Archiv für Juli, 2010

Dr. Dan Potter (Dwight Schultz) tritt seine neue Stelle als Arzt in der Nervenheilanstalt Haven als Ersatz für einen aus dem Amt geschiedenen Vorgänger an. Dieser hatte sich sehr gut mit den vier prominentesten Patienten des Hauses – dem psychopathischen Frank Hawkes (Jack Palance), dem ehemalige Priester und Brandstifter Byron Sutcliff (Martin Landau), dem Kinderschänder Ronald „Fatty“ Elster (Erland van Lidth) und dem als „Bleeder“ bekannten Serienmörder Skaggs – verstanden, die nun glauben, Potter habe bei dessen Ausscheiden seine Finger im Spiel gehabt. Als ein Stromausfall die Sicherheitsvorkehrungen der Klinik lahmlegt und die gesamt Umgebung im Chaos versinkt, brechen die Vier aus, um Potter und seiner Familie einen Besuch abzustatten …

ALONE IN THE DARK ist Jack Sholders Spielfilmdebüt und direkt ein Volltreffer, der allerdings auf ungünstige Marktbedingungen stieß: Das Horrorpublikum war ganz auf die damals populären Slasherfilme gepolt (eine Szene setzte den Film ungünstiger- und unabsichtlicherweise sogar in direkte Konkurrenz zum Jason-Franchise, das unpassende Postermotiv suggerierte einen gänzlich anderen Film) und konnte mit Sholders intelligenter Mischung aus schwarzem Humor, finsterem Psychothriller und einem an NIGHT OF THE LIVING DEAD oder auch ASSAULT ON PRECINT 13 erinnernden Belagerungsszenario nicht viel anfangen. Schade, denn ALONE IN THE DARK zählt locker zu den originellsten und spannendsten amerikanischen Horrorfilmen seiner Dekade. Der bizarre Humor Sholders hebelt den im Vergleich zu den Umtrieben eines Jason Voorhees sehr realen Horror nie aus, wie das so oft bei Horrorkomödien der Fall ist, sondern unterstützt diesen sogar noch:  Mit Antritt seiner neuen Stelle verlässt Potter auch die so genannte Normalität und tritt stattdessen ein in eine Welt, die nach ganz eigenen Gesetzen funktioniert. Sein Vorgesetzter, Dr. Leo Bain (großartig: Donald Pleasence), unterscheidet sich in seinem exzentrischen Gehabe und seinen eigenwilligen bis fragwürdigen Methoden kaum von den Menschen, die er behandeln soll, die Angst vor einem Super-GAU hält die Bevölkerung New Jerseys in Atem (wenige Jahre zuvor gab es einen Kernschmelzunfall im dortigen Kernkraftwerk Three Mile Island, auf den auch Bezug genommen wird) und der unfreiwillige Besuch eines Punkrock-Konzerts muss im biederen Potter den Eindruck, der einzig Normale auf einer aus den Fugen geratenen Welt zu sein, noch verstärken. Dieses Gefühl der Isolation fängt Sholder perfekt ein, indem er seinen Film stets in einem irritierenden Schwebezustand hält, nichts „erklärt“, auch noch die absurdesten Anwandlungen etwa Dr. Bains unkommentiert lässt und seine vier Schurken nur mit einem Minimum an Backstory ausstattet. Alles ist merkwürdig schräg und abseitig, ohne aber vollkommen irre zu sein, also gerade so viel, dass man wie Potter beginnt, am eigenen Verstand zu zweifeln, anstatt den Wahnsinn der anderen definitiv konstatieren zu können. Als Zuschauer kommt man so gar nicht umhin, sich mit Potter zu identifizieren, und wenn dieser sich im letzten Drittel des Films mit seiner Familie in seinem Haus verbarrikadiert, so ist das nur die äußerste bildliche Konkretion einer Isolation, die der ganze Film zuvor schon thematisiert hat. Das Sahnehäubchen auf diesem feinen Film ist natürlich die Leistung der drei Schauspielveteranen Palance, Landau und Pleasence, die ihre Rollen mit viel Schmackes interpretieren, aber dennoch den feinen Grat zwischen krachendem Overacting und wünschenswerter Expressivität wahren, auf dem sich der ganze Film bewegt und dem er seinen Reiz in entscheidendem Maße verdankt. In der englischen Sprache gibt es das schöne Wort „off-kilter“, das auf ALONE IN THE DARK passt wie die Faust aufs Auge. Ich wüsste nicht, wie man das im Deutschen ähnlich treffend beschreiben könnte.

Jack Sholder ist mit ALONE IN THE DARK ein Einstand nach Maß geglückt und das Niveau konnte er auch für seine nächsten Filme halten: Sein NIGHTMARE ON ELM STREETSequel ist eines der eigenwilligsten und interessantesten Sequels überhaupt (oder aber ein sehr schwacher Freddy-Krueger-Film, das hängt von der Perspektive ab) und von einem ähnlich eigenwilligen Humor geprägt, THE HIDDEN ist für mich einer der schönsten Genrefilme der Achtzigerjahre und seinen Buddy-Film RENEGADES würde ich gern mal wieder sehen. In den Neunzigern ging es aus unerfindlichen Gründen bergab: 12:01 war auf Video meines Wissens noch recht erfolgreich in Deutschland, danach verschlug es ihn in den Sumpf aus Fernsehproduktionen (u. a. inszenierte er für die TALES FROM THE CRYPT-Reihe) und DTV-Horrorsequels. In seinem WISHMASTER-Sequel findet man noch Spureneemente seines ebesno exzentrischen wie feinen Humors, der ihn immer auszeichnete und den ich in der gegenwärtigen Filmlandschaft sehr vermisse.

Biotek Agriculture, ein modernes Forschungszentrum im amerikanischen Mittelwesten, soll eigentlich an der genetischen Veränderung von Tomaten, Kartoffeln und anderen Nutzpflanzen arbeiten. Doch das ist nur Fassade: Hinter den Mauern entsteht ein biologischer Kampfstoff, der normale Zivilbürgern in rasende Bestien verwandelt. Durch eine Unachtsamkeit tritt der Kampfstoff aus und die Sicherheitsbeamtin Joanie Morse (Kathleen Quinlan) trifft sofort alle nötigen Vorkehrungen: Sie schottet das Gebäude ab und sperrt die verdutzten Wissenschaftler darin ein. Draußen treffen indes die zuständigen Regierungskräfte unter der Leitung von Major Connolly (Yaphet Kotto) ein und stellen fest, dass die von der Chemikalie Befallenen mitnichten tot, sondern zu amoklaufenden Mördern mutiert sind.  Joanies Ehemann, Sheriff Cal Morse (Sam Waterston), beschließt daraufhin, gemeinsam mit dem ehemaligen Biotek-Wissenschaftler Fairchild (Jeffrey DeMunn) in das Gebäude einzudringen, um seine Ehefrau zu retten …

Das Subgenre des Seuchenfilms ist – auf der Schwelle zwischen Katastrophenfilm, Science Fiction und Horror situiert – inhaltlich bereits ziemlich festgefahren und erfährt eigentlich nur noch kleinere Updates, die sich vor allem auf die Art der Bedrohung, die dem jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft angepasst wird, und ihre filmische Darstellung beschränken. So half Danny Boyle mit seinem Seuchenfilm 28 DAYS LATER, der mit entfesselter Handkamera und einer rohen ungeschliffenen Videoästehtik daherkam, entscheidend mit, das aus der Taufe zu heben, was man heute gemeinhin als Terrorfilm bezeichnet und was nun schon seit einigen Jahren den Status quo des Horrorfilms darstellt. Ästhetisch gibt es zwischen Boyles Film und etwa Wolfgang Petersens OUTBREAK kaum eine Schnittmenge, trotzdem gehören beide zum selben Genre. Letzterer ist als großbudgetierter Wissenschaftsthriller inszeniert, der die Seuchenfilmschablone für ein stargespicktes Hollywoodvehikel instrumentalisiert, das zwar von allem etwas bietet – etwas Kritik an Militär, Politik und Wissenschaft, etwas apokalyptischer Prämilenniums-Angst, etwas tragische Liebesgeschichte, etwas tränentreibendes Drama, etwas affirmative Heldenerzählung -, aber  dafür nichts so richtig. WARNING SIGN ist auf den ersten Blick ebenfalls kaum mehr als ein vergleichsweise harmloser Thriller, eher Katastrophen- als Horrorfilm, gediegen um die ganz abscheulichen Bilder drumruminszeniert und insofern zumindest formal näher an Petersen als an Boyle, dessen Film er aber dafür inhaltlich vorwegzunehmen scheint. Und das ist dann auch das Moment, an dem WARNING SIGN aller vordergründiger Durchschnittlichkeit zum Trotz nicht uninteressant, ja geradezu merkwürdig ist. 

Barwood inszeniert seine eigentlich ziemlich finstere Geschichte nämlich in geradezu fröhlichen, sonnigen Farben (er wechselte später passenderweise in die Videospiel-Branche), mit dezenten Humoreinsprengelsen und ohne die formalen Affektstrategien Danny Boyles, der seine Zuschauer damit selbst zu den Opfern eines Amoklaufs machte. In WARNING SIGN wird hingegen ein beinahe „objektiver Blick“ auf die dramatischen Geschehnisse innerhalb des abgeriegelten Laborgebäudes geworfen, einer, der dem Zuschauer die Distanz ermöglicht und dafür sorgt, dass er von der Seuche nur mittelbar über die Identifikation mit den Protagonisten affiziert wird. Auch heftige Splattereffekte oder eine allzu grafische Ausmalung der Auswirkungen des Kampfstoffes sucht man vergebens und die meisten der Amokläufer werden am Ende dann auch per Injektion wieder besänftigt; ein Happy End, sofern man in diesem Genre davon sprechen kann. WARNING SIGN darf also beinahe schon als Familienunterhaltung durchgehen und das ist eben schon bemerkenswert: dass ein Film um den Ausbruch eines heimlich (und illegal!) gefertigten Kampfstoffes, der Menschen in blutgierige Bestien verwandelt, so zahm daherkommen kann, keine erhebliche Freude daran findet, dieses Szenario in saftigem Blutrot auszumalen und seine Zuschauer auf eine filmische Tour de Force zu schicken. Mehr als dies negativ auf ein Unvermögen des Regisseurs oder das Bestreben des Studios, ihre Produktion einem größtmöglichen Zuschauerkreis zugänglich zu machen, zu schieben, scheint mir dies aber durchaus positiv wendbar zu sein: Barwood vertraut eben darauf, dass seine Geschichte und die Implikationen seiner Bilder allein den gewünschten Effekt beim Zuschauer erzielen, nämlich Unbehagen gegenüber dem unsichtbaren Treiben von Wissenschaft und Politik, die Furcht vor dem, was daraus für Bedrohungen erwachsen könnten, und Mitleid mit den Betroffenen zu erzeugen. Dass diese Transferleistung von einem heutigen Zuschauer, der es gewohnt ist, von der Leinwand aus bombardiert zu werden, nur noch schwer zu erbringen ist, ist wohl eher als Symptom einer gewissen Desensibilisierung zu werten, denn als Versagen der Filmemacher.

WARNING SIGN hat mein Leben gewiss nicht verändert, aber ich habe ihn als rundum sympathisch empfunden. Wohl auch, weil Filme dieser Art heute nur noch selten so unaufgeregt und bescheiden daherkommen. (Und den deutschen Verleihtitel WARNZEICHEN GEN-KILLER finde ich einfach nur knorke.)

Als die vielfache Mörderin Katherine White (Martine Beswick) hingerichtet wird, begibt sich eine Reporterin nach Oldfield, den Heimatort der Verbrecherin, um dort weitere Recherchen anzustellen. In der Bibliothek trifft sie auf Julian White (Vincent Price), den Onkel der Verblichenen, der fest davon überzeugt ist, dass es der Ort Oldfield selbst sei, der seine Einwohner zu Bösem verleite. Einige Geschichten aus der Chronik der Stadt sollen seine These belegen: 1. Der biedere Angestellte Stanley Burnside (Clu Gulager) macht seiner Kollegin Avancen, bringt sie um, als er abgewiesen wird, und vergeht sich schließlich an ihrem Leichnam. Neun Monate später erhält er unerwarteten Besuch. 2. Der Ganove Jesse Hardwick (Terry Kiser) schleppt sich mit einer Schussverletzung in die Sümpfe, wo er von Felder Evans (Harry Caesar) gesund gepflegt wird. Der Alte kennt darüber hinaus das Geheimnis des ewigen Lebens und Hardwick will um jeden Preis daran teilhaben. Das geht für ihn nicht gut aus. 3. In einer Kirmes-Freakshow tritt der Glas- und Metallfresser Arden (Ron Brooks) auf. Wie das gesamte Personal steht er unter dem Bann einer Zauberin (Rosalind Cash), der ihn mit dem Leben an sie bindet. Als er mit einer Geliebten durchbrennt, trifft ihn die Rache der Geprellten hart und blutig. 4. Vier Soldaten der Südstaaten (unter ihnen Cameron Mitchell) wandern orientierungslos durchs Land, ohne zu wissen, dass der Krieg längst vorbei ist. Im zerstörten Oldfield werden sie von einer Bande Waisenkinder gefangen genommen, die sich für die Verbrechen der Erwachsenen bitter rächen …

FROM A WHISPER TO A SCREAM ist auch unter dem Titel THE OFFSPRING (zu deutsch: DIE NACHT DER SCHREIE) bekannt und dürfte wohl nicht nur Jeff Burrs bester Film bis zu seinem fulminanten STRAIGHT INTO DARKNESS sein, sondern auch einer der schönsten Horror-Episodenfilme überhaupt. Die Mischung aus deftigem Achtzigerjahre-Splatter und altmodischem Grusel gelingt dank der guten Darsteller, der stimmungsvollen Gestaltung, der abseitig-abgründigen Geschichten und der Effektarbeit von Rob Burman (u. a. verantwortlich für die FX von THE THING) hervorragend und bietet 100 Minuten gruselige Unterhaltung bis zum leider etwas unbeeindruckenden Schlussgag. In der Rahmenhandlung bleibt also etwas Luft nach oben, was aber durch die bloße Präsenz von Vincent Price, dem ich auch dann noch stundenlang zuhören würde, wenn er den Wetterbericht verläse, mehr als wettgemacht wird. Die Episoden selbst laufen nicht immer auf einen großen, den Rest überschattenden Clou hinaus, sind insgesamt sehr rund und funktionieren tatsächlich wie kleine Kurzfilme, was bei solchen Anthologien durchaus nicht immer der Fall ist: Die erste Episode bietet Einblick in ein dem Wahnsinn entgegendriftendes Seelenleben, der nur durch den schwarzhumorigen Einschlag und den gegen Ende vollzogenen Sprung ins Fantastische etwas abgemildert wird, ansonsten für einen solchen Film aber doch recht unangenehm daherkommt und durchaus Vergleiche mit ernsteren Vertretern des Serienmörderfilms zulässt. Episode 2 erinnert noch am ehesten an die moralischen Gruselgeschichten aus den EC-Comics, liefert aber ein heftiges Schlussbild, das seine Wirkung bei mir gestern nicht verfehlt hat. Brrr! Episode 3 ist die schwächste und auch kürzeste Episode, der man deutlich anmerkt, dass sie eigentlich nur auf den Splattereinfall am Schluss hin konstruiert wurde, der die Sache aber dann auch wirklich wert ist. Da fliegen sprichwörtlich die Fetzen! Abgeschlossen wird der Film mit der anspruchsvollsten und emotional involvierendsten Folge, die Assoziationen zu etwa Stephen Kings CHILDREN OF THE CORN zulässt und auch schon Ideen aus STRAIGHT INTO DARKNESS vorwegnimmt. Weiß man zudem, dass Burrs erster Spielfilm, DIVIDED WE FALL, sich ebenfalls mit dem amerikanischen Bürgerkrieg auseinandersetzte, so scheint man es hier beinahe mit so etwas wie einem kleinen Schlüsselwerk zu tun zu haben. Das Ende dieser vierten Episode bildet mit seiner unmissverständlichen Aussage eigentlich den perfekten Schluss für FROM A WHISPER TO A SCREAM, der aber qua Konvention natürlich noch einmal zu seiner Rahmenhandlung kommen muss, deren Schlussgag dem Film wie erwähnt leider nichts Nennenswertes hinzufügen kann. Das macht aber nix, FROM A WHISPER TO A SCREAM ist ein Episodenfilm, der dem Genrefreund das Herz aufgehen lassen wird und daher eine dringende Sichtungsempfehlung von mir erhält.

Irgendwo in Europa im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs: Nach einem tödlichen Zwischenfall in einem Minenfeld können die amerikanischen Deserteure Losey (Ryan Francis) und Deming (Scott MacDonald) der Militärpolizei entkommen. Ohne zu wissen, wo sie sind, und ohne Möglichkeit, sich zu orientieren, wandern sie durch die unwirkliche Winterlandschaft, treffen auf verstörte Opfer des Krieges und zerbombte Ortschaften. Das leerstehende Haus, in dem sie Unterschlupf finden, entpuppt sich als Heim eines Lehrerehepaars (David Warner & Linda Thorson) und ihrer Schüler: Waisen- und kriegsversehrte Kinder, die von den beiden zu einer schlagkräftigen Guerillaarmee ausgebildet wurden. Die beiden Soldaten ernten zunächst nur Misstrauen, doch als plötzlich ein Battalion Nazis vor der Tür steht, müssen sich die beiden Parteien zusammenraufen …

Ich kann kaum sagen, wie sehr ich mich diesen Film gefreut habe. Er ist mir durch bloßen Zufall in die Hände gefallen, ich wusste nichts von ihm und wäre sehr wahrscheinlich über ihn hinweggegangen, wenn mir nicht der Name „Jeff Burr“ ins Auge gefallen wäre. Jeff Burr ist Vielen wahrscheinlich kein Begriff, ich mag ihn sehr gern, umso mehr, weil nur sehr selten die typischen Lobeshymnen auf ihn angestimmt werden, und dass, obwohl er doch überwiegend in einem Genre tätig war, dessen Fans alles Mögliche zu fragwürdigem Kultstatus erheben. Burr zeichnete in den Achtzigern und Neunzigern für einige Horrorfilme und -sequels verantwortlich, die allesamt und keineswegs selbstverständlich sehr ordentlich gerieten (THE OFFSPRING, STEPFATHER 2, PUMPKINHEAD 2, PUPPET MASTER 4 & 5, NIGHT OF THE SCARECROW), aber natürlich kein Stoff waren, mit dem man sich selbst als Künstler verwirklichen kann oder aus dem der Weltruhm gemacht ist. Das Fiasko mit LEATHERFACE – der leider nie das werden durfte, was er werden sollte (und trotzdem besser ist als sein Ruf) -, beendete für ihn größere Hollywood-Ambitionen. STRAIGHT INTO DARKNESS hat Jeff Burr zu einem nicht unbeträchtlichen Teil selbst finanziert. Es ist der Film, den er machen wollte, und in den ihm kein Studio, kein Marketingexperte und kein Produzent reingeredet hat. Es ist ein Herzensprojekt und das sieht man dem Film, der unter misslichen Bedingungen in Rumänien mit einer rumänischen Crew gedreht wurde, in jeder Sekunde an. STRAIGHT INTO DARKNESS wird stärker als durch eine Handlung durch ein Gefühl, eine Vision, eine Ästhetik, eine Atmosphäre zusammengehalten, die ihm eine starke Präsenz verleihen, die aber paradoxerweise kaum greifbar ist. Und gerade das passt zu diesem Kriegsfilm, der auf den Spuren des Horrorfilms wandert, ausgezeichnet, lässt ihn zu etwas anwachsen, dass das rein Materielle transzendiert. Wie für die beiden Protagonisten, für die die Wanderung durch fremdes Kriegsgebiet sich in eine Wanderung in die Abgründe der eigenen Seele verwwandelt und eine Konfrontation mit eigenen Ängsten und Erinnerungen bedeutet, die erst zum Schluss, wenn die beiden dann tatsächlich einmal für die gute Sache gekämpft haben, einen Sinn erhalten. Die visuelle Gestaltung von STRAIGHT INTO DARKNESS ist herausragend – die unwirklichen, dunkelromantischen Settings in den Karpathen werden vom rumänischen DoP Viorel Sergovici perfekt eingefangen – und trägt gemeinsam mit dem minimalistischen Score von Michael Convertino und den bei einer solchen kleinen Produktion zwangsläufg etwas ungeschliffenen Kanten zur dichten Stimmung des Films bei.  

Man liest es meinem Text vielleicht an: Ich weiß noch nicht genau, was ich sagen soll, wie ich meine Begeisterung adäquat in Worte fassen kann. Auch interpretatorisch kann ich mich dem Film nach einer Sichtung überhaupt nicht annähern, allerhöchstens Allgemeinplätze formulieren. Der Film verschließt sich förmlich vor einer Vereinnahmung durch schlaue Worte. Was von ihm bleibt, ist vor allem dieses schöne und seltene Gefühl, bei einer Filmsichtung tatsächlich gespürt zu haben, dass alle Beteiligten ihr Allerbestes in die Wagschale geworfen haben, weil sie an den Film glaubten. Und so wird der Film vor den eigenen Augen lebendig, nimmt einen gefangen, ganz und gar. Man nimmt Anteil am Traum des Filmemachers und seiner Crew und für die 90 Minuten Spielzeit gibt es nichts anderes mehr. Es ist einfach nur schön, dass es so etwas gibt.

Detective Jon Chance (Lawrence Hilton-Jacobs) ist für seine eigenwilligen Methoden bekannt, die seinen Vorgesetzten meist verzweifeln lassen, ihn andererseits aber auch für besonders schwierige Fälle prädestinieren. Als ein paar Mafiosi die Tochter eines Millionärs und deren Freund entführen, wendet sich das FBI deshalb an Chance. Weil der für die geplante Lösegeldübergabe einen zuverlässigen Partner braucht, überredet er seinen ehemaligen Captain John Wilkes (William Smith) dazu, ihm zu helfen. Der hat sich zwar eigentlich mit seiner Frau und dem indianischen Hausfreund Bear (Jastereo Coviare) in den Bergen zur Ruhe gesetzt, verspürt aber immer noch dieses Jucken in den Fingern. Natürlich geht bei der Übergabe alles schief: Die Mafiosi spielen ebensowenig nach den vereinbarten Regeln wie die im Hinterhalt lauernden FBI-Männer und Wilkes verliert im daraus resultierenden Chaos sein Leben. Chance wird als der Schuldige ausgemacht und quittiert daraufhin wütend den Dienst. Doch der Millionärspapa glaubt immer noch, dass Chance der richtige Mann ist, um seine Tochter zu retten. Gemeinsam mit Bear wagt Chance einen neuen Versuch  …

L.A. VICE ist einer der frühen Filme der im Jahr 1989 an den Start gegangenen Produktionsfirma PM Entertainment und weist als solcher weder die recht hohen Production Values auf, die PM-Produktionen ab ca. Mitte der Neunzigerjahre auszeichneten, noch deren typische Ästhetik, die sie aus dem DTV-Einerlei herausstechen ließ und ihnen eine hohen Wiedererkennungswert verlieh. L.A. VICE sieht vor allem billig aus; ein Eindruck, der in der von mir gesehenen deutschen Fassung noch durch die Synchronisation unterstrichen wird, die zwar mit einigen namhaften Sprechern aufwarten kann (Chance etwa wird von Don Johnsons Stimme Reent Reins gesprochen), diese aber zum Teil ziemlich blöd klingende Dialogzeilen ablesen lässt. (Inwiefern diese Synchro den Eindruck des Films wesentlich beeinflusst oder gar verfälscht, darüber kann ich hier nur spekulieren, weswegen ich der Einfachheit halber davon ausgehe, dass sie dem Geist des Films entspricht.) Während Pepin und Merhi später ordentlich auf die Tube drücken sollten und entweder von Explosionen, Shoot-Outs und Verfolgungsjagden geprägte Actioner oder aber Science-Fiction-Stoffe um Cyborgs und Aliens ablieferten, präsentiert sich L.A. VICE als kleiner, eher unspektakulärer Copfilm, der keinerlei eigene Ideen aufweist, aber gerade in seiner unambitionierten Klischeehaftigkeit sehr ehrlich rüberkommt und so den Blick für die Eigenheiten des Genres öffnet. Die Unbedarftheit, mit der etwa Chance als idealtypischer „Bulle, der am Rande der Legalität arbeitet“, gezeichnet wird, mutet nahezu infantil an (so, als ob Kinder das Drehbuch nach Sichtung zu vieler schlechter Copfilme geschrieben hätten), ist aber wiederum von äußerster Konsequenz. Was im großen Hollywood-Actioner etwa durch die Feinheiten der Inszenierung, die Geschliffenheit der Oberfläche oder die Anwesenheit von Stars geschönt wird, das erscheint hier in seiner ganzen unverblümten Hässlichkeit. Als Chance drei Vergewaltiger auf frischer Tat ertappt und diese ohne jede Not aus kürzester Distant einfach abknallt, geht dieser Tat jegliche Verwegenheit oder gar Coolness ab, man kann ob ihrer völligen Kontext- und Skrupellosigkeit nur noch staunen.    

Überhaupt dieser Chance. Er ist vielleicht das einzige Alleinstellungsmerkmal dieses Films. Ein schwarzer Cop, dessen Hautfarbe interessanter- und ungewöhnlicherweise kein einziges Mal thematisiert wird, der aber auch nicht mit den aus dem Blaxploitationfilm bekannten klischierten Eigenschaften des „Schwarzen“ ausgestattet wird. Das sollte zum Ende des 20. Jahrhunderts eigentlich der Regelfall und nicht weiter der Rede wert sein, ist aber tatsächlich eine absolute Ausnahme. Mir fällt jedenfalls auf Anhieb kein einziger Film ein, in dem ein schwarzer Held nicht explizit als Schwarzer dargestellt würde, in dem er nicht in deutlichem Kontrast zu einem Weißen stünde oder aber entweder als respektlose Quasselstrippe oder als viriler Supermacho gezeichnet würde. Hier wäre es dann doch interessant, nach der Originalfassung des Films Ausschau zu halten, um zu prüfen, ob sich Spuren einer solchen Darstellung im O-Ton finden, zumal die Tatsache, dass Chance ein Indianer zur Seite gestellt wird, den Verdacht erhärtet, dass es sich hier nicht um einen Zufall handelt. Allerdings muss man einräumen, dass eben dieser Bear den Rassismus, den L.A. VICE in der Darstellung des Chance vermieden hat, dann doch durch die Hintertür hereinlässt (die italienischen Mafiosi verzeihe ich dem Film mal): Bear wird als gutmütiger, aber weltfremder Naturbursche gezeichnet, dessen Unkenntnis nicht suggeriert, er habe bislang in den Bergen bei einem aus der Stadt kommenden Pärchen gelebt, sondern käme geradewegs von einem anderen Planeten nach Los Angeles. Diese Zeichnung scheint mir aber nicht auf eine Herabwürdigung der Indianer abzuzielen, sondern vielmehr als Katalysator für eine sich daran anknüpfende Diskussion über die Schattenseiten des Großstadtlebens und eine Gleichsetzung des Großstadtdschungels mit der „echten“ Wildnis – ebenfalls ein Standard des Genres, der hier denkbar unbedarft abgehandelt wird. Wie Bear in der holprigen Prosa der deutschen Synchro sagt: „Der einzige Unterschied zwischen Stadt und Wildnis sind Dreck und Beton.“

Um zum Fazit zu kommen: L.A. VICE ist für sich genommen nicht besonders aufregend, als Genrefan mag ich diese kleinen, schmuddeligen Filme aber unheimlich gern, weil sie viel Charisma haben und die Unzulänglichkeiten des Lebens mit ihren eigenen Unzulänglichkeiten nahezu perfekt abbilden. Hier laufen Verbrechen und Verbrechensbekämpfung nicht mit der Perfektion akribisch gefertigter Uhrwerke ab, sondern haben viel knirschenden Sand im Getriebe. Ich finde das einfach schön.

Die „Spirits“, eine Motorradgang, wollen eigentlich nur ihren Traum von der Freiheit ausleben, kommen dabei aber immer wieder mit der Polizei in Konflikt, denen diese libertinären Bestrebungen – zusammen mit dem Erscheinungsbild der Rocker – ein Dorn im Auge sind. Als einer der Polizisten ein Mädchen aus dem Dunstkreis der „Spirits“ vergewaltigt, die Tat den Bikern in die Schuhe schiebt, dem erschütterten Vater suggeriert, dass er keine Chance habe, mit juristischen Mitteln zum Erfolg zu kommen, und das einzig effektive Mittel die Selbstjustiz sei, geht die blutige Hatz auf die Gang los, die plötzlich einer nach dem anderen von einem unsichtbaren Schützen weggemäht werden. Die Biker bewaffnen sich ihrerseits und so kommt es auf einem abgeschiedenen Friedhof zum großen Showdown …

Man kann drei Hauptstränge aus dem übersichtlichen Genre des Bikerfilms herausfiltern: Der erste, den ich mal als derivativen Bikerfilm bezeichnen und mit dem ich mich hier nicht weiter beschäftigen möchte, ist an den Bikern ausschließlich vordergründig interessiert, sieht in den Gangs vor allem ein reizvolles Sujet für ansonsten eher unspezifische Action. In den beiden anderen Strängen wird der Biker entweder als Freigeist idealisiert, der an einer intoleranten Gesellschaft scheitert, die in ihm nur den verfilzten Rowdy sieht (siehe etwa EASY RIDER), oder aber an ihm wird exemplarisch dargelegt, warum der in den späten Sechzigerjahren erblühte Traum von der Freiheit letztlich wie eine Seifenblase zerplatzen musste (siehe Cormans THE WILD ANGELS). Zwar kommen beide Stränge im Grunde genommen zum selben Ergebnis, doch treffen sie eben unterschiedliche Diagnosen. THE NORTHVILLE CEMETERY MASSACRE, der ja 1974 eigentlich schon zu spät war, um noch von der friedlichen Weltrevolution zu träumen, gehört eindeutig zur ersten Kategorie, was schon in der Eröffnungsszene deutlich wird: Ein Rentnerpärchen ist mitten in der Einöde des mittleren Westens mit einer Reifenpanne liegengeblieben und der klapprige Gatte schickt sich gerade an, ungeschickt den Reifen zu wechseln, als die Spirits angebraust kommen. Der Mann flüchtet ins Innere des Autos und befiehlt seiner Frau, die Scheiben hochzukurbeln. Die Rocker haben den Wagen derweil erreicht, halten an, steigen von ihren Öfen ab und umzingeln das Auto. Sie ziehen Grimassen, drücken ihre bärtigen Gesichter an die Scheiben und tun alles, um das Ehepaar zu verängstigen. Plötzlich jedoch stellt dieses fest, dass ihr Wagen aufgebockt wird: Die Rocker wechseln ihnen den Reifen! Zum Abschied beugt sich einer der Spirits durch das Beifahrerfenster ins Wageninnere und drückt der entzückten Oma einen dicken Kuss mitten auf den Mund, die sich daraufhin mit verklärtem Blick und um gefühlte 30 Jahre jünger ihrem Ehemann zuwendet. Dann fangen die Credits an zu laufen. Diese Charakterisierung der Rocker durchzieht den ganzen Film: Die Spirits (und auch ihre Genossen aus anderen Gangs) sind zwar ein roher, ungehobelter Haufen, aber absolut harmlos und liebenswert. Ganz anders die Polizei: Für sie steht jeder Biker unter Generalverdacht und um einen oder mehrere von ihnen für eine Nacht einzulochen, werden auch schon einmal haltlose Beschuldigungen aufgestellt. Der Oberschurke des Films ist eben ein Polizist: Ein gewissenloser Faschist, der sich nichts mehr wünscht, als jeden einzelnen der Spirits in die ewigen Jagdgründe zu schicken, und dem zur Erfüllung dieses Wunsches jedes Mittel recht ist. Seine Bösartigkeit wird durch seine Feigheit noch unterstrichen: Gemeinsam mit dem zweifelnden Vater und einem Waffenspezialisten, der sich selbst als Beschützer „seiner“ Herde und die Spirits als auszulöschende Raubtiere ansieht, stellt er sich den Rockern nicht etwa im Kampf entgegen, sondern erschießt sie aus dem Hinterhalt (oder im Showdown aus einem Helikopter heraus), ohne dabei selbst in Erscheinung zu treten. Jeder Schuss ist eine Explosion, die die nichts Böses ahnenden Spirits förmlich in Fetzen reißt.

THE NORTHVILLE CEMETERY MASSACRE, der auf der DVD-Hülle als „The Ultimate Biker Flick“ gepriesen wird, ist wohl vor allem wegen seines immensen Blutvergießens bekannt, das oft Vergleiche mit Peckinpahs THE WILD BUNCH nach sich gezogen hat. Weil Dear und Dyke aber eher unbedarft inszenieren, erschöpfen sich die Parallelen mit genanntem Jahrhundertfilm in der Drastik der Einschüsse (die mich aber gerade in Verbindung mit der erwähnten „Unsichtbarkeit“ der Schützen eher an THE HUNTING PARTY erinnerten) und dem Showdown, der keine Gewinner, nur Verlierer kennt. THE NORTHVILLE CEMETERY MASSACRE bemüht sich um Authentizität, die wohl vor allem durch die Besetzung der Spirits mit einer echten Bikergang (den Scorpions nicht aus Hannover, sondern aus Detroit), aber auch durch die Episodenhaftigkeit, mit der der lustige Bikeralltag gezeichnet wird, erreicht werden soll. Dem stehen jedoch einige komische und wohl satirisch gemeinte Szenen im Weg, etwa jene, in der die Spirits einen Armyfreak aufsuchen, um sich zu bewaffnen, und dieser eine flammende Rede vor dem Star Spangled Banner hält, damit deutlich auf die ikonische Szene aus Schaffners PATTON anspielend. Der Begriff, der den Film am besten umschreibt, ist wohl „naiv“. Nicht erst seit dem medienwirksam aufgebauschten Streit zwischen Hell’s Angels und Bandidos weiß man um die Verbindung so mancher Bikergang zum organisierten Verbrechen und ahnt, dass die Vorurteile der Gesetzeshüter nicht immer so unbegründet waren, wie es hier dargestellt wird. Die schon angesprochene Inszenierung mit ihren schablonenhaften Figuren und den klischierten Szenenabläufen trägt ihren Teil dazu bei, dass man den Filmemachern ihre „Message“ nicht so ganz abnehmen kann.

Ich habe den Film gestern nicht unter idealen Voraussetzungen geschaut, eigentlich nur in Ermangelung einer besseren Alternative. Der Ton auf der „30th Anniversary Edition“ ist zudem stark verrauscht und Untertitel gibt es nicht, was die Sichtung zusätzlich belastet hat. Einen Knaller habe ich sicher nicht erwartet, aber auch wenn man einen eher mittelprächtigen Film antizipiert, muss man doch einräumen, dass THE NORTHVILLE CEMETERY MASSACRE nicht gerade gut gealtert ist. Versöhnlich gestimmt hat mich allerdings der wirklich famose Schluss, also nicht der eigentliche Showdown, sondern tatsächlich die letzten Einstellungen des Films, in denen die Klischeereiterei der vorangegangenen 80 Minuten transzendiert wird und der Film zu einer nicht mehr für möglich geglaubten Wahrhaftigkeit gelangt. Mir fallen auf Anhieb etliche Filme ein, für die ich mir dieses Ende gewünscht hätte. Ein leises Finale eben, aber eines, das darum umso mehr knallt. Wenn ich darüber nachdenke, möchte ich fast den bisherigen Text revidieren. Mal wieder ein Beweis dafür, dass ein gutes Ende die vorher gefestigte Meinung nachträglich (fast) komplett drehen kann.

Veronica (Winona Ryder) ist innerlich zerrissen: Zwar gehört sie auf ihrer Highschool der populären Clique der drei Heathers (Shannen Doherty, Lisanne Falk, Kim Walker) an, die sich wie Herrenmenschen durch die heiligen Hallen bewegen und es sich zum Ziel gesetzt zu haben scheinen, alle „Minderwertigen“ öffentlich zu demütigen, doch eigentlich sind ihr nicht nur dieses Gebaren, sondern auch die drei Freundinnen zuwider. Ihre auch ob der eigenen Rückgratlosigkeit langsam anwachsenden Gewaltfantasien finden schließlich in J.D. (Christian Slater), einem mysteriöser Loner, der sich den typischen Ränkespielchen entzieht, ihren Spiegel. Veronica ist fasziniert von dessen Unangepasstheit und lässt sich von ihm zur Ermordung einer der drei Heathers manipulieren. Der Mord wird flugs als Selbstmord getarnt und die Täter sind aus dem Schneider, was in ihnen die Idee heranreifen lässt, auch andere Unsympathen ihrer Schule zu bestrafen. Doch erstens geht J.D. stets weiter, als Veronica dies will, und zweitens müssen die beiden verdutzt feststellen, dass die eigentlich so verhassten Personen nach ihrem Tod einen deutlichen Popularitätsschub erleben …  

„My teen angst bullshit’s got a body count.“ HEATHERS ist auch dann noch ein reichlich abgründig und verschroben , wenn man auch jene Vertreter des amerikanischen Highschoolfilm-Subgenres in die Betrachtung miteinbezieht, die einen durchaus kritischen Blick auf das Treiben an Schulen werfen. Die sich im Mikrokosmos Schule spiegelnden Auswüchse der auf Egoismus fußenden Erfolgsgesellschaft – die Zweiklassengesellschaft von Jocks und Nerds, von populären Schülern und verlachten Außenseitern, und die sich aus dieser Konstellation ergebenden Grabenkämpfe ums Dazugehören, Sich-Abgrenzen und -Behaupten – werden von nahezu allen dieser Filme aufgegriffen und wie erwähnt von einigen sogar entprechend kommentiert. HEATHERS geht insofern einen Schritt weiter, als er in bestem dialektischen Sinne auch die Reaktion auf diesen Zustand kritisch beleuchtet, sodass sich am Ende nicht nur die Einteilung in angesagte und unbeliebte, sondern auch die in „Schuldige“ und „Unschuldige“ in Luft auflöst. Etabliert Lehmann mit der Hauptfigur Veronica zunächst einen Charakter, der das „System“ trotz seiner Zugehörigkeit von außen zu überblicken scheint, seine Fehlerhaftigkeit und Verlogenheit erkennt und darüber reflektiert, so offenbart sich im Verlauf des Films, dass ihre Reaktion – die durch das teufllische Treiben J.D.s begünstigt wird – nicht etwa umstürzlerisch ist, also ein Anschlag auf das System von außen, sondern im Gegenteil auch nur systemerhaltend. Um dazuzugehören, etwas von der Aufmerksamkeit abzubekommen, deuten selbst ehemalige Mobbingopfer der Toten ihre Beziehung zu jenen noch positiv um, und der Lehrkörper nutzt die Gelegenheit zu heuchlerischen Andachtsveranstaltungen und der Beschwörung eines faktisch gar nicht vorhandenen Zusammenhalts. Veronica steht tatsächlich vor dem mephistophelischen Dilemma (mit umgekehrten Vorzeichen): Sie will das Gute, doch schafft nur mehr Böses.

HEATHERS arbeitet mit den Versatzstücken des Genres, um sie im richtigen Moment zu großem Effekt als solche bloßzustellen und damit nicht nur den Zuschauer, sondern meist auch Veronica auf dem falschen Fuß zu erwischen. Eltern kommen für gewöhnlich schlecht weg in solchen Filmen und auch hier gibt es genug Beispiele für die Gleichgültigkeit, die die Erzieher gegenüber ihren Kindern an den Tag legen. J.D.s Vater ist ein eitler Geck, eine Karikatur vom Mann in den besten Jahren, ein rücksichtsloser Geschäftemacher, der seine Frau in den Selbstmord trieb und mit seinen ständigen Arbeitsplatzwechseln wohl mit dazu beigetragen hat, dass J.D. einfach nicht dazugehören kann, und Veronicas Eltern, deren Leben sich im Verspeisen von Pastete auf der Terrasse zu erschöpfen scheint, machen auch keinen allzu empathischen Eindruck. Doch gegen Ende sagt Veronicas Mutter etwas Erstaunliches, was man fast als „Moral von der Geschicht'“ aus dem Film filtern möchte:  „When teenagers complain that they want to be treated like human beings, it’s usually because they are being treated like human beings.“ Veronicas Sorgen, ihr Wut und ihre Angst, die sie ja selbst schon als „teenage angst bullshit“ entlarvt hat, sind eben kein pathologischer Zustand, der behandelt werden muss, sondern gehören zum Prozess des Erwachsenwerdens dazu. Die Spielchen, die sie an ihrer Schule zu spielen hat, sind eben dieselben, die auch „da draußen“ in der Erwachsenenwelt noch gespielt werden. Man kann sich darüber aufregen und darüber verzweifeln, daran ändern wird man wohl nichts. Auch dann nicht, wenn man zu drastischen Mitteln greift. Aber man kann sich dem Spiel, so weit es geht, verweigern.

Die Inszenierung von HEATHERS reflektiert diesen Erkenntnisprozess. Beginnt der Film fast wie ein beständig zwischen verführerisch und abstoßend pendelnder Traum komplett mit Weichzeichner, Weitwinkel und durch den Synthesizer gejagten Engelschören, die die Entfremdung Veronicas perfekt abbilden, wird er im mörderischen Mittelteil vom Rausch des Bonnie-und-Clyder-Spiels der beiden Protagonisten erfasst, nur um sich zum Ende hin aller auffälligen Verfremdungseffekte zu entledigen und einen ernüchterten, niedergeschlagenen  Ton anzunehmen. Das Feuerwerk aus Pointen und übersteigerten Szenen weicht einer ruhigeren Abfolge eher statischer Szenen, während Veronica sich in der Introspektion übt und eine realistische Bestandsaufnahme wagt, die ihr in der letzten Einstellung den zwar jeder Illusion entledigten, aber immerhin ungetrübten und zuversichtlichen Blick in die Zukunft erlaubt. HEATHERS ist in Deutschland nicht so bekannt, wohl auch, weil seine beiden Stars zum Zeitpunkt des Erscheinens noch keine waren ist, genießt in den USA aber hochverdienten Kultstatus und ist weitaus mehr als „nur“ eine skurrile Teeniekomödie. Auch als solche funktioniert er aber ausgezeichnet, weil die Dialoge geschliffen scharf und die Pointen abgrundtief böse sind.

Bei einer Nahost-Friedenskonferenz in Moskau verübt eine Selbstmordattentäterin einen Anschlag auf den Friedenspreisträger. Sie tut dies im Auftrag von Kadal (Jonathan Cherchi), dem Anführer des islamistischen Staates Sudalia, der die Gelegenheit nutzt, um die westliche Welt per Fernsehbotschaft zu erpressen: In den USA soll eine Atombombe von einem seiner Männer gezündet werden. Die Delta Force soll Kadal unter der Führung von Charlie (Nick Cassavetes) aus seiner Festung entführen und ihm den Namen des Attentäters entlocken. Die Mission steht jedoch zunächst unter einem schlechten Stern, denn unverhofft wird den amerikanischen Soldaten eine russische Einheit zur Seite gestellt. Die ehemals verfeindeten Männer müssen sich zusammenraufen, um die Katastrophe zu verhindern …

Es ist irgendwie putzig: Als DELTA FORCE 3 1991 in den deutschen Videotheken landete, da habe ich mich ihm verweigert. Als Verehrer der ersten beiden Teile (das Poster zum Sequel zierte damals meine Zimmertür) konnte ich es nicht gutheißen, dass man eine Fortsetzung ohne den von mir so verehrten Chuck Norris gedreht hatte. Ein Sakrileg! Der Blick auf die wenig beeindruckenden 08/15-Fressen auf dem Cover festigte meine ohnehin bestehende Meinung nur noch. Ich habe Firstenbergs Film jetzt nach fast 20 Jahren der selbstauferlegten Askese gesehen und kann nur sagen: Ich tat damals wohl ganz gut daran, mich ihm zu verweigern. Damit will ich nun aber keineswegs andeuten, dass DELTA FORCE 3: THE KILLING GAME schlecht ist, sondern lediglich, dass er mir, dem von Eighties-Action geprägten Teenie, damals wahrscheinlich wirklich nicht gefallen hätte. Die Abwendung vom kernig-pflichtbewussten Supersoldaten Norris hin zu den unbekannt-durchschnittlichen Mimen, die den dritten Teil bevölkern, ist durchaus programmatisch und wird auch durch die Tatsache, dass es sich bei diesen um die Söhne weitaus berühmterer Schauspieler handelt (neben Cassavetes agieren Mike Norris, Matthew Penn und Eric Douglas), nicht abgefangen. Anstatt der ikonischen Inszenierung des ersten Teils, der trotz aller Anlehnung an reale Begebenheiten stets auch eifrig bemüht war, Norris als amerikanischen Mythos abzulichten (man denke nur an die Aufnahme, die ihn auf dem Motorrad sitzend als Silhouette vor der aufgehenden Sonne einfängt), gibt es hier sachlich-nüchternes Teamwork ohne herausstechende Helden. Die Mannschaft ist der Star. Zwar ähnelt Firstenbergs Film in Dramaturgie und Setting durchaus noch Golans DELTA FORCE – in seiner Erzählhaltung weckt er Erinnerungen an den dokumentarisch-unterkühlten Agenten- und Söldnerfilm der Siebzigerjahre -, doch verzichtet er auf jene markigen Übertreibungen, die Golan immer wieder einstreute: keine Ballereien mit Panzerfäusten, kein breit angelegter Endkampf gegen den Schurken, kein mit Raketenwerfern bestücktes Motorrad, keine mit dem Star-Spangled-Banner bedeckten Särge und tränenreichen Abschiedszeremonien. Hier wird der Krieg gearbeitet und nicht gelebt.

All diese Abweichungen und Modifizierungen haben natürlich eine Ursache: Der Konflikt zwischen den Amerikanern und Russen, der mit zunehmender Dauer erst dem gegenseitigen Respekt und dann der Freundschaft weicht, ist das deutlichste Zeichen für den geopolitischen Wandel, der sich in den Jahren zwischen Teil 1 und 3 vollzogen hat und sich entsprechend in einem anderen Ton von Firstenbergs Film niederschlägt. Zwar müssen sich – wie auch in Zitos RED SCORPION – vor allem die Russen ändern und bewähren, um als gleichwertige Menschen gelten zu dürfen, aber immerhin gesteht man ihnen diese Fähigkeit nun überhaupt zu. In der Partnerschaft zwischen Sam (Eric Douglas) und Pietre (Mark Ivanir) wird das ganz explizit gemacht: Als der Russe dem Amerikaner vor dem Einsatz gesteht, nach erfüllter Mission in den USA bleiben zu wollen, beziffert Sam die Wahrscheinlichkeit der Erfüllung dieses Wunsches mit 60 : 40, nur um dieses Verhältnis im Verlauf des Films immer weiter zu korrigieren. Freilich, man ahnt es schon, wird die 50 : 50-Marke erst erreicht, wenn Pietre sterbend darniederliegt, was Sam dann die Gelegenheit gibt, den genretypischen Amoklauf zu starten, der auch seinen Tod zur Folge hat. Die Annäherung der beiden Blöcke wird durch zwei Fakoren begünstigt: Zum einen durch die Anwesenheit der attraktiven Irenka (Hana Azoulay-Hasfari), die alle Zweifel mit ihrem Sex-Appeal wegwischt, zum anderen durch die Existenz eines neuen gemeinsamen Feindes, auf den man den Hass projezieren kann, den man vorher füreinander reserviert hatte. Die Moslems sind – natürlich – vollkommen undifferenziert gezeichnet, oszillieren zwischen den sympathischen Charaktereigenschaften „religiös verblendet“, „gewissenlos und machtgeil“ und „tierhaft brutal“. Selbst die Zivilbevölkerung kommt nicht gut weg: Als den verkleideten Soldaten ein Junge vor den Transporter läuft und erschrocken, aber ohne verletzt zu werden, zu Boden geht, bildet sich sogleich ein hysterisch kreischender, die Hände gen Himmel reckender Mob um den Wagen, der erst durch das Eingreifen des Militärs aufgelöst werden kann – wohlgemerkt nachdem Irenka die Waffen der Frau am Kommandanten entsprechend abgewetzt hat.

Man merkt DELTA FORCE 3: THE KILLING GAME an, dass er in einer Zwischenperiode entstanden ist: Die Sowjetunion war zwar nicht mehr der Feind, aber was wirklich folgen würde, welche Konsequenzen sich daraus ergeben würden, war noch ungewiss. Man konnte sich die Welt offensichtlich noch nicht ohne das Blockdenken vorstellen und so ersetzte man die Russen einfach durch einen neuen gemeinsamen Feind. Es müssen zwar keine Fahnen mehr geschwenkt werden, um das eigene Ego zu stärken, aber ansonsten wird sich nichts Wesentliches ändern. Vielleicht ist es dieser Glaube, der im Untertitel THE KILLING GAME steckt: Der Mensch ist des Menschen Wolf und die Regeln des Spiels sind nun einmal wie sie sind. Aber die Welt vor dem Bösen zu retten, ist keine heilige Aufgabe mehr, sondern nur noch ein Job.  Die karatekämpfenden Superhelden sind passé, die nächste Generation kann ins Feuer geschickt werden, eine, die zwar ihre eigenen Methoden hat, aber durch deren Adern eben noch das Blut der Väter fließt. So ist DELTA FORCE 3: THE KILLING GAME: Ein bisschen was Anderes, aber eben noch nichts ganz Neues. Nicht mehr ganz Achtzigerjahre, aber längst noch nicht Neunzigerjahre. Die Witze sollten erst noch folgen.

Herzlichen Willkommen im Mittelmaß! Wurden die Marvel-Verfilmungen der letzten Jahre oft als Anlass genommen, die Rückkehr von B-Movie-Stoffen auf die Kinoleinwände zu feiern, sich über die werkgetreuen und liebevollen Umsetzungen der Comics ins Medium Film zu freuen und ob der nahezu unendlichen Möglichkeiten, die das Marvel-Universum für kommende Filme böte, zu frohlocken, so muss man spätestens mit diesem neuesten Beitrag konstatieren, dass die Seifenblase ziemlich laut geplatzt ist, auch diese „Utopie“ den Weg so vieler Utopien vor ihr gegangen ist: Der schnöde Mammon hat die Kontrolle übernommen und X-MEN ORIGINS: WOLVERINE unterscheidet sich mithin kein Stück mehr von all den anderen seelenlosen, mit CGI aufgeblasenen und um kein noch so abgeschmacktes Klischee verlegenen Eventmovies, mit denen sich Multiplexe vollmachen und Trinkbecher in der angegliederten Burger King-/McDonald’s-/Subway-/Dunkin‘ Donuts-/KFC-Filiale verticken lassen. 

X-MEN ORIGINS: WOLVERINE geht auf ein Comic zurück, dass Wolverines Ursprung ins 19. Jahrhundert verlegt: Dort ist Logan noch ein kränkliches Kind, dessen Leben sich jedoch  in dem Moment schlagartig ändert, als er der Ermordung seines vermeintlichen Vaters beiwohnt. Plötzlich wachsen knöcherne Krallen aus seinen Knöcheln und ein tierischer Trieb übermannt ihn. Nachdem er den Mörder seinerseits umgebracht hat – der sich als sein tatsächlicher Vater herausstellt -, begibt er sich mit seinem ebenfalls mutierten Halbbruder Victor auf die Flucht durch die Jahrzehnte (beide altern nicht wie normale Menschen), die sie durch alle großen kriegerischen Konflikte der USA führt. Gavin Hood wickelt diese eigentliche, reizvolle Originstory im kurzen Prologs und der hübschen Creditsequenz ab, um sich für die verbleibenden 100 Minuten einer Geschichte zu widmen, die nicht nur bereits aus der X-MEN-Trilogie sattsam bekannt ist, sondern sich vor uralten Klischees von der Bruderliebe, die in Hass umschlägt, Rache, Täuschung und Sühne kaum retten kann.

Logan (Hugh Jackman) und Victor (Liev Schreiber) landen in einer von Colonel Strkyer (Danny Huston) geführten mutantischen Spezialeinheit, die während eines Einsatzes in Afrika zerbricht, als Logan der Truppe angewidert vom Sadismus seines Bruders den Rücken kehrt und sich in die Rocky Mountains zurückzieht. Natürlich hat der böse Stryker noch etwas vor mit ihm und als Logans Rachemotor angeworfen wird (Victor ermordet seine Geliebte), ist er für ein Experiment bereit, dass ihn in Wolverine verwandelt und zur unaufhaltsamen Kampfmaschine macht. Natürlich ist das alles nur ein Komplott von Stryker, natürlich ist Logans Gspusi gar nicht tot, natürlich hat sie ihren Verrat gar nicht so gemeint, natürlich liebt sie ihn totzdem, natürlich raffen sich auch die beiden Brüder wieder zusammen, natürlich in einem Moment, als es für Wolverine um die Wurst geht. Und natürlich findet auch dieser Film ein unfassbar abgelutschtes offenes Ende, so als sei es überhaupt noch nötig, den Zuschauer darauf hinzuweisen, dass eine unvermeidliche Fortsetzung folgen wird, ganz so, als würde sich überhaupt irgendjemand für diesen Quark tatsächlich interessieren und nicht bloß ins Kino latschen, weil er zum perfekten Konsumenten degradiert worden ist, der alles, was ihm da verabreicht wird, begierig aufsaugt. 

Die Diskrepanz zwischen dem für X-MEN ORIGINS: WOLVERINE betriebenen Aufwand und dem, was da eigentlich erzählt wird, ist immens. Die Effekte sind State-of-the-Art (aber vollkommen leblos und steril), jedes Bild wird mit voller Rechnerpower auf Pathos und Ikonizität getunt, doch das alles ist zum reinen Selbstzweck verkommen: Hinter diesem Brimborium verbirgt sich gar nichts mehr, außer der nackten Behauptung. „Make believe“ wird hier ganz wörtlich verstanden. Das wird vor allem im letzten Drittel überdeutlich, in dem der Film wie scheintot von Inszenierungsklischee zu Inszenierungsklischee hüpft. Going through the motions, mehr ist das nicht. Konflikte finden nicht statt, sie werden herbeigeredet und behauptet, gar kein Wert mehr darauf gelegt, dass der Zuschauer das irgendwie mitfühlen kann. Was die Inszenierung nicht leistet, legt man den Figuren einfach als Dialogzeile in den Mund. Der Zuschauer wird es vor lauter Krawall schon nicht merken. Natürlich: Keiner erwartet, dass ein Superheldencomic sich wie von Zauberhand in Weltliteratur verwandelt, bestimmte Klischees gehören dazu und wenn man mit einer gewissen Übertreibung und Vereinfachung nichts anfangen kann, sollte man sich diese Filme erst gar nicht anschauen. Aber die SPIDER MAN-Filme von Sam Raimi oder auch die X-MEN-Trilogie haben doch bewiesen, dass man sich diesen Stoffen filmisch annähern, sie ernst nehmen, ihre Relevanz und Lebensnähe herausarbeiten kann, dass man sich nicht bloß auf das vordergründige Gerangel von quietschbunten Computeranimationen reduzieren lassen muss. X-MEN ORIGINS: WOLVERINE ist nicht nur ein seelenloses Fließbandprodukt, er ist eigentlich auch ein Schlag ins Gesicht all jener Comicfans, denen die gezeichneten Figuren ans Herz gewachsen sind, die etwas mit ihnen verbinden. In Hoods Film, in Fleisch und Blut, wirken sie noch flacher, als auf Papier gezeichnet. Aber schön bunt sind sie.

Los Angeles in der nahen Zukunft des Jahres 2004: Während Kopien eines Aids-Impfstoffs den Markt fluten, haben die Polizisten Braniff (Chad McQueen) und Sledge (Gary Daniels) alle Hände voll zu tun, denn das Verbrechen ist vollkommen außer Kontrolle geraten. Hatte die Stadt das Verbrechen vor Jahren durch die Einrichtung einer „Personal Freedom Zone“, in der so genannte opferlose Verbrechen (Drogenhandel, Prostitution etc.) nicht mehr strafrechtlich verfolgt wurden, in den Griff bekommen, hat sich diese Zone nun in ein Kriegsgebiet verwandelt, dessen Konflikte immer mehr über seine Grenzen hinaustreten. Als Braniff und Sledge ein Gangmitglied (Jim Hellwig, der ehemalige Catchprofi „Ultimate Warrior“) in die Zone verfolgen, landen sie im Etablissement des Gangsterbosses Drexal (Joseph Ruskin), der dort Cage Fights veranstaltet. Sledge und Braniff beschließen, sich als Teilnehmer einzuschleusen …

Man merkt es vielleicht schon: FIREPOWER ist inhaltlich etwas zerfahren, packt die Ideen für mindestens zwei Filme in einen, der in der Folge nie so ganz zu sich findet. Pepin ist im PM-Stall für die Science-Fiction-Stoffe zuständig und so versprechen die ersten 20 Minuten ein absolutes Fest, das jedoch leider vertagt werden muss, als sich FIREPOWER in einen Arena-Fight-Film verwandelt. Dieses Subgenre des Actionfilms bezieht seinen Reiz aus der Gegenüberstellung unterschiedlicher Typen und Charaktere, deren Eigenschaften sich in unterschiedlichen Kampfstilen niederschlagen, sowie aus einer Dramaturgie, die der einer Sportveranstaltung nicht unähnlich ist: Man lernt während der Vorkämpfe die einzelnen Teilnehmer kennen, entwickelt Vorlieben und Abneigungen und sieht im Finalkampf idealerweise die Auseinandersetzung zwischen dem eigenen Favoriten und der persönlichen Hassfigur. Die Verteilung der Sympathien wird natürlich durch die Inszenierung gesteuert und die affektive Bindung durch Integration saftiger Spezial- und Toneffekte sowie aufwändige Choreografien gesichert. All das gelingt Pepin auf den ersten Blick nicht: Den Kämpfen fehlt jede dramaturgische Verbindung, weil der Turniermodus unklar ist, die Kämpfer bleiben bis auf eine Ausnahme (Art Camacho als „Viper“) anonym. So prügeln sich Sledge und Braniff dem Ende entgegen und man trauert über die verpassten Möglichkeiten.

Doch halt: Wie bei so vielen PM-Filmen steckt der Teufel auch hier im Detail. Das Turnier ist nämlich von Beginn an ein Fake, weil Drexal und seine Untergebenen das Kampfgeschehen aus einem Hinterzimmer per Computer manipulieren und so dafür sorgen, dass immer der „Richtige“ (= der, der ihnen am meisten Knete verschafft bzw. ihnen gewogen ist) weiterkommt; und verläuft etwas nicht nach Plan, erfinden sie einfach eine Ausnahmeregelung, die einem verwunderten Kämpfer eine unverhoffte Finalteilnahme verschafft. Auch dass die beiden Cops über die Fights ihr eigentliches Ziel aus den Augen verlieren, hat durchaus Methode: Vor allem Sledge geht in seiner neuen Rolle als Cagefighter vollkommen auf und legt ein äußerst unangenehmes Imponiergehabe an den Tag. Schrieb ich zu RIOT noch, dass Daniels in seinen Filmen zwar uncharismatisch, aber stets sympathisch daherkomme, so straft mich FIREPOWER Lügen: Mit blondem Pferdeschwanz, ärmellosem Holzfällerhemd, dämlichen Prolo-Phrasen wie „Rock’n’Roll“ und seinem arroganten Auftreten im Ring stellt er die Sympathien des Zuschauers auf eine harte Probe. Aber auch das ist eine Art Finte des Drehbuchs: Sledge wird von der anscheinend grenzenlosen Freiheit in der „Personal Freedom Zone“ verführt. Endlich kann er seinen niedersten Instinkten frönen und wird dafür auch noch bezahlt. Daniels Schauspiel ist mitnichten eine Fehlleistung, sondern führt zielgenau auf ein Ende hin, das ich hier nicht verraten möchte. Ich habe jedenfalls ziemlich blöd geguckt, als alle vorher als solche identifizierten Mängel plötzlich in einem ganz anderen Licht erschienen. FIREPOWER weist einige solcher Löcher auf, die am Schluss mit einem Mal Sinn ergeben. Mehr als in die Phalanx der mit dystopischen Motiven nur spielender Actionfilme reiht er sich so zwischen den echten filmischen Dystopien ein, indem er eine Welt zeichnet, die nicht nur an der sichtbaren Oberfläche verrottet und abgestorben ist, sondern deren Seelenlandschaften kaum weniger desolat aussehen.