12. hofbauer-kongress: la curée (roger vadim, frankreich/italien 1966)

Veröffentlicht: Januar 8, 2014 in Film
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Es machte irgendwie Sinn, den letzten Kongresstag mit einem Film des großen Fetischisten und Frauenverehrers des europäischen Kinos zu beginnen. Nicht nur, weil der Hofbauer-Kongress eine Zelebrierung des Fetischs „Kino“ ist, sondern auch weil wieder viele der gezeigten Filme in ihrem Blick auf die Frau entschieden fetischistische Züge hatten. Ja, selbst DIE ANATOMIE DES LIEBESAKTES dürfte mit seinem klinisch-sterilen Bild von Sex den ein oder anderen Spezialisten besonders erfreut haben. Nun also Vadim und die Fonda in einem Film, dessen Originaltitel aus der Jägersprache kommt und dessen deutsche Übersetzung DIE BEUTE nicht ganz zutreffend ist. „La curée“, das ist jener Teil des erlegten Tieres, den man den Jagdhunden zur Belohnung hinwirft. (Zu verlockend wäre es, diesen Titel nicht nur auf die im Film gezeigten Ereignisse, sondern auch auf die Beziehung Vadims zu Jane Fonda speziell und den Frauen generell zu beziehen. Aber ich bin kein Vadim-Spezialist.)

Zuerst einmal wird aber ein junger Mann den Hunden zum Fraß vorgeworfen, zumindest beinahe: Es ist Maxim Saccard (Peter McEnery) und die Hunde gehören seinem Vater, dem erfolgreichen Unternehmer Alexandre (Michel Piccoli). Als Maxim ihn damit konfrontiert, dass sie ihn zerfleischt hätten, wäre er auf der Flucht hingefallen, antwortet der nur mitleidlos: „Echte Männer fallen nicht hin.“ Mit diesem nüchternen Blick auf das Faktische betrachtet er auch seine Ehe zu der jungen Renee (Jane Fonda): Sie ist ein Requisit in seinem Leben, ein hübscher Einrichtungsgegenstand, hervorragend geeignet zum Vorzeigen beim geschäftlichen Schaulaufen. Dass da keinerlei Gefühle zwischen ihnen sprießen, die Nächte in getrennten Schlafzimmern verbracht werden und auch sonst nichts geteilt wird, ist kein Anlass zur Diskussion. Doch die Langeweile, der die junge Frau in ihrem goldenen Käfig in Paris ausgesetzt ist, trägt bald Früchte: Renee geht eine Liebesbeziehung mit Maxim ein, seines Zeichens selbst ein gelangweilter Schnösel, der nicht so recht weiß, wohin mit sich, zumal es keinerlei Grund gibt, sich in irgendeine Richtung zu entwickeln. Er hat ja alles. Die beiden verlieben sich also wie zwei Kinder, die eben noch zusammen im Sandkasten gespielt haben und jetzt merken, dass da etwas entstanden ist zwischen ihnen, die plötzlich einem geheimnisvollen Sog erliegen, der sie fortspült. Den eigenen Vater zu betrügen, übt zumindest auf Maxim einen unwiderstehlichen Reiz aus, was den Zuschauer für eine feste Beziehung schon Schwarz sehen lässt. Doch Renee ist ganz die impulsive, ihren Gefühlen nachgehende und nachgebende Frau, die alles auf eine Karte setzt. Als sie sich von Alexandre scheiden lässt, dabei ihre gesamte Mitgift aufgibt – auch sie stammt aus reichem Hause – und Maxim mit ihrer Entscheidung konfrontiert, sieht man an seinem Blick, dass es aus ist. Die Jagd ist zu Ende und mit ihr auch der Adrenalinschub. Den Braten nun auf dem Teller serviert zu bekommen, darauf hat er keine besondere Lust. Der Film endet mit dem Blick auf die von einem Sprung in eine Teich vollkommen durchnässte Renee. Eben hat sie gesehen, wie „ihr“ Maxim sich mit der standesgemäßeren Anne (Tina Aumont) verlobt hat, verstanden, dass ihr Ehemann ihr alles genommen hat. Wie ein nur aus Höflichkeit hereingebetener, aber eigentlich nicht willkommener Gast sitzt sie nun in ihrem alten Fitnessraum, der schon jetzt aussieht wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten, während die männlichen Saccards unten ein gelungenes Geschäft feiern.

Zuerst hatte ich befürchtet, LA CURÉE könnte eine jener faden Ennui-Geschichten werden, in denen Mitleid mit reichen Leuten evoziert werden soll, weil ihr Leben doch so schrecklich oberflächlich und sinnlos ist. Aber Vadim schlägt sich sehr eindeutig auf die Seite Renees, die dem kaufmännischen, taktierenden Kalkül der Saccards einen optimistischen Idealismus und ihr Gefühl entgegensetzt – und sich damit zwangsläufig in eine Position begibt, in der sie ihnen hilflos ausgeliefert ist. Kann man es ihr verdenken, dass sie alles auf eine Karte setzt? Die niederdrückende Atmosphäre, die in der mit barocken Ausstellungststücken und geschmacklosen neureichen Entgleisungen eingerichteten Villa herrscht, verfliegt nur kurz einmal, als Renee und Maxim für ein gemeinsames Wochenende in die Pyrenäen fahren, aber auch dort kündigt die nasskalte Herbstatmosphäre schon das bevorstehende Ende an.

Formal macht Vadim sich in LA CURÈE mit seiner sinnlichen, aber keineswegs überbordenden, eher dunkel gehaltenen Farbpalette hingegen mit den Saccards gemein, sperrt die blonde Amerikanerin auch bildlich ein. Die grenzenlose Naivität, die Jane Fonda als Renee zur Schau trägt, wurde in der Sexutopie BARBARELLA noch heldenhaft überhöht, hier macht sie sie zur einfachen Beute für einen eiskalten Michel Piccoli, der ganz gewiss auch einen ausgezeichneten – wenn auch etwas neben der Spur liegenden – Dracula abgegeben hätte. Die Abgebrühtheit, mit der er die junge Frau an den existenziellen Abgrund führt, lässt einem einen Schauer über den Rücken laufen, und erinnert durchaus an die Verführungskünste des Vampirgrafen. Und so sitzt auch die Fonda am Ende da, wie eine seiner ausgesaugten, nur noch als Schatten durch sein Schloss laufenden Dienerinnen.

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