Dr. Dan Potter (Dwight Schultz) tritt seine neue Stelle als Arzt in der Nervenheilanstalt Haven als Ersatz für einen aus dem Amt geschiedenen Vorgänger an. Dieser hatte sich sehr gut mit den vier prominentesten Patienten des Hauses – dem psychopathischen Frank Hawkes (Jack Palance), dem ehemalige Priester und Brandstifter Byron Sutcliff (Martin Landau), dem Kinderschänder Ronald „Fatty“ Elster (Erland van Lidth) und dem als „Bleeder“ bekannten Serienmörder Skaggs – verstanden, die nun glauben, Potter habe bei dessen Ausscheiden seine Finger im Spiel gehabt. Als ein Stromausfall die Sicherheitsvorkehrungen der Klinik lahmlegt und die gesamt Umgebung im Chaos versinkt, brechen die Vier aus, um Potter und seiner Familie einen Besuch abzustatten …
ALONE IN THE DARK ist Jack Sholders Spielfilmdebüt und direkt ein Volltreffer, der allerdings auf ungünstige Marktbedingungen stieß: Das Horrorpublikum war ganz auf die damals populären Slasherfilme gepolt (eine Szene setzte den Film ungünstiger- und unabsichtlicherweise sogar in direkte Konkurrenz zum Jason-Franchise, das unpassende Postermotiv suggerierte einen gänzlich anderen Film) und konnte mit Sholders intelligenter Mischung aus schwarzem Humor, finsterem Psychothriller und einem an NIGHT OF THE LIVING DEAD oder auch ASSAULT ON PRECINT 13 erinnernden Belagerungsszenario nicht viel anfangen. Schade, denn ALONE IN THE DARK zählt locker zu den originellsten und spannendsten amerikanischen Horrorfilmen seiner Dekade. Der bizarre Humor Sholders hebelt den im Vergleich zu den Umtrieben eines Jason Voorhees sehr realen Horror nie aus, wie das so oft bei Horrorkomödien der Fall ist, sondern unterstützt diesen sogar noch: Mit Antritt seiner neuen Stelle verlässt Potter auch die so genannte Normalität und tritt stattdessen ein in eine Welt, die nach ganz eigenen Gesetzen funktioniert. Sein Vorgesetzter, Dr. Leo Bain (großartig: Donald Pleasence), unterscheidet sich in seinem exzentrischen Gehabe und seinen eigenwilligen bis fragwürdigen Methoden kaum von den Menschen, die er behandeln soll, die Angst vor einem Super-GAU hält die Bevölkerung New Jerseys in Atem (wenige Jahre zuvor gab es einen Kernschmelzunfall im dortigen Kernkraftwerk Three Mile Island, auf den auch Bezug genommen wird) und der unfreiwillige Besuch eines Punkrock-Konzerts muss im biederen Potter den Eindruck, der einzig Normale auf einer aus den Fugen geratenen Welt zu sein, noch verstärken. Dieses Gefühl der Isolation fängt Sholder perfekt ein, indem er seinen Film stets in einem irritierenden Schwebezustand hält, nichts „erklärt“, auch noch die absurdesten Anwandlungen etwa Dr. Bains unkommentiert lässt und seine vier Schurken nur mit einem Minimum an Backstory ausstattet. Alles ist merkwürdig schräg und abseitig, ohne aber vollkommen irre zu sein, also gerade so viel, dass man wie Potter beginnt, am eigenen Verstand zu zweifeln, anstatt den Wahnsinn der anderen definitiv konstatieren zu können. Als Zuschauer kommt man so gar nicht umhin, sich mit Potter zu identifizieren, und wenn dieser sich im letzten Drittel des Films mit seiner Familie in seinem Haus verbarrikadiert, so ist das nur die äußerste bildliche Konkretion einer Isolation, die der ganze Film zuvor schon thematisiert hat. Das Sahnehäubchen auf diesem feinen Film ist natürlich die Leistung der drei Schauspielveteranen Palance, Landau und Pleasence, die ihre Rollen mit viel Schmackes interpretieren, aber dennoch den feinen Grat zwischen krachendem Overacting und wünschenswerter Expressivität wahren, auf dem sich der ganze Film bewegt und dem er seinen Reiz in entscheidendem Maße verdankt. In der englischen Sprache gibt es das schöne Wort „off-kilter“, das auf ALONE IN THE DARK passt wie die Faust aufs Auge. Ich wüsste nicht, wie man das im Deutschen ähnlich treffend beschreiben könnte.
Jack Sholder ist mit ALONE IN THE DARK ein Einstand nach Maß geglückt und das Niveau konnte er auch für seine nächsten Filme halten: Sein NIGHTMARE ON ELM STREET–Sequel ist eines der eigenwilligsten und interessantesten Sequels überhaupt (oder aber ein sehr schwacher Freddy-Krueger-Film, das hängt von der Perspektive ab) und von einem ähnlich eigenwilligen Humor geprägt, THE HIDDEN ist für mich einer der schönsten Genrefilme der Achtzigerjahre und seinen Buddy-Film RENEGADES würde ich gern mal wieder sehen. In den Neunzigern ging es aus unerfindlichen Gründen bergab: 12:01 war auf Video meines Wissens noch recht erfolgreich in Deutschland, danach verschlug es ihn in den Sumpf aus Fernsehproduktionen (u. a. inszenierte er für die TALES FROM THE CRYPT-Reihe) und DTV-Horrorsequels. In seinem WISHMASTER-Sequel findet man noch Spureneemente seines ebesno exzentrischen wie feinen Humors, der ihn immer auszeichnete und den ich in der gegenwärtigen Filmlandschaft sehr vermisse.