Archiv für Juli, 2017

gou hun jiang tou (ho meng-hua, hongkong 1976)

Veröffentlicht: Juli 31, 2017 in Film
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Die Fortsetzung von JIANG TOU bietet mehr schwarze Magie aus China, ein Wiedersehen mit den Stars Ti Lung und Lo Lieh, krude Effekte und viel Kurzweil – leider aber auch ein irgendwie liebloses Drehbuch, das es versäumt dem Zuschauer klarzumachen, warum er sich für die Charaktere, denen das alles wiederfährt, überhaupt interessieren soll.

In der Eröffnungsszene wird eine arme Frau beim Baden von einem Krokodil gefressen: Ein Zauberer fängt das Biest daraufhin ein, schlitzt ihm den Bauch auf und angelt neben einem Flip-Flop auch einen Armreifen hervor. Was das mit dem Rest des Films zu tun hat? Keine Ahnung, aber es passt trotzdem: GOU HUN JIANG TOU ist nett anzusehen, aber nur wenig nachhaltig. Nichts bleibt wirklich hängen. Der Film handelt von den Versuchen der befreundeten Mediziner Zhongping (Ti Lung) und Zhensheng (Lam Wai Tiu), den Geheimnissen einer bestimmte Spielart der schwarzen Magie auf die Spur zu kommen, mit der Menschen in willenlose Sklaven verwandelt werden. Hinter dem bösen Zauber steckt der Magier Kang Cong (Lo Lieh), der Unliebsame oder auch nur zahlungsunfähige Kunden mithilfe seiner Künste umbringt oder in zombieartige Kreaturen verwandelt und der Muttermilch schöner Frauen seine ewige Jugend verdankt. Sein neuestes Opfer ist Margaret (Lily Li), die Gattin von Zhensheng.

An Wahnsinn mangelt es GOU HUN JIANG TOU nicht und Ho Meng-Huas versierte Regie lässt den Film auch dann noch hübsch aussehen, wenn die Effekte die an ihnen vorübergezogenen Jahre nicht verbergen können. Ein Kampf auf einer Gondelbahn kommt mit schlechten Rückprojektionseffekten herrlich dated daher, die schwachen Zeitraffaufnahmen, mit denen der Zerfall von Kang Congs Opfern in Szene gesetzt wird, war schon 1976 nicht mehr der Weisheit letzter Schluss. Das ist alles nicht so schlimm wie die furchtbare Beliebigkeit, mit der das Drehbuch die für sich genommen hübschen Ideen aneinanderreiht. Der Vorgänger war auch episodisch, aber er wurde durch die vergleichsweise komplexe Figurenkonstellation und die wiedererkennbaren Figuren zusammengehalten. Die Protagonisten hier haben überhaupt keine echten Eigenschaften und ihren Wunsch, hinter das Geheimnis der rätselhaften Tode zu kommen, zieht der Regisseur buchstäblich aus dem Hut. Die Mühe, eine Verbindung zwischen ihnen und Kang Cong herzustellen, macht er sich gar nicht erst. Das erinnert etwas an die Poverty-Row-Horrorfilme von anno dunnemals, in denen allein der Beruf „Reporter“ ausreichend dafür war, die Protagonisten mit allem möglichen Kram zu konfrontieren. Selbst wenn Zhongping da also mit der Zange die Nägel aus den Schädeldecken der Willenlosen zieht, Magieopfer langsam zerfallen, sich wieder einmal Würmer unter der Haut schlängeln, der Zauberer sein Lebenselixier direkt aus der nackten Brust trinkt oder sich Nägel durchs Gesicht bohrt, springt der Funke nicht richtig über. Das ist schade, weil GOU HUN JIANG TOU schon einiges auffährt, um dem Zuschauer im Gedächtnis zu bleiben, und dieser ganze Wahnsinn eine interessantere Geschichte verdient hätte. Irgendwie ein klassischer Fall von Sequelitis.

ERCOLE SFIDA SANSONE ist wahlweise der zehnte Herkules- oder der dritte Samson-Film: 40, 50 Jahre vor dem MCU haben die Italiener es vorgemacht, wie man eine Welt aus muskulösen Helden auf der Leinwand errichtet, die sich in den Filmen dann gegenseitig zur Seite springen konnten. Naja, jedenfalls fast. Auf dem Regiestuhl dieses Crossovers (bei dem auch noch Odysseus mitmischt, in den internationalen und deutschen Verleihversionen sogar im Titel) nahm erneut Pietro Francisci Platz, der schon den ersten Herkules-Film LE FATICHE DI ERCOLE inszeniert hatte. Gerade am Anfang musste ich dann auch einige Déjà Vus überwinden, bevor ich mir sicher war, hier wirklich einen mir noch unbekannten Film zu sehen: Es gibt während der Exposition einige offensichtliche Parallelen zwischen den beiden Filmen, ganze Szenen, die ähnlich aufgebaut sind und den Eindruck erwecken, es hier mit einem Remake zu tun zu haben. Doch das gibt sich dann zum Glück und Francisci kredenzt uns ein ganz neues Abenteuer um die muskelbepackten Haudraufs der Antike.

Alles beginnt damit, dass Herkules (Kirk Morris) ein paar griechische Seeleute gemeinsam mit dem etwas spiddeligen Odysseus (Enzo Cerusico) bei der Jagd auf ein Seeungeheuer begleitet, das die Männer regelmäßig dezimiert. Das Ungeheuer entpuppt sich dann als Nilpferd (?), das man im eingesetzten Stock Footage aber nur rudimentär erkennen kann. Noch dazu tobt ein Sturm, der schließlich dazu führt, dass Herkules, Odysseus und ein paar andere als Schiffbrüchige an fremdes Festland getrieben werden. Es handelt sich um Judäa, wo der Philisterkönig (Aldo Guiffré) das arme Volk knechtet, weil er Samson (Richard Lloyd) unter ihnen vermutet, der geschworen hat, ihn umzubringen. Weil Herkules dasselbe Talent zur barhändigen Ermordung gefährlicher Löwen an den Tag legt, wird er mit dem Gefürchteten verwechselt. Das alles mündet in einem von der geilen Philisterqueen Delilah (Liana Orfei) initiierten Intrigenspiel, bei dem sich die beiden Helden gegenseitig umlegen sollen. Doch natürlich kommt alles ganz anders: Herkules und Samson verbünden sich und fügen den Philistern eine empfindliche Schlappe bei.

Ganz am Anfang des Films gibt es eine Szene, die einen anderen, einen „realistischen“ Peplum antizipiert, der dann leider ausbleibt: Herkules kommt nach Hause zu seiner Familie, erklärt seiner Frau Leria (Diletta D’Andrea), dass er für ein paar Tage weg müsse, während sein vielleicht fünfjähriger Sohn anfängt, mit seinen kleinen Fäusten die Oberschenkel des Papas zu traktieren. Der reagiert darauf wie ein Landwirt, der von einer Fliege belästigt wird und gibt dem Filius einen Schubs, sodass der unter den Tisch rollt. Nur noch mehr angestachelt kriecht er wieder hervor und kloppt erneut auf den Vater ein, bis sein greiser Lehrer endlich ein Einsehen hat und den Buben an den Schultern fortzerrt, damit die Eltern ihre Ruhe haben. Alltag im Hause Herkules eben. Leider lässt Francisci die Gelegenheit, den ersten komplett ereignislosen Peplum, einen, der von den Problemen handelt, die ein Halbgott bei der Erziehung und im Eheleben hat. zu drehen, liegen und konzentriert sich im Folgenden auf die bekannte und beim Publikum beliebte Abfolge von Abenteuern. Da werden dann Ochsen totgeschlagen, Löwen erwürgt, Heerscharen schurkischer Soldaten platt- und uralte Tempelanlagen dem Erdboden gleichgemacht, bis die Helden am Schluss mit triumphierendem Lächeln gen Heimat rudern und ihrem neuen Freund zum Abschied winken. Hervorzuheben ist noch das eminent homoerotische Geflirte zwischen Herkules und Samson, deren Balgerei ein bisschen wie Vorspiel für etwas wirkt, was uns dann leider vorenthalten wird. Hat Bruno Mattei eigentlich schwule Hardcore-Pepla gedreht?

die aktuelle ausgabe vom freitag …

Veröffentlicht: Juli 28, 2017 in Über mich, Zum Lesen
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… enthält einen Text von mir zum eben in ausgewählten Kinos angelaufenen Dokumentarfilm SIE NANNTEN IHN SPENCER, in dem sich zwei Fans auf den Weg machen, ihr Idol zu treffen. Leider fand ich den Film eher fremdschämig und habe die Sichtung deshalb vorzeitig abgebrochen. Also habe ich die Gelegenheit genutzt, etwas zu tun, was ich sehr liebe: über Bud Spencer, Terence Hill und ihre Filme zu schwadronieren. Wer das lesen möchte, sollte sich die aktuelle Ausgabe des Freitag kaufen. Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.

wu gong zhou (keith li, hongkong 1982)

Veröffentlicht: Juli 27, 2017 in Film
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JIANG TOU und MO haben mir dermaßen viel Spaß bereitet, dass ich beschlossen haben, dieser Tage ein paar Hongkong-Horrorfilme nachzulegen. WU GONG ZHOU kenne ich zumindest namentlich schon lange, der Film tauchte unter dem internationalen Verleihtitel CENTIPEDE HORROR immer wieder in Horrorlexika auf, selbst wenn diese nur sehr sporadisch über asiatische Genrevertreter berichteten. Diese Notorität verdankt der bestenfalls durchschnittliche Film wahrscheinlich der Tatsache, dass einige eklige Szenen aufgeboten werden, die man in einem amerikanischen oder europäischen Film vergeblich sucht. Den Höhepunkt hebt sich Regisseur Keith Li für die letzten Minuten auf: Seine Protagonistin erbricht da eine Handvoll lebender Tausendfüßler und das ganze ist nicht etwa ein fadenscheiniger Trick. Die arme Schauspielerin hat diese 20 Zentimeter langen Biester tatsächlich im Mund, zusammen mir breiiger Filmkotze. Das nennt man Berufsethos!

Nach den beiden oben genannten Knallern muss WU GONG ZHOU aber trotz einer solch kulturellen Sternstunde gnadenlos abstinken. Keith Li hatte leider nicht das Glück, seinen Film unter der Ägide der Shaw Brothers drehen zu können, die ihre Produktionen immer unter guten finanziellen Bedingungen und ausgestattet mit fantasievollen Settings, Kostümen und Effekten realisierten. WU GONG ZHOU ist eine deutlich preisgünstigere, tristere Angelegenheit, ihm fehlen die Mittel, sich so richtig dem Wahnsinn hinzugeben, den ich mir erhofft hatte. Die Geschichte ist erneut verworren und undurchsichtig, das ist ja fast immer das Problem, wenn man in der speziellen Erzählhaltung dieser Filmkultur nicht mehr so drinsteckt (weiße Untertitel auf überwiegend weißem Hintergrund haben auch nicht gerade geholfen), aber es fällt hier besonders schwer, ihr zu folgen, weil es auch sonst wenig gibt, was das Interesse wachhält. Ja, auch hier wird viel Schabernack getrieben, aber weder erreicht er den Grad der Absurdität von MO noch verfügt er über eine so gut funktionierende Dramaturgie wie JIANG TOU. Die Effekte sind eher lieblos, das Drehbuch unbeholfen und chaotisch, Inszenierung und Darsteller hölzern, das beste ist noch der Soundtrack, auf dem sich, wenn mich nicht alles täuscht, eine Bill-Conti-Komposition aus ROCKY (oder ist es ROCKY II?) wiederfindet. Nee, das hat zumindest gestern nicht wirklich funktioniert. Aber wegen der Tausendfüßler-Kotzerei hat es sich natürlich trotzdem gelohnt.

 

mo (chih-hung kuei, hongkong 1983)

Veröffentlicht: Juli 27, 2017 in Film
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Wenn man einmal in die weite, wundersame Welt des fernöstlichen Genrefilms eingedrungen ist, weiß man, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die unser beschränktes westliches Fassungsvermögen weit überfordern. MO bzw. THE BOXER’S OMEN, wie der internationale Verleihtitel lautet, lässt nun selbst die irrwitzigsten, konfusesten, schrillsten und beknacktesten Horrorfilme Hongkong-chinesischer Provenienz wie nüchtern-sachliche Übungen in braver Gediegenheit erscheinen. Superlative sind immer so eine Sache und sie werden umso problematischer, je mehr Erfahrungen man sammelt, aber ich kann mit ziemlicher Gewissheit sagen, dass MO zu den absolut wahnsinnigsten Filmen zählt, die ich je gesehen habe. Es vergeht kaum eine Szene, ohne dass man sich vor Unglauben die Augen reibt, vor Lachen den Bauch hält oder vor Ekel den Blick abwendet. Meistens sogar alles zusammen in kurzer Abfolge.

MO verbindet Elemente des Martial-Arts- mit jenen des Horrorfilms: Zu Beginn wird ein chinesischer Kämpfer nach seinem Triumph über den bösen Thaiboxer Bu-bo (Bolo Yeung) von diesem noch im Ring zum Krüppel getreten. Chan Hung (Philip Ko), der Bruder des Unglücklichen, fordert den Bösewicht zur Revanche heraus – und hat das Glück, dass er vom Geist eines Shaolin-Mönches dazu auserkoren wird, einen Fluch von ihm zu heben. Nebenbei lernt er diverse Zauberkunststückchen, die ihm auch im Kampf gegen Bu-bo hilfreich sein werden. Nun, es kommt tatsächlich zum großen Fight und Chan Hung triumphiert mithilfe der Magie und übermenschlicher Kräfte trotz fieser Tricks gegen den Schurken – allerdings ist das nicht etwa das Finale des Films, der danach noch eine gute halbe Stunde weitergeht. Es war der Zeitpunkt, wo ich aufgegeben habe, der Geschichte zu folgen und mich stattdessen voller Staunen dem ganzen sich vollziehenden Wahnsinn hinzugeben.

Es wird viel gezaubert in MO und wenn man die Mühe, den Aufwand und die Entbehrungen betrachtet, die die Magier aufbringen, muss man zu dem Schluss kommen, dass Harry Potter und Konsorten verwöhnte Schnösel sind, denen alles in den Schoß fällt. Zauberei in MO bedeutet, dass man mit glibberigen Leichenteilen hantieren muss, manchmal sogar Eingeweide verschlingen, nur um sie wieder auszukotzen und nochmal zu essen. Der Magier zum Beispiel, der den Mönch in einer ellenlangen Rückblende behext, lagert in seinem Keller hunderte von riesigen Tonkrügen, in denen sich die abscheulichen Zutaten befinden, die er benötigt. Die Palette reicht von halb verwesten Schädeln, in denen noch die Glotzaugen stecken, bis hin zu Gekrösepampe, in der die Würmer zucken. Kein Spaß! In einer anderen Zauberszene wird ein Krokodil aufgeschlitzt und eine Mumie hineingelegt, die sich nach ausführlichem Kotzzauber in einer Frau verwandelt. Für dieses Kunststück sind sogar drei Zauberer nötig, die nicht nur eklige Sachen essen, auskotzen und wieder essen, sondern ihre Kotze auch noch an den nächsten weitergeben, der sie seinerseits mit neuen ekligen Leckereien vermengt, auskotzt und weitergibt. Hmjam! Es ist schwierig, einen Höhepunkt zu benennen, denn es gibt keine Normalität in MO, dafür aber bizarre Geburtszenen wie diese: Einem bedauernswerten Tropf wird die Haut abgezogen wie ein Pyjama, woraufhin er sich dann in einem Gummiadern-Anzug auf dem Boden herumwälzt. Dann läuft ihm blauer Schleim zwischen den Beinen heraus und wenig später entsteigen ihm drei Föten samt Gebärmutter, die rasend schnell wachsen und schließlich als Erwachsene der transparenten Hülle entkommen. Und das geht den ganzen Film so!

Ich könnte tatsächlich Seitenmit Beschreibungen der abstrusen Einfälle und kruden Effekte füllen, unbedingt müssten die Auftritte knuffiger Plüsch-Fledermäuse, -Spinnen und -Raupen erwähnt werden oder der fliegende Kopf, aus dessen Halsstumpf die Nervenstränge und Gefäße heraushängen wie Tentakeln (tatsächlich ein „Standard“ des asiatischen Horrorfilms), aber ich denke, der geneigte Leser weiß, worauf ich hinauswill. MO ist ein einmaliges, unvergleichliches Spektakel, von den Shaw Brothers zudem aufwändig produziert, mit tollen Bauten und Settings. Man hat für die seltsame Boxermär keine Kosten und Mühen gescheut und ist für den Showdown sogar nach Nepal gejettet, um ein paar tolle Bilder einzufangen. Hier gilt der überstrapazierte Satz wirklich: Muss man gesehen haben, um es zu glauben.

 

Wahrscheinlich hat Mario Bava diesen Film mit einem breiten Grinsen im Gesicht gedreht. Ich weiß nichts über seine Entstehung (und habe gerade keine Lust, mir an Tim Lucas‘ Bava-Bibel einen Bruch zu heben), aber einzig die Annahme, dass Bava mit vollem Bewusstsein in die Mottenkiste gegriffen hat, um zu Hochzeiten des Giallos einen aufreizend altmodischen, gnadenlos pulpigen und ultimativ dämlichen Knarzgrusler vorzulegen, hält mich davon ab, seinen GLI ORRORI DEL CASTELLO DI NORIMBERGA als des Meisters unwürdig zu beschreiben. So oder so ist es einer von Bavas schwächsten Filmen, aber Spaß macht er trotzdem, gerade weil er so unfassbar unbedarft wirkt. Und dass man sich darauf verlassen kann, dass er fantastisch aussieht, sollte eh klar sein.

Aber diese hirnrissige Story: Man hat ja schon viele Trottel in Horrorfilmen gesehen, aber Peter Kleist (Antonio Cantafora) schießt den Vogel ab. Als ihm eine Beschwörungsformel in die Hände fällt, mit der man in der Lage sein soll, den alten Baron zum Leben zu erwecken, macht er das sofort. Seine Beweggründe? Reine Langeweile, würde ich sagen, denn weder glaubt er wirklich daran, dass es Zauberei gibt, noch hat er einen Grund, das Gegenteil zu beweisen. Dummerweise schlägt der Zauber an und ab sofort macht der blutgierige Baron die Gegend um das Schloss unsicher. Als erstes muss ein Arzt daran glauben, der den modrigen Adelsmann zu sich hereinbittet, um ihn zu verpflegen und als Dank umgebracht wird. Die Architektin Eva (Elke Sommer) folgert messerscharf, dass der Tote auf das Konto des Wiedererweckten gehen muss: „Nachdem er von den Toten zurückgekehrt war, brauchte er bestimmt ärztliche Betreuung!“ Und einen starken Kaffee wahrscheinlich auch.

Am Ende gibt es eine ganz weltliche Auflösung für den Spuk, die GLI ORRORI DEL CASTELLO DI NORIMBERGA stark in Richtung Edgar Wallace lenkt. Die Morde sind allerdings deutlich happiger als das was, deutschen Zuschauern in den Gruselkrimis vorgesetzt wurde: Besonders im Gedächtnis bleibt das Ende des armen, schwachsinnigen Hausmeisters Fritz (Luciano Pigozzi), der in einer eisernen Jungfrau landet und danach ziemlich dumm aus der Wäsche guckt. Leider ist das alles aber weder besonders nachhaltig noch zeugt es von jenem untrüglichen Stilbewusstsein, das Bavas beste Arbeiten auszeichnete, sondern erinnert eher an eine Geisterbahn, die ihre besten Zeiten schon hinter sich hat. Die schöne Fotografie reißt es raus und insgesamt ist GLI ORRORI DEL CASTELLO DI NORIMBERGA natürlich viel zu sympathisch, um ihn wirklich zu verreißen. Aber „gut“ ist definitiv was anderes.

jiang tou (ho meng-hua, hongkong 1975)

Veröffentlicht: Juli 24, 2017 in Film
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Ich schaue definitiv zu wenig Horrorfilme aus Hongkong.  Asien ist als Kinokontinent bei mir ja generell sträflichst unterrepräsentiert, vielleicht bietet der gute alte HK-Horror einen guten Anlass, daran etwas zu ändern. JIANG TOU, international bekannt als BLACK MAGIC, in Deutschland als OMEN DES BÖSEN, hat jedenfalls reichlich Lust auf mehr gemacht – auch bei der gleich hintergeschobenen Zweitsichtung noch. Das Schöne an der Art Horrorfilm, die Ho Meng-huas JIANG TOU vertritt, ist zum einen die stark regionale Verwurzelung sowie die bunt-chaotische Verknüpfung von Handlungs- und Stilelementen, die im Horrorfilm westlicher Prägung garantiert niemals zusammenfinden. Unerwartete Wendungen kommen hier mithin immer noch eine Nummer unerwarteter als man es gemeinhin erwartet (hihi). Und wenn es eklig wird, dann auf eine Art und Weise, die einem alles zusammenzieht, selbst wenn drumherum blühender Blödsinn angesagt ist.

In JIANG TOU geht es um den Zauberer Shan Jianmi (Ku Feng), der Bittstellern gegen Geld und Geschmeide seine Dienste zur Verfügung stellt. Vor allem Unglückliche in Liebesdingen suchen ihn in seiner Hütte auf, um von ihm etwa die Ermordung des untreu gewordenen Ehemanns und seiner Geliebten zu fordern oder die Gefügigkeit einer verehrten Person. Konkret sucht der etwas schmierige Lang (Lo Lieh) den Magier auf, weil er ein Auge auf die zickige High-Society-Tante Luo Yin (Tien Ni) geworfen hat, die ihn wiederum nur abstoßend findet und viel lieber mit dem attraktiven Bauingenieur Su Lang (Ti Lung) anbandeln würde, der aber leider schon an Quming (Lily Li) vergeben ist. Es folgt wüstes Gezaubere und Gehexe, in das irgendwann auch ein guter Magier eingreift, um den Helden zu helfen. Und natürlich ist am Schluss alles gut.

Für westliche Zuschauer besteht der Reiz zu allererst darin, Zauberei als etwas Alltägliches vorgesetzt zu bekommen: Zwar kommen einige der handelnden Figuren zum ersten Mal mit ihr in Berührung, dennoch sieht man in JIANG TOU eine Gesellschaft, an deren Rändern es durchaus noch einen Platz für Magie gibt. Shan Jiangmi ist letztlich so etwas wie ein Heilpraktiker, der den Menschen seine Hilfe anbietet und tatsächlich ein Handwerk beherrscht. Seine Zauber funktionieren dann ja auch wirklich: Luo Yin erliegt nach dem Schluck vom Liebestrank dem Charme ihres Verehrers zumindest für eine Nacht, Su Lang wird zum willenlosen Zombie, der seine Verlobte von einem Moment auf den nächsten verlässt, das Pärchen aus dem Prolog wird durch klassischen Voodoopuppen-Zauber den ewigen Jagdgründen zugeführt. Die Polizei interessiert das alles herzlich wenig, das Gesetz spielt überhaupt keine Rolle in JIANG TOU, die Betroffenen sind auf sich allein gestellt.

Beklemmung oder gar Furcht löst Ho Meng-huas Film dennoch zu keiner Sekunde aus, dafür ist er dann doch zu seifenopernhaft und zu sonnig im Gemüt – und für europäische Betrachter wohl auch zu skurril und fremdartig. Wenn es einen dann doch einmal schüttelt, dann ist das den diversen Geschmacklosigkeiten und garstigen Effekten geschuldet, in denen mit Vorliebe glitschiges Gewürm zum Einsatz kommt. Einsamer Höhepunkt in dieser Hinsicht ist der Blick auf den Brustkorb der armen verhexten Quming, unter deren Haut man sich windende Würmer erkennen kann. Der gute Zauberer kennt zum Glück das Heilmittel: Er rammt der Armen kurzentschlossen ein Röhrchen ins Kreuz, aus dem sogleich schwarze, mit Blut vermischte Würmer in eine Schüssel tropfen. Su Lang bekommt hingegen eine Hirnoperation und wird im Anschluss mit Tausendfüßlerbrei gefüttert, ein faulender Finger unterm Bett fungiert an anderer Stelle als Bannzauber. Das Finale auf einer Baustelle wird mithilfe visueller Effekte der Zeit absolviert, die heute nur noch rührend wirken, bevor Su Lang noch einmal beherzt ein paar Regenwürmer mit Blut auskotzt. Das macht alles Riesenspaß, selbst wenn ich einräumen muss, dass sich diese Zusammenfassung wahrscheinlich deutlich spektakulärer liest, als sich der Film wirklich darstellt. Am besten tritt man nicht in Erwartung des nächsten großen Ekelschockers an JIANG TOU heran, sondern lässt sich einfach von seinem Charme verzaubern. Dann ist allerdings große Freude garantiert.

Mit LA POLIZIA INCRIMINA LA LEGGE ASSOLVE war Castellari 1973 vielleicht für die Sternstunde des italienischen Polizeifilms verantwortlich gewesen. Für IL GIORNO DEL COBRA kehrte er sieben Jahre später noch einmal zu dessen Stilistika zurück: ein treibender Score, Franco Nero in der Hauptrolle, Verfolgungsjagden und Schießereien und die Erkenntnis, dass der Einzelne gegen das organisierte Verbrechen keine Chance hat. In diesem Fall ist es kein Polizist, der die bittere Lektion lernen muss, sondern ein geschasster Ex-Cop, der sich als Privatdetektiv mehr schlecht als recht über Wasser hält, aber von seinem alten Chef für einen neuen Fall rekrutiert wird, der ihn von San Francisco nach Genua führt, in seine alte Heimat.

Franco Nero interpretiert den Detektiv Larry Stanziani als guten, aber auch reichlich schmuddeligen Typen in der Tradition der Film Noir und des Pulpromans (eine besonders schattige Sequenz darf man als Liebeserklärung Castellaris an die „Schwarze Serie“ verstehen). Um ihn als Menschen greifbarer zu machen, zaubert Drehbuchautor Aldo Lado irgendwann einen Sohn aus dem Hut, der keine andere Aufgabe hat, als den Papa anzuhimmeln: Man ahnt, worauf das hinausläuft und wird dann auch nicht enttäuscht. Was allerdings in LA POLIZIA INCRIMINA noch absolut niederschmetternd wirkte, ist hier schon von Weitem als billiger Drehbuchtrick zu erkennen. IL GIORNO DEL COBRA ist voll von solchen Momenten, in denen man merkt, dass „innere Logik“ bei der Fertigung des Films nicht gerade oberste Priorität genoss und die Klischees besonders locker saßen. Der Zufall hilft mehr als einmal tatkräftig mit und Stanziani löst den Fall weniger, als dass er auf die Lösung gestoßen wird. Wer hier Substanz erwartet, wird leider enttäuscht werden.

Gute Unterhaltung bietet Castellaris Film dennoch, und wer ein Faible für das italienische Crimekino der Siebziger hat, macht auch mit diesem Beitrag nichts falsch. IL GIORNO DEL COBRA ist schwungvoll inszeniert, Franco Nero ist natürlich super, genauso wie die Musik von Paolo Vasile, Langeweile kommt zu keiner Sekunde auf. Was man vermisst, ist ein Quäntchen Originalität oder eben diese Extraklasse, die man in LA POLIZIA INCRIMINA bewundern durfte. IL GIORNO DEL COBRA ist ein Epigone, ein deutlich von kommerziellen Interessen geleiteter Film, in den gewiss niemand, auch Castellari nicht, besonders große Ambitionen investierte. Es ist einfach ein netter Crimefilm, der erheblich von seinem Zeit- und Lokalkolorit profitiert – und natürlich von all den Zutaten, von denen Freunde des Italofilms nicht genug bekommen können. Das reicht für generelles Wohlwollen und Amüsement, aber nicht für höhere Weihen.

LISA E IL DIAVOLO habe ich vor gut 20 Jahren zum letzten Mal gesehen und konnte mich vor diesem Wiedersehen an rein gar nichts mehr erinnern: Ich glaube, Bavas Film war schon damals an mir vorübergerauscht wie ein Nebelschleier, was ich nicht negativ verstanden haben möchte, im Gegenteil. LISA hat eine seltsame Qualität, ist eigenwillig erzählt – aber am Ende, und das ist das eigentlich Rätselhafte an ihm, eigentlich gar nicht so ungewöhnlich. Dass man ihn nicht so richtig einordnen kann, sich während der Sichtung seltsam desorientiert fühlt, liegt wohl darin begründet, dass Bava einen klassischen Gothic-Horror-Stoff mit stilistischen Mitteln umsetzt, die man damit nicht verbindet.

Die Titelheldin Lisa (Elke Sommer) ist eine Touristin, die sich während einer Sightseeing-Tour schon nach kurzer Zeit von ihrer Freundin trennt. In einem Antiquitätenladen trifft sie auf einen Mann (Telly Savalas), der eine Schaufensterpuppe unter dem Arm trägt und außerdem so aussieht, wie der Teufel auf einem alten Fresko. Lisa verirrt sich in den Straßen der Altstadt, trifft den rätselhaften Mann wieder und wird wenig später von einem anderen Herrn angesprochen, der sie mit einer Elena verwechselt, die offensichtlich seine Geliebte ist. Lisa schubst den Mann weg, der daraufhin einer Treppe hinabstürzt und tot ist.

Ihr weiterer Irrweg führt Lisa schließlich mit dem aufgrund einer Autopanne gestrandeten Ehepaar Lehar (Eduard Fajardo und Sylvia Koscina) in eine alte Villa, in der eine Gräfin (Alida Valli) mit ihrem Sohn Max (Alessio Orano) und dem Diener Leandor (Telly Savalas) residiert. Max zeigt sofort Interesse an der schönen Lisa, in der auch er eine Elena wiederzuerkennen glaubt. Und dann taucht auch noch der Mann auf, den Lisa eigentlich umgebracht zu haben glaubte. Es folgen diverse Morde, bis sich das Rätsel am Ende in denkbar unerwarteter Weise entwirrt.

LISA E IL DIAVOLO ist ein lupenreiner Geisterfilm, der mich stark an Margheritis meisterhaften LA DANZA MACABRA erinnert hat. Was beide Filme unterscheidet, ist natürlich vor allem die Farbe: Margheritis Film schummert im genretypischen Schwarzweiß vor sich hin, LISA hingegen zeigt große Opulenz und Farbenpracht. Es gibt wenig Düsternis in Bavas Film und so wirkt auch seine Spukgeschichte deutlich weltlicher als in den Gothic-Gruslern, die ca. zehn, fünfzehn Jahre zuvor entstanden. In den alten Geisterfilmen wird ja jeder Zweifel, der an der Existenz des Übernatürlichen vielleicht bestehen könnte, relativ schnell zerschlagen. In LISA E IL DIAVOLO ist das anders, der ganze Film bezieht seine Spannung eigentlich daraus, dass man auf der Seite der ebenso rat- wie hilflosen Lisa steht, die mehr und mehr an ihrem Verstand zweifelt. LISA erinnert stilistisch und in seiner Plotentwicklung stark an die Giallos, die zu dieser Zeit reüssierten. 1973 war die Sternstunde des italienischen Gruselfilms längst vorbei und Bava zeigt in LISA keinerlei Bemühungen, seinen Stil wiederzubeleben. Stattdessen unterzieht er ihn einer Modernisierung, in der eine Portion unterschwelligen Humors nicht fehlen darf. Man weiß lange nicht so genau, was man von Bavas Film eigentlich halten soll: Die Bilder lenken in eine Richtung, die Geschichte in eine andere. So gewinnt LISA E IL DIAVOLO eine Meta-Qualität, die adäquat zu beschreiben mir auch nach dieser neuen Sichtung enorm schwerfällt.

Bavas Film ist keiner seiner vielbesungenen, aber meiner Meinung nach einer seiner interessantesten. Und dass man sich natürlich darauf einstellen kann, hier wieder einmal die visuelle Vollbedienung zu erhalten, muss nicht noch extra erwähnt werden.

 

zum tod von george a. romero

Veröffentlicht: Juli 21, 2017 in Film, Zum Lesen
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Etwas verspätet ein Nachruf von mir zum Tod von George A. Romero am vergangenen Montag. Für Critic.de habe ich mir ein paar Gedanken zu seiner Karriere gemacht und versucht zu erklären, was den Erfinder des modernen Zombiemythos als Filmemacher eigentlich so besonders gemacht hat. Wir sind uns sicher alle einig darüber, dass NIGHT OF THE LIVING DEAD und DAWN OF THE DEAD nicht nur zwei veritable Meisterwerke, sondern darüber hinaus auch absolute Gamechanger auf dem Konto hat (von THE CRAZIES, MARTIN, KNIGHTRIDERS oder DAY OF THE DEAD reden wir noch gar nicht), aber auch seine schwächeren Filme zeigen seine unverkennbare Handschrift, die allerdings selten Objekt intensiver Auseinandersetzung war. Mit Romero ist ein Filmemacher gegangen, der sich nie hat kompromittieren lassen, den Bruch oder das unpersönliche Kommerzprodukt sucht man in seiner Filmografie vergebens. Meinen Nachruf könnt ihr hier lesen.