gut wegzukommen, wusste genau, wenn eine Regieanweisung oder ein Szenenaufbau ihm zum Nachteil gereichte und intervenierte dann auch zu Ungunsten seiner Mitstreiter. Er folgte einem strengen Karriereplan und wenn er auch keinen hohen Bildungsgrad hatte, so besaß er eben jene Schläue, die seinen Erfolg begünstigte und seinen Aufstieg zum Weltstar ermöglichte.

Um von McQueen den Übergang zum größeren Ganzen, Sturges‘ Film, zu schaffen: Jene Strategie, auf die McQueen zurückgeworfen war, Szenen, in denen er eigentlich nur „Beiwerk“ für den eigentlichen Star war, durch kleine Gesten und hingeworfene Improvisationen an sich zu reißen, ist nicht nur charakteristisch für seinen Stil, sie passt zu THE MAGNIFICENT SEVEN wie die Faust aufs Auge. Betrachtet man den Film nämlich aufmerksam, so fällt auf, wie wenig er mit Dialogen erzählt, stattdessen funktioniert er fast ausschließlich über seine Charaktere, und die Handlung entwickelt sich ganz logisch aus ihnen heraus, ohne dass große Exposition betrieben werden müsste. Das ist umso bemerkenswerter, als THE MAGNIFICENT SEVEN von den drei großen Ensemble-Spektakeln der Sechziger (die beiden anderen sind THE GREAT ESCAPE und THE DIRTY DOZEN) der mit Abstand kürzeste ist, mithin am wenigsten Zeit hat, seine Hauptfiguren umfassend zu charakterisieren. Horst Buchholz bekommt als junger Heißsporn Chico recht viel Platz, alle anderen haben nur wenig Gelegenheit, ihre Figuren zum Leben zu erwecken. McQueen hat zudem eine nur wenig profilierte Rolle, keinen echten „arc“, den er durchlaufen würde: Trotzdem ist es sein Vin, der als lebendigster Charakter in Erinnerung bleibt. Er erreicht das lediglich durch wohldosierte Bewegungen, Mimik, Blicke und seine Körperhaltung. Gleich zu Beginn, wenn er neben Brynners Chris den Platz auf dem Kutschbock einnimmt, benutzt er seinen Hut als Sonnenschutz, prüft, wo die Sonne steht und von wo er in der möglicherweise folgenden Konfrontation geblendet werden könnte. Überhaupt spielt sein Hut eine wichtige Rolle. David Morrell, Autor des Romans „First Blood“, für dessen Verfilmung McQueen in den Siebzigerjahren im Gespräch war, bevor man ihn aufgrund seines bereits zu hohen Alters verwarf, bezeichnet den Hut gewissermaßen als Schlüssel zu McQueens Erfolg in THE MAGNIFICENT SEVEN. Allgemeiner könnte man sagen, dass McQueen dadurch die Aufmerksamkeit auf sich zieht, dass er nie einfach nur so dasteht, auch dann nicht, wenn er eigentlich nichts zu tun hat. Immer hat er etwas in der Hand, das er betrachtet, womit er spielt. Meist sind es nur Kleinigkeiten, nie wirkt es aufgesetzt oder aufdringlich, aber immer erzielt er damit eine Wirkung. Kritiker und Zuschauer sahen das genauso: Brynner war der nominelle Star des Films, aber McQueen war es, der den Menschen auffiel. Vielleicht steckt dahinter das erste kleine Zittern der Erde vor dem großen Beben namens „New Hollywood“, das die Traumfabrik am Ende des Jahrzehnts erschüttern sollte. Brynner ist noch ein Typ vom alten Schlage, sein Spiel breit ausgestellt, nicht so sehr vom Einfühlen in eine Rolle geprägt als vom Wissen um die eigene Persona. Mit seinem swagger (dieser Gang, der faustgroße Hoden in der zu engen Hose suggeriert!), der etwas theatralischen Art, mit der er den Mittelpunkt des Bildes besetzt und seine Zeilen deklamiert, wirkt er neben dem Understatement und der selbstbewussten Lässigkeit McQueens wie das Relikt einer vergangenen Zeit. Vin wird vom Drehbuch als eine Art Bruder im Geiste von Brynners Chris angelegt, aber hinter der vordergründigen Übereinkunft spürt man deutlich die Spannungen zwischen dem „Alten“ und dem „Jungen“. Chris und Brynner wissen, dass ihre Zeit abläuft; noch können sie auf ihren Körper zählen, zehren zudem von dem Ruf, der ihnen vorauseilt, aber irgendwann werden die Muskeln versagen, die Sinne schwächer. Vin und McQueen nutzen noch den Windschatten des Erfahrenen, saugen auf, was sie von ihm lernen können,und sparen ihre Kräfte, für den Moment, in dem er die ersten Schwächen zeigt, um ihn dann gnadenlos hinter sich zu lassen. Bis dahin sollte es nicht mehr lange dauern. Als Burt Kennedy sechs Jahre später THE RETURN OF THE MAGNIFICENT SEVEN drehte, war Yul Brynner wieder zur Stelle. Steve McQueen hatte eine Wiederholung des Erfolgsfilms da schon nicht mehr nötig. Er war bereits zu neuen Ufern aufgebrochen und sollte einen Ruhm erreichen, der den Brynners weit überstieg.

come_quando_perch_philippe_leroy_antonio_pietrangeli_001_jpg_evtaDas Liebesleben der Reichen und Schönen übt auf Künstler wie Rezipienten und Publikum vermutlich seit der Neuzeit einen immensen Reiz aus. In Shakespeares Dramen metzelten sich ganze Herrscherfamilien von der Lust entflammt und Macht berauscht dahin, im Zuge der sexuellen Revolution der 1960er-Jahre wurde Liebeskummer meist weniger drastisch kuriert, zog eher seelische Schäden nach sich, und statt Rang und Macht fungierte die Aussicht auf materielle Affluenz als kompromittierendes Element. Die Opfer sehen sich hin- und hergerissen zwischen den Möglichkeiten, die das Fallen sexueller Tabus mit sich bringen, den noch nicht ganz überkommenen bürgerlichen Werten, mit denen sie sozialisiert wurden, dem romantischen Wunsch nach der echten, der wahren Liebe auf der einen, finanzieller Unabhängigkeit und nahezu unbegrenzter Wunscherfüllung auf der anderen Seite. Auf den Hofbauer-Kongressen haben Filme um wohlhabende Großbürger, dekadente Neureiche, ehrgeizige Emporkömmlinge und die komplizierten Beziehungen, die sie miteinander unterhalten, ihren festen Platz. Im letztjährigen Januar-Kongress geriet etwa die junge, schöne Jane Fonda in Roger Vadims LA CURÈE zwischen die Fronten ihres wohlhabenden, aber langweiligen Ehemanns und seines wilden und abenteuerlustigen Sohnes, nur um am Ende mit leeren Händen dazustehen. In Antonio Pietrangelis letztem, nach seinem Tod von Valerio Zurlinis vollendetem Film COME, QUANDO, PERCHÉ geraten das Ehe- und Liebesleben sowie die Wertvorstellungen der schönen Paola (Daniéle Gaubert) ins Wanken, als der freigeistige Alberto (Horst Buchholz), alter Freund ihres liebevollen, aber auch etwas asketischen Gatten Marco (Philippe Leroy), ihr seine Liebe gesteht und mit seiner Art ihr Herz erobert.

Festivalbesucher und Film-Vielseher werden das Phänomen kennen, wenn sich zwischen eigentlich vollkommen unterschiedlichen Filmen erstaunliche, teilweise bis in kleinste Details reichende Parallelen auftun. Auf diesem Hofbauer-Kongress etwa spielten in vielen Szenen Wecker eine große Rolle, wurden gleich mehrfach der „Kinsey-Report“ gepriesen und viele Bananen gegessen. Und Buchholz‘ Angelo erinnerte mich mit seiner provokanten Art, in die eheliche Harmonie einzudringen und die konservativen Wertvorstellungen von Paola und Marco zu hinterfragen, wie ein reiferer, weniger soziopathischer Seelenverwandter von Per, der in Thomsens GIFT eine bürgerliche Familie auf den Prüfstand stellt, um die schöne Tochter dem Zugriff der Eltern zu entreißen. Dennoch sind beide Filme grundverschieden. COME, QUANDO, PERCHÉ ist, anders als GIFT, kein ausgesprochen politischer Film. Ihm fehlen der gallige Humor und dieser unterschwellige Zorn, er will kein explizites Statement über den Zustand der Gesellschaft machen, sondern ist allein an seinen Charakteren interessiert. Am Ende des Films steht eine durchaus überraschende Entscheidung Paolas, die auch deshalb so vor den Kopf stößt, weil sie keine Verallgemeinerung sucht, keinem anderen erzählerischen Zweck unterworfen ist, als dem, uns diese eine Frau näherzubringen. Ihre Wahl scheint auf den ersten flüchtigen Blick konservative Werte zu bestärken, doch das Gegenteil ist der Fall. Sie entscheidet sich nicht gegen die Magie, den Impuls, die Lust, die ihr Alberto beschert, und für die langweilige Sicherheit mit Marco, sondern gerade für dieses irrationale Gefühl, das sie mit ihrem Gatten verbindet, das sie einst an ihn band, und das sie bis heute nicht erklären kann. Es gibt kein bezifferbares Argument für Marco. Und gerade deshalb ist er der Richtige.

Unmittelbar nach der Sichtung konnte ich über COME, QUANDO, PERCHÉ – das recht allgemeine, vieldeutige „Wie, wann, warum“ des Originaltitels wurde für die deutsche Version zum „wo, wann, mit wem“ vereindeutigt und somit abgeflacht – kaum mehr sagen, als dass er „schön“ ist. Turin und das sonnendurchflutete Sardinien bilden attraktive Kulissen für die attraktiven Darsteller, Armando Trovaioli sicherte sich für seinen Score die engelsgleiche Stimme von Edda Dell’Orso, deren wortlose Harmonien geradwegs ins Herz zielen, Settings und Ausstattung sind mondän und edel, und aus den Dialogen sprechen Weisheit und Poesie, anstatt bloß Exposition zu liefern. Die Handlung ist indes nicht wirklich neu: Filme um Dreiecksbeziehungen und vom Freund des Ehemanns verführte Gattinnen gibt es zuhauf und die meisten spielen sich so ähnlich ab wie COME, QUANDO, PERCHÈ. Aber da ist eben dieses Ende, das einem wie Schuppen von den Augen fallen lässt, dass es wahrscheinlich so viele Vorstellungen und Definitionen von Liebe und Eheglück wie Menschen gibt und dass die Ratio auf diesem Gebiet ein nur bedingt tauglicher Wegweiser ist. Oder eher: In der Liebe kann es gerade vernünftig sein, das unvernünftig Scheinende zu tun. Was für Alberto richtig ist, muss es für Paola noch lange nicht sein. Und Sex ist tatsächlich auch nicht alles, man mag es kaum glauben.

kublai_khanEnde des 13. Jahrhunderts beauftragt Papst Innozenz IV. ausgerechnet den jugendlichen venezianischen Kaufmannssohn Marco Polo (Horst Buchholz) damit, nach China zu reisen, um eine Friedensbotschaft an Kaiser Kublai Khan zu überbringen. Die Reise führt ihn vom Nahen Osten, wo er von dem „Alten Mann in den Bergen“ (Akim Tamiroff) gefangen genommen wird, unter unvorstellbaren Entbehrungen durch die Wüste Gobi schließlich nach China …

Die Reise des historischen Marco Polo dauerte rund vier Jahre, erstreckte sich über mehr als 12.000 Kilometer und liefert wahrscheinlich genug Geschichten und Bilder, um damit eine ganze Filmbibliothek bestücken zu können. Erfahrene Film-Monumentalisten, ein Cecil B. DeMille, William Wyler, Anthony Mann oder David Lean, hätten sich für diese Reise kaum weniger als vier Stunden Zeit gelassen. Doch der von Raoul J. Lévy produzierte Film reißt das beachtliche Programm in noch nicht einmal der Hälfte der Zeit ab und hat daher mit zahlreichen hausgemachten Problemen zu kämpfen – die Tatsache, dass unzählige Autoren und Regisseure mitwurschteln durften, kam Kohärenz und Einheit des Ganzen eher nicht zugute. LA FABULEUSE AVENTURE DE MARCO POLO kommt nie über die Nummernrevue hinaus, bleibt eine Aneinanderreihung von Epsioden, die nicht nur wenig zum Gesamtwerk beitragen, sondern auch für sich genommen nicht richtig funktionieren wollen. Kein einziger Charakter – vielleicht mit Ausnahme von Kublai Khan – wird wirklich ausgearbeitet, genauso wenig wie der schiere logistische Wahnsinn oder auch nur der zeitliche Rahmen von Marco Polos Weltreise. Historische Genauigkeit möchte ich da gar nicht erst einfordern: Wenn Marco Polo auf den „Alten vom Berg“ trifft, der eine Armee von hübschen Männern und Frauen in Fetisch-Fantasiekleidung befehligt, wird dieser Erwartung glücklicherweise schon recht früh die Absage erteilt.

Glücklicherweise fallen all diese Vorwürfe nicht allzu schwer ins Gewicht, denn die Bilder, die während der Dreharbeiten Jugoslawien, Ägypten und Nepal eingefangen wurden, sind von unbeschreiblicher Schönheit und kommen auf der deutschen Blu-ray zu prachtvoller Geltung. Auch in punkto Ausstattung ließ man sich nicht lumpen: Bauten und Kostüme stehen der Bildgewalt des Films in nichts nach. Die gebotene Opulenz wirkt angesichts des geradezu lachhaften Budgets von gerade einmal 2,5 Millionen Dollars beinahe wie ein Wunder, vor allem wenn man bedenkt, das von dieser Summe auch noch Weltstars wie Anthony Quinn, Orson Welles und Omar Sharif bezahlt werden mussten, neben weiteren namhaften Akteuren wie Horst Buchholz, Elsa Martinelli, Robert Hossein, Akim Tamiroff, Massimo Girotti, Bruno Cremer und Folco Lulli. Man kann sich für gut zwei Stunden in dieses farbenfrohe, liebevoll gestaltete Bilderbuch vertiefen. Dass der Film darüber hinaus auf einer sehr positiven, humanistischen Note endet, für die Verständigung zwischen Völkern, Nationen und Religionen eintritt, ist dieser Tage auch nicht unbedingt selbstverständlich – man muss sich ja gar nicht lang durchs Netz klicken, um auf ungefilterten Hass zu stoßen. Somit ist das Urteil „Schön“ hier vielleicht sogar etwas mehr wert als sonst.

 

 

 

 

 

Episode 026: Das Superding (Wolfgang Becker, 1976)

Bildschirmfoto 2014-01-19 um 19.06.18Kurz nachdem Eberhard Witte (Horst Sachtleben) sich mit dem Chef einer Bank verabredet hat, um diesen über einen unmittelbar bevorstehenden Einbruch zu informieren, wird er auf offener Straße erschossen. Die Ermittlungen Derricks führen zum „Rock-Shop“, der Discothek des ehemaligen Mathematiklehrers Gerke (Horst Buchholz), dessen Befragung jedoch zunächst keine weiteren Erkenntnisse bringt. Derrick und Klein kommen nicht richtig weiter, bis sie Nachricht von der Bank erhalten: In deren Tresorraum wurde tatsächlich eingebrochen und das gesamte Geld entwendet …

Becker behandelt in seiner Episode einen geradezu klassischen Heist-Stoff, dessen bewusster Anachronismus den besonderen Reiz ausmacht. Der Regisseur geht nicht einfach unreflektiert vor, er legitimiert die auch 1976 wahrscheinlich nicht mehr ganz zeitgemäße Methode seiner Schurken durch die Figur Gerkes, der als Mastermind darauf baut, dass niemand hinter seinen genial einfachen Plan kommt. Und so graben seine Helfer wirklich einen unteriridischen Tunnel von der Disco, deren Musik den Baulärm übertönt, bis zur Bank auf der gegenüberliegenden Straßenseite und lassen in einer beinahe surrealen Sequenz, die wie eine Parodie auf den erst 20 Jahre später erscheinenden MISSION: IMPOSSIBLE wirkt, einen kleinwüchsigen Mann durch den Lüftungsschacht in den Tresorraum hinab. Die eigentliche Aufklärung des Mordes und die Ermittlungen Derricks interessieren Becker nur am Rande und irgendwann endet die Episode dann einfach: Derrick weiß, dass das alles etwas mit Gerke zu tun haben muss und stattet ihm einen weiteren Besuch ab, bei dem er ihm droht, alles auf den Kopf zu stellen. Gerke wiederum geht es gar nicht so sehr ums Geld: Ihn erfüllt schon das Wissen, dass sein Plan geglückt ist und dass er die Polizei an der Nase herumführen konnte, mit höchster Befriedigung. Man sieht es nicht mehr, aber es steht zu vermuten, dass Oberinspektor Derrick angesichts des hysterisch-triumphierenden Lachanfalls, dem Gerke ams Ende erliegt, das Klappmesser in der Hosentasche aufgeht. Viele schöne, zwischen staubigem Discokugel- und Spiegel-Glamour und bundesdeutscher Eichenholz-Thekenromantik oszillierender Tanzclub-Szenen runden ein mildpsychotronisches Fernsehvergnügen ab.

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Bildschirmfoto 2014-01-19 um 20.39.55Episode 027: Risiko (Franz Peter Wirth, 1976)

Die „Chloroform-Bande“ versetzt die Landstraßen um München in Aufregung: Zwei Männer und eine Frau halten LKWs unter Vorspiegelung einer Panne an, betäuben die hilfsbereiten Fahrer und klauen deren Wagen mitsamt der Ladung – bis eines Tages etwas schief läuft und ein Mann erschossen wird. Horst (Christian Reiner), einer der beiden Täter, kann den Mord nicht mit seinem Gewissen vereinbaren: Als er ankündigt, sich zu stellen, wird auch er erschossen. Als Derrick und Klein seine Mitschüler nach relevanten Hinweisen befragen, bietet Horsts bester Freund Alex (Wolfgang Müller) seine Hilfe an. Es ist für die beiden Kriminalbeamten schnell klar, dass es sich bei Horst um einen der Räuber und bei Alex um seinen Komplizen handeln muss, doch sie wollen über ihn an die Hintermänner der Tat herankommen. Und das will auch Alex …

Wie schon „Der tag nach dem Mord“ so ist auch „Risiko“ ein reiner Adoleszenz-Albtraum, den Wirth ausschließlich in den schwärzesten Farben malt. Die Freude am Risiko – Horst und Alex sind begeisterte Motorradfahrer – führt beide schnell in die Kriminalität, weil der nächstgrößere Kick benötigt wird, und von da in den Tod bzw. das Gefängnis. Nutznießer sind erwachsene Kriminelle, die sich die Einsatzbereitschaft der Jungs zunutze machen. Die Eltern, die eventuell hätten einlenken können, erreichen ihre Söhne längst nicht mehr. So schlafwandelt vor allem Alex durch die Welt, als sei er der letzte Pistolero. Doch an dem Schweiß, der ihm auf der Stirn steht, und an seinem fahrigen Verhalten erkennt man, das die Schuhe, in die er da geschlüpft ist, mehr als nur eine Nummer zu groß sind.

Was „Risiko“ so faszinierend und zu einem echten Runterzieher macht, das ist die ganz leise und verhalten mitschwingende Ahnung, dass es für Alex, Horst und ihre Freundin Brigitte auch ganz woanders hätte hingehen können. Hätte es vielleicht hätte schon gereicht, wenn sie sich zu ihren Gefühlen bekannt hätten? Die Homosexualität Alex‘ steht überdeutlich im Raum, auch wenn sie nie wirklich explizit gemacht wird. Wirth entführt für eine Stunde in eine Welt, in der alle ihr wahres Ich, ihre innersten Bedürfnisse hinter einer meterdicken Stahltür versteckt und den Schlüssel in einem eisigen Gebirgssee versenkt haben. Alles, was bleibt, ist Distanz.

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Bildschirmfoto 2014-01-20 um 17.43.17028: Pecko (Zbynek Brynych, 1976)

Der 18-jährige Pecko (Pierre Franckh) beobachtet durch Zufall den Mord an einer jungen Balletttänzerin. Doch als Derrick ihn befragt, schwört er, den Täter nicht erkannt zu haben …

Ein weiteres Meisterwerk von Brynych, der hier eine ganze Episode in jenem ruinösen Parallel-München ansiedelt, das er in „Auf eigene Faust“ nur kurz besuchte. Ist „Pecko“ ein Fiebertraum, ein düsteres Märchen oder eine Vision? Von allem steckt etwas in der Geschichte um einen hoffnungslosen, hilflosen, einsamen Träumer, der Weltmeister im Radball (!!!???) werden will, obwohl er ein miserabler Fahrradfahrer ist; der von seinem Bruder und allen anderen herumgeschubst wird und dann ausgerechnet gegenüber Derrick um seine Autonomie kämpft. Und jenseits der braunen verfallenen Mauern, die die Welt von Pecko sind, da tanzen die Mädchen der Sonne entgegen, nur um irgendwann bemerken zu müssen, dass sie von fiesen Profiteuren als Drogenkuriere missbraucht werden. Auch ihre Träume platzen wie die von Pecko, aber sie vergießen Blut dabei.

Eine Episode voller Unfassbarkeiten: Pierre Franckh als Pecko, der verhinderte Radballspieler mit dem Halstuch, dem Käppi, der abgeschnittenen Jeans und den Kniestrümpfen; Pecko, der zu Michael Holms „Tränen lügen nicht“ junge Frauen schüchtern umgarnt; Pecko, der seinen Bruder liebt, den Mörder, und mehr nur sein Fahrrad. Ein Tanzlehrer, der behauptet nur „Pferdchen“ zu trainieren. Stefan Behrens als heruntergekommener Hausmeister, der seine Aufgabe ohne Entlohnung versieht, weil er dafür gratis in einer Bruchbude leben darf. Tänzerinnen, deren Karriere am Ende ist, bevor sie begonnen hat. Die sich mit schweißnassem Gesicht leidend in die Kamera drehen, als wollten sie dem Zuschauer sagen: „Hol uns hier raus!“ Harald Juhnke als Agenturleiter. Arbeiter im Karohemd, die im Bildhintergrund vergebens auf Godot warten. Niemand, absolut niemand bemerkt hier, dass er in die Hölle eingetreten ist, dass das gar keine lebbare Welt ist, dass hier keine Träume erfüllt werden, dass das ganze Leben Stillstand im Nichts ist, Verfall. Nie war Derrick weiter weg von zu Hause als in Brynychs „Pecko“. Ein winziger Hauch Nostalgie schwingt beim heutigen Blick auf diese Folge vielleicht mit, einem Blick auf bundesrepublikanische Realität 1976, dem Jahr, in dem auch ich das Licht der Welt erblickte. Aber hier leben? Nein, danke.

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Bildschirmfoto 2014-01-22 um 19.33.19Episode 029: Der Mann aus Portofino (Dietrich Haugk, 1976)

Einem Mann namens Sieburg (Karl Renar) wird erst zur Flucht aus der Justizvollzugsanstalt verholfen, dann wird er ermordet. Derrick und Klein finden heraus, dass er wegen Autodiebstahls einsaß. Der Wagen, den er entwendete, gehörte einem gewissen Dr. Pinaldi aus dem Örtchen Portofino, der seit Monaten als verschwunden gilt. Sein letzter Aufenthaltsort war der kleine Bauernhof von Herrn Bachler (Alexander Golling)  in der Peripherie von München. Bei der Spurensuche stoßen die beiden Kriminalbeamten auf eine Mauer aus Schweigen. Doch dass der Gutsbesitzer Parenge (Kurt Meisel) vor einigen Jahren seine Frau bei einem Bootsunfall vor der Küste Portofinos verlor, lässt sie ebenso aufhorchen wie die Tatsache, dass Bacher ein Jahr lang mit Sieburg in einer Zelle des Gefängnisses Stadelheim verbrachte …

Haugks „Der Mann aus Portofino“ ist ein deutscher Giallo im Gewand eines Fernsehkrimis. Quasi  L’UOMO DI PORTOFINO, UN GIALLO TEDESCO. Warum? Die Motive hinter dem die Ermittlungen auslösenden Mordfall liegen mehrere Jahre in der Vergangenheit und werden im Laufe der Handlung über seltsam entrückte Flashbacks enthüllt. Den Schlüssel zur Lösung bildet der titelgebende Mann aus Portofino, der sich in all seinen Szenen mittels  subjektiver Kamera direkt an den Zuschauer wendet und auf Italienisch auf ihn einredet. Die sich so einstellende Entfremdung/Überforderung verbindet den Zuschauer mit den Protagonisten, die als erkennbare Fremdkörper ins tiefe Bayern – und die verborgenen Geheimnisse seiner Bewohner – eindringen. Zum ersten Mal kommen in der Serie offen komische Züge zum Tragen: Um Vertrauenshürden zu überwinden, nimmt Derrick von den durch die Bank Schnupftabak konsumierenden Urbayern eine Prise an, die ihn in heftige Niesanfälle ausbrechen lässt. Ein Running Gag, der sich durch die ganze Episode zieht und Derrick zu einem Leidensgenossen der typischen Außenseiterfiguren des Giallo macht. (Ich hatte in meinem Text zu Argentos PROFONDO ROSSO schon darauf hingewiesen, dass die Giallo-Protagonisten oft ortsunkundige Touristen sind, deren Orientierungslosigkeit und Fremdheit die genretypische Auseinandersetzung mit Wahrnehmung und Sinnestäuschung verstärkt und spiegelt.) Auch die tragisch säuselnde Gitarrenmusik, die weit davon entfernt ist, lediglich das Gezeigte auf der Tonspur zu doppeln und zu verstärken, schlägt die assoziative Brücke zum Giallo mit seiner Etablierung einer traumgleichen, oft ins Surreale kippenden Gestaltung.

Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich die ganze dramatische Dimension von „Der Mann aus Portofino“ erfasst hatte: Zunächst scheint Haugks Episode geradezu flüchtig und leicht, ein fluffig-komischer Exkurs in der bundesrepublikanisch-bürgerlichen Tristesse, die die Serie sonst auszeichnet. Aber je länger man das Geschehen verfolgt, umso mehr vertieft es sich, entpuppt sich selbst die Komik noch als Ausdruck einer unüberwindbaren existenziellen Tragik. Am Ende haben Derrick und Klein einen Mordfall geklärt, aber „gelöst“ haben sie gar nichts. Zurück in München, wird ihnen alles vorkommen wie ein böser Traum. Und wer weiß? Vielleicht war das ja alles nicht mehr als das.

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Bildschirmfoto 2014-01-22 um 21.12.39Episode 030: Yellow He (Zbynek Brynych, 1977)

Der Beginn ist reichlich sonderbar: In einer Diskothek unterbricht der DJ sein Programm, um für eine Frau (Susanne Beck), die er „Yellow He“ nennt („He“ in dem Fall nicht wie das englische „he“ ausgesprochen, sondern wie der Ausruf des Erstaunens), den Swing-Klassiker „Bei mir bist du schoen“ aufzulegen. Yellow He beginnt unter Anfeuerung der anderen Gäste – offenbar genießt sie eine gewisse Berühmtheit – zu tanzen. Bald gesellt sich ein junger, schüchtern wirkender Mann (Martin Semmelrogge) zu ihr, sie tanzen nun gemeinsam und geben sich schließlich einen innigen Kuss, der von den Umstehenden frenetisch bejubelt wird. Schnitt: Die beiden wachen gemeinsam in ihrem Bett auf. Er erfährt zu seinem Entsetzen, dass sie noch bei ihrer Mutter wohnt, steht dann aber doch auf, um auf die Toilette zu gehen. Auf dem Weg dorthin sieht er in der Küche einen älteren Herren am Tisch sitzen, dem soeben eine riesige Schale mit Tropenfrüchten serviert wird. Als er vom Klo zurückkommt, fragt Yellow He ihn, ob er sie heiraten möchte. Er, völlig perplex, kann sein Glück kaum fassen und willigt ein. Wieder ein Schnitt. Ein Mann erfährt von einem Arzt, dass sein Vater im Sterben liegt, es gibt keine Hoffnung mehr. Er verlässt die Klinik und wird erschossen.

Zbynek Brynych hat auch schon in seinen bisherigen Beiträgen zur Serie immer wieder die Umwege, Abzweigungen und Sackgassen auf dem Weg zum Ziel gesucht, und „Yellow He“ ist in dieser Hinsicht wahrscheinlich bis zu diesem Zeitpunkt seine radikalste DERRICK-Arbeit. Es sind kaum noch zehn Minuten Spielzeit übrig, bis klar wird, wie die Geschichte um Yellow He mit dem Mordfall zusammenhängt und so schnell, wie Brynych die Episode dann abwickeln muss, ahnt man, dass ihn andere Dinge mehr interessiert haben. Schwierig zu beschreiben, was die Faszination ausmacht, die von dieser Folge ausgeht. Das Mysterium bündelt sich tatsächlich in der Figur der Frau mit dem eigenwilligen Spitznamen, über die man fast nichts erfährt, die aber dennoch alle Aufmerksamkeit auf sich zieht und es sichtlich genießt, ihre erotische Kraft wirken zu lassen. Sie ist ein verlockend oszillierender Farbtupfer im bundesrepublikanischen Braungrau, das Derrick und Klein in nahezu jeder Folge durchwaten müssen („Ich bin kein moralisierender Spießer“, sagt Derrick einmal). Auch hier gibt es sie wieder, die großbürgerlichen Bonzen mit ihren geschmacklosen Villen, die feinen Ehepaare, die nur noch die Etikette zusammenhält, die lustfremden Beziehungen, die armen Unterschichten-Tropfe, die von den Begüterten schamlos ausgenutzt werden, die Söhne, die von den Eltern ohne Rücksichtnahme auf ihre eigenen Interessen auf den Karrierepfad geführt werden.

„Yellow He“ steckt voller Tragik, unausgesprochener Wünsche und zerplatzter Träume, aber nichts davon wird jemals wirklich explizit. Sehr seltsam, aber durchweg magisch.

Wertung: *****/*****

27. Juni 1976: Ein Flugzeug der Air France wird von Mitgliedern der Volksfront zur Befreiung Palästinas und der deutschen Revolutionären Zellen auf dem Weg von Athen nach Paris entführt und über Libyen nach Uganda gebracht. Dort trennen die  Terroristen die israelischen und jüdischen Passagiere von den übrigen, lassen letztere frei und fordern mithilfe des ugandischen Herrschers Idi Amin (Yaphet Kotto) die Freilassung inhaftierter palästinensischer Freiheitskämpfer. Als alle Versuche, mit den Terroristen zu verhandeln, scheitern, leiten die Israelis „Operation Thunderbolt“ ein. Unter der Leitung von General Dan Shomron (Charles Bronson) überfällt ein Sonderkommando den Flughafen in Entebbe, um die Geiseln zu befreien …

Für das Fernsehen inszenierte der spätere THE EMPIRE STRIKES BACK-Regisseur Irvin Kershner diesen Film – offenkundig mit dem Ziel, die realen Ereignisse möglichst nüchtern zu protokollieren. So springt er zwischen dem Flughafenterminal in Entebbe, wo die Passagiere um ihr Leben bangen, und der Machtzentrale in Israel,  wo Regierungschef Rabin (Peter Finch) fieberhaft nach einer Lösung der Krise sucht, hin und her, bemüht sich, alle involvierten Parteien gleichermaßen zu berücksichtigen. Als dramaturgische Schablone dient Kershner das in den Siebzigerjahren reüssierende Genre des Katastrophenfilms, das eben jene Mischung aus spannenden, actiongeladenen und eher melodramatischen Sequenzen bietet, die auch RAID ON ENTEBBE auszeichnet. Für den human factor sind natürlich vor allem die Geiseln zuständig: Hier gibt es den väterlichen Vernunftmenschen Daniel Cooper (Martin Balsam), das frisch verheiratete Pärchen, das getrennt wird, das kleine Mädchen mit dem Hund und die alte Dame (Sylvia Sidney), deren eh schon angeschlagene Gesundheit arg in Mitleidenschaft gezogen wird. Die Verhandlungen in Israel bringen politischen Thrill, stehen aber vor allem für das Bemühen um  Seriosität. Hier werden alle Fürs und Widers einer militärischen Intervention abgewogen, darf Finch als Rabin mit sich ringen und sich die Haare raufen, um zu zeigen, welch große Verantwortung auf seinen Schultern lastet. Die Befreiungsaktion am Ende wird nicht allzu breit ausgewalzt: Es geht in dieser Actionsequenz nicht um die Freude an der Bewegung, sondern um Menschenleben: Da wird nicht gescherzt. Der Überfall geht ähnlich schnell und unspektakulär vonstatten wie das wohl auch in der Realität der Fall war. Die Niederlage, die das israelische Militär Idi Amin zufügte, war schmerzhaft, die öffentliche Blamage, die sie bedeutete, war der Anfang vom Ende seiner Regentschaft.

Der selbstverliebte Herrscher Ugandas ist dann auch die interessanteste Figur des Films. Seine drei, vier Auftritte durchbrechen die dramaturgische Tristesse und bringen den nötigen Wahnsinn und den Funken irren Humors; Elemente, die RAID ON ENTEBBE sonst schmerzlich vermissen lässt. Auch Kershner scheint von der Figur inspiriert worden zu sein: Amins ersten Auftritt sieht der Zuschauer durch eine Fernsehkamera, die seine Ansprache vor den Geiseln, denen er sich als freundlicher Gastgeber präsentiert, filmt: Der narzisstische Herrscher war immer sehr bestrebt, sich als Weltmann zu präsentieren und nutzte jede Gelegenheit, sich entsprechend staatstragend in Szene zu setzen. (Man schaue sich dazu Barbet Schroeders brillante Dokumentation THE GENERAL IDI AMIN DADA: A SELF-PORTRAIT an.) Auch in seinen weiteren Szenen reißt Kotto den Film mit seiner Darstellung in einer Weise an sich, die einen wünschen lässt, er hätte mehr Screentime bekommen: Man weiß nicht, ob man vor diesem falschen Hund Angst haben oder ihn aufgrund seines hoffnungslosen Größenwahns bemitleiden soll.

Sonst gibt es nicht allzu viel zu berichten: RAID ON ENTEBBE ist das US-amerikanische Gegenstück zu den überbudgetierten Historien-Eventstreifen, die auch fürs deutsche Fernsehen gern produziert werden, und zu dem Unterfangen, solche Ereignisse möglichst faktentreu nachzuerzählen habe ich mich schon anlässlich Fleischers TORA! TORA! TORA! ausgelassen: Filmisch und ästhetisch ist RAID ON ENTEBBE eine Nullnummer, die einzig durch die Vielzahl von Stars aufmerken lässt. Neben den bereits Genannten agieren Wolfgang Horst Buchholz als deutscher Terrorist, Jack Warden, John Saxon und James Woods aufseiten des Militärs, Robert Loggia als israelischer Politiker und Eddie Constantine als französischer Pilot. Außerdem scheint RAID ON ENTEBBE Pate für Menahem Golans THE DELTA FORCE gestanden zu haben (dieser Eindruck mag aber auch daher rühren, dass die diesem zugrunde liegende Flugzeugentführung und die Befreiung der Geiseln ganz ähnlich abgelaufen ist), der im direkten Vergleich unendlich viel unterhaltsamer ist. Dass ich RAID ON ENTEBBE in einer gut 30 Minuten kürzeren Fassung gesehen habe und mich trotzdem königlich gelangweilt habe, sagt wohl alles.